Wiener Ärztekammer: „Mehr und nicht weniger investieren“

Sparen im Gesundheitssystem wäre gerade nach den Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie verfehlt, betont der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Unterstützt sieht er seine Auffassung durch den neuen Wiener Gesundheitsinfrastrukturreport, erstellt im Auftrag der Kammer.

Foto: Österreichische Ärztekammer
Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres: Plädoyer für Infrastrukturverbesserung und Personalaufstockung

 

Das österreichische, insbesondere aber auch das Wiener Gesundheitssystem, habe den „Stresstest“ der COVID-19-Pandemie gut bewältigt. Nun gelte es indessen, die richtigen Folgerungen zu ziehen, betonte der Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, am 10. August bei der Präsentation des Wiener Gesundheitsinfrastrukturreports 2020. Szekeres zufolge bedeutet das, die Budgets für den Gesundheitssektor zu erweitern und für eine ausreichende Infrastruktur sowie sowie eine angemessene Personalausstattung zu sorgen. Sparen könne jedenfalls kein Thema sein: „Wir brauchen mehr und nicht weniger Investitionen.“ Einmal mehr forderte Szekeres für Wien weitere 300 Kassenstellen sowie zusätzliche 250 Spitalsärzte. Immerhin: Von den 250 Spitalsärztestellen sei etwa die Hälfte bereits besetzt.

 

Ferner verlangte Szekeres, die Ärzte stärker in Fragen der Investitionen im Gesundheitsbereich einzubinden. Wie er betonte, sind laut dem Gesundheitsinfrastrukturreport etwa 66 Prozent der Patienten der Auffassung, bei derartigen Themen müssten vor allem die Mediziner Gehör finden. Nur 13 Prozent seien dem gegenüber dafür, primär den Gesundheitspolitikern das Feld zu überlassen. Und lediglich acht Prozent wollten den Ansichten von Wirtschaftsexperten den Vorrang geben. Der Unterstützung der Patienten sieht sich Szekeres gewiss: Dem Report zufolge befürworten 64 Prozent Mehrinvestitionen in die Wiener Gesundheitsinfrastruktur. Nur fünf Prozent wollen weniger Geld ausgeben, 27 Prozent gleich viel.

 

Ein weiterer Wunsch des Kammerpräsidenten betrifft die Entlastung der Spitalsambulanzen durch die Einrichtung zentraler Notaufnahmen sowie Akutordinationen in den Krankenhäusern selbst. Auch die 300 zusätzlichen Kassenstellen respektive Ordinationen könnten diesbezüglich hilfreich sein. Das Problem: Den niedergelassenen Bereich finanzieren die Kranken-, pardon: Gesundheitskassen zu 100 Prozent, den Spitalsbereich dagegen nur zu einem Drittel.

 

„Da wird Geld verschleudert“

 

Für dringend hält Reformen bei den Spitalsambulanzen der ehemalige Chef des Instituts für Höhere Studien und vormalige Vorsitzende des Österreichischen Fiskalrats, Bernhard Felderer, der die Erstellung des Reports begleitete. Ihm zufolge wird bei den Ambulanzen derzeit „Geld verschleudert“. Es sei unabdingbar, den niedergelassenen Bereich zu stärken. Ferner empfahl Felderer eine stärkere Spezialisierung der (Wiener) Spitäler: „Es wäre sinnvoll, Schwerpunktkrankenhäuser zu bilden“.

 

Auf die Frage des Chemiereports, was 300 zusätzliche Kassenstellen kosten würden und wie hoch die Einsparungen bei den Spitalsambulanzen im Gegenzug wären, sagte Szekeres: „Unterm Strich würde man sich Geld sparen. Wie viel, weiß ich nicht.“ Eine genaue Abschätzung sei aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungstöpfe schwierig. Jedenfalls aber wäre laut Szekeres zu überlegen, die Ambulanzen und die Ordinationen koordiniert zu finanzieren. Eine einheitliche Finanzierung des gesamten Gesundheitssystems, wie sie verschiedentlich angeregt wird, hält der Ärztekammerpräsident für nicht umsetzbar.

 

Gefragt nach seinen Überlegungen hinsichtlich der Anpassung des Wiener Gesundheitssystems an die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels beschied Szekeres, es gelte, diesen „in den Griff zu bekommen“. Als kleines Land könne Österreich jedoch wenig tun. Hier sei internationales Agieren gefragt. Eine „alte Forderung“ der Wiener Ärztekammer gewinne aber wieder an Aktualität: die Ausstattung der Krankenhäuser mit Klimaanlagen.