Zuckerfabrik Leopoldsdorf: Bauern machen mobil

Die seitens der Agrana angekündige Schließung der Anlage soll verhindert werden. Dafür machen sich mittlerweile auch Regional-, Landes- und Bundespolitiker stark.

Foto: Agrana
Gefragte Rüben: Für den Erhalt der Fabrik Leopoldsdorf im Marchfelde fordert die Agrana eine garantierte Zuckerrüben-Anbaufläche von mindestens 38.000 Hektar.

 

Die Zuckerfabrik der Agrana in Leopoldsdorf im Marchfelde muss erhalten bleiben, betonen Bauervertreter und Lokalpolitiker. Nach wochenlangen Gerüchten hatte der Stärke- und Zuckerkonzern am 25. August bekannt gegeben, die Fabrik nach Verarbeitung der heurigen Ernte schließen zu wollen. Dies sei aus wirtschaftlichen Gründen unumgänglich. Allerdings gebe es einen Ausweg: Die Agrana brauche bis spätestens November die Zusicherung, dass künftig auf zumindest 38.000 Hektar Zuckerrüben angebaut werden. Zuletzt lag die Anbaufläche laut Agrana bei 26.000 Hektar. Die Kosten der Schließung von Leopoldsdorf bezifferte der Konzern mit „bis zu 35 Millionen Euro, wovon bis zu 15 Millionen Euro liquiditätswirksam wären“. Der Hintergrund: Nach dem Auslaufen der Zuckermarktordnung der EU per Ende September 2017 erweiterte eine Reihe von Ländern ihre Zuckerproduktion. In der Folge fielen die Zuckerpreise auf etwa die Hälfte. Dies schlug sich auch in den letzten Bilanzen der Agrana nieder, wenngleich im Lauf des vergangenen Jahres eine gewisse Erholung zu verzeichnen war.

 

Der Präsident des Verbands „Die Rübenbauern“, Ernst Karpfinger, forderte dringlich einen „letzten Anlauf zur Rettung der Zuckerfabrik Leopoldsdorf“. Die Mitglieder seines Verbands seien bereit, die von der Agrana verlangten Flächen zu kontrahieren. Sie bräuchten dafür aber „unbedingt begleitende Maßnahmen von der Politik“. Konkret forderte Karpfinger „verlässliche Rahmenbedingungen beim Pflanzenschutz sowie finanzielle Unterstützung im Kampf gegen den Rüsselkäfer“. Gemeint ist damit unter anderem die (Wieder-)Zulassung bestimmter Neonicotinoide, die als besonders wirksam gegen den Rübenderbrüssler gelten. Dieser Käfer sorgt immer wieder für erhebliche Ernteausfälle. Karpfinger zufolge fehlt nicht zuletzt mit den „Neonics“, die unter dem seinerzeitigen Landwirtschaftsminister und nunmehrigen burgenländischen Landwirtschaftskammerpräsidenten Nikolaus Berlakovic verboten wurden, das „notwendige Werkzeug zum Arbeiten. Bei uns alles zu verbieten und dann Importe aus Ländern außerhalb der EU zuzulassen, die Pflanzenschutzmittel verwenden, die bei uns längst verboten sind, ist der falsche Weg, vernichtet heimische Wertschöpfung und Arbeitsplätze und ist unfair“.

Ähnlich äußerte sich Bauernbund-Präsident Georg Strasser. Ihm zufolge ist die Zuckerrübe „ein wichtiger Bestandteil in der Fruchtfolge, Böden profitieren vom Anbau dieser Kultur. Zudem ist sie ein wichtiger Einkommensfaktor im Ackerbau. Wir müssen alles tun, um diese wertvolle Pflanze und somit die gesamte Zuckerproduktion in Österreich zu erhalten“. Zuckerimporte aus Südamerika, wo Zucker aus Zuckerrohr wesentlich billiger erzeugt werden kann als Rübenzucker in Österreich, will Strasser „ nicht zulassen“.

 

„Katastrophe für Leopoldsdorf“

 

Der Bürgermeister von Leopoldsdorf, Clemens Nagel (SPÖ), sprach von einer „Katastrophe für die Marktgemeinde Leopoldsdorf im Marchfelde und die gesamte Region“. Ihm zufolge gingen mit der Schließung 150 Voll- sowie 100 Kampagnenarbeitsplätze verloren. Außerdem würde seine Kommune jährlich bis zu 300.000 Euro an Kommunalsteuer verlieren. Im Verein mit weiteren niederösterreichischen SPÖ-Politikern forderte Nagel Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger sowie den zuständigen niederösterreichischen Landesrat Stephan Pernkopf (beide ÖVP) zum „Tätigwerden“ auf.

 

Köstinger hatte bereits zuvor angekündigt, einen „Runden Tisch“ einzuberufen, bei dem die Angelegenheit geklärt werden soll.

 

Komplexe Strukturen

 

Detail am Rande: Die österreichischen Rübenbauern sind über die „Zucker und Stärke Holding AG“ (Z&S) nicht unmaßgeblich an der Agrana beteiligt. Der Z&S gehören 78,34 Prozent des Grundkapitals des Konzerns. Sie selbst steht zu 100 Prozent im Eigentum der Agrana Zucker, Stärke und Frucht Holding AG mit Sitz in Wien. An ihr hält die Zucker-Beteiligungsgesellschaft mbH (ZBG) 50 Prozent minus 1 Aktie, die ihrerseits der Agrana Zucker GmbH, einer Tochter der Agrana-Beteiligungs-AG gehört. Die übrigen 50 Prozent der Agrana Zucker, Stärke und Frucht Holding AG sind Eigentum der deutschen Südzucker AG.

Die ZBG wiederum gehört der Raiffeisen-Tochter Almara, der Marchfelder Zuckerfabriken GmbH, der Estezet-Beteiligungsgesellschaft, der Rübenproduzenten-Beteiligungs-GesmbH und der Leipnik-Lundenburger-Invest-Beteiligungs-AG, deren Generaldirektor der ehemalige Landwirtschaftsminister, Vizekanzler und ÖVP-Obmann Josef Pröll ist. Zwischen der Südzucker und der ZBG besteht ein Syndikatsvertrag, mit dem die beiden Gesellschaften ihre Stimmrechte gebündelt haben. Außerdem gibt es Übertragungsbeschränkungen für die Aktien sowie Nominierungsrechte für die Organe der Agrana und der Südzucker. Agrana-Generaldirektor Johann Marihart, der Anfang kommenden Jahres in Pension geht, ist Vorstand der Südzucker. Im Gegenzug ist Thomas Kölbl von der Südzucker im Vorstand der Agrana-Beteiligungs-AG tätig.