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June 14th, 2021

Deutschland: Weniger Angst vor SARS-CoV-2

Laut dem Corona-Monitor des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) glauben rund 62 Prozent der Bevölkerung, sich vor einer Ansteckung schützen zu können. Im März waren es erst 40 Prozent gewesen.

 

Etwa 62 Prozent der Bevölkerung Deutschlands sind sehr oder zumindest sicher, sich vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus schützen zu können. Das zeigt die aktuelle Ausgabe des Corona-Monitors des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Weitere 24 Prozent schätzen die Sicherheit als „mittel“ ein, die übrigen 14 Prozent sind sich nicht bzw. gar nicht sicher. Laut BfR-Präsident Andreas Hensel hat das Sicherheitsgefühl „deutlich zugenommen. Ende März dieses Jahres hatten nur 40 Prozent der Befragten das Gefühl, sich vor einer Ansteckung schützen zu können“.

 

Für den Corona-Monitor lässt das BfR allmonatlich etwa 1.000 Personen im Alter ab 14 Jahren befragen. Laut der neuesten Ausgabe des „Monitors“ fühlen sich 56 Prozent der Befragten sehr gut oder wenigstens gut über die Entwicklung der Pandemie informiert. Rund 24 Prozent bezeichnen ihren Informationsstand als „mittel“, 20 Prozent halten sich für schlecht bzw. sogar sehr schlecht informiert. Die Einschätzung der Pandemie in den Medien erachten 51 Prozent der Befragten als angemessen. Dem gegenüber bezeichnen sie 42 Prozent als übertrieben, acht Prozent wiederum halten sie für verharmlosend.

 

Welche Schutzmaßnahmen haben die Befragten innerhalb der vergangenen Wochen selbst getroffen? Etwa 98 Prozent trugen nach eigenen Angaben einen Mund-Nasen-Schutz. Rund 84 Prozent hielten mehr Abstand zu anderen Personen, 82 Prozent wuschen sich ihre Hände gründlicher. Geschlossene Räume gründlicher gelüftet haben dem Corona-Monitor zufolge 73 Prozent, Freunde seltener getroffen 71 Prozent. Ferner nutzten 65 Prozent häufiger Desinfektionsmittel, 62 Prozent ließen sich auf das SARS-CoV-2-Virus testen, 59 Prozent verließen ihr Zuhause weniger oft. Dem gegenüber nutzten nur etwa 30 Prozent die Corona-Warn-App, 13 Prozent legten größere Vorräte an, und nur sechs Prozent ließen sich Lebensmittel häufiger liefern.

 

Die Wahrscheinlichkeit, sich durch die Nähe anderer Menschen anzustecken, bezeichnen 62 Prozent der Befragten als hoch bzw. sehr hoch, nur 15 Prozent schätzen sie als niedrig oder sehr niedrig ein. An zweiter Stelle unter den Ansteckungsrisiken liegen den Befragten zufolge Türklinken, gefolgt von Bargeld, Spielzeug sowie Geschirr und Besteck. Nur elf Prozent halten dagegen Kleidung für ein (sehr) hohes Ansteckungsrisiko, zehn Prozent Lebensmittel und neun Prozent Haustiere.

 

Was die Maßnahmen der deutschen Bundesregierung angeht, halten 93 Prozent der Befragten die Home-Office-Regelung für angemessen. Die Maskenpflicht sowie die Quarantänemaßnahmen befürworten 91 Prozent. Ein fast ebenso hoher Anteil von 90 Prozent hält die Abstandsregel für sinnvoll. Mit der Absage von Veranstaltungen können sich 80 Prozent anfreunden, mit der Begrenzung der Zahl der Kunden in Geschäften 77 Prozent und mit Kontaktbeschränkungen 67 Prozent. Etwa 65 Prozent sind auch mit der Schließung von Kultureinrichtungen einverstanden.

 

 

 

 

June 7th

Die ersten Schritte der Krebsentstehung

Wissenschaftler des IMBA und der Universität Cambridge haben eine Methode zum Einfärben von Krebszellen entwickelt, auch wenn diese noch einzeln in gesundem Gewebe vorliegen

Die Anfärbung von Zellen ist eine der ältesten Vorgehensweisen der experimentellen Erforschung von Krankheiten: Schon Paul Ehrlich konnte Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Zelltypen durch Färbemethoden unterscheiden, die ihm zudem Hinweise auf die Bindungsaffinität bestimmter Verbindungen an zelluläre Strukturen gab. Was damals den Weg in Richtung der ersten synthetischen Arzneimittel bahnte, ermöglicht Forschern heute bösartige Veränderungen schon festzustellen, wenn erst eine einzige Zelle davon betroffen ist. In dieser ersten Phase der Krebsentstehung tritt in einer sogenannten Keimzelle eine erste krebsfördernde Mutation (ein "onkogener Hit") auf, während sie noch vollständig von gutartigem Gewebe umgeben ist. Die bisher verfügbaren histologischen Methoden können diese frühe Entwicklung nicht sichtbar machen.

Ein Forscherteam rund um Bon-Kyoung Koo vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) und Benjamin D. Simons von der University of Cambridge haben nun ein mehrfarbiges Markierungssystem mit dem Namen „Red2Onco” entwickelt, mit dem sie Epithelgewebe im Darm von Mäusen untersuchten. Sie zielten dabei auf Mutationen in zwei als „Krebsgene“ (Proto-Onkogene) bekannten DNA-Abschnitten, KRAS und PI3K, ab. Dabei zeigte sich, dass schon einzelne bösartige Mutationen das umliegende, nicht mutierte Gewebe deregulieren. Es verliert seine Stammzellen und begünstigt so die territoriale Ausbreitung der mutierten Stammzellen und ihrer Nachkommen. Durch diesen Prozess der „Feldtransformation“ erhöht die Besiedlung des Darmgewebes durch mutierte Zellen die Chance auf weitere onkogene Treffer und die Entstehung des Tumors nimmt ihren Lauf.

Zudem konnten die Autoren zeigen, dass von onkogenen Mutanten ein Signal über das „Bone Morphogenic Protein“ ausgelöst wird, dessen Unterdrückung den negativen Einfluss auf die gesunden Stammzellen abschwächt. Dies könnte den Weg für Interventionsstrategien ebnen, die auf zelluläre Crosstalk-Mechanismen abzielen.

Die Originalarbeit ist in der Zeitschrift Nature erschienen.

 

June 4th

Niederösterreich erhält eine „open innovation“-Plattform für Gesundheitstechnologie

Das Land Niederösterreich baut derzeit eine „open innovation“-Plattform für Gesundheitstechnologie auf. Die Forschungseinrichtung ACMIT wird darin eine Schlüsselroll spielen.

Der Gesundheitssektor ist durch die Covid-Pandemie weltweit in den Fokus gerückt.  Um die Erfolgschancen und die Innovationskraft der auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen und F&E-Einrichtungen in Niederösterreich weiter zu erhöhen, wurde kürzlich eine „open innovation“-Plattform für Gesundheitstechnologie gestartet. Sie ist im Umfeld des Krebszentrums „MedAustron“ und des entstehenden neuen Landesklinikums in Wiener Neustadt angesiedelt und wird von ecoplus, der Wirtschaftsagentur des Bundeslandes, umgesetzt.

Gegenwärtig verzeichnet man in Niederösterreich mehr als 60 Unternehmen, die in den Bereichen Medizintechnik, Pharmazeutische Produktion und Entwicklung tätig sind. Die ACMIT Gmbh steht beispielgebend für die auch international vielbeachteten Forschungseinrichtungen. Für sie alle soll die neue Gesundheitsplattform zur ersten Anlaufstelle werden. Es geht um die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, den Know-how- und den Technologietransfer, sowie um eine noch bessere Vernetzung innerhalb des Sektors.

 

Chirurgische Instrumente, Medizinroboter, Ultraschall in 3D

Gerade die anwendungsorientierte Forschung, wie sie bei der ACMIT betrieben wird, kommt den Menschen unmittelbar zugute. Das Kompetenzzentrum für Medizintechnik unter der Leitung von Nikolaus Dellantoni steht für neue Technologien und Prozesse im Bereich der minimal-invasiven Chirurgie. ACMIT entwickelt u. a. multifunktionale chirurgische Instrumente, Sensorsysteme für Diagnose und Therapie, Medizinrobotiksysteme, aber auch anatomische Modelle, wie sie in der Schulung von medizinischem Personal zum Einsatz kommen. Ein besonderes Highlight ist ein Medizinprodukt, das ACMIT in Zusammenarbeit mit der Piur Imaging GmbH von der Idee bis zum klinischen Einsatz entwickelt hat: Damit wird ein kostengünstiges handelsübliches 2D- zu einem 3D-Ultraschallgerät, mit dem eine räumliche Darstellung der Strukturen im Inneren des Körpers möglich ist. Das Gerät wird im Kundenauftrag von der ACMIT Manufacturing GmbH in Wiener Neustadt gefertigt.

ecoplus-Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Schneeberger zeigte sich im Rahmen eines  Betriebsbesuchs beeindruckt: „Seit mehr als 15 Jahren ist Medizintechnik am Technopolstandort in Wiener Neustadt ein Schwerpunktthema. Am Beispiel der Entwicklungen von ACMIT zeigt sich, was alles möglich ist, wenn die Rahmenbedingungen passen.“ ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki kann dem nur zustimmen: „Die Gesundheitsplattform ist die optimale Ergänzung zu den bereits bestehenden ecoplus-Netzwerken wie etwa dem Technopol Wiener Neustadt.“

 

Weitere Informationen im Web:
www.ecoplus.at
https://acmit.at

OMV: „Nachhaltiges Geschäftsmodell“ etabliert

Mit der Übernahme der Borealis-Mehrheit und dem Einstieg in die Kreislaufwirtschaft sei der Öl-, Erdgas- und nun auch Chemiekonzern bestens gerüstet für die Zukunft, hieß es bei der Hauptversammlung.

 

OMV-Aufsichtsratschef Mark Garrett zeigte sich zufrieden. Das Geschäftsjahr 2020 des Öl-, Erdgas- und Chemiekonzerns sei zwar stark von der COVID-19-Pandemie geprägt gewesen. „Aber es war ein Erfolgsjahr, vor allem wegen des klugen Managements und des integrierten Geschäftsmodells“, konstatierte Garrett bei der Hauptversammlung (HV) Anfang Juni. Insbesondere habe der Vorstand um den scheidenden Generaldirektor Rainer Seele „die Weichen für die neue OMV gestellt“. Die Übernahme der Mehrheit an dem Kunststoff- und Düngerkonzern Borealis im Herbst vergangenen Jahres war Garrett zufolge ein „Meilenstein in Richtung Chemikalien und Kreislaufwirtschaft. Damit wird nachhaltiges Geschäftsmodell etabliert“. Und mit dem ab 1. September fungierenden neuen Generaldirektor Alfred Stern verfüge die OMV über die „ideale Besetzung“ des Chefpostens, um dieses Geschäftsmodell erfolgreich umzusetzen.

 

Stern, zuvor als Nachfolger Garretts selbst Vorstandschef der Borealis, wechselte mit 1. April in den OMV-Vorstand und übernahm dort im Rahmen der neuen Konzernstruktur den Bereich Chemicals & Materials. Im Gegenzug trat der bisher im OMV-Vorstand fürs Downstreamgeschäft, also nicht zuletzt die Raffinerien, verantwortliche Thomas Gangl an die Borealis-Spitze. Zu – wenigstens vorläufig – guter Letzt kommt von dort spätestens mit 1. Juli Martijn van Koten in den OMV-Vorstand, um das Refining-Geschäft zu leiten. Angesichts dieser Entwicklungen ätzen Aktionäre, die OMV habe für die Aufstockung ihres Anteils an der Borealis von 36 auf 75 Prozent vier Milliarden Euro bezahlt, um von ebendieser Borealis übernommen zu werden.

 

 

OMV als „Herzensangelegenheit“

 

So wollte Noch-Generaldirektor Seele die Angelegenheit nicht gesehen wissen. Die OMV bleibe nach wie vor im angestammten Öl- und Erdgasgeschäft tätig, betonte Seele bei der HV. Sie erweitere aber ihre Wertschöpfungskette nach vorne und werde damit größer, stärker und profitabler: „Man wird die OMV auch weiterhin an Bohrtürmen und Pferdekopfpumpen erkennen. Aber sie wird mehr sein.“

 

Seele ergänzte, er verlasse den Konzern aus familiären Gründen: „Ich schaue auf eine Zeit zurück, in der Wien zu meiner zweiten Heimat und die OMV zu einer Herzensangelegenheit geworden ist.“ Er und seine Vorstandkollegen hätten das Unternehmen, „das 2015 in Schieflage geraten war, auf Erfolgskurs gebracht, und zu Rekordergebnissen geführt“. Demonstrativ versicherten einander Garrett und Seele ihrer wechselseitigen Wertschätzung, über die in den vergangenen Monaten nicht nur Positives berichtet worden war. Garrett beonte, er wolle „Rainer großen Dank aussprechen“. Seele wiederum konstatierte, es werde „in der Öffentlichkeit viel über unser Verhältnis kolportiert, was nicht der Wahrheit entspricht. Ich danke Dir, Mark“.

 

Nicht recht überzeugt vom Agieren der OMV zeigte sich bei der HV eine Reihe von Kleinaktionären, von denen etliche den sogenannten „anerkannten Umweltorganisationen“ angehörten. Sie bemängelten das ihrer Ansicht nach unzureichende Engagement des Konzerns in Hinblick auf den Klimawandel. Garrett sowie Seele und dessen Vorstandskollegen wiesen dies zurück. Laut ihrer Klimastrategie wolle die OVM „bis 2050 oder früher klimaneutral“ werden. Umfassende Maßnahmen hierzu seien im Gange, weitere würden folgen. Und mit der Übernahme der Mehrheit an der Borealis trage die OMV dem Trend zur Kreislaufwirtschaft Rechnung. Laut Seele ist das „die Grundlage des künftigen Geschäftsmodells“.

 

 

May 27th

Glyphosat: Bayer präsentiert Fünf-Punkte-Plan

Nach dem Scheitern der Einigung mit der US-Justiz geht der Konzern nun neue Wege bei den Rechtsstreitigkeiten um das umstrittene Pflanzenschutzmittel. Dessen Verkauf geht unterdessen weiter - auch an Endkunden.

 

„Zu Beginn möchte ich noch einmal betonen, dass wir fest entschlossen sind, die Rechtsstreitigkeiten zu Roundup beizulegen und das Risiko zu minimieren, welches von den bestehenden sowie möglichen künftigen Klagen für unser Unternehmen ausgeht.“ So kommentierte Bayer-Vorstandschef Werner Baumann das Scheitern der Einigung seines Konzerns mit der US-amerikanischen Justiz hinsichtlich des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Sein Unternehmen sei „weiterhin offen für Vergleichsverhandlungen zu den noch bestehen Klagen, soweit die Bedingungen angemessen sind. Allerdings werden wir dieses Vorgehen künftig überprüfen“. Er, Baumann, müsse davon ausgehen, dass das zuständige Gericht, der United States District Court des Northern District of California in San Francisco, die Vorschläge von Bayer zur Streibeilegung „nicht ohne weitere erhebliche Änderungen genehmigen wird. Diese Änderungen sind nicht im Interesse von Bayer“.

 

Daher verfolge der Konzern nun einen Fünf-Stufen-Plan. Erstens werde eine Website eingerichtet, um die Sicherheit des auf Glyphosat basierenden Herbizids Roundup zu dokumentieren. Hinweise auf diese Website wolle Bayer auf den im Verkauf verwendeten Roundup-Behältern anbringen. Zweitens werde Roundup weiterhin an Privatkunden in den USA verkauft. Mit professionellen Kunden in der Landwirtschaft gebe es ohnehin keine Probleme. Diese seien auf glyphosathältige Mittel wie Roundup angewiesen, „um ihre Ernte zu sichern und eine nachhaltige Landwirtschaft praktizieren zu können, die das Pflügen und das Erodieren der Böden reduziert und den Kohlendioxidausstoß verringert“.

 

Drittens prüfe Bayer Alternativen zum Umgang mit künftigen Klagen. In diesem Zusammenhang werde ein „unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium“ eingerichtet, um die Sicherheit glyphosat-basierter Roundup-Produkte zu überprüfen. Die Ergebnisse der Untersuchungen würden auf der Roundup-Website veröffentlicht. Viertens bleibe Bayer offen für Vergleichsverhandlungen zu laufenden Klagen. Die „überwiegnde Mehrheit“ davon sei bereits beigelegt, werde in Bälde beigelegt sein oder sei für Beilegungen nicht geeignet. Fünftens schließlich setze der Konzern die Berufungsverhandlungen in den erstinstanzlich entschiedenen Fällen fort. Dies könne „dazu beitragen, künftige Rechtsrisiken zu minimieren“. Bayer sei weiterhin „überzeugt von der Stärke unserer rechtlichen Argumente“.

 

Heftige Kritik

 

In einer am 26. Mai ergangenen Stellungnahme hatte der zuständige Richter, Vince Chhabria, die Vorschläge des Konzerns zur Streitbeilegung sämtlicher Causen in der Luft zerrissen. Diese seien sehr gut für Bayer. Sie könnten die rechtlichen Risiken substanziell verringern, Strafen weitgehend ausschließen und die Chancen des Konzerns erhöhen, die Berufungsverfahren zu gewinnen. Weit weniger brächten sie dagegen den Nutzern von Roundup, die noch nicht am Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) erkrankt, dem Risiko einer Erkrankung aber ausgesetzt seien. Und schon gar nicht brächten die Vorschläge, was die Anwälte von Bayer versprächen. Bayer habe vorgeschlagen, für die noch nicht an NHL erkrankten Roundup-Nutzer ein vier Jahre lang laufendes ein Monitoring- und Unterstützungsprogramm einzurichten. Erkrankten sie während der Laufzeit des Programms, könnten sie Zahlungen beantragen, die sich auf 10.000 bis 60.000 US-Dollar beliefen, in seltenen Fällen bis zu 200.000 USS-Dollar. Das Problem ist laut Chhabria die lange Latenzzeit von NHL, die zehn bis 15 Jahre betragen kann. Somit bestehe die Gefahr, dass etliche Nutzer von Roundup das Programm nicht in Anspruch nehmen könnten.

 

Zwar habe Bayer die Option, das Programm zu verlängern. Eine Pflicht dazu bestehe indessen nicht: „Daher kann das Gericht nicht annehmen, dass Geld länger als vier Jahre verfügbar sein wird.“ Wer an dem Programm teilnehme, müsse überdies auf Schadenersatzforderungen mit Strafcharakter verzichten und damit möglicherweise auf hohe Summen, auf die er andernfalls Anspruch hätte.

 

Der schwerwiegendste Nachteil der Vorschläge des Bayer-Konzerns bestehe aber in der Schwierigkeit, diese den Betroffenen überhaupt zur Kenntnis zu bringen, kritisierte Chhabria. Realistischerweise könne dies nur durch Anzeigenschaltungen in den Medien erfolgen, die oft übersehen oder nicht ernst genommen würden. Dies gelte zumal für Nutzer von Roundup, die (noch) nicht an NHL erkrankt seien.

 

 

May 26th

Erhebliche Herausforderungen

Die Erzeugung von Impfstoffen und sonstigen Arzneimitteln in Österreich lässt sich nicht von heute auf morgen ausweiten, warnten Industrielle bei einer Pressekonferenz der Pharmig. Wünschenswert wären ihnen zufolge Maßnahmen zur Standortförderung. 

 

Was immer sich die Politik hinsichtlich der Ausweitung der Arzneimittel- und Impfstoffproduktion in Österreich wünscht - von heute auf morgen ist die Sache nicht zu machen. Das betonte Olivier Jankowitsch, seines Zeichens Vice President von Valneva Austria und für das COVID-19-Programm des französischen Pharmakonzerns in Österreich zuständig, bei einer Pressekonferenz des Pharmaindustrieverbands Pharmig. Einen etablierten Prozess zur Impfstoffherstellung auszuweiten und dafür bereits vorhandene Infrastrukturen zu nutzen, dauere etwa zwei bis sechs Monate. Wer auf der Grundlage der vorhandenen Infrastruktur einen neuen Prozess etablieren wolle, müsse rund drei bis neun Monate veranschlagen. Eine neue Fabrik an einem bestehenden Standort zu errichten, wiederum dauere zwischen eineinhalb und drei Jahren. Und wer einen neuen Standort aufzubauen beabsichtige, komme unter zwei bis vier Jahren nicht aus. Seinen in Entwicklung befindlichen Impfstoff gegen COVID-19 erzeuge Valneva daher in der bestehenden Fabrik im schottischen Livingston unweit von Edinburgh. Das Abfüllen in Fläschchen mit mehreren Impfstoffdosen sowie das Verpacken wiederum erfolge am Valneva-Standort Solna bei Stockholm in Schweden. Die erforderlichen Kapazitäten in Österreich gleichsam „auf der grünen Wiese“ aufzubauen, hätte laut Jankowitsch zu lange gedauert: „So etwas geht nicht ohne weiteres. Man braucht Gebäude, Geräte und Systeme sowie Personal.“ Und die regulatorischen Hürden seien auch nicht zu unterschätzen. Zwar überlege Valneva grundsätzlich, weitere Kapazitäten in der EU zu etablieren: „Aber das ist eine Kostenfrage. Und wie der Bedarf in drei, vier Jahren ausschauen wird, weiß ja niemand.“

 

Grundsätzliches Dilemma

 

Damit aber ist das grundsätzliche kommerzielle Dilemma von Unternehmen aller Art unter den Bedingungen der Marktwirtschaft und damit des Konkurrenzwesens angesprochen: Um ihren Profit zu optimieren, müssen sie den Bedarf an dem betreffenden Produkt – handle es sich nun um einen Impfstoff, um Blumentöpfe oder um Kaugummi - möglichst genau decken. Erzeugen sie zu wenig, können sie einen möglichen Ertrag nicht realisieren. Erzeugen sie dagegen zu viel, bleiben sie auf der nicht benötigten Ware sitzen. Der Aufwand für deren Entwicklung, Produktion und Zirkulation war vergebens, allerdings nicht ökonomisch umsonst: Er schlägt sich in Kosten nieder, die nicht weitergegeben werden können - und damit möglicherweise in einem Verlust. Und gerade im Pharmasektor ist der Entwicklungsaufwand bekanntlich alles andere als zu unterschätzen, wie Renée Gallo-Daniel, die Präsidentin des Österreichischen Verbands der Impfstoffhersteller ÖVIH, bei der Pharmig-Pressekonferenz in Erinnerung rief.

 

Deshalb sind die Unternehmen gezwungen, Kosten jeglicher Art so weit wie möglich auszulagern und zu versuchen, die Konkurrenz zumindest zeitweilig auszuschalten. Und wer nicht einigermaßen sicher sein kann, Investitionen refinanzieren zu können, wird sich hüten, solche zu tätigen. Dies gilt zumal, da Industrieanlagen langlebige Wirtschaftsgüter sind. Es ergibt für ein Pharmaunternehmen schlechterdings ökonomisch keinen Sinn, eine viele Millionen Euro teure neue Fabrik zu errichten, allein um den mutmaßlich vergleichsweise kurzfristig auftretenden Bedarf an Impfstoff gegen COVID-19 zu decken. Die Fabrik muss langfristig ausgelastet werden können, um sich zu rechnen. Staatliche Wirtschafts- bzw. Standortförderung, wie sie auch bei der Pharmig-Pressekonferenz einmal mehr eingefordert wurde, ist ein Mittel zur Kostenauslagerung bzw. -kompensation und damit auch zum Anregen von Investitionen. Der in letzter Zeit in Diskussion geratene Patentschutz wiederum dient dazu, sich wenigstens über einige Jahre hinweg Wettbewerber vom Leibe zu halten. Und der „Staat der Industriegesellschaft“, wie ihn der deutsche Verwaltungsjurist Ernst Forsthoff einst nannte, ist zu solchen Maßnahmen bereit, weil er sich über die Sicherstellung wirtschaftlichen Wachstums und damit – zumindest dem Anspruch nach - des Wohlstands breitester Bevölkerungskreise legitimiert.

 

Beispiel Novartis

 

Wie das funktionieren kann, schilderte Michael Kocher, der Geschäftsführer der Österreich-Niederlassung des Schweizer Pharmakonzerns Novartis. Er ventilierte vergangenes Jahr bekanntlich die Verlagerung der Antibiotikaerzeugung vom Tiroler Kundl nach Asien – worauf Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck prompt 50 Millionen Euro als Investitionsanreiz zur Verfügung zu stellen wusste. Zupass kam dabei möglicherweise, dass Schramböck aus Tirol stammt. Ein teilweises oder völliges Abwandern eines der wichtigsten Industriebetriebe aus ihrem Heimatland wäre ihrer politischen Karriere wohl kaum förderlich.
Schramböck habe die Dringlichkeit der Sache damals erkannt und die Novartis „unglaublich unterstützt“, wusste Kocher bei der Pressekonferenz der Pharmig denn auch zu loben. Kritik übte der Pharmamanager dagegen an Bundeskanzler Sebastian Kurz: Überraschender Weise habe dieser die Absichten der EU-Kommission, den Patentschutz zeitweilig aufzuheben, „nicht sofort in Frage gestellt“.

 

Umfassendes Positionspapier

 

Nicht von ungefähr erarbeitete die Pharmig bereits vor einiger Zeit ein umfassendes Positionspapier, in dem sie ihre Wünsche zur Sicherung und weiteren Stärkung des Pharmastandorts Österreich zusammenfasst. Diesem zufolge sollte der Bund „gezielte Maßnahmen zum Ausbau bestehender Forschungsstellen und Produktionsanlagen in Österreich setzen“ sowie „Anreize für Investitionen in Forschung und Produktion am Standort Österreich weiter fördern und ausbauen“. Nicht zuletzt im Interesse der mittelständischen Pharmaunternehmen gehe es ferner darum, die „sektorale Förderung von Pharmaproduktion in Österreich“ möglich zu machen. Gewünscht wird überdies die Erleichterung des Zugangs der Patienten zu innovativen Arzneimitteln.

 

 

May 20th

Weiter Krach um Patentschutz

Der Pharmaindustrie zufolge ist dieser für die Arzneimittel- und Impfstoffentwicklung nötig. Internationale Verteilungsfragen seien über den Abbau von Handelsschranken zu lösen. Doch es gibt auch Gegenstimmen.

 

Die Auseinandersetzungen um den Patentschutz für die Pharmaindustrie im Allgemeinen und COVID-19-Impfstoffe im Besonderen gehen weiter. Der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Alexander Herzog, betonte jüngst einmal mehr, es mangle keineswegs an Produktionskapazitäten: „Was dagegen immer noch nicht einwandfrei läuft, ist die weltweite Verteilung der produzierten Impfstoffe. Daran kann und wird eine allfällige, zeitlich befristete Aussetzung des Patentschutzes auf COVID-19-Impfstoffe nichts ändern.“ Statt dessen empfehle sich, Handelsschranken abzubauen und auf Exportverbote zu verzichten. Überdies gelte es „ärmere Regionen in der Handhabung der Impfstoffe zu unterstützen“. In Malawi etwa mussten laut Herzog „fast 17.000 Impfdosen vernichtet werden, weil das Ablaufdatum überschritten wurde“. Und Herzog fügte hinzu, der Patentschutz „ist und bleibt eine wichtige Triebfeder für Forschung und Entwicklung. Fällt dieser weg, wird sich das negativ auf die Forschungstätigkeit und damit auch auf die Verfügbarkeit medizinischer Innovationen auswirken“. Durchschnittlich dauere es etwa zwölf Jahre, ein Arzneimittel zur Marktreife zu entwickeln. Rund 5.000 bis 10.000 Substanzen müssten getestet werden, um einen einzigen vermarktungsfähigen Wirkstoff zu gewinnen: „Da ist enorm viel Risiko mit im Spiel. Daher müssen auch entsprechende Schutzmechanismen vorhanden sein.“

 

Ähnlich argumentierte die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Ihr zufolge fordern beispielsweise die USA neuerdings die Abschaffung des Patentschutzes. Gerade sie hätten jedoch bis dato „mit Exportverboten ihre Bevölkerung gegenüber dem Rest der Welt bevorzugt“. Verteilungspolitisch sinnvoll sei statt dessen „ein Schwenk hin zu mehr Ausfuhren, wie ihn die Pharmaunternehmen in der EU von Anfang an betrieben haben“. Dieser könne „rasch zu einer besseren Versorgung auch in ärmeren Regionen führen“. Ferner müsse die COVAX-Initiative besser genutzt werden, die ja gerade der Bereitstellung von Impfstoffen für Entwicklungs- und Schwellenländer diene. Ferner forderte Hofinger „die weitere Optimierung und den Ausbau von bereits bestehenden Produktionsstätten und Kooperationen in der Pharmaindustrie, um dauerhaft ausreichende Mengen an Impfstoffen zu gewährleisten. Diese wären auch bestens dafür geeignet, den Herstellungsprozess rasch zu adaptieren, sollten die Vakzine gegen neue Virusvarianten angepasst werden müssen“.

 

„Mehr Flexibilität bei den handelsbezogenen Aspekten der geistigen Eigentumsrechte in Zusammenhang mit Impfstoffen gegen das Coronavirus“ fordert dem gegenüber die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ im Nationalrat, Petra Bayr. Sie verweist darauf, dass sich das Europäische Parlament für das zeitweilige Aussetzen des Patentschutzes für COVID-19-Vakzine aussprach. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron habe betont, es müssten „alle Beschränkungen in Bezug auf geistiges Eigentum beseitigt werden, die die Produktion jeglicher Art von Impfstoffen blockieren“. Für „Impfegoismus und kurzsichtige Geschäftsinteressen“ dürfe in der gegenwärtigen Lage kein Platz sein. Statt dessen müsse „der globale Süden selbst in die Lage versetzt werden, Impfstoffe für seine Bevölkerung herzustellen“. In einem Antrag an den Nationalrat verweist Bayr auf Aussagen der neuen Generaldirektorin der Welthandelsorganisation WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, der zufolge ungenutzte Produktionskapazitäten für Impfstoffe auf der südlichen Hemisphäre binnen sechs Monaten auf die Herstellung von COVD-19-Vakzinen umgerüstet werden könnten. Daher müsse sich Österreich „dafür einsetzen, dass sich die EU für die Aussetzung handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte zur Pandemiebekämpfung ausspricht“.

 

 

 

 

EU-Kommission: Impfstoffkauf bei Biontech-Pfizer

Die beiden Pharmaunternehmen müssen 2022 und 2023 bis zu 1,8 Milliarden Dosen ihres Vakzins gegen SARS-CoV-2 liefern, diese in der EU erzeugen und wesentliche Bestandteile dort kaufen.

 

Die EU-Kommission vereinbarte mit den Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer die Lieferung weiterer 1,8 Milliarden Dosen des SARS-CoV-2-Impfstoffs der Letzteren. Davon entfallen 900 Millionen Dosen auf das derzeitig Pharmazeutikum, die übrigen 900 Millionen auf Varianten gegen Mutationen des Virus. Vereinbarungsgemäß müssen die Unternehmen die Vakzine 2022 und 2023 liefern. Zum Preis machte die Kommission keine Angaben. Biontech und Pfizer sind verpflichtet, die Arzneimittel in der EU zu erzeugen und wesentliche Bestandteile davon innerhalb der EU zu kaufen.

 

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides zufolge erwies sich in den vergangenen Monaten, „dass wir ein breites Portfolio an Impfstoffen und verschiedenen Technologien ebenso brauchen wie verlässliche Partner. Da das Impftempo jeden Tag zunimmt und immer intensiver an wirksamen Therapeutika gearbeitet wird, können wir mit mehr Optimismus und Vertrauen in die Zukunft blicken“.

 

Die Kommission beschaffte im Auftrag der EU-Mitgliedsstaaten SARS-CoV-2-Impfstoffe von Biontech-Pfizer, Astrazeneca, Sanofi-GSK, Janssen Pharmaceutica NV, CureVac und Moderna. Das Vakzin von Astrazeneca wird nach einer Reihe von Unstimmigkeiten allerdings nicht mehr abgerufen. Im Wesentlichen besagen die Verträge mit den Pharmakonzernen, dass die EU-Kommission in einem bestimmten Zeitraum eine vereinbarte Anzahl von Impfstoffdosen kaufen kann. Im Gegenzug übernimmt sie „einen Teil der Vorlaufkosten der Impfstoffhersteller in Form von Abnahmegarantien“, hieß es in einer Aussendung.

 

 

May 4th

Agrana: Dividende steigt um 10 Prozent

Johann Marihart verabschiedet sich mit guten Ergebnissen und Aussichten in die Pension. Diese kommen auch den Aktionären zugute.

 

Zum Abschied erfreut „Mister Agrana“ Johann Marihart noch einmal seine Aktionäre: Er schlägt der Hauptversammlung des Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzerns vor, für das Geschäftsjahr 2020/21 eine Dividende von 0,85 Euro je Aktie zu bezahlen. Verglichen mit den 0,77 Euro für das Jahr 2019/20 ist das eine Erhöhung um etwa 10,4 Prozent. In einer Aussendung der Agrana hieß es, deren Dividendenpolitik orientiere sich „nicht nur am Ergebnis, sondern auch am Cashflow sowie an der Verschuldungssituation des Konzerns unter Wahrung einer soliden Bilanzstruktur. Weiters bezieht Agrana aktuelle Ereignisse und die zukünftig zu erwartende Geschäftsentwicklung in ihre Dividendenpolitik mit ein“.

 

Nach eigenen Angaben erzielte der Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 2,55 Milliarden Euro, was einem Plus von etwa 2,8 Prozent entspricht. Das operative Ergebnis (EBIT) wuchs um 17,6 Prozent auf 78,7 Millionen Euro, das Ergebnis je Aktie verdoppelte sich von 0,45 auf 0,96 Euro. Und für das laufende Geschäftsjahr 2021/22 rechnet die Agrana mit einem EBIT-Zuwachs zwischen zehn und 50 Prozent. Allerdings warnte die: „Aufgrund der andauernden COVID-19-Krise und der damit verbundenen hohen Volatilität in allen Segmenten ist diese Prognose von sehr hoher Unsicherheit geprägt.“

 

Marihart geht bekanntlich am 31. Mai in Pension. Er leitete die Agrana seit 1991 und baute diese zu einem internationalen Konzern aus. Als wesentliche Schritte in diesem Zusammenhang gelten die Expansion nach Zentral- und Osteuropa sowie der Aufbau des Geschäftsfelds Frucht, das heute das umsatzstärkste der Agrana ist. Mariharts Nachfolger wird Markus Mühleisen, der seit über 20 Jahren in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie arbeitet und seit 2018 Group-Vice President der internationalen Molkerei-Gruppe Arla Foods ist.

 

 

 

Fusionskontrolle: EU-Kommission bestraft Sigma-Aldrich

Der Laborchemikalienhersteller muss 7,5 Millionen Euro bezahlen. Laut Angaben der Kommission machte er im Zuge der Übernahme durch den deutschen Merck-Konzern im Sommer 2015 falsche Angaben.

 

Wegen falscher Angaben bei der seinerzeitigen Übernahme durch den deutschen Chemie- und Pharmakonzern Merck muss der Laborchemikalienhersteller Sigma-Aldrich 7,5 Millionen Euro Strafe zahlen. Das berichtete die EU-Kommission. Sie hatte die Übernahme am 15. Juni 2015 genehmigt, allerdings mit der Auflage des Verkaufs des europäischen Lösungsmittelgeschäfts von Sigma-Aldrich an ein drittes Unternehmen. Als dieses wurde im November 2015 Honeywell fixiert. Indessen hatte Sigma-Aldrich der Kommission die Existenz eines Innovationsvorhabens mit der Bezeichnung iCap verschwiegen, um dieses nicht an Honeywell abtreten zu müssen. Die Kommission erlangte davon 2016 Kenntnis und leitete im Juli 2017 ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Fusionskontrollverordnung ein. Sie nahm dabei sowohl Sigma-Aldrich als auch Merck in die Pflicht. Nach einer Anhörung der beiden Unternehmen ließ die Kommission die Vorwürfe gegen Merck 2020 fallen und führte das Verfahren allein gegen Sigma-Aldrich weiter.

 

Ihr zufolge stellte sich heraus, dass das Unternehmen sich „drei schwere Zuwiderhandlungen“ gegen die EU-Fusionskontrollverordnung zuschulden kommen ließ. Begründet wird dies damit, dass „das EU-Fusionskontrollsystem ohne richtige und nicht irreführende Angaben der beteiligten Unternehmen nicht funktionieren kann, die unrichtigen bzw. irreführenden Angaben ein Innovationsvorhaben betrafen, das für das veräußerte Geschäft eindeutig relevant und wichtig war, und die Kommission die Informationen über dieses naturgemäß geheime und vertrauliche Vorhaben nur von Sigma-Aldrich bekommen konnte“. Angesichts dessen sei die Strafe in Millionenhöhe angemessen. Ausdrücklich betonte die Kommission, sie könne bei Verstößen gegen die Fusionskontrollverordnung „Geldbußen von bis zu einem Prozent des Gesamtumsatzes von Unternehmen verhängen, die der Kommission gegenüber vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige oder irreführende Angaben machen“. Merck hatte seinerzeit rund 13,1 Milliarden Euro für Sigma-Aldrich bezahlt. Auf die damalige Genehmigung der Übernahme sich die nun verhängte Strafe nicht aus.

 

Sigma-Aldrich nahm zu der Causa nicht Stellung. Laut Mitteilung der EU-Kommission handelt es sich um den dritten derartigen Fall seit dem Inkrafttreten der Fusionskontrollverordnung im Jahr 2004. Der erste Fall betraf Facebook. Im Mai 2017 erhielt der US-Datenkonzern eine Geldstrafe von 110 Millionen Euro, weil er die Kommission im Zuge der 2014 erfolgten Übernahme von Whatsapp falsch informiert hatte. Im April 2019 bestrafte die Kommission die US-amerikanische General Electric mit 52 Millionen Euro, „weil das Unternehmen bei der Untersuchung zu seiner geplanten Übernahme von LM Wind zunächst unrichtige Angaben gemacht hatte“.

 

Margrethe Vestager, die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, konstatierte, der Beschluss mache deutlich, „dass Unternehmen keine Informationen zurückhalten und auch keine irreführenden Angaben machen sollten. Wir müssen uns darauf verlassen können. Sonst sind wir nicht in der Lage, geplante Zusammenschlüsse korrekt zu beurteilen – ganz besonders auch Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die naturgemäß geheim und nur den beteiligten Unternehmen genauer bekannt sind“.

 

 

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