Taten statt Sonntagsreden

Laut Berechnungen im Auftrag der Pharmaindustrie bringen von ihr finanzierte klinische Studien Österreich einen volkswirtschaftlichen Nutzen von über 144 Millionen Euro pro Jahr. Daher gelte es, die Rahmenbedingungen für derartige Untersuchungen gründlich zu verbessern.

Foto: Stefan Csaky
Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog: mehr Innovationsfreundlichkeit gefragt

 

Tendenziell sinkt die Zahl der klinischen Studien, die in Österreich durchgeführt werden. Liefen 2013 noch 497 derartige Untersuchungen, waren es 2018 lediglich 455. Dies bedeutet gegenüber 2017 zwar einen Anstieg um zwei Studien. Und die Zahl der beantragten klinischen Untersuchungen erreichte 2018 mit 283 Stück den höchsten Wert seit 2013 (316 Stück). Für Entwarnung gibt es jedoch keinen Grund, betonten der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Alexander Herzog, und Stefan Kähler, der Vorsitzende des Standing Committee Klinische Forschung der Pharmig, am 4. März in Wien. In Belgien etwa würden rund doppelt so viele Studen durchgeführt wie hierzulande, und das politische Klima sei „viel innovationsfreundlicher“, erläuterte Herzog: „In Österreich beschränkt sich die Politik zumeist leider auf Sonntagsreden.“ Dabei seien die Anzahl und der Durchsatz klinischer Studien mittlerweile ein relevanter Faktor für Entscheidungen über Investitionen in einem bestimmten Land: „Da geht es nicht nur darum, ob man einen Autobahnanschluss für seine Fabrik bekommt.“ Überdies mache sich an den medizinischen Universitäten eine gewisse Ausdünnung der Ressourcen bemerkbar. Sie tendierten zunehmend zur freilich unbedingt nötigen medizinischen Grundversorgung, was zulasten der ebenso dringend benötigten Forschung gehe. In Belgien stehe deutlich mehr Fachpersonal für die Forschung zur Verfügung, auch die Ethikkommissionen arbeiteten dort schneller: „Generell ist man als Industrie dort eher willkommen und wird weniger kritisch beäugt als in Österreich.“ Keine Rolle über die Entscheidung, eine klinische Studie in einem bestimmten Land durchzuführen, spielt laut Herzog, ob ein Pharmamaunternehmen dort seinen Stammsitz hat.

 

Mehr Personal, weniger Bürokratie

 

Kähler zufolge wäre es notwendig, auch in Österreich mehr Personal für die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen. Dabei gehe es nicht nur um die Ärzteschaft, sondern auch um „Study Nurses“, die die Studien organisatorisch begleiten und betreuen. Ferner müsse die Verwaltung vereinfacht werden, insbesondere, was die Vertragsgestaltung und die Kostenberechnung im Zusammenhang mit klinischen Studien betrifft. Benötigt werde überdies eine stärkere Vernetzung zwischen den Spitälern und den sonstigen Trägern des Gesundheitssystems. Verbessert werden müsse auch das „Image“ der klinischen Studien: „Das sind ja keine Feldtests.“ Weiters gelte es, das Bewusstsein des Personals in den Spitälern hinsichtlich der Vorteile der Studien für die Patienten zu steigern: „Oft werden Patienten, denen die Teilnahme an einer klinischen Untersuchung aller Wahrscheinlichkeit nach nutzen würde, nicht einmal gefragt, ob sie mitmachen möchten.“

 

Nutzen unbestritten

 

Keinen Zweifel gibt es laut Herzog und Kähler am wirtschaftlichen Nutzen von der Industrie bezahlter klinischer Studien für das Gesundheitswesen und die Volkswirtschaft Österreichs. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang auf eine Studie des Instituts für pharmaökonomische Forschung (IPF) aus dem vergangenen Jahr, die Kähler als „bisher einzigartig“ bezeichnete. Sie bezieht sich auf den Fünf-Jahres-Zeitraum 2012 bis einschließlich 2017, in dem 15 international tätige Pharmaunternehmen mit einer kumulierten Marktabdeckung von rund 82,5 Prozent in Österreich 574 klinische Studien durchführten. Von diesen wurden im untersuchten Zeitraum 419 abgeschlossen, die übrigen 155 waren noch im Gange. Laut IPF-Geschäftsführerin Evelyn Walter ließ sich für das Jahr 2018 eine volkswirtschaftliche Wertschöpfung von etwa 144,2 Millionen Euro ermitteln. Die Zahl der durch die Studien abgesicherten Arbeitsplätze kann ihr zufolge mit 2.021 angegeben werden. Nach Angaben Walters trägt die Industrie im Rahmen ihrer klinischen Studien jedes Jahr Behandlungskosten von etwa 100,5 Millionen Euro: „Das entspricht 0,3 Prozent der aktuellen jährlichen Gesundheitsausgaben in Österreich.“