Weblog von fischer
CEFIC setzt auf Kreislaufwirtschaft
13.12.17
von
Klaus Fischer
Im Rahmen des künftigen Forschungs-Rahmenprogramms der EU (FP9) will die Chemieindustrie die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik für neue Geschäftsmöglichkeiten nutzen.
Ein sogenanntes „Missions Paper“ zum künftigen Forschungs-Rahmenprogramm der EU (FP9) veröffentlichte der europäische Chemieindustrieverband CEFIC. Das derzeitige Rahmenprogramm Horizon 2020 endet 2020. Ab 2021 läuft FP9. CEFIC umreißt in dem „Missions Paper“ drei Bereiche, in denen die Chemiebranche zu Innovationen beitragen kann und die entsprechend gefördert werden sollten: die Schaffung weitgehend klimaneutraler Industriezweige (low carbon industries), das Up- und Recycling von Materialien sowie erschwingliche und reichlich verfügbare saubere Energie für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. So könnte die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik zur neuen Geschäftschance werden.
Hinsichtlich der „low carbon industries“ konstatiert CEFIC, die Industrie sei das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Europa verfüge über Wettbewerbsvorteile bei der Bereitstellung hochwertiger Produkte und Dienstleistungen. Ferner habe es sich ambitionierte klimapolitische Ziele gesetzt. Die Chemieindustrie könne wesentlich dazu beitragen, diese zu erreichen. Ihr sei es beispielsweise möglich, die negativen Auswirkungen von CO2-Emissionen zu begrenzen und deren positive Auswirkungen zu erhöhen. So könne sie etwa neue Produkte und Materialien sowie Dienstleistungen entwickeln, um den Energie- und Ressourcenbedarf zu vermindern und die Wiederverwendbarkeit bzw. Rezyklierbarkeit zu steigern. Weiters sei es denkbar, ihre eigenen Produktionsprozesse zu verbessern und „Symbiosen“ zwischen Industriebetrieben und den Infrastrukturen städtischer Ballungsgebiete zu finden. Schließlich könnten biobasierte Grundstoffe die petrochemischen Basischemikalien ergänzen.
Was das Up- und Recycling betrifft, geht es CEFIC im Einklang mit den diesbezüglichen Bestrebungen der EU-Kommission um den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Elemente einer solchen sind CEFIC zufolge Ökodesign, biologisch abbaubare Produkte, biobasierte Grundstoffe, ein effizienterer Ressourceneinsatz und schließlich die Vermeidung des Begriffs „Abfall“, da „Abfall“ im derzeitigen Sinn künftig nicht mehr existieren soll. Nicht zuletzt im Kunststoffbereich ginge es laut CEFIC um das „Upcycling“, also die Herstellung hochwertiger(er) Produkte aus Sekundärrohstoffen.
Betreffend die erschwingliche, reichlich verfügbare und „saubere“ Energie betont CEFIC, die Chemieindustrie könne bessere Materialien zur Isolierung von Gebäuden ebenso bereitstellen wie Leichtbaumaterialien für Fahrzeuge, aber auch chemische Energiespeicher und Stoffe zum Bau leistungsfähigerer Batterien. Überdies sei es möglich, mit solchen Materialien effizientere Solarzellen und Rotorblätter für Windkraftanlagen zu erzeugen. Zu guter Letzt könnten erneuerbare Energien auch in den Produktionsprozessen der Chemieindustrie zur Anwendung kommen.
Österreichs Wünsche
Eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Führung des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums veröffentlichte Anfang September ein Eckpunktepapier mit den wichtigsten österreichischen Forderungen zum FP9. Unter anderem umfassen diese den Wunsch nach einem verstärkten „wirkungsorientierten Ansatz“ mit gezieltem und umfassendem Programmmanagement und einer „Evaluierungskultur, die dem Entstehen von Lerneffekten hohe Priorität einräumt“. Auch sollte das FP9 „stärker als das zentrale Instrument des europäischen Forschungsraums fungieren“. Und nicht zuletzt muss „die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit weiterhin einen zentralen Fokus der europäischen FTI-Maßnahmen darstellen“.
Nicht fehlen darf der Hinweis, dass die Nuklearforschung „auf nukleare Sicherheit zu fokussieren“ ist. Die Entwicklung neuer Reaktoren der Generation IV „hat zu unterbleiben, ebenso die Darstellung der Kernspaltung als nachhaltige Energieform“.
Covestro erweitert Tarragona
12.12.17
von
Klaus Fischer
Der deutsche Werkstoffkonzern investiert in Spanien rund 200 Millionen Euro in die Hartschaum-Vorprodukt- sowie Chlorerzeugung.
Der deutsche Werkstoffkonzern Covestro baut seinen spanischen Standort Tarragona aus. Die Produktionskapazität für das Hartschaum-Vorprodukt MDI wird bis 2022 von 50.000 auf 220.000 Tonnen pro Jahr vervierfacht. Ferner soll bis Ende 2020 eine Anlage zur Chlorerzeugung errichtet werden. Insgesamt plant Covestro in Tarragona Investitionen von rund 200 Millionen Euro. Am deutschen Standort Brunsbüttel erweitert das Unternehmen seine Kapazität zur Erzeugung von MCI ebenfalls. Sie soll sich ab Ende 2018 auf 400.000 Tonnen belaufen, das Doppelte des derzeitigen Wertes.
Laut Vorstandschef Patrick Thomas bekennt sich Covestro „voll und ganz zum MDI-Markt und zu unserem Standort Tarragona. Durch die Steigerung der Produktionskapazität und den Aufbau unserer eigenen Chlorproduktion wird dieser Standort ein noch effizienterer und wettbewerbsfähigerer Teil unseres Netzwerks sein.“
Covestro ist der ausgegliederte ehemalige Werkstoff-Geschäftsbereich von Bayer. Mit rund 15.600 Beschäftigten erwirtschaftet das Unternehmen an 30 Standorten in aller Welt etwa 11,9 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.
„Politik der Abrissbirne“
07.12.17
von
Klaus Fischer
Die niederösterreichische Gebietskrankenkasse sowie die Ärztekammer kritisieren die gesundheitspolitischen Pläne der mutmaßlichen künftigen Bundesregierung ein. Die Pharmaindustrie sieht diese dagegen positiv.
Heftige Kritik an den gesundheitspolitischen Überlegungen der mutmaßlichen künftigen ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition üben Vertreter der Gebietskrankenkasse (NÖGKK) und der Ärztekammer Niederösterreichs. Bei einem Pressegespräch in Wien verlautete NÖGKK-Obmann Gerhard Hutter, natürlich lasse sich auch am international anerkannten österreichischen Gesundheitssystem mancherlei verbessern. Die Koalitionsverhandler hätten jedoch andere Pläne: „Einem bewährten System soll in die Speichen gegriffen werden. Das ist eine Politik der Abrissbirne mit dem Ziel bloßer Machtverschiebung.“ Die FPÖ habe das Problem, in den Kammergremien nicht gerade stark vertreten zu sein. Auch bei den Arbeiterkammerwahlen hielten sich ihre Erfolge in Grenzen: „Da dürfte die Versuchung schon groß sein, an die Macht zu kommen.“ Letzten Endes gehe es um die Privatisierung weiter Teile des Gesundheitssystems, sagte Hutter auf Anfrage des Chemiereports: „Man redet eine Krise herbei, um sich selbst als Retter darstellen zu können.“
Der Generaldirektor der NÖGKK, Jan Pazourek, ergänzte, die Krankenkassen hätten etliche sinnvolle Verbesserungen ohnehin bereits in Angriff genommen, insbesondere die Leistungsharmonisierung und die „Aufgabenbündelung im Verwaltungs- und IT-Bereich“. Die seitens der Koalitionäre in spe angestrebte Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen brächte laut Pazourek wenig: In Deutschland habe der Bundesrechnungshof sechs derartige Fusionen untersucht. Das Ergebnis: Bei fünf der Zusammenschlüsse stiegen die Kosten um bis zu 18 Prozent. Ähnlich habe sich in Österreich die Zusammenführung der Kassen für Eisenbahn und Bergbau sowie der Pensionsversicherungsträger ausgewirkt. Vom Chemiereport darauf angesprochen, dass die Leistungsharmonisierung schon längst erfolgen hätte können, konstatierte Pazourek: „Das war ja ohnehin der Fall.“ Schon Ende der 1990er Jahre sowie der 2000er Jahre sei diesbezüglich „viel geschehen. Jetzt geht es bei dem, was wir selbst tun können, eigentlich nur mehr um die letzte Restrate“. Die tatsächlich ins Gewicht fallenden Leistungsunterschiede bestünden zwischen den Bundesinstitutionen und den Gebietskrankenkassen: „Und da müsste der Gesetzgeber tätig werden. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“
Dietmar Baumgartner, der Vizepräsident der niederösterreichischen Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, fügte hinzu, er betrachte die Pläne der ÖVP und der FPÖ als „reinen politischen Aktionismus“. An den eigentlichen Problemen gehe das bisher Bekannte vorbei: „Wir haben immer mehr Kinder mit Diabetes mellitus und eine massive Zunahme an morbider Adipositas im Kindesalter. Außerden droht für die nahe Zukunft ein Ärztemangel.“ Dem mit einer zentralistischen Krankenkasse für alle Bundesländer zu begegnen, sei schwerlich der Weisheit letzter Schluss: „Regionale Unterschiede verlangen dezentrale Entscheidungsstrukturen und müssen im Sinne der Menschen auch in Zukunft Berücksichtigung finden.“
Lob von der Pharmig
Einiges abgewinnen kann den Vorstellungen der mutmaßlichen künftigen Bundesregierung dagegen der Pharmaindustrieverband Pharmig. Präsident Martin Munte forderte „in Sachen Reform der Sozialversicherung und einer effizienteren Leitung der Finanzierungsströme entscheidende Impulse. Wir werden uns als Industrie partnerschaftlich und in direkten Gesprächen mit der Politik dafür einsetzen, Österreich als Wirtschafts- und speziell als Pharmastandort zu stärken“.
06.12.17
von
Klaus Fischer
Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie macht heuer voraussichtlich rund 195 Milliarden Euro Umsatz, 2018 könnten es über 200 Milliarden werden.
Der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie wird heuer bei knapp 195 Milliarden Euro liegen, um 5,5 Prozent über dem Wert des Jahres 2016. Das erwartet der Branchenverband VCI. Beim Inlandsumsatz geht der VCI von einer Steigerung um 4,5 Prozent auf 74,4 Milliarden Euro aus, beim Auslandsumsatz von einem Plus um 6,5 Prozent auf 120,4 Milliarden Euro. Besonders gut dürfte das Geschäft mit 8 Prozent Zuwachs in Asien gelaufen sein, gefolgt von 5,5 Prozent in Europa und 3 Prozent in Nordamerika. Das Produktionsvolumen wird sich um 2,5 Prozent erhöhen. Die Kapazitätsauslastung sollte laut VCI „mit 86,7 Prozent überdurchschnittlich gut“ ausfallen. Den Beschäftigtenstand beziffert der Verband mit 451.500 Personen, dem höchsten Wert seit 2004.
„Nach eher durchwachsenen Ergebnissen in den drei vorherigen Jahren hat 2017 das Prädikat ‚gut‘ ohne Einschränkung verdient“, konstatierte VCI-Präsident und BASF-Chef Kurt Bock bei der Vorstellung des voraussichtlichen Jahresergebnisses. Auch für 2018 gab sich Bock optimistisch: Wenn die Produktenpreise um 1 Prozent steigen, würde der Umsatz um etwa 3 Prozent wachsen und damit erstmals über 200 Milliarden Euro liegen.
Prügel für die Politik
Einmal mehr wiederholte Bock seine Kritik an der deutschen Bundespolitik. Diese habe „sich bisher nicht auf einen gemeinsamen Plan für die Zukunftssicherung des Standortes und die Modernisierung der Gesellschaft einigen können“. Ferner verfolgten manche Politiker immer noch „Konzepte, die zu weiteren Erhöhungen der Strompreise und einer Gefährdung der Versorgungssicherheit führen“ würden. Eine CO2-Steuer lehnt Bock weiterhin ab, ebenso einen „überhasteten Ausstieg aus der Kohleverstromung“.
Und was den Brexit betrifft, sollte Großbritannien laut Bock „durch ein umfassendes Abkommen möglichst eng an die EU gebunden bleiben“. Immerhin exportiere die deutsche Chemie- und Pharmabranche jährlich Waren im Wert von knapp zwölf Milliarden Euro nach Großbritannien, die Importe von dort beliefen sich auf etwa 6,4 Milliarden Euro.
Biobasierte Industrie: Noch weit zu gehen
05.12.17
von
Klaus Fischer
Die Verwendung von Biomaterialien in der Chemieindustrie nimmt zu. Doch das hat bisweilen seine Tücken, hieß es beim Stakeholderdialog Biobased Industry in Wien.
Zumindest eines wurde beim Stakeholderdialog Biobased Industry des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), des Technologieministeriums (BMVIT) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) deutlich: Der Weg zur biobasierten Industrie ist noch einigermaßen weit - und er könnte so manche Windung aufweisen. Zwar hat die Verwendung agrarischer Rohstoffe in der Chemieindustrie in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, erläuterte FCIO-Obmann Hubert Culik. Auch bei diversen Förderprogrammen stehen einschlägige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben hoch im Kurs. Wirtschafts- sowie umweltpolitisch wiederum besteht das Ziel, ab 2050 so weit wie möglich ohne fossile Rohstoffe auszukommen. Doch wie das realistischer Weise erfolgen kann, weiß bis dato niemand. „Haben wir überhaupt genug agrarische Ressourcen? Wenn wir nicht ordentlich haushalten, eher nicht“, warnte Culik und verwies auf Tierisches: „Wenn man früher ein Schwein geschlachtet hat, hat man alles davon verwertet.“
In dieser Weise vorzugehen, sei auch hinsichtlich der biobasierten Industrie gefragt: „Wir müssen die Biomasse kaskadisch verwerten, also stofflich wie auch energetisch.“ Und dafür müsse es auch entsprechende Anreize sowie klare rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen geben. Die seinerzeitigen Beimischungsregeln für Biosprit seien „eher verwirrend“ gewesen. Schließlich gelte es, eine Weltbevölkerung von rund 7,6 Milliarden Menschen zu versorgen. „Das geht nur ressourcenschonend. Wir müssen mit wirklich nachhaltigen Rohstoffen arbeiten. Nur dann gehen wir einer guten Zukunft entgegen“, betonte Culik.
Klein ist fein
Wie die Angelegenheit seiner Meinung nach funktionieren könnte, schilderte Johan Sanders von der Universität Wageningen in Holland. Sollten ab 2050 auch nur 30 Prozent der voraussichtlich benötigten fossilen Rohstoffe durch biobasierte Substanzen ersetzt werden, würden von den letzteren nicht weniger als 20 Milliarden Tonnen gebraucht. Davon entfielen rund vier bis fünf Millarden Tonnen für Nahrungs- und Futtermittel, zwei Milliarden Tonnen auf Holzwerkstoffe, Papier und Textilien sowie vier Milliarden Tonnen auf Brennholz. Das funktioniere nur mit radikalen Effizienzverbesserungen bei der Bereitstellung wie auch bei der Verwendung: „Wir müssen alle Biomassebestandteile nutzen, und zwar die richtigen Komponenten für die richtigen Zwecke.“ Und es sei natürlich darauf zu achten, die Fertilität des Bodens zu erhalten. Ein durchschnittlicher Erwachsener in der EU verzehre heute Nahrungsmittel mit einem Energiegehalt von rund 2.000 Kalorien pro Tag. Der Energieaufwand, um diese zu erzeugen, sei aber etwa 20 Mal so hoch. „Könnten wir ihn um den Faktor 2 senken, hätten wir genug Energie, um alle Autos in der EU mit Biosprit zu betreiben“, rechnete Sanders vor.
Er plädierte dafür, biochemische Produktionsanlagen eher klein auszulegen, statt Großfabriken zu errichten. Das ermögliche eine sichere Erzeugung auch der Basischemikalien zu niedrigeren Kosten als derzeit. Ferner verringere sich die Abhängigkeit von der Infrastruktur großer Anlagen - nicht zuletzt wegen niedrigerer Transportkosten. Eine These, die indessen nicht bei allen Teilnehmern auf uneingeschränkte Zustimmung stieß. „Wenn wir nach 200 Jahren Industrialisierung draufkommen, dass die Economies of Scale doch nicht funktionieren, dann kann etwas nicht stimmen“, so das Geraune in der Kaffeepause.
21.11.17
von
Klaus Fischer
Wien hat die Bewerbung um die EMA zwar nicht gewonnen, aber dennoch als Pharma- und Life-Sciences-Standort gepunktet, verlauten die Stadt Wien und die Pharmaindustrie.
„Wien hat eine starke Bewerbung abgegeben, die nicht zuletzt auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EMA gepunktet hat. Damit ist es gelungen, den Bekanntheitsgrad der Stadt als gut ausgestattete Wirtschaftsmetropole zu steigern.“ So kommentiert Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner die Entscheidung, die European Medicines Agency in Amsterdam anzusiedeln. Brauner zufolge konnte sich Wien im Zuge der Bewerbung „als attraktiver Top-Standort für die Pharma- und Life-Science-Branche positionieren, der mit ausgezeichneter Infrastruktur, Top-Immobilien und zahlreichen Unterstützungsleistungen bis zuletzt zum Favoritenkreis gehörte“. Sie dankte dem Bundeskanzleramt, den beteiligten Ministerien, der Wirtschaftskammer Wien sowie den Pharmaindustrieverbänden Pharmig und FOPI für die diesbezügliche Zusammenarbeit: „Damit haben wir bewiesen, dass es möglich ist, auch in politisch turbulenten Zeiten über verschiedene Ministerien und Interessensgruppen hinweg gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um im Standortwettbewerb so stark wie möglich aufzutreten.“
Ähnlich äußerte sich Pharmig-Präsident Martin Munte. Die „exzellente“ Bewerbung Wiens sei „von einem starken Miteinander und viel positiver Energie getragen“ gewesen. Wien und Österreich hätten „stark an Aufmerksamkeit gewonnen, vor allem auch, weil Wien in die Favoritenrolle aufgestiegen ist. Es konnte aufgezeigt werden, wie gut wir hinsichtlich unserer Wirtschaftsleistung und Bedeutung als Life-Science-Standort innerhalb der EU aufgestellt sind“.
Kritik an Kurz und Schelling
Weniger freundlich reagierte der Gesundheitssprecher der NEOS, Gerald Loacker, der der Bundesregierung vorwarf, die Bewerbung „sabotiert“ zu haben. Er kritisierte insbesondere ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz sowie Finanzminister Hans Jörg Schelling. Sie hätten sich „parallel um die Europäische Bankenaufsicht EBA bemüht. Dass man sich einfach mal überall beworben hat, zeugt nicht gerade von ernsthaftem Interesse an der EMA und war – wie sich nun erwartungsgemäß gezeigt hat – kontraproduktiv“.
EMA-Executive Director Guido Rasi gab sich „geehrt, dass so viele Staaten unsere Organisation beherbergen wollten. Das zeigt unsere wichtige Rolle beim Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie bei der Unterstützung einer dynamischen und innovativen Pharmaindustrie“. Nun gehe es ans Übersiedeln der Organisation und ihrer 900 Beschäftigten. Spätestens am 30. März 2019, wenn Großbritannien die EU verlässt, muss der Umzug abgeschlossen sein.
Biotechnologie am Computer
20.11.17
von
Klaus Fischer
Siemens hat ein „Living Lab für die Digitalisierung von Bioprozessen“. Es dient dazu, einschlägige Produktionsverfahren technisch und kommerziell zu optimieren - nicht zuletzt in der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie.
Ein sogenanntes „Living Lab für die Digitalisierung von Bioprozessen“ hat Siemens in Wien eingerichtet. Versucht wird darin, das Wachstum von Hefezellen digital möglichst exakt abzubilden. Dieser Vorgang dient als Modell dafür, andere Bioprozesse in digitaler Form zu reproduzieren, um sie simulieren und in weiterer Folge optimieren zu können. So soll ihre Produktivität gesteigert werden, erläuterte Bernhard Kienlein, der Leiter der Division Process Industries and Drives von Siemens in Österreich. Sein Unternehmen bietet die Leistungen des laut Siemens europaweit einzigartigen Living Lab nicht zuletzt Kunden aus der Chemieindustrie, der Pharmabranche und der Lebensmittelindustrie an. Einer davon ist die Salzburger Bierbrauerei Stiegl, berichete Kienlein. Mit den Kunden gemeinsam werden „digitale Zwillinge“ realer Produktionsverfahren entwickelt. So ist es mit vergleichsweise geringen Kosten möglich, die Verfahren zu verbessern und Mehrwert zu generieren. „Co-creation of value“, gemeinsame Wertschöpfung, wird dies laut Kienlein neuerdings genannt. Und die Einsatzmöglichheiten sind seinen Angaben zufolge so gut wie unbegrenzt: „Das reicht von der Lebensmittelherstellung bis zur Abwasserentsorgung.“ Entsprechend groß sei das Interesse: „Wir haben laufend Kunden da.“
Technisch funktioniert die Sache so: Mit einer Vielzahl von Sensoren wird das Wachstum von Hefezellen in einem Bioreaktor weitestgehend lückenlos überwacht. Auf Basis mehrerer hundert Parameter entwickelt Siemens Algorithmen und statistische Modelle, mit denen sich der Wachstumsprozess nachbilden lässt. So ist es möglich, die Parameter auf einen einzigen zu „verdichten“ und diesen über den gesamten realen Produktionsprozess hinweg zu überwachen. Bei Abweichungen von der Norm lässt sich jederzeit eingreifen. Dieses kontinuierliche Prozessmanagement ermöglicht, die ungewollte Herstellung fehlerhafter Chargen zu vermeiden und wirtschaftliche Verluste zu verhindern.
Etwa fünf Millionen Euro investierte Siemens in das Living Lab, teilte Unternehmenschef Wolfgang Hesoun dem Chemiereport mit. Er plädierte bei der Präsentation des Lab am 20. November „für die Digitalisierung in Europa. Bei der industriellen Produktion hinken wir der übrigen Welt nämlich nicht hinterdrein, sondern sind in fast allen Sektoren viele Jahre voraus. Die Zukunft Österreichs und der EU als Industriestandort hängt an der Digitalisierung“. Diese bedeute aber keineswegs, „dass wir jetzt sämtliche Arbeitsplätze wegrationalisieren“, betonte Hesoun. Den „großen Einschnitt“ habe es es seinerzeit mit der Prozessautomatisierung ohnehin bereits gegeben: „Das ist weitgehend erledigt.“ Die Digitalisierung diene dem Sichern von Standorten und gefährde diese keineswegs.
Pharmaindustrie: Kritik am Hauptverband
16.11.17
von
Klaus Fischer
Die Gebarungsprognosen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (HV) dienen dazu, die Branche unter Druck zu setzen, kritisieren Pharmig und FCIO. Der HV sieht das anders.
Auf wenig Wohlwollen seitens der Pharmaindustrie stößt die neue Gebarungsprognose des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (HV). Dieser zufolge „hat sich im Vergleich zur Vorschau von Mitte August die Gesamtgebarung bei einem Gesamtbudget von 18,5 Milliarden Euro von ursprünglich minus 37 Millionen Euro auf minus elf Millionen Euro verbessert“.
Laut dem Generalsekretär des Pharmaindustrieverbandes Pharmig folgen die Veröffentlichungen der Prognosen indessen „Jahr für Jahr demselben Schema: Es beginnt mit einem eklatanten Minus, das im Laufe des Jahres nach unten korrigiert wird, bis am Ende der Gebarungsperiode – erfreulicherweise und für alle dann doch überraschend – ein Plus ausgewiesen werden kann“. Ein mittlerweile vertrautes Spielchen, um der Pharmaindustie über angeblich stark steigende Arzneimittelpreise die „Schuld am zu erwartenden hohen Defizit der Krankenkassen“ zuzuweisen. Doch könne von hohen Medikamentenpreisen in Österreich keine Rede sein. Vielmehr lägen diese bekanntermaßen unter dem EU-weiten Durchschnitt. „Wir sind kein Hochpreisland, im Gegenteil. Die Kostentreiber liegen ganz wo anders im Gesundheitswesen, nämlich bei den Strukturen, der Verwaltung und in einem ineffizienten Spitalswesen“, betonte Huber.
Ähnlich argumentierte die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Sie verwies auf das Jahr 2016: Da seien die Medikamentenkosten um 2,5 Prozent gestiegen. Die Verwaltungskosten der Krankenkassen hätten sich dagegen um 4,7 Prozent und somit fast das Doppelte erhöht. Außerdem bedeutet ein Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel nicht zwangsläufig, dass die Produkte teurer werden, erläuterte Hofinger. In den kommenden Jahren etwa werde sich die Zahl der Versicherten erhöhen. Außerdem steige die Lebenserwartung, und die Zahl der chronischen Erkrankungen nehme ebenfalls zu. Umso wichtiger sei es, nun endlich effizientere Strukturen im Gesundheitswesen zu schaffen, beispielsweise durch eine Fusion der Krankenkassen. Ferner empfehle sich, „durch eine innovations- und investitionsfreundliche Standortpolitik die heimischen Spitzenleistungen im Bereich der Medizin- und Pharmaforschung zu unterstützen“.
Anders sieht die Sache HV-Vorsitzender Alexander Biach. Ihm zufolge ist die Entwicklung der Gebarung und damit auch der diesbezüglichen Prognosen „den gemeinsamen intensiven Anstrengungen aller Krankenversicherungsträger zu verdanken“.
Manifest für die Bioökonomie
16.11.17
von
Klaus Fischer
Der Chemieindustrieverband CEFIC und 25 weitere Organisationen plädieren dafür, die EU zu einem erstklassigen Standort für Unternehmen zu machen, die nachwachsende Rohstoffe für nachhaltige Wertschöpfung nutzen.
Gemeinsam mit 25 weiteren Interessenvertretungen veröffentlichte der europäische Chemieindustrieverband CEFIC am 16. November das sogenannte „European Bioeconomy Stakeholders Manifesto“. Dessen Ziel besteht darin, die Debatten über die Entwicklung einer weltweit führenden Bioökonomie in der EU weiter voranzutreiben. Den Hintergrund bilden unter anderem das Kreislaufwirtschaftspaket der EU, die geplante Revision der Bioökonomie-Strategie sowie die Diskussionen über zukünftige Schwerpunkte in den Forschungsprogrammen der Gemeinschaft.
Wie es in einer Aussendung der CEFIC hieß, hat die Chemieindustrie aus zwei Gründen Interesse an einer starken europäischen Bioökonomie: Erstens machen geeignete Chemikalien Biotechnologien erst möglich. Für die Branche eröffnet sich damit ein attraktiver Absatzmarkt. Zweitens nutzt die Chemiebranche selbst in zunehmendem Maße biologische Grundstoffe für die Herstellung ihrer Produkte sowie für die Schaffung nachhaltiger Wertschöpfungsketten.
Das 16seitige Manifest wird dem Forschungskommissar der EU, Carlos Moedas, übergeben und im Bioeconomy Stakeholders Panel der EU-Kommission diskutiert. Unter anderem plädieren die Unterzeichner für eine „Ressourcennutzung im Rahmen der Grenzen des Planeten“. Auch sogenannte nachwachsende Rohstoffe wie Biomasse sind nicht unbegrenzt verfügbar. Daher ist es notwendig, die Bioökonomie auf den Grundlagen der Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Wichtig ist weiters, dass die Bioökonomie im Dienst des Menschen steht, das heißt unter anderem Arbeitsplätze sichert und schafft und nicht auf Kosten grundlegender Menschenrechte, des Landbesitzes von Personen sowie einer sicheren Wasserversorgung geht.
Notwendig für eine erfolgreiche Bioökonomie sind laut dem Manifest stabile rechtliche Rahmenbedingungen, deren Weiterentwicklung sich zumindest einigermaßen zuverlässig einschätzen lässt. Nur so kann es gelingen, Investoren und Unternehmer zum Tätigwerden in diesem Sektor zu bewegen und Innovationen voranzutreiben. Ferner empfiehlt das Manifest die Zusammenarbeit von Akteuren aus unterschiedlichen (Wirtschafts-)Bereichen und entlang der gesamten Wertschöpfungsketten. Auch müssen langfristige Forschungs- und Entwicklungsstrategien erarbeitet werden. Nicht zuletzt gilt es auch, die Ressourcenbasis für die Bioökonomie nachhaltig sicherzustellen.
Weiter Krach um Glyphosat
10.11.17
von
Klaus Fischer
Der neue Vorschlag der EU-Kommission bezüglich Zulassungsverlängerung erhielt nicht die notwendige Zustimmung. Auch im Berufungsausschuss des zuständigen Expertengremiums zeichnet sich diese nicht ab.
Unerwartet kam das Ergebnis eher nicht: Die EU-Kommission scheiterte am 9. November mit ihrem neuesten Vorschlag bezüglich der Zulassung für Glyphosat. Statt um zehn Jahre sollte diese nun um fünf Jahre verlängert werden, also bis zum 15. Dezember 2022. Dies hätte der Forderung entsprochen, die das EU-Parlament am 24. Oktober erhob. Doch bei der Abstimmung im Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed (PAFF Committee) kam die notwendige „qualifizierte Mehrheit“ der Stimmen der EU-Mitgliedsstaaten (55 Prozent der Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) auch diesmal nicht zustande. Für den Kommissionsvorschlag stimmten 14 Staaten, darunter Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Spanien und Ungarn. Neun Staaten lehnten den Vorschlag ab, unter ihnen Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland und Italien. Fünf weitere Staaten enthielten sich der Stimme, darunter Deutschland, Polen und Portugal.
Am Zug ist nun der Berufungsausschuss, der am 28. November tagt. Die EU-Kommission kündigte an, ihm einen neuerlichen Vorschlag zur Zulassungsverlängerung zu unterbreiten. Ergibt sich im Berufungsausschuss keine qualifizierte Mehrheit, kann die Kommission die Verlängerung auch selbst beschließen. Tut sie dies nicht, läuft die Zulassung am 15. Dezember des heurigen Jahres aus. Restbestände des Mittels dürften dann noch binnen anderthalb Jahren verbraucht werden, das heißt bis Mitte 2019. Dass sich im Berufungsausschuss eine qualifizierte Mehrheit findet, ist allerdings kaum zu erwarten: An der Haltung Deutschlands wird sich nichts ändern, bis die neue Bundesregierung gebildet ist. Die französische Regierung wiederum ist gespalten: Umweltminister Nicolas Hulot ist für eine Verlängerung um maximal drei Jahre, Landwirtschaftsminister Stéphane Travert dagegen für fünf bis sieben Jahre, Premierminister Édouard Philippe für höchstens vier Jahre.
Die Reaktionen auf das gestrige Abstimmungsergebnis im PAFF erfolgten erwartungsgemäß. Die Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP) sprach von einem „unwürdigen Polit-Schauspiel“, das „dem Landwirtschafts-, Wirtschafts-, Forschungs- und Wissenschaftsstandort Europa sowie dem Ansehen der EU-Behörden“ schade. Wissenschaftliche Fakten würden ignoriert, das „zutiefst verwerfliche Spiel der NGOs mit der Angst der Menschen und die Panikmache gefördert“. Und IGP-Obmann Christian Stockmar fügte hinzu: „Gemäß dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand würde nichts gegen eine Wiederzulassung für 15 Jahre sprechen.“
Seitens der NGOs war von einem „Misstrauensvotum der Mitgliedstaaten gegen die Zulassungsbehörden“ die Rede. Die EU-Kommission müsse „nun den endgültigen Ausstieg vorschlagen“.
Karin Kadenbach, Abgeordnete der SPÖ zum EU-Parlament, verlautete: „Wir brauchen so schnell wie möglich ein Verbot des Pflanzengifts. Im EU-Parlament haben wir uns bereits auf den Kompromiss einigen können, dass ab 15. Dezember 2022 das Pestizid europaweit verboten werden soll und für eine sofortige Beschränkung bei der Verwendung des Stoffes gestimmt – allerdings ohne die Stimmen von ÖVP und FPÖ.“ Kadenbach zufolge muss „mit der Salamitaktik der ewigen Glyphosat-Verlängerung Schluss sein muss. Das sehen auch viele Bürger so: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben bereits die Europäische BürgerInneninitiative für ein Verbot unterzeichnet“.
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