Archive - Mär 29, 2008

„Ernten sichern, Gleichgewichte anstreben“

Pflanzenschutz in Österreich: Was Wirkstoffe in der Landwirtschaft leisten. Über Produktivitäten, Bio-Anbau und revitalisierte Brachflächen sprach der Chemie Report mit Rudolf Purkhauser von <a href=http://www.bayercropscience.at>Bayer CropScience Austria</a>. Eine Einführung. „Ernten sichern, Gleichgewichte anstreben“ <% image name="Pestizidausbringung" %><p> <table> <td><% image name="Purkhauser_Rudolf" %></td> <td align="right"> Kulturpflanzen sind per se „eine Vergewaltigung der Natur“: Ohne den kultivierten Anbau von Getreide, Mais, Rüben, Obst und Gemüse wäre Europa ein vorrangig bewaldeter Kontinent. Hinzu kommt: Über die Jahrhunderte verbesserte Pflanzensorten liefern auf diesen Kulturflächen heute einen wesentlich höheren Ertrag, das Potenzial des hybriden Saatgutes hat sich vervielfacht. </td> </table><p> <small> Rudolf Purkhauser: Bio-Landbau ist um 20 bis 40 % weniger produktiv. © Bayer </small> „In Zeiten der landwirtschaftlichen Überproduktion“, sagt Purkhauser, „wurde hartnäckig die Sinnfrage gestellt: Wozu überhaupt Pestizide einsetzen?“ Heute ist die Überproduktion Geschichte und der qualitative Zugang im agrarischen Wirkstoffeinsatz rücke in den Vordergrund: „Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel hat heute weniger den Produktivitätszuwachs zum Ziel. Vielmehr geht es darum, ganze Ernten zu sichern, eben damit zu versichern. Ökologische Ungleichgewichte austarieren – mit den dazu geeignetsten Mitteln – das ist das heutige Ziel.“ <i>Wenn wir schon nicht von Mehrertrag reden, welche Verluste kann denn Österreichs Landwirtschaft mit Hilfe der Pestizide vermeiden?</i> Ohne einen gezielten Pestizideinsatz kann der potenzielle Verlust bis hin zum Totalausfall reichen: Erreichen Zuckerrüben beispielsweise aufgrund von Unkrautkonkurrenzen eine bestimmte Größe nicht mehr, so sind sie von den speziell dafür konstruierten Maschinen nicht mehr zu ernten. In der Regel würden es zwischen 30 und 50 % an Ertragseinbußen sein. Bei diesem ,potenziellen Produktivitätsverlust’ muss man freilich extreme Schwankungsbreiten mitberücksichtigen – werden Felder jahrelang vernünftig bewirtschaftet, hält sich auch das Unkrautpotenzial in Grenzen. <table> <td width="120"></td><td><small> <b>Der ökologische Landbau</b> wird durch die EU-Verordnung 2092/91 geregelt. Neben den Anforderungen an die Tierhaltung und den Düngemitteleinsatz sind im Anhang II des knapp 150 Seiten starken Konvolutes auch die für „Bio-Bauern“ erlaubten Pflanzenschutzmittel angeführt. Dazu zählen etwa Gelatine, Nikotinextrakt, Quassia, Bacillus thuringiensis, Mineralöle, Schwefel sowie Kupfer. Insbesondere letzteres reichert den Boden jedoch ungünstig an und wirkt giftig auf das Bodenleben. In Österreich ist ein Reinkupfereintrag von max. 2 kg pro ha und Jahr (Obstbau: 2,5 kg; Weinbau: 3 kg) erlaubt. Der im Biolandbau intensive Kupfereinsatz birgt Risken, nach unbedenklicheren Alternativen wird bereits gesucht. Insgesamt sind 11,6 % der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich (rund 20.000) Biobetriebe, die 13 % der Agrarfläche (rund 360.000 ha) bewirtschaften. </small></td> </table> <i>Sie würden also mitunter auch mechanische Alternativen empfehlen?</i> Letztlich wollen wir den Landwirt optimal beraten. Wenn es etwa um den Kartoffelkäfer als Schädling geht, so ist durchaus die Möglichkeit gegeben, diese mit großen ,Staubsaugern’ von den Pflanzen abzubringen. Gegen Konkurrenzpflanzen bieten sich generell Unkrautstriegel an – all diese Varianten sind aber zumeist äußerst energieintensiv. <i>Umgekehrt: Welchen Produktivitätsverlust nimmt die Landwirtschaft durch den „Bio“-Anbau in Kauf?</i> Hier gilt es zunächst, die landläufige Meinung zu korrigieren, dass Bio-Bauern keinerlei Pflanzenschutzmittel einsetzen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Bio-Bauern gehören zu unseren besten Kunden. So werden beispielsweise jede Menge Schwefelverbindungen – gegen Schädlinge und Pilze – sowie Kupferverbindungen – gegen falschen Mehltau etwa – eingesetzt. Ökologischer Landbau bedeutet aber nicht nur weniger Pestizide, sondern auch eine veränderte Tierhaltung und den Verzicht auf Handelsdünger. Den dadurch bedingten Produktivitätsverlust schätze ich auf zwischen 20 und 40 %. <table> <td width="120"></td><td><big> Jeden Tag wächst die Weltbevölkerung um rund 220.000 Menschen. 2020 wird jeder Mensch mit 2.000 m² Ackerfläche für Ernährung, Energie und Rohstoffe auskommen müssen, 2025 mit 1.700 m². Versorgte ein Bauer 1950 noch rund 10 Menschen, waren es 2000 bereits etwa 125. </big></td> </table> <i>,Natürliche’ Landwirtschaft hat also eine ,künstliche’ Inflation zur Folge?</i> In gewissem Sinne ja, allerdings ist der Rohstoffanteil am Endverbrauchspreis bei Lebensmittel nachgerade verschwindend gering. Generell ist es aber zu begrüßen, wenn Landwirte höhere Preise am Markt erzielen, anstatt ewige Subventionsempfänger zu bleiben. <i>Die von der EU verordnete Flächenstillegung wurde heuer aufgehoben. Welche Brachflächen werden Ihren Marktdaten zufolge wieder in Produktion genommen?</i> Wir gehen davon aus, dass etwa 30 % der rund 100.000 ha Brachfläche in Österreich wieder bewirtschaftet werden. Vielleicht werden es mittelfristig 50 %, darüber hinaus macht es vielerorts aber schlicht und einfach aufgrund der jeweiligen Topologie einfach keinen Sinn. Als Anbieter von Pflanzenschutzmitteln rechnen wir daher mit einem leichten Umsatzzuwachs in den nächsten Jahren. <table> <td width="120"></td><td><small> <b>Besondere Probleme</b> bereiten in Österreich derzeit der Maiswurzelbohrer, der Kartoffelkäfer und Feldmäuse sowie der Feuerbranderreger. Insgesamt gibt es rund 240 wirtschaftlich relevante Schaderreger für die bedeutenden Kulturpflanzen. Zwischen 75 und 80 Mio € werden mit Pflanzenschutzmitteln in Österreich jährlich umgesetzt. Neben Bayer vertreiben <a href=http://www.basf.at>BASF</a>, <a href=http://www.fcs-feinchemie.com>Feinchemie Schwebda</a>, <a href=http://www.kwizda-agro.at>Kwizda Agro</a>, <a href=http://www.nufarm.at>Nufarm</a>, <a href=http://www.staehler.at>Stähler</a> sowie <a href=http://www.syngenta-agro.at>Syngenta</a> solche Wirkstoffe an die heimischen Landwirte. Zugelassen sind darüber hinaus auch Wirkstoffe von <a href=http://www.dowagro.com>Dow Agro Sciences</a>, Du Pont (<a href=http://www.pioneer.com>Pioneer Hi-Bred</a>) und <a href=http://www.monsanto.de>Monsanto</a>. </small></td> </table> <% image name="Getreidehaehnchen" %><p> <small> Getreidehähnchen (oben) und Kartoffelkäferlarve. © Entomart, Bayer </small><p> <% image name="Kartoffelkaeferlarve" %><p> <i>Wo und in welcher Form kommen den Pestizide derzeit in Zentraleuropa am stärksten zum Einsatz?</i> Herbizide führen vor Fungiziden und Insektiziden. Am intensivsten ist der Pestizideinsatz bei Zerealien, weil hier alle Sorten an Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Dahinter folgen Mais, Wein und Rüben in Österreich. Allgemein lässt sich sagen, dass milde Winter und sehr trockene Sommer in den letzten Jahren das Insektenaufkommen tendenziell vermehrt haben. Allen voran macht hier der Maiswurzelbohrer enorm zu schaffen, hinzu kommen insbesondere Blattläuse, Kartoffelkäfer und Getreidehähnchen. Als Applikationsform spielt die Saatgutbehandlung eine immer größere Rolle. Dabei wird das Vermehrungssaatgut vom Züchter in einem minimalen Verhältnis mit dem gewünschten Wirkstoff gebeizt. <% image name="Fusarium" %><p> <small> Bayer verspricht mit Folicur das wirksamste Mittel gegen Ährenfusariosen. © Bayer </small> <i>Mit welchen Produkten begründet Bayer derzeit die Marktführerschaft in Österreich?</i> Unsere Top-Seller sind das Rübenherbizid Betanal, die Maisherbidzide Laudis und Terano, die Maissaatgutausstattung Poncho sowie das Getreidefungizid Input. Zudem haben wir mit Folicur das wirksamste Mittel gegen Ährenfusariosen Mykotoxine am Markt. Besonders stolz sind wir auf die Anfang 2007 in Österreich erhaltene weltweite Zulassung für den Laudis-Wirkstoff Tembotrione aus der chemischen Gruppe der Triketone ist eine blattaktive Substanz, die in Unkräutern den Schutz des Chlorophylls vor UV-Licht verhindert. Die Maispflanze ist dagegen aufgrund der zusätzlichen Safener-Komponente Isoxadifen in der Lage, den Wirkstoff abzubauen und so die schützende Karotinschicht der Pflanze zu erhalten. Die Marktführerschaft wollen wir vor allem als anerkannter Problemlöser behaupten, indem wir Werkzeuge an die Hand geben, um tatsächlich einen punktgenauen Einsatz unserer Produkte zu ermöglichen. So wird es möglich, bestimmte Unkräuter genau dann zu bekämpfen, wenn sie die am empfänglichsten für den Schadstoff sind. Auch im Kampf gegen den Maiswurzelbohrer sind exakte Wetterdaten und die Berücksichtigung eines engen Zeitfensters entscheidend. <% image name="Stechapfel_Unkraut_bei_Kartoffel" %><p> <small> Stechapfel macht als Unkraut insbesondere bei Kartoffelkulturen zu schaffen. © Bayer </small> <i>Macht es Sinn – so wie das ,Naturschützer’ regelmäßig fordern – potenzielle Resistenzen dadurch zu bekämpfen, indem bestimmte Pestizide verboten werden? Ist etwa der Antibiotikaeinsatz gegen Feuerbrand gerechtfertigt?</i> Das Gegenteil ist vernünftig: Der beste Schutz gegen eine Resistenzbildung besteht darin, verschiedene Wirkstoffgruppen einzusetzen, neben der regelmäßigen Fruchtfolge also auch den regelmäßigen Produktwechsel bei den Pestiziden zu forcieren. Je mehr Wirkstoffe wir also zur Verfügung haben, umso größer die Auswahl, umso weniger Resistenzen. Was die Antibiotika betrifft: Diese sind nun einmal der beste Schutz für Obstbäume, der gezielte Einsatz ist daher meiner Ansicht nach sehr wohl geboten. Was wäre die Alternative, um dem Feuerbrand Herr zu werden? Alles abholzen und verbrennen? Lassen Sie mich generell zur ,Gefährlichkeit’ der Pestizide anmerken: Die Messgenauigkeit in der Analytik hat in den letzten Jahren derart zugenommen, sodass Sie natürlich überall Toxine finden werden, wenn Sie nur wollen. Die Frage ist hier aber, ob es auch Sinn macht, bei minimalsten Konzentrationen bestimmter Wirkstoffe noch von Schädlichkeit zu sprechen. Unsere Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute. Zudem nehmen wir weitaus mehr ,natürliche’ Toxine von Pflanzen auf als durch Pestizide vermittelte. <i>Sind die Landwirtschaftspflege und die Forstwirtschaft relevante Abnehmer in Österreich?</i> Diese Bereich machen gerade einmal 1 % unseres Gesamtumsatzes aus. Hier entsteht saisonal ein Bedarf im Kampf gegen den Borkenkäfer oder im Rahmen von Aufforstungen. <i>Der europäische Markt wird von Bayer CropScience, was die Gentech- und Bioscience-Produkte betrifft, weitgehend ausgeklammert. Wird sich das in absehbarer Zeit ändern? Etwa mit rekombinanten Gemüsesorten?</i> Die grüne Biotechnologie wird über kurz oder lang auch bei uns Einzug halten – wann das sein wird, wer weiß es? Fakt ist, dass der Markt mit rekombinanten Pflanzen bereits ein sehr gut besetzter ist. Wir versuchen, mit bestimmten Gemüsesorten und Raps einige Nischen zu besetzen. Von einer bewussten Ausklammerung Europas würde ich nicht sprechen. <i>Noch ein Wort zur von der SPÖ angedachten Pestizidsteuer – macht das Sinn?</i> Die Diskussion darüber ist nunmehr bereits seit etlichen Jahren im Gange. Letztlich ist es dieselbe Problematik wie mit innerhalb Europas unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen. Um hier für die Bauern Ungerechtigkeiten auszutarieren, ist es am sinnvollsten, zu harmonisieren. Eine einseitige Pestizidsteuer wäre dagegen kontraproduktiv. <small> <b>Die Pipeline von Bayer CropScience:</b> Mit Tembotrione (Laudis) hat das erste von 10 aussichtsreichen Projekten, die sich in der späten Entwicklungsphase befinden, den Sprung in die Vermarktung geschafft. In der Einführungsphase befindet sich derzeit das primär gegen Raupen gerichtete Flubendiamide (Belt), heuer sollen das systemische Insektizid Spirotetramat (Movento) und das Getreideherbizid Pyrasulfotuole (Huskie) folgen. Speziell in Österreich wurden kürzlich das Getreidefungizid Prothioconazole (Prosaro), das Maisherbizid AspectPro (Flufenacet + Tributhylazin) sowie das Rübenfungizid Sphere zugelassen. Die F&E-Pipeline von Bayer CropScience enthält derzeit 18 Projekte, die bis 2015 Marktreife erlangen sollen, weitere 45 Projekte sind in der Forschung. </small> <hr> <% image name="Maiswurzelbohrer" %><p> <table> <td width="120"></td><td><b>Der Westliche Maiswurzelbohrer</b> wurde in den späten 1980er Jahren nach Europa „importiert“ und bedroht seit etwa 4 Jahren auch Österreichs Maiskulturen. Wie die Reblaus und der Kartoffelkäfer - dieser wurde im zweiten Weltkrieg übrigens von den Amerikanern scharenweise über Europa abgeworfen - stammt der 5-7 mm kleine Käfer aus der Neuen Welt. In den USA richtet er heute bereits einen jährlichen Schaden von mehr als 1 Mrd $ an. In Europa startete er seine Ausbreitung Anfang der 1990er Jahre am Balkan; seitdem verbreitet er sich um 40-80 km pro Jahr und „reist mitunter auch als blinder Passagier“ in Flugzeugen. Während die ertragreichen Maiskulturen von Blattläusen, Baumwollkapselwurm und Maiszünsler relativ leicht freizuhalten sind, machen die 300-500 Larven je Weibchen des Maiswurzelbohrers wirklich zu schaffen: Explosive Reproduktionsraten sind die Folge. Neben wechselnden Fruchtfolgen und Pheromonfallen haben sich hier vor allem die Saatgutbeizung mit Clothianidin als wirksam erwiesen. </td> </table>