Weblog von fischer
Culik: „Biobasierte Industrie ist die Zukunft“
16.11.15
von
Klaus Fischer
„Österreich gehört in der biobasierten Industrie (BBI) zu den weltweit führenden Staaten. Wir sollten uns bemühen, dass das auch so bleibt.“ Das sagte der Obmann des Fachverbandes der chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Hubert Culik, beim Stakeholder-Dialog Biobasierte Industrie in Wien. Culik erläuterte, bis 2045 werde die Weltbevölkerung um etwa zwei Milliarden Personen auf neun Milliarden Menschen anwachsen. Diese benötigten pharmazeutische Produkte, Kraft- und Brennstoffe, Nahrung, Kleidung sowie eine ganze Reihe weiterer Konsumgüter, „und für deren Herstellung sind nun einmal chemische Stoffe notwendig.“ Mit der nach wie vor dominierenden Petrochemie allein könnten diese jedoch nicht bereitgestellt werden. Daher sei es notwendig, auch andere Stoffe zu nutzen.
Freilich stelle die Ressourcenproblematik auch in der BBI einen „Flaschenhals“ dar, räumte Culik ein: „Daher müssen wir die Biomasse kaskadisch nutzen, was ja auch am meisten Wertschöpfung bringt.“ Letzten Endes werde der Ersatz der fossilen Rohstoffe durch biogene Materialien indessen die Zukunft sein, gab sich Culik überzeugt. Er rief die Politik dazu auf, der Wirtschaft die notwendigen langfristig stabilen Rahmenbedingungen für Investitionen in neue Verfahren und Produkte zu bieten. Ohne „Planungssicherheit“ seien diese nicht möglich. Die seinerzeitige „Berg- und Talfahrt“ bei den Bestimmungen zur Beimischung biogener Kraftstoffe zu konventionellem Benzin und Diesel war laut Culik ein abschreckendes Beispiel.
Theodor Zillner vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), das den Stakeholder-Dialog mitveranstaltete, sicherte zu, im Rahmen seiner Möglichkeiten auf noch bessere Bedingungen für die BBI hinzuwirken. Beispielsweise bestünden Überlegungen, die Beschaffung der öffentlichen Hand am Bestbieterprinzip statt am Billigstbieterprinzip auszurichten. Laut Zillner würde dies zusätzliche Marktchancen für biobasierte Produkte eröffnen, die üblicherweise „ein bisschen“ teurer seien als herkömmliche Erzeugnisse. Wenig Hoffnung gibt es laut Zillner dagegen für eine ökologische Steuerreform, in deren Rahmen die BBI entlastet werden könnte. Es habe keinen Sinn, „zehn Jahre lang mit dem Finanzministerium über dieses Thema zu diskutieren, und am Ende kommt dann wieder nichts heraus.“ Zillner riet, statt dessen die Vorteile biobasierter Produkte verstärkt zu kommunizieren. Wie er hinzufügte, bestehen für die Herstellung solcher Produkte bisweilen gesetzliche Einschränkungen. Werde beispielsweise zur „Fütterung“ von Algen CO2 aus Kraftwerksabgasen eingesetzt, so gelte dieses als Abfallstoff. Das bedeute, „man darf mit so einem Verfahren nur Bioplastik erzeugen, aber keine Lebensmittel.“
„Spinner“ oder „Visionär“?
Der niedrigere Ölpreis, der auch die Beschaffungskosten für die Produkte der petrochemischen Industrie der dämpft, ist für die BBI übrigens nicht mehr das große Problem, betonte Mathias Drexler von der ACIB GmbH. Der biobasierten Industrie gehe es „um langfristige Ziele, und die Schwankungen des Ölpreises sind eine eher kurzfristige Angelegenheit.“ Außerdem sei Erdöl nun einmal ein begrenzt verfügbarer Rohstoff, was der BBI auf lange Sicht Wettbewerbsvorteile biete. Laut Johann Zimmermann von der NAKU GmbH ist der Ölpreis zwar nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Markteintrittsbarriere. Eine wesentliche Rolle spielen aber auch Emotionen: „Es ist natürlich ein Unterschied, ob mich ein potenzieller Kunde als Spinner betrachtet oder als Visionär.“
11.11.15
von
Klaus Fischer
Sie verlauteten kürzlich, in den kommenden Monaten würden die USA beginnen, verflüssigtes Erdgas (LNG) zu exportieren. Das werde den weltweiten Gasmarkt verändern. Wie hoch werden die Exporte sein, wo hin werden sie gehen?
Ab Jänner kommenden Jahres werden vom Cheniere/Sabine Pass-Terminal im Golf von Texas rund 28 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag exportiert. Das entspricht einer Jahresmenge von etwa zehn Milliarden Kubikmetern. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, weil erstmals Gas aus den USA auf den Weltmarkt kommt. Im Lauf des Jahres 2017 gehen fünf weitere Terminals in Betrieb. Die USA werden dann rund 80 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr exportieren. Das entspricht etwa der Menge, die Katar ausführt, zurzeit der größte LNG-Produzent der Welt.
Japan nimmt nach dem Reaktorunfall in Fukushima vor vier Jahren seine Kernkraftwerke wieder in Betrieb. China braucht kein amerikanisches Gas, weil es seine eigenen Vorkommen erschließt und Gas aus der Russländischen Föderation sowie aus Turkmenistan importieren wird. In Europa geht der Gasbedarf zurück. Zusätzlich beginnt auch Australien, LNG zu exportieren, vor allem in den asiatischen Raum. Wo ist der Markt für Gas aus den USA?
Zurzeit ist die Situation zweifellos herausfordernd. Aber all diese LNG-Projekte wurden und werden auf Basis langfristiger Lieferverträge errichtet, die Laufzeiten von etwa 25 bis 30 Jahren haben. Wir selbst beraten die Betreiber eines kanadischen Projekts, bei dem die Lieferverträge 40 Jahre lang laufen.
Der russländische Gaskonzern Gasprom kündigte kürzlich an, er könne und wolle Gas nach Europa auch ungefähr zur Hälfte des derzeitigen Preises liefern. Ist US-Gas dem gegenüber konkurrenzfähig?
Ich denke, ja. Mit dem technischen Wandel durch die Schiefergasförderung - Stichwort Fracking und Horizontalbohrungen - sind die Vorkommen und die Produktion förmlich explodiert. In einem funktionierenden Markt sinkt der Preis, wenn zusätzliches Angebot auf den Markt kommt. Daher erwarte ich auf lange Sicht ein niedriges Preisniveau.
Reichen die Preise aus, um die Produktionskosten für Schiefergas zu decken?
Die Kosten sind sehr niedrig. Außerdem sind sie nicht das Entscheidende. Der US-amerikanische Gasmarkt basiert auf dem Wettbewerb der Gasförderer. Und es gilt, die Auswirkungen des technischens Wandels zu verstehen. Es gab eine Reihe technologischer Durchbrüche, die unter anderem zu einem besseren Verständnis der geologischen Struktur der Lagerstätten geführt haben.
Selbst wenn US-amerikanisches Gas wirtschaftlich konkurrenzfähig ist, liegt es doch nicht im Interesse der dortigen Industrie, dass billiges Gas nach Europa oder Asien gelangt. Es bestehen ja rechtliche Hindernisse für Exporte, um genau das zu verhindern.
Das ist schon richtig. Dow Chemical beispielsweise hat sich mit den Ökoenergieproduzenten und lokalen Interessengruppen verbündet, die die Schiefergasnutzung verhindern wollen. Außerdem hat das Unternehmen gegen fast alle bisherigen Exportgenehmigungen Einsprüche erhoben. Diesen wurde vom Energieministerium aber nicht stattgegeben. Meiner Ansicht nach werden die Vorteile der Exporte anerkannt, die unter anderem in der Versorgungssicherheit und in wirtschaftlichen Gewinnen liegen.
Wie steht es um die Aussichten der Schiefergasförderung in Europa? Sogar in Großbritannien, wo die Regierung diese massiv unterstützt, verläuft die Entwicklung eher zurückhaltend. Im Sommer beispielsweise stoppte das County Council von Lancashire ein Projekt des Cuadrilla-Konzerns, obwohl dieser versprochen hatte, rund 100 Millionen Pfund in die Region zu investieren.
Das ist ein regionales Problem, bei dem es nicht um Schiefergas an sich geht. Letzten Endes muss sich Cuadrilla mit den Behörden einigen. Auch in den USA und in Kanada laufen intensive Diskussionen hinsichtlich der Umweltauswirkungen der Schiefergasförderung. Was die Menschen in den Regionen aber am meisten stört, ist der LKW-Verkehr, den die Förderung mit sich bringt. Die Leute interessieren sich nicht so sehr für das Schiefergas. Aber sie mögen die Lastwagen vor ihrer Haustür nicht. Mit diesem Problem müssen die Unternehmen fertig werden. Klar ist natürlich: Ohne Zugang zur Förderstätte gibt es keine Förderung. Ich gehe daher davon aus, dass es in manchen Regionen Projekte geben wird, in anderen dagegen nicht. Frankreich beispielsweise hat ja die Schiefergasförderung verboten. In den USA hat der Staat New York ein Moratorium verhängt. Es beginnt allerdings ein Umdenken, weil die wirtschaftlichen Vorteile benachbarter Bundesstaaten wie Pennsylvania und Ohio, in denen Schiefergas gefördert wird, erkannt werden.
Es heißt, die Schiefergasförderung in den USA werde durch Erträge aus der Schieferölförderung subventioniert. Wie kann das angesichts der verfallenen Ölpreise funktionieren? Der Internationale Währungsfonds verlautete vor kurzem, selbst die Saudis bekämen mit diesen Preisen bald Probleme.
Es läuft eine Art Pokerpartie zwischen den Amerikanern und den Saudis, und die US-Regierung ist bereit, das Spiel mitzumachen. Die amerikanischen Produzenten sagen, sie könnten Öl billiger fördern als die Saudis. Tatsache ist: In etwa 15 Prozent der Fälle werden Öl und Gas gemeinsam gefördert. Und die Produktivität der Förderung nimmt zu. Das sollte auch bei den derzeitigen Ölpreisen eine dauerhafte Schiefergasproduktion sicherstellen.
Zur Person:
Gordon Pickering ist beim US-amerikanischen Beratungsunternehmen Navigant für Erdgas und LNG in Nordamerika zuständig. Er gilt als einer der weltweit gefragtesten Spezialisten hinsichtlich des Themas Schiefergas. Kürzlich weilte Pickering auf Einladung des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen (FVGW) in Wien und hielt einen in Expertenkreisen viel beachteten Vortrag zur Schiefergasproduktion in den USA.
Rahmen-Pharmavertrag wird verlängert
11.11.15
von
Klaus Fischer
Die Pharmaindustrie und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) haben sich grundsätzlich auf die Verlängerung des Rahmen-Pharmavertrags geeinigt. Das teilte der Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) per Aussendung mit. Laut FCIO soll der noch bis Ende 2015 geltende Vertrag um drei Jahre verlängert werden. Im kommenden Jahr leistet die Pharmabranche einen „hohen Fixbetrag“ zur Abgeltung der Medikamentenkosten. Ab 2017 orientiert sich ihr Beitrag am „tatsächlichen Wachstum“ dieser Kosten. Laut FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger wird damit „die Forderung der Pharmawirtschaft nach einem dynamischen, faktenbasierten Modell ab 2017 verankert. Damit sollte für die Zukunft sichergestellt werden, dass es zu keinen Quersubventionierungen anderer defizitärer Bereiche kommt.“
Vom Tisch ist damit der Entwurf des Gesundheitsministeriums für eine ASVG-Novelle, der zufolge die Pharmaindustrie den Krankenkassen für die Jahre 2016 bis 2018 einen Rabatt in der Höhe von 125 Millionen Euro auf die Arzneimittelkosten gewähren sollte. Der Branchenverband Pharmig und der FCIO waren in den vergangenen Wochen gegen die Novelle Sturm gelaufen. Ihnen zufolge hätten die vorgesehenen „Zwangsrabatte“ über kurz oder lang zu sinkenden Investitionen und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt. Laut einem Gutachten im Auftrag des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI) wäre die Novelle vermutlich verfassungswidrig gewesen und hätte gegen EU-Recht verstoßen.
Den ersten Rahmen-Pharmavertrag schlossen die Pharmaindustrie und der HV im Jahr 2008, die Verlängerung erfolgte 2011. Unter Berücksichtigung des heurigen Jahres bezahlte die Branche seit der Verlängerung insgesamt 82 Millionen Euro an den HV, um damit zur Deckung der Arzneimittelkosten beizutragen. In diesem Betrag inkludiert waren 6,7 Millionen Euro für Projekte in den Bereichen Kindergesundheit und Prävention, die die Pharmaindustrie und der HV gemeinsam durchführten.
Arzneimittelkosten: Fliegende Fetzen
29.10.15
von
Klaus Fischer
Von „modernem Raubrittertum“ der Pharmaindustrie sprach heute die Vorsitzende des HV-Trägerverbands und Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Ingrid Reischl. Ihr zufolge droht den Kassen wegen der steigenden Medikamentenkosten bis 2018 „eine Finanzierungslücke von insgesamt rund einer Milliarde Euro.“ Auf die WGKK entfielen davon um die 224 Millionen Euro. Der Grund für die ihr zufolge ausufernden Medikamentenkosten ist laut Reischl unter anderem, dass „dass Pharmafirmen ihre Präparate nach entsprechender Zulassung frei am Markt anbieten und nicht immer den Weg über die Aufnahme in den Erstattungskodex (EKO) gehen.“ Damit entzögen sie sich Verhandlungen über die Preise der jeweiligen Präparate.
Als Beispiel für einen Kostenverursacher nannte Reischl den Cholesterinsenker Repatha, der in der „Roten Box“ des EKO enthalten ist. Eine Therapie mit diesem Mittel koste „zwischen 615 und 1.035 Euro pro Patientin oder Patienten“. Eine herkömmliche Behandlung schlage dagegen lediglich mit 24 bis 53 Euro zu Buche. „Aufs Jahr gerechnet könnte allein der WGKK durch das neue Medikament ein Aufwand von bis zu 192 Millionen Euro entstehen“, fügte Reischl hinzu. Angesichts dessen könne die geplante ASVG-Novelle, mit der das Gesundheitsministerium der Pharmaindustrie einen jährlichen Rabatt von 125 Millionen Euro auf die Medikamentenkosten verordnen will, „nur ein erster Schritt in die richtige Richtung“ sein.
Konter der Industrie
Die Pharmaindustrie, die die Novelle für einen Verstoß gegen Verfassungs- und EU-Recht hält, ließ die Schelte nicht auf sich sitzen. Laut der Geschäftsführerin des Verbandes der chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger, kann Reischls fehlende Milliarde „nicht auf die Pharmawirtschaft rückgeführt werden. Hierfür sind andere Kostentreiber wie beispielsweise die eigenen Einrichtungen und Verwaltungskosten verantwortlich.“ Auch die vom HV kolportierte Steigerung der Medikamentenkosten um acht Prozent im heurigen Jahr ist laut Hofinger nicht nachvollziehbar. Tatsächlich müsse mit lediglich etwa fünf Prozent gerechnet werden. Im September seien die Kosten um rund 1,6 Prozent gestiegen. Reischl wolle mit ihren „Phantasiezahlen offensichtlich bewusste Irreführung“ betreiben.
Ungehalten reagierte auch der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Jan Oliver Huber. „Frau Reischl, wir dürfen Sie daran erinnern, dass wir uns nach wie vor in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit und in Gesprächen befinden! Ihre jüngsten Aussagen sind in dieser Form schlichtweg inakzeptabel“, verlautete er in einer Aussendung. Die Branche habe „für die nächsten drei Jahre Solidarbeiträge in dreistelliger Millionenhöhe angeboten. Es ist an der Zeit, dem Vertragspartner in laufenden Verhandlungen mehr Wertschätzung entgegen zu bringen.“ Huber wies insbesondere Reischls Kritik an den Kosten für das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi zurück: Die Therapie mit diesem sei „unter Berücksichtigung des Heilungserfolges und der nötigen Therapiedauer günstiger als die letzten Präparate. Letztendlich war dies der ausschlaggebende Grund für die Aufnahme in den Erstattungskodex.“
Huber zufolge ist der Anstieg der Medikamentenkosten nicht zuletzt durch die Alterung der Bevölkerung bedingt: Derzeit würden etwa 63 Prozent der Medikamente Personen mit über 60 Jahren verschrieben. Dieser Anteil werde in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen.
Rahmenpharmavertrag: Zeit wird knapp
28.10.15
von
Klaus Fischer
Trotz der Auseinandersetzungen um die geplante ASVG-Novelle verhandeln der Pharmaindustrieverband Pharmig und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) weiter über einen neuen Rahmenpharmavertrag. Das sagte Jan Oliver Huber, der Generalsekretär der Pharmig, dem Chemiereport heute bei einer Pressekonferenz in Wien. Laut Huber besteht die Möglichkeit zum Abschluss des Vertrages noch bis etwa Mitte November, da für diese Zeit die Behandlung der Novelle im Ministerrat geplant ist: „Es gibt somit noch etwas Zeit. Aber langsam wird es eng.“ Bei dem Vertrag geht es um den Beitrag der Pharmaindustrie zur Deckung der Arzneimittelkosten. Da bisher keine Einigung erfolgte, sandte das Gesundheitsministerium vergangene Woche die ASVG-Novelle in Begutachtung, mit der der Pharmaindustrie abgestufte Rabatte in der Höhe von insgesamt 125 Millionen Euro auf die Kosten für Medikamente vorgeschrieben werden sollen.
Bei der heutigen Pressekonferenz präsentierten die Pharmig, der Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI) ein Rechtsgutachten zu der Novelle, das der Linzer Verfassungsjurist Michael Mayrhofer und sein Wiener Kollegen Mathis Fister erstellten. Den Rechtsexperten zufolge ist die Novelle aus mehreren Gründen verfassungswidrig. Sie greife unverhältnismäßig stark in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums ein, weil sie über den Erstattungskodex hinaus Rabatte festlegt. Mayrhofer hält dies für nicht gerechtfertigt, da der Kodex „ohnehin angemessene Arzneimittelkosten zum Ziel hat.“ Darum verletze die Novelle auch das Recht auf Erwerbsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz. Letzteres ist laut Mayrhofer auch deshalb der Fall, weil die Novelle „unsachliche Differenzierungen in Ansehung von Rabattsätzen und Sockelbeiträgen“ vorsehe. Bei der Pressekonferenz erläuterte Mayrhofer, die Rabattsätze hätten „vor wenigen Wochen noch ganz anders ausgeschaut. Deshalb können die jetzt geplanten Rabatte nicht sachlich gerechtfertigt sein.“
Mayrhofer sieht darüber hinaus auch das Recht der Europäischen Union verletzt: Innovative Medikamente würden mit besonders hohen Rabatten belastet. Dies mache es für Pharmaunternehmen unattraktiv, sie in Österreich anzubieten und verletze damit das Recht auf freien Warenverkehr. Zu guter Letzt habe das Gesundheitsministerium auch noch die Preistransparenzrichtlinie der EU verletzt bzw. „überhaupt nicht beachtet“. Diese schreibe die jährliche Prüfung der ökonomischen Rahmenbedingungen für allfällige Preisfestsetzungen vor. Überdies müsse den Unternehmen das Recht eingeräumt werden, Ausnahmen von Preisfestsetzungen zu beantragen. Beiden Anforderungen werde der Entwurf zur Novelle nicht gerecht.
„Eigenartiges Rechtsverständnis“
FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger fügte hinzu, Vertreter des Gesundheitsministeriums hätten den Entwurf öffentlich als „Druckmittel“ hinsichtlich der Verhandlungen über den Rahmenpharmavertrag bezeichnet: „Das ist schon ein eigenartiges Rechtsverständnis.“ Auch führe der Entwurf dazu, dass die Pharmaunternehmen „das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort verlieren. Damit besteht die Gefahr, dass auch Investitionen verloren gehen.“
Ähnlich argumentierte FOPI-Vizepräsident Erich Eibensteiner. Ihm zufolge würde die Novelle den Forschungsstandort Österreich gefährden, den Zugang der Patienten zu innovativen Arzneien erschweren überdies die Rechts- und Planungssicherheit der Unternehmen in Frage stellen. Speziell hinsichtlich der Rechts- und Planungssicherheit sei eine „Anlassgesetzgebung wie diese immer ein Problem.“
Huber ergänzte, das Ministerium fordere insgesamt einen Rabatt von 125 Millionen Euro pro Jahr. Nach Angaben des HV mache das Defizit der Krankenkassen heuer rund 129 Millionen Euro aus. Dieser Abgang solle offenbar von der Pharmaindustrie ausgeglichen werden: „Die Rücklagen der Kassen von insgesamt etwa 1,6 Milliarden Euro anzutasten, ist dagegen kein Thema.“
Greenpeace liefert „Nullmeldung“
22.10.15
von
Klaus Fischer
Erbost reagiert Christian Stockmar, der Obmann der Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP), auf eine Aussendung von Greenpeace. Darin hatte es geheißen, bei einer Untersuchung von Äpfeln auf Pestizidrückstände in elf europäischen Ländern inklusive Österreichs seien in 83 Prozent von 126 Proben „Rückstände nachgewiesen“ worden. Etwa zwei Drittel der Proben „waren sogar mit zwei oder mehr Substanzen belastet. Österreich lag mit durchschnittlich 2,8 Rückständen pro konventionellem Apfel im Mittelfeld.“ Keine Rückstände habe dagegen „Bio-Obst“ aufgewiesen. Wie Greenpeace selbst einräumte, lagen die Werte sämtlicher Rückstände „unter den zulässigen Höchstmengen. Doch die Grenzwerte gelten nur für die einzelne Substanz. Über die Wechselwirkung von mehreren Wirkstoffen ist wenig bekannt.“
Für IPG-Obmann Stockmar zeigt der sogenannte „Greenpeace-Apfeltest“ jedoch lediglich eines: „Die Argumentationsarmut bei Greenpeace wird zunehmend mit beliebigen und unwissenschaftlichen Schlussfolgerungen kaschiert.“ Da die festgestellten Rückstände unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen, habe Greenpeace „leider eine Nullmeldung“ geliefert. Stockmar erläuterte, die Entwicklung eines Pflanzenschutz-Wirkstoffes dauere rund zehn Jahre. Für die Zulassung müsse ein Unternehmen den Behörden Daten und Fakten im Ausmaß „mehrerer hunderttausend Seiten“ vorlegen. Dem gegenüber komme der „Apfeltest“ auf gerade einmal 30 Seiten. Insgesamt handle es sich um nichts weiter als um „Panikmache und einen unangebrachten Versuch der Skandalisierung.“
Und Stockmar fügte hinzu: Die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel seien schon jetzt äußerst streng. Bei weiteren Verschärfungen ließen sich ein „Innovationsstopp und in der Folge gefährliche Indikationslücken in der Phytomedizin“ nicht ausschließen. Gegen „zahlreiche Schädlinge und Krankheiten“ stünden bereits derzeit keine Mittel zur Verfügung.
ASVG-Novelle: Rechtsstreit droht
21.10.15
von
Klaus Fischer
Die Pharmaindustrie wird die in Begutachtung befindliche ASVG-Novelle bezüglich der Rabattierung der Arzneimittelkosten notfalls rechtlich bekämpfen. Gleichzeitig sollen die Verhandlungen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) über einen neuen Rahmenpharmavertrag fortgesetzt werden. Das betonten Pharmig-Präsident Robin Rumler, Generalsekretär Jan Oliver Huber sowie die Geschäftsführerin des Fachverbandes der chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger, heute bei einem Pressegespräch in Wien. Laut Rumler fordert das Gesundheitsministerium von der Branche einen „Zwangsbeitrag“ von 125 Millionen Euro pro Jahr zur Deckung der Arzneimittelkosten. Dies würde jedoch zu einer Reduktion der Investitionen in Österreich führen und damit letztlich Arbeitsplätze gefährden. Es bestehe die Gefahr, dass rund fünf bis zehn Prozent der 18.000 Arbeitsplätze in der Pharmaindustrie „langfristig nicht mehr nachbesetzt werden.“ Sein eigenes Unternehmen, Pfizer Österreich, plane den Ausbau seiner Aktivitäten. Mit dem Entwurf zur ASVG-Novelle „wird man sich das überlegen müssen. Zurzeit bringen Pharmaunternehmen gerne neue Produkte in Österreich auf den Markt. Wenn die ASVG-Novelle kommt, ist nicht auszuschließen, dass das künftig nicht mehr so ist.“
Huber sprach von einer „ungeheuren Attacke auf die soziale Marktwirtschaft“. Die Novelle stärke das „Machtmonopol“ des HV weiter: „Statt sich ein Gesetz zu bestellen, sollte der HV endlich daran gehen, die Krankenkassen zu reformieren.“ Diese leisteten sich über 153 eigene Gesundheitseinrichtungen, darunter „etliche Parallelveranstaltungen zum niedergelassenen Bereich“, die schwerlich notwendig seien. Der kurzzeitige HV-Vorsitzende und nunmehrige ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald selbst habe die Kuranstalten in Frage gestellt und sei dafür „vor allem von Arbeitnehmerseite geprügelt“ worden: „Es ist schon sehr bedauerlich, wenn man solche Fragen nicht einmal mehr öffentlich ansprechen darf.“ Wie Huber hinzufügte, wolle der HV seinen Hauptsitz um 25 Millionen Euro generalsanieren: „Wahrscheinlich wird das aber 50 bis 75 Millionen Euro kosten. Und dafür braucht man unser Geld.“
„Weiterwursteln und abzocken“
FCIO-Geschäftsführerin Hofinger erläuterte, ein mittelständisches Unternehmen koste die geplante ASVG-Novelle rund eine halbe Million Euro pro Jahr, ein Großunternehmen etwa 25 Millionen Euro: „Das politische Signal ist also: Wirtschaftlicher Erfolg wird bestraft. Bei solchen Eingriffen verlieren die Unternehmen das Vertrauen in den Standort.“ Ihr zufolge ist die Novelle verfassungswidrig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt: Die Pharmaindustrie müsste damit weit mehr an den HV bezahlen, als sie an Kosten verursacht. Laut Hofinger ist es höchste Zeit, die Kassen zu reformieren: „Es kann nicht sein, dass das Weiterwursteln der Kassen durch das Abzocken der Unternehmen finanziert wird.“
Trotz dieser scharfen Töne zeigten sich Rumler und Huber gesprächsbereit: Die Pharmaindustrie stehe für weitere Verhandlungen mit dem HV über einen neuen Rahmenpharmavertrag zur Verfügung. Eine gesetzliche Regelung des Beitrags zur Deckung der Arzneimittelkosten wolle sie dagegen nicht. Wie Huber dem Chemiereport erläuterte, brächte ein Gesetz keine Vorteile, da bei einer solchen „alle möglichen Interessengruppen“ mitreden würden. Über den Rahmenpharmavertrag hingegen verhandelten mit dem HV und der Pharmaindustrie nur die tatsächlich Betroffenen: „Und wir wissen schon, worum es geht.“ Der Vertrag habe sich jahrelang bestens bewährt. Es sei unverständlich, nun eine andere Regelung anzustreben.
Konter der Kassen
Aus Sicht des HV sind die Verhandlungen indessen gescheitert. In einer Aussendung verlautete die Vorsitzende des HV-Trägervereins, Ingrid Reischl, die gleichzeitig Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) ist, es sei zu „keiner Einigung für eine Fortführung“ des Vertrags gekommen. Reischl kritisierte die Aussagen Rumlers, Hubers und Hofingers als „unseriöse Anschuldigungen“. Die im ASVG-Entwurf vorgesehenen Rabatte sieht Reischl nur als „ersten Schritt“.
Unterstützung der Grünen
Unterstützung für die Pharmaindustrie kam dagegen von der Gesundheitssprecherin der Grünen im Nationalrat, Eva Mückstein. Ihr zufolge sollten die „Beteiligten zurück an den Verhandlungstisch, um eine für beide Seiten faire Lösung auszuarbeiten.“ An einem neuen Rahmenpharmavertrag müssten sich freilich „alle Pharmafirmen“ beteiligen, „was in den letzten Jahren nicht der Fall war und der Vorzug der gesetzlichen Lösung ist.“ Mückstein fügte hinzu, der Sozialversicherungsbereich gehöre endlich reformiert: „Die Zusammenlegung der Krankenkassen, die Sanierung des zersplitterten Gesundheitswesens und die Planungs-, Finanzierungs- und Versorgungsverantwortung aus einer Hand sind dringend anzugehen, um Einsparungen und mehr Effizienz im Gesundheitswesen zu erreichen.“
ASVG-Novelle „verfassungs- und EU-Rechts-widrig“
20.10.15
von
Klaus Fischer
Als „verfassungswidrigen Eingriff in Grundrechte und Verstoß gegen EU-Recht“ brandmarkt der Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) die Novelle zum ASVG, die seit gestern in Begutachtung ist. Die Novelle sieht vor, dass die Pharmaindustrie den Krankenkassen für die Jahre 2016 bis 2018 einen Rabatt in der Höhe von 125 Millionen Euro auf die Arzneimittelkosten zu gewähren hat. Dieser „Finanzierungssicherungsbeitrag“ ist im jeweiligen Folgejahr nachträglich zu entrichten, wobei jeweils per 1. September eine Vorauszahlung von 80 Prozent zu erfolgen hat. Bei Fristversäumnis kann der Hauptverband (HV) der Sozialversicherungsträger dem jeweiligen Unternehmen einen Aufschlag von zehn Prozent auf seinen Beitrag verrechnen. Jedem Unternehmen wird bezogen auf den Gesamtumsatz ein freier „Sockelbetrag“ von drei Millionen Euro gewährt, davon zwei Millionen für Medikamente im Grünen Bereich des Erstattungskodex sowie eine Million für Arzneien im Gelben und Roten Bereich des Kodex. Für Umsätze über den Freibetrag hinaus ist ein Rabatt von drei Prozent plus zehn Prozent Umsatzsteuer (USt.) für Medikamente aus dem Grünen Bereich, von sieben Prozent plus zehn Prozent USt. für Medikamente aus dem Gelben und Roten Bereich sowie von 15 Prozent plus USt. für Arzneien, die nicht im Kodex aufgeführt sind, zu gewähren.
FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger kritisiert den „Finanzierungssicherungsbeitrag“ als „Zwangsrabatt“, der den Wirtschaftsstandort Österreich schädige. Ihr zufolge hätten „namhafte Verfassungsjuristen in einem Gutachten festgestellt, dass der Entwurf gegen die Eigentumsgarantie, die Erwerbsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz verstößt und im Widerspruch zum EU-Recht steht.“ Laut Hofinger argumentieren der HV und das für die ASVG-Novelle verantwortliche Gesundheitsministerium mit „überhöhten Wachstumsraten“ bei den Arzneimittelkosten, die sich laut den Erläuterungen zur Novelle im zweiten Halbjahr 2014 auf „über acht Prozent“ belaufen hätten. Dem gegenüber gehe der HV für 2016 von einer Steigerung um „lediglich 5,4 Prozent“ aus, betont Hofinger.
Reformieren statt abkassieren
Und sie fügt hinzu: Die Pharmaindustrie habe dem HV ein „dynamisches Modell“ für einen freiwilligen Solidarbetrag angeboten. Dieses beinhalte neben einem „großzügigen Basisbeitrag zusätzliche Zahlungen bei Erreichen eines bestimmten Wachstums. Das Modell ist faktenbasiert sowie fair und transparent und bietet für alle Seiten Planbarkeit.“ Der HV habe dieses Angebot jedoch abgelehnt. Laut Hofinger zeigt das, „dass es lediglich darum geht, von strukturellen finanziellen Problemen im Bereich der Krankenkassen abzulenken: Noch immer leistet sich Österreich 22 verschiedene Kassen mit stark steigenden Verwaltungsausgaben und großzügigen Pensionsregelungen, teure eigene Einrichtungen und einen überdimensionierten Spitalsbereich.“
Sie fordert Gesundheitsministerin Sabina Oberhauser daher auf, den Begutachtungsentwurf zurückzuziehen. Stattdessen müssten nun endlich die „oftmals angekündigten Strukturreformen“ bei den Sozialversicherungsträgern durchgezogen werden.
Kranke Kassen
Ähnlich argumentierte kürzlich der Pharmaindustrieverband Pharmig. Bei einem Hintergrundgespräch lehnte Generalsekretär Jan Oliver Huber den „Zwangsrabatt“ vehement ab. Auch ihm zufolge ist das Defizit der Kassen zumindest nicht ausschließlich durch die Arzneimittelkosten begründet. Manche der Anstalten leisteten sich teure Einrichtungen, deren Notwendigkeit nicht offensichtlich sei. Als Beispiel nannte Huber das Hanusch-Krankenhaus der Wiener Gebietskrankenkasse, das mit rund 50 Millionen Euro pro Jahr ein gehöriges Scherflein zu deren jährlichem Defizit beitrage. Und das sei nur eine von etlichen „Parallelveranstaltungen“ zu Einrichtungen der öffentlichen Hand. Hubers Kritik: „Insgesamt haben wir im Gesundheitssektor eine aufgeblähte Struktur, die ganz offensichtlich keine Top-Resultate bringt.“ Der HV solle daher Reformen einleiten, statt über die Arzneimittelkosten zu klagen. Nicht infrage kommt laut Huber, „dass wir als Pharmaindustrie für Aufwendungen der Kassen abseits der Medikamentenkosten bezahlen. Das wäre wirtschaftlich unverantwortlich.“
Kritik von der IV
Vehement abgelehnt wird der Entwurf auch von der Industriellenvereinigung (IV). Laut Generalsekretär Christoph Neumayer leisten die Pharmaunternehmen „bereits seit Jahren einen überproportionalen Beitrag zur Sanierung der Krankenkassen“. Es gehe nicht an, dass sie nun auch für die „Reformversäumnisse in zahlreichen Bereichen“ buchstäblich zur Kasse gebeten würden. Neumayer zufolge liegt „die im Regierungsprogramm vorgesehene Studie zu Effizienzsteigerungen bei den Sozialversicherungsträgern bis heute nicht vor. Der gesetzliche Verwaltungskostendeckel für die Sozialversicherung ist vor Jahren ausgelaufen.“ Das Gesundheitsministerium solle daher nicht die Pharmaindustrie weiter belasten, sondern für Ordnung bei den Krankenkassen sorgen: „Es gilt, in allen Bereichen der Krankenversicherung notwendige Reformen anzugehen sowie insbesondere auch bei Organisation und Verwaltung der Sozialversicherung, etwa bei Personal und eigenen Einrichtungen, konsequent Effizienzsteigerungen zu realisieren.“
Zores für Leitl
Pikant ist die Angelegenheit übrigens für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Als Kammerchef hat er die Interessen der FCIO-Mitglieder und damit auch der Pharmaindustrie zu vertreten. Gleichzeitig ist Leitl indessen auch Obmann der Sozialversicherungsanstalt (SVA), die dem HV angehört. In dieser Funktion wiederum muss er dem HV und damit den Krankenkassen das Wort reden. Schon macht daher das böse Wort die Runde, der Kammeroberste sei gut beraten, sich einen anständigen Vorrat an „Pillen gegen Schizophrenie“ zuzulegen - ob diese nun rabattiert zu bekommen seien oder nicht. Denn in den anstehenden Debatten werde es für ihn schwierig, auseinanderzuhalten, welche Position er aktuell vertreten müsse.
OMV und Borealis kooperieren weiter
12.10.15
von
Klaus Fischer
Die OMV und die Borealis setzen ihre Kooperation fort. Die entsprechenden Verträge wurden bis 2028 verlängert, teilten die beiden Unternehmen in einer Aussendung mit. Vereinbart wurde dieser zufolge im Wesentlichen, dass die OMV weiterhin aus ihren Raffinerien in Schwechat und Burghausen in Bayern Ethylen und Propylen an die Borealis liefert. Diese verarbeitet die beiden Monomere zu Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) weiter. Der Aussendung zufolge ist die Borealis der weltweit zweitwichtigste Anbieter dieser Grundmaterialien für die Kunststoffindustrie.
Laut Manfred Leitner, dem zuständigen Vorstand der OMV, setzt diese mit der Vertragsverlängerung „den bisher erfolgreichen Weg einer profitablen Partnerschaft mit Borealis konsequent fort. Zudem leisten OMV und Borealis damit einen wichtigen Beitrag zur Standortsicherung von Schwechat und Burghausen.“ Markku Korvenranta, der für Basischemikalien verantwortliche Vorstand der Borealis sprach von einem „wichtigen Beitrag zur Sicherung des Industriestandortes Europa.“
Die Borealis hat Kunden in rund 120 Staaten und erwirtschaftet mit ihren 6.500 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von etwa 8,3 Milliarden Euro. Sie gehört zu 64 Prozent der International Petroleum Investment Company (IPIC) mit Sitz im Emirat Abu Dhabi am Persischen Golf und zu 36 Prozent der OMV. Die IPIC ist an der OMV mit 24,9 Prozent beteiligt. Immer wieder gab es Gerüchte, sie wolle die Borealis vollständig übernehmen, was von der OMV jedoch abgelehnt wird.
Šefčovič gegen neue Pipelines
22.09.15
von
Klaus Fischer
Noch im September will der Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, eine Vereinbarung über die Erdgasversorgung der Ukraine im kommenden Winter abschließen. Bei seinem Besuch in Wien am 21. September erläuterte Šefčovič vor Journalisten, die EU arbeite an einem umfassenden Finanzierungspaket, bestehend aus Krediten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), der Europäischen Investitionsbank (EIB) und anderer Finanzinstitute. Dieses soll sicherstellen, dass die Ukraine genug Gas einlagern kann, um selbst einen strengen Winter durchzustehen. Zurzeit soll sich der Speicherstand auf etwa 15,3 Milliarden Kubikmeter belaufen. Benötigt werden nach Schätzungen von Experten rund 17 bis 19 Milliarden Kubikmeter.
Ablehnend äußerte sich Šefčovič auf Anfrage des Chemiereport zu den geplanten russländischen Pipelines Nord Stream 2 und Turk Stream. Diese würden nicht benötigt, weil zurzeit „nur rund 50 bis 57 Prozent der Kapazität auf den bestehenden Leitungen genutzt wird.“ Mit Nord Stream 2 und Turk Stream würde sich die Leistung der Transitleitungen nahezu verdoppeln: „Das heißt, es würde künftig nur ein Viertel der verfügbaren Kapazität genutzt. Wirtschaftlich ergibt das keinen Sinn.“ Außerdem hätten Vertreter der russländischen Regierung sowie des Gaskonzerns Gasprom mehrfach mitgeteilt, mit den Pipelines die Ukraine umgehen zu wollen. Laut Šefčovič ist dies aus mehreren Gründen „besorgniserregend“. Erstens würde die Ukraine die Transitgebühren verlieren, die sich auf etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Zweitens entfielen die Möglichkeiten, Gas gegen die übliche Fließrichtung („reverse-flow“) in die Ukraine zu liefern. Drittens wären von einer Stilllegung des Pipelinesystems durch die Ukraine auch Staaten in Zentraleuropa sowie auf dem Westbalkan betroffen. „Daher sage ich: Wir müssen mit den EU-Mitgliedsstaaten sowie den wichtigsten Gaslieferanten, darunter auch den Russen, Szenarien erarbeiten, um die Versorgung aller europäischen Staaten, nicht nur unserer Mitglieder, zu verbessern“, betonte Šefčovič.
Sorgfältig prüfen
Der Kommissions-Vizepräsident fügte hinzu, er kenne noch keine Details der geplanten Pipelineprojekte. Und „natürlich muss jedes derartige Infrastrukturprojekt sehr genau untersucht werden, um sicherzugehen, dass das EU-Recht eingehalten wird. Wir würden die neuen Vorhaben daher mit derselben Sorgfalt prüfen, wie wir die South-Stream-Pipeline geprüft haben.“ Dieses Projekt wurde von russländischer Seite im Dezember 2014 nach jahrelangen ergebnislosen Debatten mit der EU-Kommission aufgegeben. Als Ersatz soll die Turk Stream auf einer weitgehend identischen Route gebaut werden. Als Endpunkt ist ein neu zu errichtender Gasnetzknoten nahe des türkischen Dorfs Kiyiköy 150 Kilometer nordwestlich von Istanbul geplant.
Vom Chemiereport gefragt, ob er versuchen werde, Pipelinevorhaben auch dann zu verhindern, wenn diese dem EU-Recht entsprechen, wich Šefčovič aus: „Ich habe dafür zu sorgen, dass das EU-Recht eingehalten wird. Das betrifft sowohl das 3. Binnenmarktpaket als auch die Rechtsakte zur Versorgungssicherheit.“ Weiters stelle sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, „aber diese müssen die beteiligten Unternehmen beantworten.“
Hinsichtlich des Projekts Nord Stream 2 sind laut Šefčovič in näherer Zukunft keine Gespräche zwischen der EU-Kommission und den Vertretern des Konsortiums aus der Gasprom, dem deutschen Chemieriesen BASF, dem deutschen Energiekonzern E.On, dem französischen Energiekonzern Engie (vormals GDF Suez), der Shell und der OMV geplant. „Diesbezüglich müsste das Konsortium auf uns zukommen. Zurzeit laufen aber meines Wissens nach noch interne Abstimmungen“, sage Šefčovič.
Wichtige Rolle Österreichs
Zufrieden äußerte sich Šefčovič hinsichtlich seiner Gespräche mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der als Wirtschaftsminister für Energiepolitik zuständig ist. Österreich mache insbesondere beim Ausbau der erneuerbaren Energien „sehr gute Fortschritte“. Das Ziel, ab 2020 mindestens 34 Prozent des Brutto-Endenergiebedarfs mit den „Erneuerbaren“ zu decken, werde offenbar übererfüllt. Auch als Drehscheibe für Energietransporte spiele Österreich im Zentrum der EU eine wichtige Rolle.
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