Rohstoffversorgung: „Fundamentales Standortthema“

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IV-Rohstoffstrategen: Umweltexperte Dieter Drexel, Lenzing-Chef Peter Untersperger, Vizegeneralsekretär Peter Koren, RHI-Vorstand Manfred Hödl und „Saubermacher“ Gerhard Roth (v. l. n. r.)

Die Bemühungen waren erfolgreich: Nach monatelangen Verhandlungen unterzeichneten der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler in Berlin und Asset Issekeshew, seines Zeichens Minister für Industrie und Neue Technologien der zentralasiatischen Republik Kasachstan, kürzlich ein Abkommen über eine Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich. Darin heißt es unter anderem, „die Regierung der Republik Kasachstan unterstützt die Rohstoffmaßnahmen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Unternehmen und gewährleistet, dass im Lande abgebaute Rohstoffe den deutschen Unternehmen diskriminierungsfrei und zu fairen Bedingungen gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Republik Kasachstan zugänglich gemacht werden.“

Eine nahezu identische Formulierung findet sich in einem ähnlichen Abkommen, das der damalige Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann und der mongolische Minister für Energie und Rohstoffe, Dashdorj Zorigt, im Herbst 2011 in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator unterfertigten – übrigens im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Sukhbaatar Batbold, um die Wichtigkeit des Anlasses zu unterstreichen. Dem Abkommen zufolge unterstützt die Regierung der Mongolei „die Rohstoffmaßnahmen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und sorgt dafür, dass im Lande nachhaltig abgebaute Rohstoffe den deutschen Unternehmen diskriminierungsfrei und zu transparenten und fairen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Dabei soll es keine mengenmäßigen Begrenzungen geben, sofern Einigung über die Vertragskonditionen besteht. Die rechtlichen Bestimmungen der Welthandelsorganisation sind dabei zu beachten.“

Seitens des Wirtschaftsministeriums mit Sitz im Invalidenhaus zu Berlin heißt es zu derlei Aktivitäten, Deutschland gehöre nun einmal zu den größten Rohstoffverbrauchern der Welt. Insbesondere bei metallíschen Rohstoffen und etlichen wichtigen Industriemineralien „besteht eine große Importabhängigkeit. Eine sichere Rohstoffversorgung ist daher von großer Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf den Umbau der Energieversorgung in Deutschland.“ Umso wichtiger sei es, unter anderem auch mit gezielter Reisediplomatie entgegenzuwirken und dafür Sorge zu tragen, dass der Hochtechnologiestandort Deutschland auch weiterhin mit den notwendigen Ressourcen versorgt wird – zu angemessenen, und das heißt insbesondere auch nicht zu hohen, Preisen, versteht sich. Schon im Herbst 2010 hatte die deutsche Bundesregierung eine Rohstoffstrategie veröffentlicht, die diese Ziele festschreibt und nicht zuletzt den Abbau von Handelsschranken und Ausfuhrbeschränken für Rohstoffe verlangt.

 

Industrie initiativ

Ein strategisches Vorgehen in Sachen Rohstoffsicherung wünscht sich auch die Industriellenvereinigung (IV). Sie präsentierte vor einigen Wochen ihre „Initative Rohstoffsicherheit 2020+“. Der Vorsitzende der diesbezüglichen „Fokusgruppe“ der IV, Lenzing-Chef Peter Untersperger, umriss deren Anliegen so: „Wenn China mittlerweile fast 50 Prozent der globalen Eisenerzproduktion und über rund 40 Prozent der weltweiten Kohle-, Blei-, Zink-, Aluminium-, Kupfer- und Nickelproduktion konsumiert, ist es hoch an der Zeit, dass sich auch in der EU die Spitzenpolitik mit diesem fundamentalen Standortthema ernsthaft auseinander setzt.“ Er sprach sich für eine „offensive Rohstoffdiplomatie auch der EU und Österreichs“ aus. IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren erläuterte, der Anteil der Rohstoffkosten an den Gesamtkosten der Unternehmen liege mittlerweile bei durchschnittlich rund 40 Prozent, in manchen Sektoren seien aber auch bis zu 60 Prozent drin. Um die von der Industrie benötigten Ressourcen kostengünstig bereitzustellen, sei ein gemeinsames Vorgehen der EU wünschenswert. Allerdings müssten auch einschlägige Aktivitäten einzelner Staaten wie etwa Deutschlands Anerkennung finden: „Das deutsche Vorgehen zeigt: Auch wir sollten Aktivitäten seitens der Europäischen Union einfordern.“ Neben „Rohstoffdiplomatie“ heiße das, die europäischen Vorkommen an industriell wichtigen Ressourcen detailliert zu erheben, wobei der Österreichische Rohstoffplan durchaus als Vorbild dienen könne. Im eigenen Lande gelte es, die Hausaufgaben zu machen und die Mittel für die Umweltförderung (UFI) einzusetzen, um die Effizienz des Materialeinsatzes zu steigern. Nicht zuletzt müsse auch ein „Strategiekonzept zur Nutzung der Biomassepotenziale unter der Zielsetzung maximaler Wertschöpfung durch die federführenden Ressorts“, also das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium, erarbeitet werden. Untersperger kommentierte den letzteren Punkt launig: „Es ist eine volkswirtschaftliche Dummheit, Holz wegen der subventionierten Ökostromproduktion zu verbrennen, statt es stofflich zu nutzen.“

Manfred Hödl, Vorstandsmitglied der RHI AG fügte hinzu, die Kosten einiger von seinem Unternehmen benötigten Rohstoffe seien binnen nur eines Jahres „um bis zu 100 Prozent gestiegen. Was aber noch schwerer wiegt: diese Rohstoffe sind nur zu einem geringen Anteil oder gar nicht in Europa verfügbar und liegen oft in den Händen einiger weniger Staaten, die damit eine protektionistische Rohstoff-Politik betreiben.“ Es sei dringend geboten, gegenzusteuern beispielsweise mit „Handelsabkommen zwischen rohstoffreichen und rohstoffimportierenden Ländern.“

 

Auf Linie

Das liegt durchaus im internationalen Trend. Im Vorfeld des Welt-Nachhaltigkeitsgipfels in Rio („Rio+20“) machte die Welthandelsorganisation WTO klar, wohin aus ihrer Sicht die Reise zu gehen hat. Der Gipfel müsse dafür sorgen, dass umweltpolitische Anliegen nicht zu willkürlichen und nicht gerechtfertigten sowie verschleierten Handelshemmnissen würden. Denn freier Handel sei nun einmal ein wichtiges Mittel für Wohlstand und Wirtschaftsentwicklung.