Archive - 2022

October 3rd

Borealis: Arbeiten in Kallo wieder aufgenommen

Im August waren Tätigkeiten zur Errichtung einer Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) wegen behaupteter Menschenrechtsverletzungen gestoppt worden. Nach einer Neuausschreibung geht es nun weiter.

 

Der Kunststoff- und Düngerkonzern Borealis hat die Arbeiten an seiner neuen Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Kallo in Belgien wieder aufgenommen. Etwa 80 Prozent der Tätigkeiten waren im August eingestellt worden, nachdem die zuständigen belgischen Behörden Menschenrechtsverletzungen durch eines der beauftragten Unternehmen festgestellt hatten. In der Folge führte die Borealis für mechanische Arbeiten sowie Rohrleitungsbauten eine neue Ausschreibung durch. Den Zuschlag erhielt die französische Ponticelli Frères mit Hauptsitz in Paris. 

 

Sie war seinerzeit in einer Projektgesellschaft mit der italienischen IREM in Kallo tätig, die die Bezeichnung IREM-Ponticelli trug. Der IREM warfen die belgischen Behörden vor, 174 Arbeiter von den Philippinen und aus Bangladesh unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt und auf der Baustelle illegal beschäftigt zu haben. Entlohnt wurden die Arbeiter bei sechs Arbeitstagen pro Woche angeblich mit höchstens 650 Euro im Monat. Eine ihrer Unterkünfte war den Behörden zufolge unbenutzbar. Ponticelli Frères betonte nach Bekanntwerden der Anschuldigungen, jeder der Partner führe seine Tätigkeiten selbständig und mit eigenem Personal durch. Die IREM-Ponticelli als solche habe keinen einzigen Beschäftigten: „Wir bedauern den Missbrauch der Arbeiter und sind von den diesbezüglichen Nachrichten schwer betroffen.“

 

Auf Anfrage teilte die Borealis dem Chemiereport mit, die Ponticelli Frères sei nun mit jenen Tätigkeiten beauftragt, die sie auch seinerzeit im Rahmen der Projektgesellschaft ausgeführt habe: „Für den verbleibenden Umfang (Rohrleitungen/Mechanik, Bau und Elektro/Instrumentierung) ist noch eine Neuausschreibung erforderlich.“ Ponticelli Frères habe die Einhaltung des belgischen Rechts, „insbesondere der Sozialgesetzgebung, durch ein externes Audit, das Ponticelli selbst sowie seine untergeordneten Lieferanten umfasst, bestätigt“. Sämtliche Verträge mit der IREM seien „wegen Versäumnissen auf Basis von Nichtkonformität mit grundlegenden Vertragsprinzipien aufgelöst“ worden. Die Borealis „duldet keinerlei illegales und unethisches Verhalten und ergreift im Falle eines Verdachts sofortige Maßnahmen“.

 

Wegen des Stillstands werde sich die Fertigstellung der PDH verzögern, hieß es in einer Aussendung. Zu rechnen sei mit deren Inbetriebnahme im zweiten Halbjahr 2024. Die Borealis bezeichnet den Bau als „Megaprojekt“, in das sie rund eine Milliarde Euro investiert. 

 

 

September 29th

Lob und Tadel für Energiekostenzuschuss

Wirtschaftsvertreter begrüßen den Ministerratsbeschluss grundsätzlich, mahnen aber Nachbesserungen ein. Heftige Kritik kommt von der Opposition.

 

Der Energiekostenzuschuss sei ein „erstes wichtiges Signal für dringend notwendige Unterstützungsmaßnahmen“. Benötigt würden aber „dringend ergänzende Maßnahmen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken“, betonte der Obmann der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Siegfried Menz in Reaktion auf den Ministerratsbeschluss vom 28. September. Menz zufolge hat sich der Anteil der Energiekosten an den gesamten Produktionskosten „im letzten Jahr zumindest verdrei- bis versechsfacht, oft geht es dabei ums wirtschaftliche Überleben“. In Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, verlangte Menz, den EU-rechtlich möglichen Förderzeitraum nicht zu verkürzen. Auch das Kriterium des Betriebsverlustes bei den Förderstufen 3 und 4 muss laut Menz entfallen, wofür allerdings eine Überarbeitung des EU-Beihilferahmens notwendig ist. Bei den Förderungen zu berücksichtigen ist laut Menz ferner der indirekte Bezug von Erdgas in Form von Wärme oder Dampf. „Für viele Betriebe steht die Zukunft am Standort Österreich auf dem Spiel. Wenn Unternehmen einmal Produktionen oder sogar ganze Standorte stilllegen, ist es meist zu spät“, warnte Menz. Einmal mehr urgierte er „die Kompensation indirekter CO2-Kosten aus der Stromerzeugung zur Vermeidung von Carbon Leakage“, die Förderrichtlinie zum Gas-Diversifizierungsgesetz sowie die Energielenkungsverordnung zur Förderung des freiwilligen Energieträgerwechsels.

 

IV-Präsident Knill ergänzte, auf Basis des Ministerratsbeschlusses könne nun endlich „ein Teil der explodierenden Energiekosten abgefedert werden“. Doch weitere Entlastungen müssten „jetzt so rasch wie möglich folgen“. Außerdem seien „Schwachstellen“ hinsichtlich des Energiekostenzuschusses zu beseitigen. Insbesondere muss laut Knill „das Budget von den nun angekündigten 1,3 auf 2,5 Milliarden Euro aufgestockt und der Förderzeitraum bis mindestens Ende 2023 verlängert werden“.

 

Unbürokratisch umsetzen

 

Der Wirtschaftslandesrat Niederösterreichs, Jochen Danninger, wiederum betonte im Einklang mit dem Präsidenten der WKÖ Niederösterreich, Wolfgang Ecker, „dass die Energiehilfen nun rasch bei den Unternehmen ankommen müssen“. Darüber hinaus müsse der Förderzeitraum deutlich verlängert werden. „Die Förderungen decken nur Energie-Mehrkosten für den Zeitraum Februar bis September 2022 ab. Hier brauchen die Betriebe einen deutlich längeren Förderzeitraum. Wir brauchen einen Schutzschirm bis Ende 2023, damit die Betriebe Planungssicherheit erhalten und ihre Kosten kalkulieren können“. Danninger ergänzte, „ob die nun vorliegenden Hilfen, die noch von der EU-Kommission bestätigt werden müssen, wirklich diesem Anspruch gerecht werden können, wird sich bei der praktischen Umsetzung zeigen. Jetzt geht es darum, dass die Hilfen unbürokratisch abgerufen werden und wirklich rasch bei den Betrieben ankommen“.

 

„Hochgradige Unfähigkeit“

 

Heftige Kritik am Energiekostenzuschuss und dessen Ausgestaltung übte der Wirtschaftssprecher der SPÖ im Nationalrat, Christoph Matznetter. Die Bundesregierung beweise mit der Maßnahme „einmal mehr ihre hochgradige Unfähigkeit. ÖVP und Grüne haben drei Monate für die Ausarbeitung der Richtlinien gebraucht und über Heizschwammerln gestritten. In dieser Zeit mussten Unternehmen bereits ihre Produktionen zurückfahren und Menschen in Kurzarbeit schicken, weil sie sich die hohen Energiekosten nicht mehr leisten können. Wenn Wirtschaftsminister Kocher nun die Auszahlung bis Ende des Jahres verspricht, kommt die Hilfe schlichtweg zu spät“.

 

 

 

 

August 31st

Marinomed: Arzneimittelforschung auf guter OTC-Geschäftsbasis

Das börsennotierte Life-Sciences-Unternehmen Marinomed konnte seinen Umsatz im ersten Halbjahr 2022 um mehr als die Hälfte steigern. In der F&E-Strategie setzt man auf verschreibungspflichtige Medikamente für gezielt ausgewählte Leitindikationen.

Wer im Geschäft mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit tätig ist, für den waren die Lockdowns der Jahre 2020 und 2021 keine gute Zeit: Die Kontaktminimierung, mit der COVID-19 bekämpft werden sollte, war auch sehr effektvoll zur Verhinderung anderer Atemwegsinfektionen. Doch während andere Umsatzeinbußen zu beklagen hatten, stieg der Umsatz von Marinomed in dieser Zeit an: Die aus Rotalgen gewonnenen sulfatierten Polysaccharide, die in der vom Unternehmen entwickelten Technologie-Plattform „Carragelose“ zum Einsatz gebracht werden, umwickeln auch Viruspartikel von SARS-CoV-2 und blockieren so ihre Bindung an Wirtszelle.

Nun, nachdem die gegen COVID gerichteten Maßnahmen nach und nach gelockert wurden, traten zusätzlich zu dem Coronavirus auch wieder klassische Rhinoviren auf, der Bedarf nach Sprays und Pastillen ist umso größer. Zudem konnte Marinomed die vergangenen Monate nutzen, um seine Marktposition bei verschreibungsfreien Medikamenten durch Kooperationen mit Procter & Gamble in den USA, Hanmi in Südkorea und M8 in Lateinamerika auszubauen. Das zeigt sich in den Zahlen für das erste Halbjahr 2022, die das seit 2019 an der Wiener Börse notierte Biotechnologie-Unternehmen präsentierte: Der Umsatz stieg im Vergleich zum selben Zeitraum 2021 um 52 Prozent auf 4,9 Millionen Euro an. Gemeinsam mit der Auszahlung von 6 Millionen Euro aus der letzten Tranche der Finanzierungsvereinbarung mit der Europäischen Investitionsbank EIB befindet sich das Unternehmen nach den im August veröffentlichten Kennzahlen mit 11,0 Millionen Euro an liquiden Mitteln in einer stabilen finanziellen Lage. Das operative Ergebnis (EBIT) konnte von minus 3,65 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021 auf minus 2,52 Millionen Euro in der ersten Hälfte 2022 verbessert werden.

Bessere Löslichkeit gegen Entzündungen in Auge und Magen

Im Forschungsprogramm, das darauf ausgerichtet ist, die OTC-Produkte durch rezeptpflichtige Arzneimittel zu ergänzen, gab es eine Änderung der strategischen Ausrichtung: Anstatt mit Marinosolv“, der zweiten Plattform des Unternehmens, auf den breiten Markt allergischer Erkrankungen abzuzielen, hat man einige Leitindikationen mit bisher ungedecktem medizinischem Bedarf identifiziert. Marinosolv ermöglicht, Formulierungen bekannter Wirkstoffe mit höherer Bioverfügbarkeit herzustellen. Das Immunsuppressivum Tacrolimus will man auf diese Weise gegen herpetische stromale Keratititis, eine in vielen Fällen zur Erblindung führende infektiöse Hornhautentzündung, zum Einsatz bringen. Dafür hat man bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA „Orphan Drug“-Status beantragt. Zudem soll mittels Marinosolv ein Präparat gegen autoimmune Gastritis auf Basis einer immunmodulatorischen Substanz entwickelt werden. Auf Basis der Carragelose-Plattform wird derzeit das Polysaccharid Iota-Carrageen in Kombination mit anderen Wirkstoffen zu einem antiviralen Breitband-Inhalationsprodukt entwickelt.

Borealis: Bauernbund Niederösterreich gegen Düngemittelsparten-Verkauf

In einem offenen Brief fordern Obmann Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek ÖBAG-Chefin Edith Hlawati zum Handeln auf. Sie soll nicht zuletzt OMV-Generaldirektor Alfred Stern die Leviten lesen.

 

Der Bauernbund Niederösterreich (BBN) wehrt sich weiter vehement gegen den Verkauf der Düngemittelsparte der OMV-Tochter Borealis. In einem offenen Brief an die Chefin der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), Edith Hlawati, bekräftigen BBN-Obmann sowie Agrarlandesrat Stephan Pernkopf und BBN-Direktor Paul Nemecek ihre Bedenken. Ihnen zufolge legten weder die OMV noch die Borealis die „strategischen Überlegungen“ hinter dem Verkauf offen. „Nachvollziehbare Gründe“ für die Transaktion gibt es aus Sicht der BBN-Chefs nicht. Im Gegenteil seien diese „völlig schleierhaft. Das Unternehmen ist weder in der Krise, noch braucht es frisches Kapital. Ganz im Gegenteil: Binnen eines Jahres konnte der Gewinn deutlich erhöht werden und das Unternehmen und gerade die Düngemittelsparte florieren. Sie sind für den österreichischen Standort sowie für die Versorgung der heimischen Landwirtschaft immanent wichtig“.

 

Zweifel haben Pernkopf und Nemecek auch an der „Seriösität des Prozesses“: Der Verkaufspreis habe sich innerhalb von wenigen Monaten auf über 800 Millionen Euro „sprunghaft verdoppelt“. Dazu komme: Der voraussichtliche Käufer, der tschechische Agrofert-Konzern, habe zwar eine Bestandsgarantie für die Düngemittelproduktion in Österreich abgegeben. Doch deren Wert sei zumindest zweifelhaft. „Vor kurzem erst“ habe die Agrofert die Produktion im deutschen Stickstoffwerk SKW Piesteritz unweit von Wittenberg eingestellt, obwohl sie auch dafür eine Standortgarantie abgegeben habe. An Hlawati müsse daher die Frage gestellt werden: „Wie wollen Sie also sicherstellen, dass nach Piesteritz nicht auch das österreichische Werk in Linz stillgelegt werden wird?“ Die Pikanterie: In Piesteritz ist die Borealis mit einer Melaminproduktion vertreten und arbeitet dabei mit der SKW zusammen.

 

Pernkopf und Nemecek appellieren daher „in höchstem Maße“ an die ÖBAG-Chefin, „Ihrer Verpflichtung gegenüber dem österreichischen Standort, der österreichischen Wirtschaft und letztlich vor allem Ihrer Verpflichtung gegenüber der österreichischen Bevölkerung nachzukommen und in dieser Angelegenheit entsprechend tätig zu werden. Im Besonderen sollte dies gegenüber OMV-CEO und Borealis-Aufsichtsratvorsitzendem Alfred Stern eindringlich und nachhaltig zum Ausdruck gebracht werden“. Stern ist laut Medienberichten ohnehin unter Druck. Seine im März vorgestellte neue OMV-Konzernstrategie werde mittlerweile auch in der ÖBAG in Zweifel gezogen. Der Strategie zufolge soll die OMV von einem Energie- zu einem Chemieunternehmen mit angegliederter Energiesparte werden.

 

Der BBN werde jedenfalls weiter gegen die Transaktion eintreten, betonen Pernkopf und Nemecek: „Der Niederösterreichische Bauernbund wird auch weiterhin alle juristischen Möglichkeiten zum Schutz und Erhalt der Versorgungssicherheit unseres Landes und zum Fortbestand des Unternehmens sowie des Standorts prüfen lassen und vorantreiben. Besonders die Verantwortung der Vertreter der ÖBAG in diesem Unternehmen gilt es zunehmend zu hinterfragen.“

 

Stichwort „juristische Möglichkeiten“: Schon vor Monaten engagierte der BBN in der Causa die auf Wettbewerbsrecht spezialisierte deutsche Anwaltskanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP. Diese übermittelte im Juli der EU-Kommission einen Brief, dem zufolge die Übernahme der Borealis-Düngemittelsparte durch die Agrofert „schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf die Märkte für stickstoffhaltige Düngemittel“ hätte. Sie sei daher „aus rechtlicher, wirtschaftlicher, als auch aus politischer Sicht nicht hinnehmbar“.

 

 

August 26th

Novartis verkauft Sandoz

Der Schweizer Pharmariese stößt sein Generika- und Biosimilarsgeschäft ab. Laut einer „strategischen Überprüfung“ gibt es nur „begrenzte“ Synergien mit Sandoz.

 

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis verkauft seine Generika- und Biosimilarssparte Sandoz. In einer Aussendung hieß es, die in den vergangenen Monaten durchgeführte „strategische Überprüfung“ habe ergeben, „dass eine Abspaltung von Sandoz durch eine hundertprozentige Ausgliederung im besten Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre ist. Dadurch entsteht das größte europäische Generikaunternehmen und ein weltweit führender Anbieter von Biosimilars sowie eine stärker fokussierte Novartis“.

 

Sandoz könne in den kommenden Jahren insbesondere im Biosimilarsbereich stark wachsen, „mehr als 15 Moleküle“ seien in der Pipeline. Novartis wiederum „will ein auf innovative Arzneimittel fokussiertes Unternehmen mit stärkerem Finanzprofil und verbesserter Kapitalrendite werden“. Laut einer Präsentation anlässlich der Bekanntgabe der Abspaltung sind die Synergien zwischen Novartis und Sandoz „begrenzt“. Die beiden Unternehmen befänden sich „an den einander entgegengesetzten Endpunkten der Pharma-Wertschöpfungskette“. Auch sei die Dynamik ihrer Geschäftsbereiche höchst unterschiedlich.

 

Abgeschlossen werden soll der Verkauf im zweiten Halbjahr 2023. Wie viel Novartis dadurch zu lukrieren gedenkt, gab der Konzern nicht bekannt. Nur so viel: „Sandoz erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Umsatz von 9,6 Milliarden US-Dollar und war in mehr als 100 Märkten weltweit tätig, mit einer starken Präsenz in Europa wie auch in den USA und der restlichen Welt.“ Seinen Hauptsitz werde Sandoz in der Schweiz haben und dort an der Swiss Exchange (SIX) mit Hauptsitz in Zürich kotiert sein. In den USA ist der Handel mit Hinterlegungsscheinen (American Depositary Receipts, ADRs) anstelle von Aktien geplant.

 

Novartis-Chef Vasant Narasimhan sprach von einem „aufregenden Moment“. Sein Unternehmen könne sich künftig auf sein Kerngeschäft konzentrieren: „Darüber hinaus könnten sich beide Unternehmen darauf konzentrieren, die Wertschöpfung für ihre Aktionäre zu maximieren, indem sie die Kapital- und Ressourcenallokation priorisieren, eine eigene Kapitalstrukturpolitik verfolgen und den Fokus des Managements stärker auf ihre jeweiligen geschäftlichen Bedürfnisse richten.“ Näheres werde im Laufe der kommenden Monate bekannt gegeben.

 

 

August 16th

Deutsche Gasumlage: VCI verlangt Entlastungen

Der Chemieindustrieverband hält die Umlage für grundsätzlich notwendig. Um die Industrie nicht über Gebühr zu belasten, sollte sie allerdings teilweise staatlich finanziert werden.

 

„Zusatzbelastungen von mehr als drei Milliarden Euro“ entstehen der deutschen Chemieindustrie durch die sogenannte „Gasumlage“ von 2,419 Cent pro Kilowattstunde, die ab 1. Oktober von sämtlichen Gaskunden zu bezahlen ist. Wolfgang Große Entrup, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VCI, sprach von einer „extrem bitteren Pille“. Diese müsse dringend versüßt werden, am besten mit staatlichen Zuschüssen. Finanziert werden könnten die Zuschüsse laut Große Entrup „durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer, die aufgrund der hohen Energiepreise entstehen. Außerdem sollte die Umlage über einen möglichst langen Zeitraum gestreckt werden, um eine kurzfristige Überforderung von Industrie und und Verbrauchern zu vermeiden“.

 

Eingeführt wurde die Gasumlage aus folgendem Grund: Wegen des Krieges in der Ukraine kommt es zu Ausfällen von Gaslieferungen aus Russland. Die Gasversorger müssen daher Gas aus anderen Quellen beschaffen und haben somit zusätzliche Kosten. Aufgrund der Bestimmungen in ihren Lieferverträgen können sie diese den Kunden nicht immer und nicht ohne Weiteres weiterverrechnen. Laut dem deutschen Wirtschaftsministerium ist deshalb nicht auszuschließen, dass manche von ihnen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten oder sogar insolvent werden. Das aber wiederum könnte die Gasversorgung insbesondere der Wirtschaft gefährden und so zu letzten Endes unabsehbaren Konsequenzen führen. Damit dies nicht geschieht, werden den Gasversorgern 90 Prozent ihrer Mehrkosten für die Gasbeschaffung aus anderen als russischen Quellen mittels der Umlage abgegolten.

 

VCI-Hauptgeschäftsführer Große Entrup konstatierte, die Umlage sei „notwendig“ und „volkswirtschaftlich das beste“ der Modelle zur Abgeltung der Mehrkosten der Gasversorger. Allerdings dürfe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie nicht gefährdet werden. Darum seien die von ihm vorgeschlagenen Abfederungsmaßnahmen nötig. „Besonders betroffene Betriebe brauchen jetzt eine Entlastung. Dafür setzen wir uns im intensiven Dialog mit der Bundesregierung weiter ein“, resümierte Große Entrup.

 

 

August 5th

Borealis: Bau in Kallo gestoppt

Nach Vorwürfen schwerer Menschenrechtsverletzungen liegt die Errichtung einer Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Belgien bis auf Weiteres auf Eis. Der Konzern sieht die Verantwortung bei der Baugesellschaft.

 

Der Kunststoff- und Düngerkonzern Borealis hat den Bau der neuen Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Kallo in Belgien bis auf Weiteres gestoppt. Der Grund sind Vorwürfe, dass die mit dem Bau beauftragte IREM-Ponticelli im Zuge der Abwicklung des Projekts Menschenrechtsverletzungen begangen haben soll. Im Raum steht, es seien 174 Arbeiter von den Philippinen und aus Bangladesh unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt und auf der Baustelle illegal beschäftigt worden. Ihre Bezahlung belief sich bei sechs Arbeitstagen pro Woche auf höchstens 650 Euro im Monat. Eine der Unterkünfte soll unbenutzbar gewesen sein. Ferner soll die Borealis bereits im Mai von den Zuständen Kenntnis gehabt haben.

 

In einer Aussendung von 5. August betonte die Borealis, Ende Juni hätten belgische Sozialinspektoren die Baustelle überprüft und dabei „Standardbefragungen zu einer Reihe von Arbeiten“. Von möglichem Sozialbetrug in großem Umfang habe die Borealis „erst nach dem Eingreifen der belgischen Behörden Mitte Juli“ erfahren. Und: „Das Ausmaß des Sozialbetrugs und die Möglichkeit des Menschenhandels war zuvor nicht klar und wurden erst später in besonders alarmierenden Presseberichten Ende Juli deutlich.“ Angesichts der Vorwürfe sei der Vertrag mit IREM-Ponticelli am 27. Juli ausgesetzt worden. Am 1. August habe die Borealis dieses Aussetzen auf unbestimmte Zeit verlängert. „Borealis untersucht diese Angelegenheit mit höchster Priorität und arbeitet eng mit der Sozialinspektion zusammen, um deren Untersuchung voranzutreiben. Gleichzeitig wurde von Borealis eine externe Kanzlei mit der Analyse des Falles beauftragt“, stellte der Konzern fest.

 

Der Bau der neuen PDH begann am 10. September 2019 unter der Ägide des damaligen Borealis-Vorstandschefs Alfred Stern, der heute Generaldirektor der OMV ist. Die Anlage ist auf die Herstellung von 750.000 Tonnen Propylen pro Jahr ausgelegt. Die Kosten für ihre Errichtung beziffert die Borealis mit rund einer Milliarde Euro. Ihr zufolge handelt es sich um ein „Megaprojekt“ und die größte Investition eines Petrochemiekonzerns in Europa seit 20 Jahren.

 

Die Borealis gehört zu 75 Prozent der OMV und zu 25 Prozent der Mubadala, der staatlichen Beteiligungsgesellschaft des Emirats Abu Dhabi. Mit rund 6.900 Beschäftigten erwirtschaftete sie 2021 einen Umsatz von rund 12,44 Milliarden Euro und einen Gewinn von 1,39 Milliarden Euro.

 

 

Vorläufig Stillstand: Das „Megaprojekt“ des Baus einer PDH in Kallo ist bis auf Weiteres gestoppt.

 

August 4th

Lenzing: Halbjahresbilanz mit „sehr viel Licht, aber auch Schatten“

Steigende Umsatzerlöse wurden durch Einbrüche beim EBITDA und beim EBIT konterkariert. Der Halbjahresgewinn fiel um ein Viertel niedriger aus als 2021. Die Aussichten sind laut dem Management aber durchaus zufriedenstellend.

 

„Sehr viel Licht, aber auch Schatten“ zeigt laut Vorstandschef Stephan Sielaff das Halbjahresergebnis des Faserkonzerns Lenzing. Die Umsatzerlöse erhöhten sich um 25,2 Prozent auf 1,29 Milliarden Euro. Dem gegenüber sank das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) um 13,3 Prozent auf 188,9 Millionen Euro. Das Betriebsergebnis (EBIT) brach um 31,2 Prozent ein und lag bei 95,6 Millionen Euro. Ihren Halbjahresüberschuss beziffert die Lenzing mit 72,3 Millionen Euro, um 24,8 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2021. Sielaff, der den Vorstandsvorsitz im März übernahm, begründete die Entwicklung insbesondere mit den „immens“ gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe sowie für Logistikleistungen. Zu Buche schlug ferner, dass sich die neuen Fabriken in Thailand und Brasilien im Hochfahrbetrieb befinden. „Das heißt, wir haben die vollen Kosten, aber noch keine Erträge“, erläuterte Sielaff. Probleme mit der Sicherheit der Energieversorgung könnte es ihm zufolge ausschließlich in Kontinentaleuropa geben. Gemeint ist damit vor allem die Fabrik in Heiligenkreuz im Südburgenland, die von Erdgas abhängig ist. Für diese werde in Zusammenarbeit mit dem Land Burgenland eine neue Lösung gesucht. Sie soll vor allem auf Photovoltaik, Geothermie und Biomasse beruhen. Von heute auf morgen geht die Umstellung indessen verständlicherweise nicht. Sielaff: „Da sprechen wir von Jahren, nicht von Monaten.“ Bezüglich des immer wieder ventilierten Ausfalls der Gaslieferungen aus Russland zeigte sich Sielaff entspannt: Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausfalls ist ihm zufolge nicht besonders hoch. Außerdem habe die Bundesregierung bekanntermaßen mehrfach auf die mittlerweile vergleichsweise hohen Füllstände der Gasspeicher hingewiesen: „Da sind wir deutlich besser aufgestellt als in Deutschland.“ Freilich: Falle das „Russengas“ tatsächlich aus, müsse die Lenzing die Produktion in Heiligenkreuz drosseln oder vielleicht sogar komplett einstellen. Die Lage werde laufend beobachtet, konstatierte Sielaff. Ob sein Unternehmen selbst Gas einspeichert, wollte der Lenzing-Chef nicht bekannt geben. Er zeigte sich aber „zuversichtlich, weiter produzieren“ zu können. Angedacht wird ihm zufolge auch, erdgasbefeuerte Anlagen auf den Betrieb mit Erdöl umzustellen. Auch das ist freilich nicht im Handumdrehen zu bewerkstelligen.

 

Ein besonderes Anliegen hat Sielaff hinsichtlich der Strompreiskompensation durch die öffentliche Hand. Vorgesehen ist, dass Unternehmen, die Zellstoff erzeugen, gefördert werden. Das Problem ist laut Sielaff: „Wir erzeugen am Standort Lenzing nicht nur Zellstoff, sondern haben dort eine integrierte Produktion.“ Diese sei genau genommen erheblich umweltfreudlicher als ein herkömmliches Zellstoffwerk. Weil sie aber eben „integriert“ sei, falle sie aus der Förderung im Zuge der Strompreiskompensation. „Das kann es nicht sein. Wir sind daher im Gespräch mit der Regierung und hoffen auf offene Ohren“, vermerkte Sielaff. Kritische Rohstoffe lagert die Lenzing ebenfalls ein. Um welche es dabei geht, wollte Sielaff nicht bekanntgeben.

 

Was das voraussichtliche Ergebnis des Gesamtjahres 2022 betrifft, sind Prognosen laut Sielaff schwierig. Allerdings bleibe die Lenzing bei ihrer bisherigen Guidance. Und die laute, dass das EBITDA „deutlich“ über dem des Jahres 2021 liegen werde. Dafür gebe es drei Gründe: Erstens steige der Bedarf an nachhaltig hergestellten Fasern. Zweitens brächten die neuen Fabriken in Thailand und Brasilien im zweiten Halbjahr erste Ergebnisbeiträge. Und drittens setze die Lenzing in bewährter Manier auf „operative Exzellenz“, also nicht zuletzt striktes Kostenmanagement. Dank ihrer starken Marken könne sie für ihre Waren auch „faire Preise“ verlangen. „Wenn auch nur einige der Risiken, die sich am Horizont abzeichnen, sich nicht manifestieren, werden wir ein erfolgreiches Jahr haben“, resümierte Sielaff.

 

 

July 21st

IV plädiert für „Grund-Zuversicht“

An Herausforderungen für Österreichs Wirtschaft ist kein Mangel, und die Aussichten für die kommenden Monate sind nicht rosig. Für „Weltuntergangsstimmung“ besteht aber kein Anlass, betonen IV-Generalsekretär Christoph Neumayer und Chefökonom Christian Helmenstein.

 

„Wir haben eine starke Volkswirtschaft und können die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Eine gewisse Grund-Zuversicht ist durchaus ratsam.“ So kommentiert der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, die aktuelle Konjunkturprognose seines Hauses. Ihm zufolge stellt sich die Lage „janusköpfig“ dar: Einerseits ist die Geschäftslage zufriedenstellend, die Auftragsbestände sind außerordentlich hoch. Andererseits sind die Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich ihrer künftigen Geschäftsentwicklung negativ. Laut der Konjunkturumfrage erwartet nur jeder zehnte Industriebetrieb für das kommende Halbjahr „einen günstigen Geschäftsverlauf, jeder dritte dagegen eine zum Teil erhebliche Verschlechterung“. Der Grund ist das Zusammentreffen mehrerer Krisen, darunter der nach wie vor virulenten COVID-19-Pandemie, des Kriegs in der Ukraine, der Klimakrise sowie der Inflation. Dies wird laut Neumayer „die österreichische Wirtschaft treffen, aufgrund ihrer internationalen Exponierung besonders die österreichische Industrie.“

Wirtschaftspolitisch stehen angesichts dessen vor allem drei Themen auf der Tagesordnung, erläuterte Neumayer. Erstens geht es um die Sicherstellung der Energieversorgung: „Jeder Tag, an dem die Gasspeicher weiter befüllt werden, ist ein guter Tag.“ Notwendig ist aus Sicht der IV eine „Übergangsstrategie, die transparent vermittelt, wie wir in den kommenden Jahren unabhängig von Gasimporten aus Russland werden“. Dies bedeutet, alternative Gasquellen zu erschließen. Ausdrücklich bejahte Neumayer die Frage des Chemiereports, ob damit auch die Schiefergasvorkommen im Weinviertel angesprochen sind: „Das ist politisch sensibel, aber es muss ernsthaft geprüft werden.“ Nötig sei eine Machbarkeitsstudie, um den Umfang der Vorkommen abschätzen zu können. In der Folge müsse geklärt werden, wie lange es voraussichtlich dauert, die Reserven zu erschließen. Dringend adaptiert werden muss laut Neumayer die Infrastruktur für die Gasimporte: „Wir werden Gas über die italienischen und die kroatischen Häfen einführen müssen.“ Deshalb seien entsprechende Ertüchtigungen der Pipelines nötig.

 

Als zweites Thema nannte Neumayer den Fachkräftemangel: „Das ist gewiss komplex. Umso mehr brauchen wir eine diesbezügliche Strategie.“ Drittens schließlich geht es um den Umgang mit der Inflation. Die Bundesregierung habe dazu bereits drei Maßnahmenpakete vorgelegt, die die Teuerungen weitgehend ausgleichen dürften. Weitere Hilfen biete die Abschaffung der kalten Progression: „Wir verstehen nicht ganz, warum es der Regierung nicht gelingt, das zu kommunizieren.“ Gezielte Maßnahmen müssten weiterhin gesetzt werden, insbesondere in Bezug auf die Energiepreise. Manche Bundesländer wie Niederösterreich gingen hier mit gutem Beispiel voran.

 

IV-Chefökonom Christian Helmenstein ergänzte, die Wirtschaft stehe „fürwahr“ vor einer großen Zahl von Herausforderungen: „Aber für Weltuntergangsstimmung besteht keinerlei Anlass.“ Eine Überlagerung von Krisen sei zwar ungewohnt, aber „historisch betrachtet normal“. Es gehe schlicht und einfach um den Umgang mit Knappheiten: „Und das ist ohnehin das ureigenste Gebiet der Volkswirtschaft.“ Österreichs quasi „natürliche“ Rate des Wirtschaftswachstums liege bei etwa 1,3 bis 1,5 Prozent. Für 2023 erwarte die IV einen „Einser“ vor dem Komma. Wie es hinter dem Komma aussehen wird, hängt von der Inflation ab. Für die Industrie sei heuer noch mit einem Wachstum von zwei bis drei Prozent zu rechnen: „Aber die Zeiten werden härter. Die Ertragslage ist unzureichend, und nun steigen auch die Finanzierungskosten.“

 

Was die Energieversorgung betrifft, ist laut Helmenstein längerfristig nicht zuletzt auf das Thema Wasserstoff zu achten. Für Importe hätte ihm zufolge die Pipeline Nord Stream 2 dienen können, die als erste Erdgaspipeline Europas „wasserstofffähig“ ist. 

 

 

 

July 20th

Chemisches Recycling im Überblick

Das im Chemiepark Knapsack angesiedelte und auf Transformationsprozesse rund um erneuerbaren Kohlenstoff spezialisierte Nova-Institut hat einen Trendreport zu neuen Recyclingmethoden für Kunststoffabfällen veröffentlicht.

Auf 200 Seiten werden dort die Profile von mehr als 100 verfügbaren fortschrittlichen („advanced“) Recyclingtechnologien und den dazugehörigen Anbietern dargestellt. Der Bericht fokussiert vor allem auf chemische Recyclingtechnologien, die angesichts der Limitationen mechanischen Rezyklierens zur Erreichung der politisch vorgegeben Quoten verstärkt Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vor allem Abfälle, die ein Gemisch verschiedener Kunststoffe enthalten, lassen sich den Autoren zufolge derzeit nicht in sortenreine Fraktionen ausreichender Qualität auftrennen.

Die veröffentlichte Studie umfasst demgegenüber eine ganze Reihe von Verfahrenstypen, die Kunststoffe und andere organische Abfälle chemisch in Kohlenwasserstoffe zurückwandeln, die wiederum Ausgangspunkt für neue Synthesen sein können: Vergasung, Pyrolyse, Solvolyse, Dissolution und Enzymolyse. Ebenso werden Nachbearbeitungs- und Veredelungstechnologien und ihre Anbieter vorgestellt.

Der Report kann unter www.renewable-carbon.eu/publications käuflich erworben werden.

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