Weblog von fischer
Klimapolitik: Nach dem Ziel ist vor dem Ziel
17.01.13
von
Klaus Fischer
Um 2,6 Prozent bzw. 2,2 Millionen Tonnen auf 82,8 Millionen Tonnen gesunken sind die österreichischen Treibhausgasemissionen im Jahr 2011. Sie liegen damit um 14 Millionen Tonnen über den 68,8 Millionen Tonnen, die laut Kyoto-Protokoll emittiert werden dürfen. Das zeigt die aktuelle Treibhausgasbilanz, die Umweltminister Nikolaus Berlakovich und Jürgen Schneider, der Leiter des Geschäftsfeldes „Wirtschaft und Wirkung“ des Umweltbundesamtes, heute präsentierten.Allerdings: Der Bund kaufte in den vergangenen Jahren Emissionszertifikate über insgesamt rund 67 Millionen Tonnen CO2. Das genügt, um Österreichs Ziel für die erste Periode der Geltung des Kyotoprotokolls zu erreichen. Diese dauerte von 2008 bis einschließlich 2012. Zwar wird erst kommendes Jahr endgültig abgerechnet, wenn die Treibhausgasbilanzen für 2012 vorliegen. Aber da die Emissionen für dieses Jahr sich nach den derzeitigen Schätzungen auf dem Niveau von 2011 bewegen dürften, sollte sich die Rechnung laut Schneider ausgehen. Kostenlos war der Kauf der Zertifikate freilich nicht: Er schlug mit insgesamt rund 600 Millionen Euro zu Buche – was indessen deutlich weniger war als die „Milliardenbeträge“, in diesem Zusammenhang unter anderem in Österreich staatlich anerkannte Umweltorganisationen kolportiert hatten.
Allerdings wartet bereits die nächste Herausforderung auf die Republik. Bereits 2009 verpflichteten sich die EU-Mitgliedsstaaten, ihre Emissionen bis 2020 gegenüber den Werten des Jahres 2005 um durchschnittlich 20 Prozent zu reduzieren. Für Österreich läuft dies auf eine Senkung um 16 Prozent hinaus. Nicht berücksichtigt werden müssen dabei jene Emissionen, die in der energieintensiven Industrie und bei den großen Energieversorgern anfallen. Diese Bereiche sind seit 2005 in den EU-internen Emissionshandel (EU-ETS) einbezogen. Seit heuer, dem ersten Jahr der dritten Periode des EU-ETS, kümmert sich darum die EU-Kommission selbst. Die Mitgliedsstaaten sind „nur“ noch für den „NON-ETS“-Bereich zuständig. Doch der hat es zur Genüge in sich: Er umfasst unter anderem den Sektor Gebäude, sprich Heizung und Warmwasserbereitung, sowie den Verkehr, laut Schneider das traditionelle „Sorgenkind“ der Klimapolitik.
Umstrittene Novelle
Nicht zuletzt, um Österreichs neues klimapolitisches Ziel zu erreichen, plant das Umweltministerium eine Novelle des vergangenes Jahr beschlossenen Klimaschutzgesetzes (KSG). Sie sieht für alle sechs Non-ETS-Sektoren (Energie und Industrie außerhalb des ETS, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Fluorierte Gase) jährlich einzuhaltende Emissionsobergrenzen („Sektorziele“) vor. Das Problem: Der Umweltminister kann zwar Ziele vorschlagen, nicht jedoch verbindlich vorgeben. Und was die Maßnahmen zum Erreichen der Ziele betrifft, hat er sich nicht zuletzt mit den Ländern zu einigen. Die zeigen allerdings wenig Lust, mitzumachen. Erste Stellungnahmen zum Entwurf der KSG-Novelle lassen sich mit zwei Worten zusammenfassen: so nicht. Insbesondere stoßen sich die Länder daran, dass die größten Emissionsreduktionen im Sektor Gebäude erfolgen sollen, für den sie zuständig sind. Der hochgeschätzte Herr Minister möge zuerst gefälligst Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft ordentlich in die Pflicht nehmen, auf die mit rund 72 Prozent der Löwenanteil der Emissionen im Non-ETS-Bereich entfalle, verlautete beispielsweise das Amt der Kärntner Landesregierung.
Einen Zeitplan für den Beschluss der Novelle gibt es laut Umweltministerium übrigens nicht. „Natürlich möchten wir das Gesetz so schnell wie möglich unter Dach und Fach bringen. Aber zuerst müssen wir abwarten, was es an Stellungnahmen gibt und wie diese ausfallen“, verlautete aus dem Kabinett Berlakovichs gegenüber dem Chemiereport.
H.F.-Mark-Medaillen für Wittmann und Glatter
14.11.12
von
Klaus Fischer
Die H.F.-Mark-Medaillen des Österreichischen Forschungsinstituts für Chemie und Technik (OFI) gingen heuer an Werner Wittmann und Otto Glatter. Wittmann erhielt die Auszeichnung für seine langjährigen Verdienste um die österreichische Kunststoffwirtschaft. Er gründete 1976 die Wittmann Kunststoffgerätebau Gesellschaft, die weltweit Erfolge im Bereich der Spritzgusstechnologie erzielte. Sie lieferte zunächst Peripheriegeräte wie Durchflussregler, Temperiereinheiten, Roboter und Trockner in alle Welt. Nach Übernahme der Battenfeld GmbH im Jahr 2008 wurde sie zum weltweiten Lieferanten von Spritzgießmaschinen, Automatisierungsanlagen und schlüsselfertigen Produktionszellen für die Kunststoffverarbeitung und damit zum Gesamtanbieter auf diesem Sektor.
Glatter wurde für seine Arbeiten um die Polymercharakterisierung, insbesondere zur Röntgen- und Neutronen-Kleinwinkelstreuung, ausgezeichnet. Er leitete bis 2010 das Institut für physikalische Chemie an der Karl-Franzens-Universität Graz und gilt als international anerkannter Experte im Bereich der physikalischen Chemie sowie der technischen Physik. Seine Forschungsarbeiten über Röntgen- und Neutronen-Kleinwinkelstreuung erbrachten unter anderem wesentliche Erkenntnisse zum Verständnis von Dispersionen, Emulsionen und selbstorganisierenden Polymersystemen. Durch zahlreiche wissenschaftliche Vorträge, Artikel in Fachzeitschriften sowie das gemeinsam mit Otto Kratky verfasste Fachbuch „Small Angle X-ray Scattering” ist er weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt.
Die Auszeichnungen wurden im Rahmen eines Festaktes in der Österreichischen Nationalbibliothek von ADir Karl Wizany vom Wirtschaftsministerium übergeben.
Einstweilige Verfügung gegen ARA
09.08.12
von
Klaus Fischer
Per Einstweiliger Verfügung untersagte das Handelsgericht Wien der Altstoff Recycling Austria (ARA) die Einführung des geplanten neuen Tarifkonzepts. Das Gericht folgte damit einer Klage des Entsorgungsunternehmens Reclay UFH. Dieses argumentiert, das Tarifkonzept stelle „selektiv jene Kunden schlechter, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre Verpackungen auf Haushalts- und Gewerbebereich aufzuteilen und ihre gewerblich anfallenden Verpackungen bei einem alternativen Systembetreiber zu entpflichten.“ Die ARA missbrauche damit ihre marktbeherrschende Stellung im Bereich der Sammlung und Entsorgung von Haushaltsverpackungen.
Die ARA bestätigte in einer Aussendung den Erhalt der Einstweiligen Verfügung. Vorstand Werner Knausz verlautete, sein Unternehmen nehme „diese Entscheidung zur Kenntnis. Schließlich haben wir uns in den beinahe 20 Jahren seit unserer Gründung stets rechtskonform verhalten und werden dies auch in Zukunft tun. Unabhängig davon prüfen wir im Interesse unserer Kunden die weitere Vorgangsweise.“ Den Vorwurf des Marktmachtmissbrauchs wies Knausz einmal mehr zurück. Ihm zufolge dient das Tarifmodell dazu, „die Kostenwahrheit durch die Einführung von getrennten Tarifen für im Haushalt oder Gewerbe anfallende Verpackungen zu erhöhen.“
Der Hintergrund der Auseinandersetzungen ist: Im Jahr 1996 wurde der Markt für die Sammlung und Entsorgung von Verpackungen im Gewerbebereich geöffnet. Nun soll dies auch im Bereich der Haushaltsverpackungen erfolgen. Einen ersten Entwurf will das Umweltministerium dem Vernehmen nach im September vorlegen. Derzeit dominiert die ARA Bereich des in den Haushalten anfallenden Verpackungsmülls. Insgesamt sammelt sie rund 800.000 Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr.
OMV mit starker Chemie-Sparte
08.08.12
von
Klaus Fischer
Das EBIT des Geschäftsbereichs Raffinerien & Marketing (R&M) der OMV (www.omv.com) wuchs im ersten Halbjahr 2012 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2011 um 239 Prozent von 29 auf 99 Millionen Euro. Das teilten OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss und der für R&M zuständige Vorstandsdirektor Manfred Leitner bei der heutigen Halbbjahresbilanzpressekonfererenz der OMV mit. Roiss und Leitner führten dies vor allem auf die bessere Referenz-Raffineriemarge zurück, die sich auf drei US-Dollar pro Barrel belief. Im ersten Halbjahr waren es 1,9 US-Dollar gewesen. Gegenüber dem zweiten Quartal 2011 wurde eine Steigerung der Referenzmarge um 176 Prozent verzeichnet. Als zweiten Grund für das bessere Ergebnis nannte Roiss den um 18 Prozent gestiegenen Output der Petrochemie. Im ersten Halbjahr 2011 war dieser wegen geplanter Wartungsarbeiten in der Raffinerie Schwechat entsprechend niedriger gewesen. Schließlich habe auch das „starke Marketing-Ergebnis vor allem durch den Beitrag von Petrol Ofisi“, also der türkischen OMV-Tochter, zum guten Ergebnis des R&M-Bereichs beigetragen, fügte Leitner hinzu.
Roiss warnte allerdings: Die Raffinieriemargen seien bereits wieder gefallen, im Lauf des zweiten Halbjahres 2012 sei ein weiteres Sinken zu erwarten.
Borealis auf Vorjahresniveau
Auf Vorjahresniveau bewegte sich das Halbjahresergebnis der Borealis, die zu insgesamt 36 Prozent der OMV und zu 64 Prozent der mit 24,9 Prozent an der OMV beteiligten International Petroleum Investment Company (IPIC) gehört. Der Umsatz der Borealis lag bei 3.751 Millionen Euro, im ersten Halbjahr 2011 waren es 3.756 Millionen gewesen. Roiss sprach diesbezüglich von einem „soliden Ergebnisbeitrag von Basischemikalien und Olefinen“, wohingegen das Ergebnis im Bereich Polyolefine „schwächer“ ausgefallen sei. Zufrieden zeigte sich Roiss mit der Polyolefin-Anlage Borouge in Abu Dhabi, die einen „starken Beitrag“ geliefert habe. Borouge ist ein Joint-Venture der Borealis und der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Die Investitionen in die dritte Ausbaustufe (Borouge 3) seien im Plan. Bis 2014 soll die Kapazität der Anlage von derzeit zwei Millionen Tonnen pro Jahr auf 4,5 Millionen Tonnen gesteigert werden.
„Auf Kurs“
Insgesamt verzeichnete die OMV im ersten Halbjahr ein um 38 Prozent auf 1,66 Milliarden Euro gestiegenes EBIT. Der Periodenüberschuss lag mit 986 Millionen Euro um 15 Prozent über dem des ersten Halbjahres 2011. Verbessert hat sich auch der Verschuldungsgrad der OMV: Er sank von 34 auf 31 Prozent. Roiss sprach von einem „hervorragenden Ergebnis“. Die OMV sei mit ihrer Strategie des „profitablen Wachstums“ auf Kurs.
27.04.12
von
Klaus Fischer
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtet Richard Bergström, der Generaldirektor des europäischen Pharmaindustrie-Verbandes EFPIA, die Situation seiner Branche. Das sagte Bergström anlässlich der Generalversammlung des österreichischen Pharma-Verbandes Pharmig in Wien vor Journalisten. Forschungsseitig gebe es eine Reihe von Innovationen und neuen Erkenntnissen, zumal, was personalisierte Medizin sowie die genetischen Hintergründe der Wirkungsmechanismen von Arzneien betrifft. Beispielsweise sei erkannt worden, dass der Begriff Schizophrenie fünf unterschiedliche Krankheiten beschreibt. Überdies seien etliche vielversprechende Wirkstoff-Kandidaten in der Pipeline. „Wir erleben eine langsame Revolution in der Medizin“, stellte Bergström fest.
Wirtschaftlich betrachtet, gebe die Lage der Branche allerdings Anlass zur Sorge. Die Patente vieler „Blockbuster“, also Arzneien, die einen beträchtlichen Teil der Umsätze der Unternehmen ausmachen, sind im Auslaufen. Überdies forderten auch die Gesundheitspolitiker immer weiter sinkende Preise. Dazu kämen noch die Auswirkungen der Finanzkrise. So hätten die Staaten Südeuropas insgesamt rund 14 Milliarden Euro Schulden bei der Pharmaindustrie, sechs Milliarden davon entfielen allein auf Spanien. „Es gibt zwar Lösungen für manche Fälle, aber die Lage ist dennoch schwierig für uns“, konstatierte Bergström. Immerhin habe die Branche mit Portugal ein Abkommen über die Lösung des Schuldenproblems geschlossen. Entsprechende Verhandlungen mit Griechenland dagegen seien erfolglos geblieben.
Forschung muss produktiver werden
Die Gegenstrategie der Pharmaindustrie besteht laut Bergström darin, die Produktivität der Forschung so weit wie möglich zu steigern. Als hilfreich erweise sich in diesem Zusammenhang die Kooperation zwischen den Unternehmen selbst und zwischen den Unternehmen und der öffentlichen Hand. Im Rahmen der Innovative Medicines Initiative (IMI) stelle die Pharmaindustrie rund eine Milliarde Euro bereit, eine weitere Milliarde komme von der EU-Kommission. Ein noch umfangreicheres gemeinsames Forschungs- sowie Entwicklungsprogramm befindet sich laut Bergström in Ausarbeitung.
Einer der Schwerpunkte ist ihm zufolge die Antibiotika-Forschung. Sie wurde in der Vergangenheit vernachlässigt, gewinnt aber zusehends an Bedeutung, weil immer mehr Keime gegen mehrere Antibiotika resistent sind. „Die Erforschung der Multiresistenzen haben wir bisher vernachlässigt. Jetzt wenden wir im Rahmen der IMI etwa 200 Millionen Euro dafür auf“, erläuterte Bergström.
Überdies verschlanke die Branche ihre Strukturen, und es finde eine Reihe von Akquisitionen statt. Auch große Unternehmensfusionen seien nicht auszuschließen.
Trend zu Referenzpreisen
Vom Chemiereport auf die neuesten Bilanzzahlen von Bristol-Myers Squibb, Glaxo Smith Kline und anderen Unternehmen angesprochen, die für das ersten Quartal 2012 sämtlich gute Geschäfte meldeten, sagte Bergström: „Es ist schon richtig, wir verdienen gutes Geld. Aber man muss die langfristigen Perspektiven im Auge behalten.“ Die Entwicklung neuer Arzneien dauere ihre Zeit und sei höchst anspruchsvoll.
Nicht wenig Sorge bereitet der Pharmaindustrie in diesem Zusammenhang das „race to the bottom“, erläuterte Bergström. Gemeint ist damit, dass die öffentliche Hand die Erstattungen für die Arzneimittel immer weiter nach unten zu schrauben trachtet. Er sieht einen Trend in Richtung von Referenzpreisen, die sich nicht selten am niedrigsten Preisniveau in der EU orientieren und auf eine Preisspirale nach unten hinauslaufen. Deutschland beispielsweise berechne seine Erstattungsleistungen aus einem Mix der Preise mehrerer anderer Länder: „Darunter ist auch Griechenland, und das können wir nicht akzeptieren.“ Es sei alles andere als sinnvoll, die Erstattungen aller Länder über einen Kamm zu scheren.
Klar ist ihm zufolge: Mit dem Trend zur personalisierten Medizin gehen die Verkaufsvolumina der einzelnen Arzneien nach unten. Weil deren Entwicklung aber immer aufwendiger und damit teurer wird, muss der Preis der einzelnen Medikamente steigen, um sie rentabel zu machen. „Darauf sind die Gesundheitssysteme zurzeit nicht vorbereitet“, warnte Bergström.
Stresstest-Endbericht: Kernkraftwerke nachrüsten, nicht abschalten
26.04.12
von
Klaus Fischer
Die European Nuclear Regulators Safety Group (ENSREG) empfiehlt, die sicherheitstechnischen Vorkehrungen in Europas Kernkraftwerken weiter zu verstärken. Gemeinsam mit der EU-Kommission schlägt sie einen internationalen Aktionsplan für Nuklearsicherheit vor. <p>
Die European Nuclear Regulators Safety Group (ENSREG) legte heute ihren Endbericht über die Stresstests an den Kernreaktoren in den Mitgliedsstaaten der EU sowie in der Schweiz und der Ukraine vor. Er findet sich unter http://www.ensreg.eu/node/407. Die wesentlichste Botschaft des Berichts: Es ist ebenso sinnvoll wie möglich, die Sicherheit der Anlagen weiter zu verbessern, und das geschieht auch. Aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden muss aber kein einziges europäisches Kernkraftwerk. Ausdrücklich stellt die ENSREG fest, nicht erst im Gefolge des Unglücks im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Fukushima I) im März 2011 bemühten sich die Betreiber der untersuchten Kraftwerke, deren Sicherheit kontinuierlich zu verbessern. Nach Fukushima hätten sie ihre Anstrengungen jedoch teils erheblich verstärkt und bereits manche Erfolge erzielt. Dies betreffe etwa das Vorhalten von Ausrüstung, um auf Ereignisse wie den zeitweiligen Ausfall der externen Stromversorgung sowie Überflutungen reagieren zu können. Auch würden die Möglichkeiten, um solche Ausrüstung, etwa mobile Dieselgeneratoren, herbeizuschaffen, erweitert. Überdies wurde und werde auch die Ausbildung des Kraftwerkspersonals verbessert. In vielen Fällen bestünden Pläne für eine Aufrüstung der sicherheitstechnischen Anlagen, die bereits in nächster Zukunft umgesetzt werden sollen. Hinsichtlich der Details zu den einzelnen Kraftwerken verweist die ENSREG auf die jeweils rund 30 Seiten umfassenden Endberichte zu den Nationalstaaten, die auf ihrer Website ebenfalls verfügbar sind.
<p><b>Vier Empfehlungen</b><p>
Laut der ENSREG sind noch weitergehende Untersuchungen zu empfehlen – nicht zuletzt, weil die Stresstests innerhalb nur weniger Monate durchgeführt werden mussten. Genauer zu analysieren seien insbesondere die Auswirkung von Naturgefahren wie Erdbeben und Überflutungen auf die einzelnen Kernkraftwerke. Der Grund: Die Ansätze zum Umgang mit derartigen Gefahren in den an den Stresstests beteiligten Ländern sind unterschiedlich und machen eine einheitliche Risikobewertung schwierig. Daher empfiehlt die ENSREG erstens, die Western European Nuclear Regulators’ Association (WENRA) solle unter Einbeziehung der besten Experten auf diesen Gebieten eine Leitlinie zur Bewertung von Naturgefahren ausarbeiten. Zweitens schlägt sie periodische Sicherheitsuntersuchungen in den Kernkraftwerken vor. Diese sollen mindestens alle zehn Jahre stattfinden. Drittens verweist die ENSREG auf die zentrale Bedeutung der baulichen Schutzhüllen (Containments) von Kernkraftwerken, um die Auswirkungen von Unfällen möglichst gering zu halten. Folglich hält sie für ratsam, die Maßnahmen weiter zu verbessern, um die Unversehrtheit (Integrität) der Containments auch in Krisensituationen zu gewährleisten. Viertens und letztens sollten die nationalstaatlichen Reaktorsicherheitsbehörden Maßnahmen zur Verhütung und zur Bewältigung von Unfällen in Kernkraftwerken über das gegebene durchwegs hohe Niveau hinaus verstärken. Beispielsweise sei es sinnvoll, wichtige Ausrüstung inklusive Mess- sowie Kommunikationsgeräten so zu lagern, dass sie vor Naturgefahren sicher ist. Dies gelte unter anderem auch für mobile Notstromaggregate. Überdies müsse auch und gerade für den Fall von Naturkatastrophen das Heranführen von Mannschaften und Gerät zur Krisenbewältigung sichergestellt werden. <p>Ausführlich diskutiert wurde laut ENSREG das „Hardened-Core“-Konzept. Dieses sieht vor, mit Hilfe eines jederzeit verfügbaren Minimums an Ausrüstung und Einsatzkräften die elementaren Sicherheitsfunktionen eines Kraftwerks in Katastrophenfällen zu garantieren. Eine Reihe von Kraftwerksbetreibern habe sich schon entschlossen, dieses Konzept anzuwenden. Allerdings seien etliche an den Stresstests beteiligte Experten der Auffassung, das Konzept müsse noch genauer ausgearbeitet werden, bevor es als europaweit einzusetzendes Referenzmodell dienen könne.
<p><b>Internationaler Aktionsplan</b><p> In einer gemeinsamen Aussendung zum Stresstest-Endbericht schlugen die ENSREG und die Europäische Kommission einen Aktionsplan vor, der auf der Ebene der Nationalstaaten, der EU und der internationalen Staatengemeinschaft umgesetzt werden soll. Dieser umfasst unter anderem die Implementierung der Maßnahmen, die im Endbericht empfohlen werden und die Umsetzung des Plans der Internationalen Atomenergieagentur zur Verbesserung der Sicherheit von Kernkraftwerken. Der Endbericht zu den Stresstests wird dem Europäischen Rat bei dessen Tagung im Juni zur Information vorgelegt. Die EU-Kommission wird dem Rat eine Kommunikation zu dem Bericht und dem gemeinsam mit der ENSREG erarbeiteten Aktionsplan übermitteln.
Krach um Transparenzrichtlinie
19.04.12
von
Klaus Fischer
Künftig sollen die EU-Mitgliedsstaaten binnen 180 Tagen nach Antragstellung entscheiden, ob den Patienten die Kosten für ein neues Medikament erstattet werden und falls ja, wie hoch der Preis des Medikaments sein darf. Für Generika gilt eine Frist von 30 Tagen, wenn den Patienten die Kosten für das Originalmedikament bereits erstattet werden bzw. dessen Preis festgesetzt wurde. Das sieht ein Entwurf der EU-Kommission für eine Überarbeitung der sogenannten Transparenzrichtlinie vor. Überdies sollen die Mitgliedsstaaten eine „Stelle“ einrichten, die dem Antragssteller Schadenersatz zuspricht, wenn die zuständigen Behörden diese Fristen überschreiten. Außerdem hat der betreffende Staat in solchen Fällen Zwangsgeld zu bezahlen, das nach der Dauer der Fristüberschreitung berechnet wird. Vorgesehen ist auch, dass die EU-Mitgliedsstaaten der Kommission regelmäßig über ihre einschlägigen Entscheidungen sowie die dafür benötigte Zeit berichten. Geplante Maßnahmen hinsichtlich Kostenerstattung und Preisfestsetzung müssen dem Vorschlag zufolge bei der Kommission notifiziert werden, um sicherzustellen, dass sie dem EU-Recht entsprechen.
„Unzulässiger Eingriff“
Gesundheitsminister Alois Stöger sowie die im Nationalrat vertretenen Parteien lehnen den Vorschlag ab. Sie sehen darin einen unzulässigen Eingriff der Kommission in die Rechte der Mitgliedsstaaten. Mehrere Parlamentarier kritisierten auch, der Entwurf diene ausschließlich der Pharmaindustrie und deren finanziellen Anliegen. Sie beschlossen eine „Subsidiaritätsrüge“, also eine begründete Stellungnahme zu dem Entwurf, in der sie ihre Ablehung kundtaten.
Stöger selbst sagte, der Vorschlag der Kommission führe zu einem „enormen administrativen Mehraufwand“ und zu höhere Medikamentenkosten für die Krankenkassen. Sein Argument: Es bleibe zu wenig Zeit für Preisverhandlungen. Auch könne die Pharmaindustrie jederzeit Preiserhöhungen beantragen. Darüber hinaus brauche Österreich keine „gerichtsartigen Rechtsmittelinstanz, die bei einer Überschreitung der Entscheidungsfristen den Pharmafirmen Schadenersatz zusprechen können soll.“ Die Kommission stelle die Interessen der Pharmaindustrie vor jene „eines geordneten Gesundheitswesens“, fügte Stöger hinzu.
Kritik „ins Leere“
Jan Oliver Huber, der Generalsekretär des Pharmaverbandes Pharmig, sprach dagegen von einem „Missverständnis“. Der Kommission gehe es ausschließlich um kürzere Entscheidungsfristen für die nationalstaatlichen Behörden. Wie diese entscheiden, bleibe weiterhin ihnen überlassen. Er könne deshalb die Kritik Minister Stögers nicht nachvollziehen, insbesondere, was angebliche Kosten durch die Neuregelung betreffe. Außerdem könnten Unternehmen die EU-Mitgliedsstaaten schon jetzt auf Schadenersatz klagen, wenn diese EU-Recht verletzen. Auch die „Subsidiaritätsrüge“ der Parlamentarier geht Huber zufolge „ins Leere“.
„Papier wird nicht so schnell vergilben“
18.04.12
von
Klaus Fischer
„Wir werden uns mit neuem Schwung in einem schwierigen Umfeld behaupten“, betonte der Präsident des österreichischen Papierindustrieverbandes Austropapier, Wolfgang Pfarl, heute bei der Jahrespressekonferenz der Branche. Das Jahr 2011 habe dieser hart zugesetzt. So sank die Auslastung der Fabriken von 92 auf 90 Prozent, die Produktion ging um 2,2 Prozent zurück. Überdies stiegen die Kosten von Holz, einem der wichtigsten Rohstoffe für die Papiererzeugung, und die Altpapierpreise „waren sehr volatil und werden das auch bleiben.“
Allerdings gab es auch Erfreuliches zu melden: Der Umsatz der Branche erhöhte sich um sechs Prozent auf knapp über vier Milliarden Euro und liegt damit über dem Niveau des Vorkrisenjahres 2007. Die Durchschnittserlöse pro Tonne Papier und Pappe lagen knapp unter 750 Euro, ein Wert, der zuletzt im Jahr 2001 erreicht worden war. „Diese auf den ersten Blick erfreuliche Entwicklung war auch sehr notwendig, um die gestiegenen Produktionskosten abdecken zu können“, relativierte Pfarl. Auch heuer stehe die Papierindustrie vor großen Herausforderungen. Für Euphorie gebe es keinen Grund, auch, wenn mit einer „leichten Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds“ im zweiten Halbjahr gerechnet werden könne. Grundsätzlich sei aber festzuhalten: „Die österreichische Papierindustrie ist keine Sunset-Industrie. Papier wird nicht so schnell vergilben.“
Investitionen „gefährlich“ niedrig
Noch nicht abgeschlossen sind Pfarl zufolge die Debatten mit der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria (RCA) über die Erhöhung der Transportkosten. Immerhin wolle sich die RCA das Geschäft mit der Papierindustrie offensichtlich erhalten: „Wir sind ja einer ihrer größten Kunden.“ Etwa 45 Prozent ihrer Transporte wickelt die Branche auf der Schiene ab, und das solle auch so bleiben, betonte Pfarl: „Wir haben größtes Interesse am Bahntransport, nicht zuletzt, um unsere CO2-Emissionen in Grenzen zu halten.“ Ein Ausweichen auf den Straßentransport wäre ihm zufolge mit massiven ökologischen Auswirkungen verbunden.
Nicht zufriedenstellend war 2011 das Investitionsniveau, bedauerte Austropapier-Vizepräsident Christian Skilich. Es stagnierte bei etwa 100 Millionen Euro, „und das ist gefährlich wenig. Wir haben eine sehr gute und moderne Industrie. Aber bei derart niedrigen Investitionen könnte sich das längerfristig ändern.“ Die Mondi, für die Skilich als Operations Director tätig ist, wirkt dem allerdings entgegen: Sie investiert an ihrem Kärntner Standort Frantschach rund 60 Millionen Euro in einen neuen Laugenverbrennungskessel. Er soll im zweiten Halbjahr 2013 in Betrieb gehen und zwei Kessel aus den 1950er und 1970er Jahren ersetzen. Frantschach ist eines der wichtigsten Werke Mondis in Europa.
Hirnschmalz nötig
Ausdrücklich bekannten sich Pfarl, Skilich und Austropapier-Energiesprecher Max Oberhumer zur Vorreiterrolle der österreichischen Papierindustrie in Sachen Ökologisierung und Reduktion von CO2-Emissionen. Pfarl verwies auf das Ziel der EU, die letzteren bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu senken: „Dazu braucht es Hirnschmalz für die notwendigen Innovationen, und die können nur aus der Industrie kommen.“ Die Politik sei eingeladen, für ein investitionsfreundliches Klima zu sorgen.
Kritik übte Oberhumer an der geplanten neuen Energieeffizienz-Richtlinie der EU. Deren ursprünglicher Entwurf sei „vernünftig“ gewesen und habe die Bemühungen der Industrie unterstützt: „Leider wurde er inzwischen zerredet, und jetzt geht es hauptsächlich um Klientelpolitik und Stimmenkauf.“ Ähnliche Probleme seien auch im Zusammenhang mit dem in Österreich geplanten Energieeffizienzgesetz nicht auszuschließen. Manche Politiker sähen darin leider eher ein Mittel zur Budgetsanierung als zur Verbesserung der Energieeffizienz, bedauerte Pfarl.
Fischler ist Alpbach-Präsident
22.03.12
von
Klaus Fischer
Der ehemalige EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler ist Nachfolger des seinerzeitigen ÖVP-Chefs und Vizekanzlers Erhard Busek als Präsident des Europäischen Forums Alpbach. Das teilte dessen Geschäftsführung mit. Fischler war bisher Vizepräsident des Forums. Zu seinen Stellvertretern gewählt wurden der vormalige Innenminister Caspar Einem, die Politikwissenschaftlerin Sonja Puntscher-Riekmann, Claus Raidl, Präsident des Generalrates der Nationalbank, sowie die Augenärztin Ursula Schmidt-Erfurth. Schmidt-Erfurth war bereits bislang Alpbach-Vizepräsidentin.
In einer Aussendung des Forums wurde Fischler wie folgt zitiert: „Wir wollen das Europäische Forum Alpbach als einzigartige Plattform für offenen gesellschaftspolitischen Dialog weiterentwickeln. Alpbach ist der Ort, an dem Lösungsansätze für die großen Herausforderungen unserer Zeit entwickelt werden sollen. Vor allem die Vereinigung Europas, die Weiterentwicklung unserer demokratischen Kultur und der Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft stehen, im Einklang mit unserer Gründungsgeschichte, im Mittelpunkt unserer Bestrebungen.“ Seinem Vorgänger streute Fischler Rosen. Dieser habe Alpbach „über 15 Jahre hinweg, 12 Jahre davon als Präsident, maßgeblich geprägt und erfolgreich weiterentwickelt. Alpbach ist heute eine der bedeutendsten Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur in Europa.“
Das Forum findet heuer vom 16. August bis 1. September statt, das Schwerpunktthema lautet „Erwartungen – Die Zukunft der Jugend“ widmen. Eine Vorschau auf das Programm ist unter www.alpbach.org verfügbar.
21.03.12
von
Klaus Fischer
Es gibt keinen schlüssigen Beweis für die Verschmutzung von Grundwasser durch „Hydraulic Fracturing“, wie es bei der Förderung von Schiefergas (Shale Gas) eingesetzt wird, zeigt eine aktuelle Studie des Energy Institute der University of Texas in Austin. Beim „Fracturing“ wird mit Zusatzstoffen versetztes Wasser unter hohem Druck in die gashältigen porösen Gesteinsschichten gepresst. Das ist notwendig, um diese aufzubrechen und das Gas fördern zu können. Ein Autorenteam unter Leitung des Institutsdirektors, Charles D. Groat, untersuchte eine Reihe von Berichten über Verschmutzungen des Grundwassers in den US-amerikanischen Shale-Gas-Feldern Marcellus, Haynesville, Eagle Ford Barnett, Barnett-Woodford, Fayetteville, Woodford, Mancos sowie Lewis, die auf „Hydraulic Fracturing“ zurückzuführen sein sollten. Das Ergebnis: Probleme, wie sie in den Berichten erwähnt werden, gibt es auch bei der Erschließung normaler Erdöl- und Erdgasvorkommen – wenn dabei nicht mit ausreichender Sorgfalt gearbeitet wird. Insbesondere betrifft dies Leckagen (Spills), aber auch Fehler bei der Behandlung von Abwässern, wie sie bei der Öl- und Gasförderung unvermeidlich sind. Solche Vorkommnisse sind laut Groat und seinen Kollegen erheblich bedenklicher als das „Hydraulic Fracturing“. Allerdings ist es auch vergleichsweise einfach, gegenzusteuern: Wie Groat und seine Mitautoren ausdrücklich betonen, sind manche Probleme nicht zuletzt auf die unzureichenden US-Umwelt- und Sicherheitsvorschriften für Öl- und Gasförderprojekte zurückzuführen, die großteils vor Beginn des Shale-Gas-Booms vor einigen Jahren erlassen wurden. Auch ist eine Reihe der rund 95 potenziell gesundheitsgefährdenden Substanzen, die bis 2009 in der Shale-Gas-Förderung eingesetzt wurden, mittlerweile nicht mehr in Verwendung. Einige der fraglichen Stoffe kommen auch anderwertig zum Einsatz. So ist Napthalin etwa ein wesentlicher Bestandteil von Mottenkugeln und WC-Duftspülern. Benzol wiederum tritt unter anderem im Zigarettenrauch auf. Das Rauchen und das Passivrauchen werden für rund 50 Prozent der Benzolbelastung der US-amerikanischen Bevölkerung verantwortlich gemacht.
Dirty Dish
Keinen klaren Nachweis für gesundheitliche Auswirkungen durch die Beeinträchtigung der Luftqualität in Folge der Shale-Gas-Förderung erbrachten der Studie zufolge übrigens mehrere Untersuchungen auf lokaler Ebene. Eine davon bezog sich auf das 200-Seelen-Städtchen Dish im Gebiet des Barnett Shale im Nordosten von Texas. Dessen ehemaliger Bürgermeister Calvin Tillman hielt sich kürzlich in Wien auf und sprach sich bei einer vom österreichischen Biomasseverband organisierten Pressekonferenz energisch gegen die Shale-Gas-Produktion aus. Allerdings: Wie die Studie zeigt, ist der Straßenverkehr im Gebiet von Dish zumindest in gleichem Ausmaß für die dort nachweisbare Luftverschmutzung verantwortlich wie die Gasindustrie mit ihren Aktivitäten. Auf ersteren entfallen etwa 45 Prozent der Emissionen an flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), auf die letzteren etwa 43 Prozent.
Anhand von zwei Feldstudien wollen die Forscher der University of Texas die Auswirkungen der Shale-Gas-Förderung nunmehr detailliert untersuchen. Die erste beginnt im April und befasst sich mit behaupteten Grundwasserverschmutzungen im Barnett-Shale. Ein zweites Projekt ist derzeit in Ausarbeitung. Es soll untersuchen, ob die wasserführenden Schichten oberhalb und unterhalb von Shale-Gas-Vorkommen durch das „Hydraulic Fracturing“ miteinander in Verbindung werden können, woraus sich potenziell Gefährdungen für das Grundwasser ableiten ließen.
Große Reserven
Die Shale-Gas-Vorkommen auf dem US-amerikanischen Festland werden zurzeit auf etwa 24.400 Milliarden Kubikmeter geschätzt, was etwa der Hälfte der konventionellen Erdgasvorkommen der Russländischen Föderation, der größten der Welt, entspricht. Shale Gas deckt derzeit etwa 23 Prozent des Gasbedarfs der USA, für 2035 wird ein Anstieg dieses Werts auf rund 46 Prozent erwartet. (kf)
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