Weblog von fischer
Schulterklopfen am Gartenzaun
03.07.13
von
Klaus Fischer
„Wir haben in den letzten fünf Jahren im Gesundheitsbereich beinahe 60 Gesetze beschlossen und über 250 Verordnungen erlassen, die alle nur eines zum Ziel hatten: unser gerechtes, sicheres und solidarisches Gesundheitssystem abzusichern und weiter auszubauen“. Also sprach Gesundheitsminister Alois Stöger vor Journalisten und fügte hinzu: In der zu Ende gehenden Legislaturperiode habe er die Krankenkassen saniert, die Elektronische Gesundheitakte (ELGA) eingeführt und die Einrichtung von Gruppenpraxen ermöglicht – ganz zu schweigen von seiner Initaitive zu den gesunden Schulbuffets, dem Nationalen Aktionsplan Ernährung und nicht zuletzt mit der Gesundheitsreform einen „historischen Meilenstein“ gesetzt. Kurz und gut: Nach Stögers eigener Einschätzung war seine Tätigkeit in den vergangenen fünf Jahren eine Erfolgsbilanz im wahrsten Sinne des Wortes und damit genau das, was ein Politiker im anlaufenden Wahlkampf braucht.
Und so ist es nur konsequent, dass Stöger ein 110 Seiten umfassendes Büchlein mit dem Titel „Weg mit den Gartenzäunen“ präsentierte, in dem er sein Wirken nicht eben allzu kritisch beschreiben lässt. Neben dem luxemburgischen Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo von der Luxemburger Sozialistischen Arbeiterpartei (LSAP) obliegt dies gleich drei Sektionsoberhäuptern aus dem Gesundheitsministerium sowie Georg Ziniel, dem Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Da berichtet denn einer der Spitzenbeamten, einer der Brennpunkte des Gesundheitssystems sei „im Regelfall der kranke Mensch“. Und der, so habe er von Stöger gelernt, habe „wenn überhaupt, dann nur eine schwache Markt- geschweige denn Machtposition.“ Und Ziniel vermeldet, es sei „zweifellos das Verdienst“ Stögers, den Zusammenhang zwischen „der sozialen Stellung von Menschen“ und ihrer Gesundheit „auf die politische Agenda gebracht“ zu haben.
„Auf Augenhöhe“
Sein Erfolgsrezept verrät Stöger in seinem Beitrag zu dem Bändchen selbst: „Für mich war von Beginn an klar: Wenn ich diesen Reformprozess positiv gestalten und zu einem erfolgreichen Ende bringen will, muss ich allen VerhandlungspartnerInnen auf Augenhöhe begegnen.“ Dies dürfte nicht zuletzt den Vertretern der Ärztekammer bekannt vorkommen, denen Stöger im Zusammenhang mit der ELGA wiederholt höchst intensiv begegnet war – ob auf „Augenhöhe“, lässt sich diskutieren. Immer wieder flogen zwischen dem Minister und den Kammerfunktionären die Fetzen. Im Spätherbst 2011 beispielsweise bezeichnete Stöger diese als „zerstrittenen Haufen“. Der damalige Ärztekammerpräsident Walter Dorner konstatierte im Gegenzug, die ELGA werde „ein Millionengrab sein und Unsummen verschlingen, und das ohne jedweden erkennbaren Nutzen für den Patienten.“ Ein anderer hochrangiger Kammerfunktionär wusste Stögers Verhandlungsstil immerhin als „Kriegserklärung“ zu würdigen.
„Richtige Richtung“
Deutlich moderater im Ton, aber durchaus kritisch in der Sache gab sich der Pharmaindustrie-Verband Pharmig, der per Aussendung auf Stögers Eloge in eigener Sache reagierte: Der Minister habe Schritte in die „richtige Richtung“ gesetzt. Und immerhin sei es ihm „gelungen, die Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen zu verändern.“ Ob dies den Patienten etwas bringe, bleibe indessen abzuwarten. Außerdem bedauerte die Pharmig, bisher nicht in die Umsetzung der Gesundheitsreform eingebunden gewesen zu sein.
Alois II.?
Stöger zeigt sich unterdessen entschlossen, seinen Weg fortzusetzen. Vom Chemiereport auf Berichte gut informierter Kreise angesprochen, er werde der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören, sagte der Minister, er rechne damit, „dass meine positive Bilanz anerkannt wird.“ Von einem Abschied aus der Spitzenpolitik könne aus seiner Sicht keine Rede sein. Seinem Beitrag in seinem Buch zufolge will Stöger in der kommenden Legislaturperiode „eine qualitativ hochwertige und effiziente Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen“ und „für eine gerechte und solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems sorgen“.
Pharmig: Verhaltenscodex überarbeitet
03.07.13
von
Klaus Fischer
Der Pharmaindustrie-Verband Pharmig hat mit Geltung ab 1. Juli 2013 Änderungen zum Verhaltenscodex (VHC) beschlossen. Unter anderem reagierte der Verband damit auf die neuen rechtlichen Regeln, die das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz (KorrStrÄG) mit sich bringt. Als eine der wichtigsten Änderungen nannte die Pharmig in einer Aussendung die Verpflichtung für die Unternehmen, „ihre Spenden und Förderungen an Organisationen oder Institutionen, die sich überwiegend aus Fachkreisen zusammensetzen, offenzulegen.“ Erstmals ist dies 2016 rückwirkend für 2015 durchzuführen. Ausdrücklich betonte die Pharmig, „Spenden und Förderungen an einzelne Angehörige der Fachkreise“ seien unzulässig.
Laut Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber zeigt die durch den VHC geförderte Transparenz, „dass die Kooperationen der Industrie mit Partnern, wie etwa Ärzten und Patientenorganisationen, ethischen Ansprüchen gerecht werden. Die hohen Standards, die wir uns in Österreich schon seit Jahren setzen, berücksichtigen auch die europäischen und internationalen Entwicklungen.“
Zwei Instanzen
Der Pharmig-VHC ist für alle Mitgliedsfirmen verbindlich und regelt den Umgang der Branche mit der Öffentlichkeit, den Ärzten sowie den Angehörigen anderer Gesundheitsberufe. Er wurde 1970 eingeführt, 2007 neu aufgesetzt und wird regelmäßig an geänderte rechtliche sowie sonstige Rahmenbedingungen angepasst. Neben allgemeinen Grundsätzen enhält der VHC unter anderem Bestimmungen über Arzneimittel und Arzneimittelwerbung, Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz (AMG), klinische Prüfungen, die Zusammenarbeit mit Fachkreisen, aber auch die Durchführung von Gewinnspielen und Veranstaltungen sowie den Umgang mit Geschenken.
Beschwerden gegen ein Mitglied der Pharmig wegen eines behaupteten Verstoßes gegen den VHC können von jedermann eingebracht werden. Nichtmitglieder, die eine Beschwerde führen, müssen mit der Pharmig eine schriftliche VHC-Vereinbarung für das jeweilige Verfahren abschließen. Grundsätzlich zulässig sind auch Beschwerden gegen Nichtmitglieder der Pharmig zulässig. Diese werden allerdings vom Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) behandelt.
Die VHC-Verfahrensordnung sieht ein Verfahren über zwei Instanzen (Fachausschüsse I. und II. Instanz) vor. Die Fachausschüsse behandeln die einlangenden Beschwerden und entscheiden über Sanktionen. Entscheidungen des Fachausschusses II. Instanz können nicht angefochten werden.
Der VHC steht unter http://www.pharmig.at/DE/Verhaltenscodex/Pharmig-Verhaltenscodex/Verhaltenscodex.aspx zum Download zur Verfügung.
Borealis kauft Düngerhersteller von TOTAL
02.07.13
von
Klaus Fischer
Die Borealis hat die Übernahme der GPN SA von der französischen TOTAL-Gruppe abgeschlossen. GPN ist der größte französische Hersteller von Stickstoffdüngern und hat etwa 760 Mitarbeiter. Diese sollen sämtlich übernommen werden, hieß es in einer Aussendung von Borealis. Überdies vereinbarte Borealis mit TOTAL, 56,86 Prozent der Rosier SA zu erwerben. Rosier stellt an seinen zwei Standorten Moustier in Belgien und Sas van Gent in den Niederlanden mineralische Pflanzennährstoffe her und vertreibt diese in rund 80 Ländern in aller Welt. Der Jahresumsatz des Unternehmens belief sich 2012 auf etwa 278 Millionen Euro. Die Borealis bot der TOTAL für die Mehrheitanteile an Rosier 192 Euro pro Aktie. Dabei wurden acht Euro Dividende von den von TOTAL verlangten 200 Euro pro Aktie abgezogen. Da die Borealis die Mehrheit an Rosier halten wird, muss sie ein öffentliches Abgebot zur Übernahme der restlichen Unternehmensanteile legen. Dieses beläuft sich auf 203,38 Euro pro Aktie. Es entspricht dem Durchschnittskurs der Rosier-Aktien während der 30 Tage vor dem 6. Feber 2013, dem Tag, an dem die Borealis das Angebot zur Übernahme der Mehrheit an dem Unternehmen legte.
An die Spitze
Borealis-Chef Mark Garrett verlautete in einer Aussendung, die Übernahmen stünden „in Einklang mit unserer Strategie, unser Pflanzennährstoffgeschäft weiter auszubauen, unsere führende Position in Mittel- und Osteuropa zu halten und uns zum führenden Hersteller in Europa zu entwickeln.“ Der europäische Pflanzennährstoffmarkt sei ein nachhaltiger und attraktiver Geschäftsbereich. Die Borealis wolle „eine zuverlässige Produktion und optimalen Kundenservice sicherstellen“ und freue sich „auf eine erfolgreiche Integration“ der beiden französischen Firmen in den eigenen Konzern.
Die Borealis gehört zu 64 Prozent der International Petroleum Investment Company (IPIC) in Abu Dhabi und zu 36 Prozent der OMV. Mit rund 5.300 Mitarbeitern in 120 Ländern erwirtschaftete sie 2012 einen Jahresumsatz von rund 7,5 Milliarden Euro.
27.06.13
von
Klaus Fischer
„Der Bundesminister...wird ersucht, die Zulassung von bienenschädigenden Beizmitteln bei Saatgut aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide im Einklang mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013 für Kulturen, die interessant bzw. attraktiv für Bienen sind, umgehend zu verbieten und alternative Methoden zur Reduktiondes Schädlingsdrucks...den Vorzug zu geben.“ So lautet die Formulierung zum geplanten Neonicotiniod-Verbot, die gestern im Landwirtschaftsausschuss des Nationalrates angenommen wurde und die kommende Woche im Plenum beschlossen wird. Für den entsprechenden Antrag stimmten SPÖ, ÖVP, Grüne und BZÖ. Die Freiheitlichen lehnten diesen ab. Sie forderten statt dessen ein „sofortiges und gänzliches Verbot“ von Neonicotinoiden", verlautete Agrarsprecher Harald Jannach.
Das Verbot der Pflanzenschutzmittel Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam tritt am 1. Oktober in Kraft und gilt für drei Jahre. Diese Bestimmung ist schärfer als jene der EU-Kommission vom 24. Mai, der zufolge der Einsatz der Mittel ab 1. Dezember für zwei Jahre ausgesetzt wird.
Im Vorfeld der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses hatte es heftige Kontroversen gegeben. So argumentierte Bauernbund-Präsident Jakob Auer, es sei rechtswidrig, eine strengere Regelung zu treffen als die EU-Kommission. Ein Schuss ins eigene Knie, wie selbst Parteifreunde in Auers ÖVP anmerkten. „Er hätte sich schon etwas Viferes einfallen lassen dürfen“, um das bei seiner Klientel umstrittene Verbot zu verzögern, ätzt ein ungenannt bleiben wollender Insider gegenüber dem Chemiereport. Mit seiner offensichtlich falschen Argumentation habe der Bauernbündler die Neonicotioid-Gegner in den anderen Parteien erst recht aufgestachelt und damit seiner eigenen Sache geschadet.
Mitterlehner bedauert Nabucco-Aus
26.06.13
von
Klaus Fischer
Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner bedauert die Entscheidung des Konsortiums für die Erschließung des Shah-Deniz-II-Gasfelds im Kaspischen Meer, kein Erdgas für den Transport auf der von der OMV geplanten Pipeline Nabucco zur Verfügung zu stellen. Im Interesse des Wirtschaftsstandorts Europa sei es „jetzt ausschlaggebend, dass nach jahrelangen Verhandlungen endlich eine Pipeline verwirklicht werden kann, mit der Gas aus neuen Quellen nach Europa kommt.“ Dies dürfte vorläufig die Trans Adriatic Pipeline (TAP) werden, das Konkurrenzprojekt zur Nabucco. Sie soll von Kipoi an der griechisch-türkischen Grenze über Albanien und die Adria nach San Foca in Italien führen.
Die Versorgung Österreichs mit Erdgas sei trotz der Entscheidung des Shah-Deniz-II-Konsortiums gesichert, fügte Mitterlehner hinzu. Diese „steht aufgrund der langfristigen Lieferverträge mit den bestehenden Partnern auf festen Beinen.“ Außerdem werde der zunehmende Import verflüssigten Erdgases (LNG) nach Europa dazu beitragen, die Versorgungsquellen zu differenzieren. Überdies seien im Schwarzen Meer „umfangreiche Gasfunde“ getätigt worden, an denen auch die OMV beteiligt sei, resümierte Mitterlehner.
Die OMV hatte heute die Entscheidung des Shah-Deniz-II-Konsortiums vermeldet und betont, diese habe keinen Einfluss auf ihr Bestreben, die Gasversorgungsrouten für Europa zu diversifizieren. Sie werde Alternativen zur Ergänzung bestehender Versorgungsrouten untersuchen. Und ganz vergebens sei die Arbeit an Nabucco nicht gewesen: Die gemachten Erfahrung könnten sich im Rahmen künftiger Projekte bezahlt machen.
A.J.P.-Martin-Medaille für Günther K. Bonn
25.06.13
von
Klaus Fischer
Der Innsbrucker Chemiker Günther K. Bonn hat die A.J.P.-Martin-Medaille erhalten, die höchste Auszeichnung der berühmten britischen Chromatographic Society. Sie ist nach dem britischen Chemiker Archer John Porter Martin benannt, der 1952 gemeinsam mit Richard Synge den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte, und wird seit 1978 jährlich vergeben. Die Träger sind Wissenschaftler, die hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Trenntechnologie, vor allem der Chromatographie, erbracht haben. Bonn entwickelt mit seinen Mitarbeitern Trägermaterialien, die in modernen Chromatographie-Verfahren eine zentrale Rolle spielen. Die von Bonn synthetisierten Substanzen eignen sich besonders zur Trennung komplexer Stoffgemische, darunter Eiweißgemische. Überdies befasst sich Bonn mit der Analytik von Pflanzeninhaltsstoffen. Auf diesem Gebiet arbeitet er seit Jahren eng mit der deutschen Bionorica zusammen. Diese Kooperation wird seitens der Universität Innsbruck als „einer der Grundpfeiler des Austrian Drug Screening Institutes“ (ADSI) in Innsbruck. Das ADSI untersucht Pflanzenextrakte, um neue Wirkstoffe für die Medizin zu finden.
Summa cum laude
Günther K. Bonn wurde 1954 in Innsbruck geboren und absolvierte das Studium der Chemie an der dortigen Leopold-Franzens-Universität. Ab 1977 war er Vertragsassistent am Insitut für Radiochemie, zwei Jahre später promovierte er „summa cum laude“. Im Jahr 1985 habilitierte er in Analytischer Chemie und wurde nach einem Aufenthalt als Visiting Professor an der US-amerikanischen Yale-Universität 1991 als Ordentlicher Universitätsprofessor an die Johannes-Kepler-Universität Linz berufen. Drei Jahre später übernahm er den Lehrstuhl für Analytische Chemie und Radiochemie in Innsbruck. Seit 2013 ist Bonn Direktor des Austrian Drug Screening Institute (ADSI) in Innsbruck, das er gemeinsam Prof. Lukas Huber von der Medizinischen Universität Innsbruck gegründet hatte. Das ADSI steht unter der Schirmherrschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Bonn hat über 350 wissenschaftliche Publikationen verfasst und hält eine Reihe von Patenten im Bereich der Trenntechnik.
Zweiter Geehrter
Gemeinsam mit Bonn erhielt auch Frantisek Svec die A.J.P.-Martin-Medaille. Svec promovierte am Institut für Chemische Technologie in Prag und war unter anderem an der dortigen Akademie der Wissenschaften tätig. Seit 1992 arbeitet er in den USA, zunächst an der Cornell University im Staat New York, ab 1997 an der University of California in Berkeley. Im Jahr 2005 wurde Svec zum Direktor der Organic and Macromolecular Synthesis Facility am Lawrence Berkeley National Laboratory berufen. Von 2003 bis 2006 war er zudem Visiting Professor für Analytische Chemie an der Universität Innsbruck. Svec ist Herausgeber des Journal of Separation Science sowie Mitherausgeber mehrerer weiterer Fachzeitschriften. Er verfasste über 400 wissenschaftliche Publikationen und hält 79 Patente.
25.06.13
von
Klaus Fischer
Seit Inkrafttreten der Kinderarzneimittel-Verordnung der EU (Verordnung (EG) 1901/2006) wurden 31 von 152 neuen Arzneimitteln für die pädiatrische Verwendung zugelassen. Das zeigt der erste Fortschrittsbericht der EU-Kommission hinsichtlich der Umsetzung der Verordnung, die seit 2008 gilt. Dem Bericht zufolge wurden bis Ende 2011 insgesamt 72 neue pädiatrische Indikationen für bereits zugelassene Arzneimittel genehmigt sowie 26 neue Darreichungsformen für die pädiatrische Verwendung zugelassen. Im Rahmen der Entwicklung neuer Produkte erstellen die Pharmaunternehmen aufgrund der Richtlinie pädiatrische Prüfkonzepte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bisher 600 solcher Prüfkonzepte gebilligt, davon 453 zu bisher noch nicht in der EU zugelassenen Medikamenten. Insgesamt 33 Prüfkonzepte wurden bis Ende 2012 abgeschlossen. Laut dem Bericht „ist davon auszugehen, dass in den nächsten fünf Jahren noch viele weitere hinzukommen werden.“ Seit 2006 stabil geblieben ist die Zahl der klinischen Studien mit durchschnittlich 350 Stück pro Jahr. Als positiv bewertet die EU-Kommission in dem Bericht nicht zuletzt die Einrichtung des European Network for Paediatric Research bei der EMA (Enpr-EMA) im Jahr 2009.
Kinder im Blickfeld
Weiters heißt es in dem Bericht, vor dem Inkrafttreten der Kinderarzneimittel-Verordnung hätten etliche Pharmaunternehmen „die erwachsene Bevölkerung als ihren Hauptabsatzmarkt“ betrachtet und „die Erforschung des potenziellen Nutzens eines Arzneimittels für Erwachsene bei Kindern vernachlässigt oder gar nicht berücksichtigt. Der heutige Bericht zeigt, dass sich dies jetzt ändert.“ Nicht zuletzt seien die Unternehmen verpflichtet, den Behörden „ihre Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von zur Verwendung bei Kindern zugelassenen Arzneimitteln zu übermitteln.“ Seit 2008 seien mehr als 18.000 Studien zu rund 2.200 Arzneimitteln vorgelegt worden. Diese hätten zu Bewertungsberichten über 140 Wirkstoffen zu auf nationalstaatlicher Ebene zugelassenen Medikamenten sowie 55 Wirkstoffen zu zentral zugelassenen Arzneimitteln geführt.
Schwache PUMA
Weitgehend als Fehlschlag erwiesen habe sich indessen der Paediatric Use Marketing Authorisation (PUMA), stellt die EU-Kommission in dem Bericht fest. Die PUMA bezieht sich auf Medikamente für Kinder auf Basis von Produkten für Erwachsene, deren Patentschutz bereits abgelaufen ist. Für solche gilt ein Recht auf Exklusivvermarktung für zehn Jahre. Die Pharmaunternehmen hätten die Möglichkeiten der PUMA bislang kaum genutzt. Offenbar sei der Entwicklungsaufwand im Vergleich mit dem potenziellen wirtschaftlichen Nutzen nicht ausreichend.
Langfristiges Projekt
Zusammenfassend warnt die EU-Kommission vor übereilten Schlussfolgerungen. Es werde sich erst langfristig erweisen, ob die Kinderarzneimittel-Verordnung ein Erfolg gewesen sei. Immerhin zeige Bericht „ermutigende Signale“. Und als Allheilmittel sei die Verordnung ohnehin nie gedacht gewesen. Den nächsten Fortschrittsbericht wird die EU-Kommission 2017 vorlegen.
Abfallwirtschaftsgesetz: Beschluss am 7. Juli
21.06.13
von
Klaus Fischer
Am 7. Juli wird die seit langem diskutierte Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) im Plenum des Nationalrats beschlossen. Der Umweltausschuss stimmte ihr am 20. Juni zu. Die Regierungsparteien stimmten für die Novelle, die Grünen, die FPÖ und das BZÖ dagegen. Das „Team Stronach“ ist im Umweltausschuss nicht vertreten. Der Ministerrat hatte die Novelle bereits Anfang Juni beschlossen.
Die Novelle tritt am 1. Jänner 2015 in Kraft. Mit ihr wird der Markt für die Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen aus Haushalten liberalisiert. Zurzeit ist dort ausschließlich die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) tätig. Künftig können auch andere Unternehmen solche Abfälle sammeln und verwerten. Noch heuer soll deren Zulassung erfolgen. Wegen der faktischen Monopolstellung der ARA war seit Jahren davon die Rede, die EU-Kommission erwäge, Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klagen. Insidern zufolge gab es zwar immer wieder Briefwechsel zwischen den österreichischen und den Brüsseler Behörden. Wirklich auf Österreich loszugehen, sei seitens der Kommission allerdings nie im Raum gestanden. Der Grund: Die Republik ist in Sachen Abfallwirtschaft im Allgemeinen mehr als ordentlich unterwegs. Probleme gibt es eher in anderen Staaten, beispielsweise im Süden und Südosten Europas.
Hoffnung auf „möglichst breite Mehrheit“
Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer begrüßte die Novelle. Ein „harter und jahrelanger Verhandlungsweg“ habe letztlich zum Erfolg geführt. Es sei „sichergestellt, dass eines der besten Sammelsysteme weltweit auch in Zukunft angewandt wird.“ Er hoffe nun auf eine „möglichst breite Mehrheit“ im Plenum des Nationalrates, verlautete Mödlhammer.
Zufrieden zeige sich auch ARA-Vorstand Werner Knausz. Die Novelle „ ist aus unserer Sicht dazu geeignet, den fairen Wettbewerb zwischen den Systemen ohne Marktverzerrungen zu gewährleisten und gleichzeitig das hohe Niveau der getrennten Verpackungssammlung in Österreich sicherzustellen.“Allerdings stünden „die Probe aufs Exempel, nämlich die Bewährung des Gesetzes in der Praxis und ein wirkungsvoller Vollzug durch das Umweltministerium“, noch bevor.
Die Reclay UFH, die plant, der ARA Konkurrenz zu machen, hatte die Novelle bereits nach dem Beschluss im Ministerrat Anfang Juni für gut befunden. Österreich erhalte damit „auch bei der Sammlung und Verwertung von Haushaltsverpackungen die Chance auf einen fairen Wettbewerb mit all seinen Vorteilen“, hatte es in einer Aussendung geheißen. Die Reclay kritisierte allerdings, die ARA könne rund 75 Millionen Euro an Rücklagen aus Monopolzeiten auch im liberalisierten Markt für Tarifsenkungen verwenden. Somit bestehe die Gefahr, dass sie Dumpingpreise anbiete, was ihr als weiterhin marktbeherrschendem Unternehmen kartellrechtlich verboten sei.
Die ARA hält diesen Vorwurf für ungerechtfertigt. Anlässlich der Präsentation ihrer Jahresbilanz sagte Vorstand Knausz auf Anfrage des Chemiereport, die ARA habe sich stets gesetzeskonform verhalten. Dies werde sie auch in Zukunft tun.
Schlagabtausch um Biosprit
20.06.13
von
Klaus Fischer
Einen heftigen Schlagabtausch über den Sinn und Unsinn von Biosprit lieferten sich in den vergangenen Tagen Politiker der Regierungsparteien sowie Agrarfunktionäre und -industrielle. Den Anfang machte Petra Bayr, ihres Zeichens Bereichssprecherin für globale Entwicklung der SPÖ im Nationalrat. Ihr Ziel: einmal mehr der in den vergangenen Wochen wegen Bienen, Neonicotinoiden und sonstigen Herbiziden ohnehin Land auf, Land ab geprügelte Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich. Ihm warf Bayr vor, sich, „vertreten durch einen Mitarbeiter der Ständigen Vertretung, im EU-Umweltausschuss erneut gegen eine Beschränkung der Agrotreibstoffe auf fünf Prozent ausgesprochen“ zu haben. Das sei „inakzeptabel“, da derartiger Sprit „den weltweiten Hunger“ anheize, wetterte Bayr und fügte hinzu: „Eigentlich handelt es sich um reine Klientelpolitik gegenüber dem Bauerbund und dem Raiffeisen-Konzern, die um die Auslastung ihres Werkes in Pischelsdorf im Burgenland fürchtet. Priorität ist offenbar, dass bestehende Investitionen nicht gefährdet werden sollen.“
Unterstützung kam von Karin Kadenbach, EU-Parlamentarierin der SPÖ. Als Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kritisierte sie Berlakovichs Verhalten als „unüberlegten Irrweg. Die Bezeichnung 'Bio'-Sprit ist ebenso beschönigend wie der selbstverliehene Titel 'Lebensministerium'. Bisherige Entwicklungen und neuere Studien belegen eindeutig eine unerwünschte Bilanz der Agrartreibstoffe 1. Generation im Umweltbereich, aber auch im Zusammenhang mit den Menschenrechten. So drohen zum Beispiel durch Landnutzungsänderungen massive Kostensteigerungen im Lebensmittelbereich.“
Schultes gegen Kadenbach
Nicht hinnehmen wollte das der Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer und Umweltsprecher der ÖVP im Nationalrat, Hermann Schultes. „Gerade in krisengeschüttelten Zeiten wie diesen ist die Produktion von Bioenergie im eigenen Land nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern ökonomisch wertvoll“, ließ er per Aussendung wissen. Und Schultes trat zum Gegenangriff an: „Anstatt mitzuhelfen, dass die Klimaziele erreicht werden, die Wertschöpfung und das schwer verdiente Geld im eigenen Land bleibt, füttert Frau Kadenbach lieber weiterhin Russland und behindert in Europa die Eigenproduktion.“ Außerdem möge Kadenbach doch freundlichs „daran denken, dass, wenn wir die derzeit in Österreich aus unterschiedlicher Biomasse erzeugte Bioenergie nicht hätten, wir zusätzlich noch 3,2 Milliarden Euro mehr für Energieimporte aus demokratiepolitisch höchst bedenklichen Staaten ausgeben müssten.
Thesen, die die Gescholtene zu „Nachhilfe in Sachen Biosprit für Umweltverantwortliche der ÖVP“ veranlassten: „40 Prozent des in der EU verbrauchten Biodiesels müssen importiert werden. Auch Österreich ist kein Selbstversorger bei Biosprit. Schon für die 10-prozentige Beimischungspflicht müssen 80 Prozent der Pflanzenöle importiert werden. Wenn andere Länder selbst der Beimischungspflicht nachkommen, bleibt dann noch genug übrig für Österreich?“ Und einmal mehr wiederholte Kadenbach: Biosprit aus Getreide, Zucker und Ölsaaten zu subventionieren, gehe „zulasten der Nahrungsmittelproduktion, treibe die Preise und sei noch dazu wegen der energie- und flächenaufwendigen Herstellung unbedeutend für den Klimaschutz.“
Marihart gegen Bayr
Den nächsten Hieb führte Agrana-Chef Johann Marihart gegen die Nationalratsabgeordnete Bayr. Deren Kritik sei „von Unsachlichkeit und Unkenntnis geprägt.“ Bayr wisse offenbar nicht, dass die fragliche Bioethanolanlage nicht im Burgenland steht, „sondern in Niederösterreich an der Donau“. Und um die Auslastung des Werks brauche sich die Politikerin keine Sorgen zu machen: „Agrana verzeichnet eine vollständige Produktionsauslastung und stellt aktuell eine Hälfte ihrer in Niederösterreich erzeugten Bioethanolmenge für die derzeit erfolgende fünfprozentige Benzinbeimischung her.“ Aus gegebenem Anlass stellte Marihart überdies klar, nur etwa 2,5 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich würden für die Bioethanolproduktion genutzt, der „Rest“ für die Nahrungsmittelerzeugung. Auch verwende die Agrana für „ihr“ Bioethanol ausschließlich „nachhaltig produzierte Futtergetreide-Überschüsse aus Mitteleuropa, die für die Nahrungsmittelproduktion nicht geeignet sind.“ In Pischelsdorf produziere die Agrana jährlich rund 220.000 Kubikmeter Bioethanol. Das reiche für Österreich selbst dann, wenn E10 doch noch eingeführt werde.
Dresche aus der Kammer
Die vorerst letzten Prügel teilte Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski in Richtung Kadenbach aus. Etwa 98 Prozent der Rohstoffe für Biodiesel stammten nachweislich aus der EU. Und „es kann doch EU-Abgeordneten nicht gleichgültig sein, dass fossile Rohstoffe aus Staaten wie Kasachstan, Nigeria, Russland, Libyen oder Syrien über tausende von Kilometern im teuren Austausch gegen Milliarden Euro nach Europa eingeführt werden müssen, wenn grüne Energie bei uns erzeugt werden und die Wertschöpfung in der EU verbleiben könnte.“ Eine Reaktion Kadenbachs erfolgte bislang nicht. Insidern zufolge ist allerdings einigermaßen sicher, dass dies nicht die letzte Auseinandersetzung um den Biosprit war. Die nächste Runde folge bestimmt.
Biosprit aus dem Stahlwerk
20.06.13
von
Klaus Fischer
Siemens und das Biotechnologieunternehmen LanzaTech wollen Bioethanol aus Stahlwerksabgasen erzeugen. Sie haben dazu ein Kooperationsabkommen mit zehn Jahren Laufzeit geschlossen, teilten die Unternehmen per Aussendung mit. LanzaTech betreibt seit 2008 in Auckland in Neuseeland eine Anlage, in der Stahlwerksabgase in einen Bioreaktor eingeleitet werden. Dort wandeln von Lanza entwickelte gentechnisch veränderte Clostridien das in den Abgasen enthaltene CO sowie CO2 in eine wässrige Lösung um. Aus dieser werden verwertbare Stoffe herausgefiltert. In der Folge können Bioethanol sowie Basischemikalien erzeugt werden, darunter Essigsäure und Aceton. Laut LanzaTech fallen die Bakterien in die Risikogruppe 1 der World Health Organization (WHO). Das heißt, sie stellen keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Wie in der Aussendung verlautete, erzeugen zwei vorkommerzielle Anlagen in China seit vergangenem Jahr rund 300 Tonnen Ethanol aus den Abgasen von Stahlwerken. Geplant ist, zwei kommerzielle Ablagen zu bauen. Sie sollen schon 2014 in Betrieb gehen.
Siemens und LanzaTech beziffern das jährliches Volumen des Weltmarkts für Ethanol mit „mehr als 80 Millionen Tonnen“, von denen 75 Millionen Tonnen auf den Einsatz als Biokraftstoff entfallen. Ausdrücklich hielten Siemens und LanzaTech fest, das Verfahren stehe nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung. Dieser Punkt wird im Zusammenhang mit der Erzeugung von Biokraftstoffen immer wieder heftig diskutiert.
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