VCI fordert „echte Nachhaltigkeitsstrategien“

Mit einem Fünf-Punkte-Programm will der deutsche Chemie- und Pharmaverband den „Neustart nach Corona“ ermöglichen. „Investive Ausgaben“ der öffentlichen Hand spielen dabei eine nicht ganz unwesentliche Rolle.

Foto: Evonik / Frank Preuss
VCI-Präsident Christian Kullmann: „Unternehmertum und Anreize statt Dirigismus und Verbote“

 

Sein Programm für den „Neustart nach Corona“ präsentiert der deutsche Chemie- und Pharmaindustrieverband VCI in seinem aktuellen Politikbrief. Und VCI-Präsident Christian Kullmann stellt in seinem Vorwort klar: Die viel beschworene „neue Normalität“ soll sich nicht allzu sehr von der bisherigen unterscheiden. Im Wesentlichen erheben Kullmann und der VCI in dem Papier eine Reihe seit langem bekannter Forderungen. Der Präsident selbst etwa betont in seinem Vorwort einmal mehr: „Zusätzliche Gängelung darf es nicht geben. In dieser schweren Krise dürfen uns nicht noch mehr Lasten aufgebürdet oder neue unrealistische Ziele verkündet werden.“ Das ist nicht zuletzt ein Wink in Richtung der EU-Kommission, die bekanntlich an einer Überarbeitung ihrer Klima- und Energieziele für 2030 arbeitet und ihren „Green Deal“ entsprechend adaptieren möchte. Dass er unter anderem auf die Entschärfung der diesbezüglichen Überlegungen abzielt, macht Kullmann klar, wenn er schreibt: „Am Klimaschutz ausgerichtete Post-Corona-Konjunktur- und Investitionsprogramme, die längerfristig ausgelegt sind, wären auch für die chemische Industrie hilfreich. Diese müssen nun intelligent mit den Maßnahmen für eine kurzfristig wirtschaftliche Erholung verknüpft werden. Was wir brauchen, sind echte Nachhaltigkeitsstrategien – und keine Projekte, die sich rein an der ökologischen Komponente orientieren.“

Nachfolgend formuliert der VCI fünf Empfehlungen, mit denen seiner Ansicht nach der „Neustart nach Corona gelingt und Deutschland und Europa sogar gestärkt aus dieser Krise hervorgehen können“.

 

Erstens fordert der Verband, den „Normalbetrieb wieder(zu)herstellen“ und den Lock-down „zügig, aber mit Augenmaß“ zu beenden. Das bedeutet unter anderem die „Verlängerung von amtlichen Fristen sowie Flexibilität und Pragmatismus bei der Umsetzung von Regeln aus Deutschland und der EU. Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sind das Gebot der Stunde“.

Zweitens ist der freie Güterverkehr zu fördern, wobei vor allem „der Abbau von Handelsbarrieren und die Vereinfachung von Zollverfahren“ auf der Wunschliste des VCI stehen. Und weil die Industrie zumindest bis auf Weiteres ohne menschliche Arbeitskräfte nicht auskommt, ist auch der „barrierefreie Grenzübertritt für Pendler rasch und vollkommen“ wieder herzustellen.

Drittens gilt es, die Liquidität der Unternehmen zu stärken, nicht zuletzt mit „Fälligkeitsverschiebungen bei Lohnsteuer, Steuernachzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen sowie bei der Rückzahlung von Überbrückungskrediten“. Auch die Stundung bzw. „gar ein Teilerlass“ von Krediten wäre laut VCI ratsam. Notwendig ist dem Verband zufolge selbstverständlich auch ein „wettbewerbsfähiges Steuersystem für Unternehmen“. Und der VCI warnt, vielleicht nicht ganz ohne Pathos: „Steuererhöhungen und Vermögensteuern wirken wie pures Gift und sind unbedingt zu verhindern.“

 

„Wachstumskräfte entfesseln“

 

Der Wunschzettel wäre freilich unvollständig, forderte der VCI nicht viertens, die „Wachstumskräfte (zu) entfesseln“. Und dazu soll die öffentliche Hand einigermaßen tief in die Tasche greifen: Um nicht weniger als 50 Milliarden Euro pro Jahr sollen, nein, „müssen“ die „investiven Ausgaben der öffentlichen Hand für ein Jahrzehnt ausgeweitet werden“, was summa summarum immerhin 500 Milliarden Euro an (indirekter) Wirtschaftsförderung ergeben würde. Hinzu kommen nicht näher definierte „Anreize für private Investitionen“ sowie zusätzlich „steuerliche Investitionsanreize und der Ausbau von innovationsfördernden Programmen wie die steuerliche Forschungsförderung“ und, wie könnte es anders sei, das Heischen um den „Abbau von Bürokratie und Belastungen aus deutschen und EU-Regulationen“.

Fünftens sind ferner die „Potenziale des Binnenmarktes“ zu heben, vor allem seine Fähigkeiten „als großer Absatz- und Investitionsmarkt“. Und weil infolge der COVID-19-Pandemie „einigen EU-Ländern der Staatsbankrott droht“, muss der Europäische Stabilitätsmechanismus „weiterentwickelt“ werden. Mit anderen Worten: Das immer wieder beschworene Disziplinierungsinstrument für die öffentlichen Haushalte sollte nicht ganz so streng angewandt werden, wenn es darum geht, die EU aus der Krise „herauszuinvestieren“, wie gelegentlich von Wirtschaftsvertretern verlautet.

 

Letzten Endes aber gilt jene Devise, die immer gilt, in guten wie in schlechten Zeiten: „Unternehmertum und Anreize statt Dirigismus und Verbote“. Damit kommt die Wirtschaft Deutschlands und der EU nach Ansicht des VCI aus der Corona-Krise - ein wenig vielleicht auch auf Staatskosten.