Vom kleinen Reaktor zum großen Wirbelschichtverfahren

Franz Winter hat im Rahmen des CD-Labors für "Verfahrenstechnik bei hohen Temperaturen" sein Konzept der "Chemischen Ähnlichkeit" einsetzen können. Für <a href=http://www.industry.siemens.com/metals%2Dmining/en>Siemens VAI</a> konnten für neue Verfahren zur Eisenherstellung Verbesserungen bei der Prozesssteuerung und bei der Rohstoffauswahl identifiziert werden, für die <a href=http://www.voestalpine.com>voestalpine</a> wurde der Einfluss von Ersatzreduktionsmitteln auf den Hochofenprozess dargestellt. <% image name="Puhong" %><p> <small> FINEX wurde im koreanischen Pohang von Posco umgesetzt. &copy; Siemens </small> Im kleinen Labormaßstab die Großanlage simulieren: Das ist der Job von Franz Winter am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Biowissenschaften der TU Wien. Als eine von gerade einmal einer Handvoll Forschergruppen untersucht er mit seinem Team die Reduktion von Feinerzen in Wirbelschichtreaktoren für neue Eisenerzeugungsverfahren, die Siemens VAI mit internationalen Partnern entwickelt. <% image name="FINEX" %><p> Das neue Wirbelschichtverfahren FINEX zum Beispiel stellt eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Alternative zum traditionellen Hochofenprozess zur Produktion von Roheisen dar, während die FINMET-Wirbelschichttechnologie als neue Verfahrensroute zur Produktion von hochwertigstem Eisenschwamm auf Feinerzbasis charakterisiert werden kann. <% image name="Franz_Winter" %><p> <small> Franz Winter vor dem im Rahmen des CD-Labors errichteten Reaktionsreaktors an der TU Wien. </small> Die Eisenerzeugung in Wirbelschichtreaktoren anstatt im Hochofen oder in konventionellen Direktreduktionsverfahren hat den entscheidenden Vorteil, dass die aufwendigen und energieintensiven Prozessschritte der Agglomerierung und/oder des Sinterns der Feinerze eingespart werden können. Statt dessen wird feines Eisenerz direkt in mehreren hintereinander geschalteten Reaktoren mit Hilfe von Reduktionsgas zu feinem, festen Eisenschwamm umgewandelt. Bei den Verfahren FINMET und FINEX wurde dieses Konzept erfolgreich großtechnisch realisiert. Das FINMET-Verfahren verwendet Erdgas zur Reduktionsgaserzeugung und produziert Eisenschwamm. Es kommt bereits in Venezuela und Australien großtechnisch zum Einsatz. Beim FINEX-Verfahren wird das Reduktionsgas für die Wirbelschicht durch Kohlevergasung mit Sauerstoff hergestellt. FINEX wurde im koreanischen Pohang gemeinsam mit Posco, einem der größten Stahlproduzenten der Welt, großindustriell umgesetzt. <% image name="Feines_Eisenerz" %><p> <small> Eisenerz kommt zu rund 80 % in feiner, nicht aggregierter Form vor. FINEX- und FINMET-Verfahren können es als solches verwenden. </small> Und hier kommt Franz Winter mit seinem Konzept der "Chemischen Ähnlichkeit" und seinem Laborreaktor an der TU Wien ins Spiel. "Wurde in einem früheren CD-Labor bereits das Strömungsverhalten im Wirbelschichtreaktor untersucht, wird seit 2001 das chemische Verhalten in der Wirbelschicht im Labormaßstab analysiert. Die Ergebnisse wurden an den industriellen Anlagen erfolgreich angewendet." Für die Optimierung von FINMET und FINEX wurde gefragt: Welche Temperaturen im Reaktor führen zu welchem Reduktionsgrad? Braucht es lange oder kurze Aufheizraten? Und in welcher Konzentration sollen die Reaktionspartner zugegen sein? Wie kann die Reduktion von Feinerzen unterschiedlicher Herkunft optimal eingestellt werden? <% image name="CDL_Winter_Reaktor" %><p> <small> In den vergangenen 7 Jahren wurden am Wiener Getreidemarkt die optimalen Bedingungen für den Reduktionsprozess von feinem Eisenerz erforscht. Der Laborreaktor wird bei hohen Temperaturen bis 800 °C und mit bis zu 10 bar betrieben. </small> <b>Ähnlichkeiten nutzen.</b> Das von Winter entwickelte Konzept der "Chemischen Ähnlichkeit" besagt, dass für die Durchführung experimenteller Untersuchungen oder Simulationen die Ähnlichkeit zur Großanlage gewährleistet sein muss, damit die Ergebnisse auf die Großanlage übertragen werden können. Diese Ähnlichkeit wird durch Ähnlichkeitskriterien definiert – Kriterien wie Temperatur und Druck sowie Spezienkonzentrationen von Rohstoffen und Zwischenprodukten. "Es ist das erste einheitliche Konzept, bei dem auch die komplexe Reaktionschemie berücksichtigt wird. Dabei wird ein finites Volumenelement aus der industriellen Großanlage herausgelöst – simuliert durch den Laborreaktor. Die Ergebnisse werden in Folge wieder auf die Großanlage übertragen." <table> <td><% image name="CDL_Winter_Schild_auf_Reaktor" %></td> <td align="right"> Aus den Experimenten am Laborreaktor wurde sodann eine theoretische Basis gewonnen, mit der in Folge der Betrieb und das Anlagenkonzept der FINMET- und FINEX-Technologie optimiert werden konnten: "Es gelang uns mit den Kollegen von Siemens VAI, den Einfluss einzelner Betriebsparameter in den Wirbelschichtreaktoren in Hinblick auf die Produktivität oder Verfügbarkeit der Anlagen zu bewerten. So ist die Steigerung der Leistung von nur 1 % bei einer Jahreskapazität von rund 1,5 Mio t bereits eine beträchtliche Verbesserung." </td> </table><p> Mit dem Wiener Laborreaktor "waren wir sehr schnell bei der Simulation unterschiedlicher Bedingungen in der Anlage", sagt Winter. Die Ergebnisse aus dem Labor konnten damit schnell, risikolos und günstig umgesetzt werden. Bei der Optimierung der Verfahren spielt die Reaktionskinetik der Eisenerze eine wichtige Rolle. <b>Chancen auf Koksersatz.</b> Aber auch beim traditionellen Hochofen kann das Konzept der "Chemischen Ähnlichkeit" sinnvoll für Betriebs- und Produktivitätsverbesserungen angewendet werden. Konkret wurde die Eindüsung alternativer Reduktionsmittel in den Hochofen untersucht. Als Koksersatz bieten einen Hüttengase (Koks und Tiegelgas), Heizöl schwer oder Kunststoffgranulat an. In welchem Ausmaß bilden sich dabei H<small>2</small> und CO und welchen Einfluss haben H<small>2</small> und CO auf die Reaktionstechnik des Hochofens? Nach der detaillierten Simulation konnte Winters Team der voestalpine aufzeigen, was sich in der Hochtemperaturzone des Ofens durch den Einsatz von alternativen Reduktionsmitteln ändert. Darüber hinaus wurden auch Feinheiten wie die optimale Düsenposition und dergleichen erhoben. Nächster Schritt: Die Erzkinetik. Die Ergebnisse des CD-Labors und das Konzept der "Chemischen Ähnlichkeit" wird Winter nun im K1 Zentrum "K1-met, Competence Center for Excellent Technologies in Advanced Metallurgical and Environmental Process Technologies" weiterführen. Gewissermaßen als Außenposten zum Linzer Forschungsprogramm der Siemens VAI und voestalpine wird er ab Juli insbesondere Modellierungen vornehmen: "Ging es im CD-Labor darum, die Grundlagen der Eisenerzherstellung auf ein fundiertes theoretisches Konzept zu stellen, wollen wir nun im Rahmen des K1-met insbesondere die Kinetik der Eisenerze simulieren. Unser Ziel ist es, für die Vielzahl der am Markt vorhandenen Eisenerze die optimalen Massenströme und Temperaturen zu ermitteln." <hr> <b>Die 3 Reduktionsschritte im FINEX-Verfahren:</b> <u>Hämatit zu Magnetit:</u> 3Fe<small>2</small>O<small>3</small> + CO = 2Fe<small>3</small>O<small>4</small> + CO<small>2</small> 3Fe<small>2</small>O<small>3</small> + H<small>2</small> = 2Fe<small>3</small>O<small>4</small> + H<small>2</small>O <u>Magnetit zu Wüstit:</u> Fe<small>3</small>O<small>4</small> + CO = 3FeO + CO<small>2</small> Fe<small>3</small>O<small>4</small> + H<small>2</small> = 3FeO + H<small>2</small>O <u>Wüstit zu Eisen:</u> FeO + CO = Fe + CO<small>2</small> FeO + H<small>2</small> = Fe + H<small>2</small>O Untersucht wurde im CD-Labor die Reaktionskinetik der Reduktion von feinem Eisenerz mit H<small>2</small>, CO, H<small>2</small>O, CO<small>2</small> und CH<small>4</small> in der Wirbelschicht bei hohem Druck (bis 10 bar) und hoher Temperatur (bis 800 °C). Im Visier war hier insbesondere der sogenannte Memory Effekt der Eisenerze: Er besagt, dass der Umsatz im Verfahren vom erzielten Umsatz des vorherigen Verfahrensschrittes abhängig ist. Beim FINEX-Verfahren wird Feinerz bei etwa 800 °C von einem Reduktionsgas aus einem Gemisch von Kohlenmonoxid und Wasserstoff aufgewirbelt. Vier Reaktoren sind in Reihe geschaltet, in denen aus den Erzstückchen durch Reduktion kleine Eisenschwamm-Stücke werden. Diese werden mit Walzen zu größeren Stücken verdichtet und in einen Einschmelzvergaser geleitet. Er ähnelt dem unteren Teil eines Hochofens, wobei in ihm nur noch Eisen und Schlacke aufgeschmolzen werden müssen. Dafür braucht es mehr als 2.000 °C, die durch die Vergasung von Kohle mit Sauerstoff erzeugt werden, wobei das entstehende Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff als Reduktionsgas in den Wirbelschichtreaktor abgeführt wird. Ein wertvolles Nebenprodukt ist das Exportgas, das ein Stromkraftwerk speist. Vom Einschmelzvergaser werden wie vom Hochofen Eisen und Schlacke abgestochen. Vom kleinen Reaktor zum großen Wirbelschichtverfahren