Seltenerd-Recycling mit Bakterien und Algen

Unter Federführung der IMC FH Krems entwickelt ein transnationales Team ein biotechnologisches Recycling-Verfahren für Seltenerdelemente aus Elektronikschrott. Tecnet Equity hat das Projekt in Antrag und Umsetzung begleitet.

Bild: REEgain
Elektronikschrott wird zermahlen und Mikroorganismen „verabreicht“, die daraus selektiv Seltenerdmetalle anreichern können.

Unter dem Begriff „Seltene Erden“ werden die Elemente der dritten Nebengruppe sowie die (im Periodensystem meist stiefmütterlich an den unteren Rand gedrängten) Lanthanoide zusammengefasst – insgesamt 17 Metalle, die in zahlreichen technischen Anwendungen von hohem Nutzen sind, etwa in Plasmabildschirmen, Permanentmagneten, Akkus oder Leuchtstofflampen. So selten, wie ihr Name suggeriert, kommen sie in der Erdkruste gar nicht vor, ihre Gewinnung ist geopolitisch aber sehr ungleich verteilt: Hauptlieferant ist China, das – je nach Quelle, die man konsultiert – zwischen 60 und 85 Prozent der Weltproduktion bereitstellt. Meist werden die Erze, aus denen die Metalle gewonnen werden, im Tagbau abgebaut – dabei muss viel Gestein umgewälzt werden, um geringe Mengen der begehrten Ware zu erhalten, die eingesetzten Chemikalien hinterlassen gravierende Umweltschäden. Alternative Quellen zu erschließen, wäre daher gesellschaftlich höchst wünschenswert.

Forscher der IMC FH Krems und der Donau-Universität Krems entwickeln im Rahmen des Projekts "REEgain" (von englisch "rare earth element") gemeinsam mit Kollegen der Karl-Landsteiner-Universität und der tschechischen Akademie der Wissenschaften ein Verfahren, bei dem Bakterien, Hefen und Algen dafür eingesetzt werden, Seltenerdelementen aus Elektronik-Abfällen zurückzugewinnen. Diese werden zu einem feinen Pulver zermahlen und in Lösung gebracht, in den darauf kultivierten Mikroorganismen kommt es zur Anreicherung der Lanthanoide. Anschließend wird das biologische Material fraktioniert, um zu sehen, in welchem Kompartiment – an der Zelloberfläche, in der Zellwand, im Inneren – sich wie viel gesammelt hat. Das Verfahren könnte auch einer der größten Herausforderungen der Seltenerdchemie begegnen: Die Elemente der Reihe sind untereinander sehr ähnlich und lassen sich daher auf chemischem Weg schwer voneinander trennen. In der Biotechnologie sieht das anders aus: „Verschiedene Organismen lagern die verschiedenen Seltenerdmetalle in unterschiedlicher Menge ein“, sagt Schild. Es könnten daher in einem zukünftigem Industrieszenario Prozesse zum Einsatz kommen, die mehrere biologische Helfer nebeneinander nutzen und so eine Fraktionierung der Elemente bewirken können.

 

Doppelter Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

Die zur Finanzierung des Projekts gewählte Förderschiene „Interreg V B“ (ein EU-Programm zur Förderung der grenzüberschreitenden territorialen Zusammenarbeit) birgt aber Fallstricke in der Antragsphase: Einerseits soll dezidiert ein Forschungsprojekt und nicht die Entwicklung eines industriellen Prototyps gefördert werden, andererseits muss begründet werden, warum das Vorhaben dennoch von gesellschaftlicher Relevanz ist. Um den Blickwinkel für die Argumentation zu schärfen, arbeitete die IMC FH Krens mit dem „r2v-Programm“ des Hightech-Finanzierers Tecnet Equity zusammen. „Wir haben mit dem Forschungsteam erarbeitet, dass man – auch wenn es im Projekt um wissenschaftliche Grundlagen geht – bereits in dieser Phase eine Perspektive dafür entwickeln kann, mit welchen Schritten und mit welchen Partnern man zu einer Anwendung kommen kann“, sagt dazu Tecnet-Experte Lukas Madl.

„Dabei wurde unser Horizont erweitert“, meint Schild: „Wir haben zu Beginn gar nicht in die Richtung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung unseres Projekts gedacht. Lukas Madl hat uns dafür sensibilisiert, die Adressaten eines solchen Förderantrags auf diese Aspekte anzusprechen.“ Gleichzeitig wurde gemeinsam überlegt, wer von einem solchen Verfahren Nutzen ziehen könnte – etwa Unternehmen der Abfallwirtschaft, aber auch der Elektronik-Industrie selbst. Auf diese Weise ergaben sich auch Kontakte zu den Entsorgungsunternehmen Saubermacher und Stark, die als Technologiepartner des Projekts fungieren. Zudem konnte man in Kooperation mit dem vierköpfigen Team des Forschungsservice der IMC FH Krems eine Patentstrategie erarbeiten und die Mitarbeiter des Projekts in der Recherche in öffentlich zugänglichen IP-Datenbanken trainieren.

„Zielsetzung des r2v-Programms ist es, aus Forschungsergebnissen Wertschöpfung zu generieren“, fasst Tecnet-Geschäftsführerin Doris Agneter zusammen: „Das hat einen wirtschaftlichen Aspekt, es geht aber auch darum, einen positiven Effekt auf die Umwelt und das Leben der Menschen zu erzielen.“ Dieser zweite Aspekt kommt beim Projekt zum Seltenerd-Recycling besonders zum Tragen: „Wertschöpfung bedeutet in diesem Fall einen doppelten Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft“, analysiert Madl: „Einerseits soll letztlich ein profitables Geschäftsmodell entstehen, andererseits wird durch die Verhinderung von Umweltschäden auch ein sozialer und ökologischer Wert erzielt.“