Weblog von fischer
29.03.16
von
Klaus Fischer
Ein an der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien) entwickeltes synthetisches Pflanzenpeptid (Zyklotid) verhindert möglicherweise den Ausbruch Multipler Sklerose (MS). Das teilte die MedUni in einer Aussendung mit. In Tierversuchen habe sich gezeigt, dass die einmalige Verabreichung des Wirkstoffs die MS-Symptome „sehr stark verbessert.“ Es seien keine Erkrankungsschübe mehr aufgetreten. Der Wirkstoff „könnte den Verlauf der Erkrankung generell deutlich verlangsamen“, wurde Christian Gruber, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, zitiert. Gruber arbeitet mit seinem Team und einer Forschungsgruppe um Gernot Schabbauer sowie internationalen Partnern aus Australien, Deutschland und Schweden an dem Peptid.
Laut MedUni wurden mit dem Universitätsklinikum Freiburg Patente in mehreren Ländern angemeldet. Überdies gründeten die beiden Institutionen die Firma Cyxone, die für die Weiterentwicklung des Peptids zuständig ist. Sie hat auch die Patentrechte inne. Eine klinische Phase-I-Studie mit dem Wirkstoff, der oral verabreicht werden soll, könnte laut Gruber Ende 2018 beginnen. Bisherige MS-Medikamente müssen intravenös verabreicht werden. Laut Gruber bietet sich an, das potenzielle neue Medikament als Basistherapie einzusetzen, sobald MS-spezifische Veränderungen im Zentralnervensystem festgestellt werden. Gruber und Schabbauer zufolge könnte es sein, „dass sich die Zeitspanne zwischen den Schüben verlängert oder möglicherweise ein Ausbruch der Erkrankung verhindert werden kann.“
An Multipler Sklerose sind in Österreich derzeit etwa 8.000 Personen erkrankt, weltweit sind es etwa 2,5 Millionen. Die Erkrankung zerstört die Isolierschichten der Nervenfasern. Laut der Aussendung der MedUni verläuft sie „in Schüben und ist derzeit nicht heilbar.“
Offshore-Erdgas: Rückschlag für „Bibi“
29.03.16
von
Klaus Fischer
Es ist ein herber energiepolitischer Rückschlag für den israelischen Premierminister Benjamin („Bibi“) Netanyahu: Das Höchstgericht seines Landes (High Court of Justice) stoppte seine Pläne zur Ausbeutung des Offshore-Erdgasfelds Leviatan, das mit rund 623 Milliarden Kubikmetern als eine der größten levantinischen Lagerstätten gilt. Wie das Gericht feststellte, enthält Israels Natural Gas Regulatory Framework verfassungswidrige Bestimmungen. So wird den an der Erschließung von Offshore-Feldern beteiligten Unternehmen für zehn Jahre ein stabiler Abnahmepreis für Erdgas garantiert. Auch sind innerhalb dieses Zeitraums Änderungen am Natural Gas Regulatory Framework unzulässig.
Dem Gericht zufolge binden diese Bestimmungen die derzeitige Regierung sowie auch künftige Regierungen in unzulässiger Weise. Änderungen hinsichtlich der Besteuerung sowie der Exportquoten, aber auch der Antitrust-Gesetzgebung im Allgemeinen, würden dadurch widerrechtlich erschwert. Die Regierung hat nun ein Jahr Zeit, um das Natural Gas Regulatory Framework mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Bis dahin sind weitere Arbeiten am Leviathan-Feld verboten.
Der als temperamentvoll bekannte „Bibi“ reagierte grantig. In einer Aussendung bezeichnete er die Entscheidung des Gerichts als „schwere Bedrohung für die Entwicklung der Erdgasvorkommen des Staates Israel.“ Niemand könne darüber erfreut sein, dass das Erdgas bis auf weiteres in den Tiefen des Meeres lagern werde und den Bürgern damit Einnahmen von hunderten Milliarden Schekel entgingen. Israel werde nunmehr als Staat betrachtet, dessen Rechtssprechung „exzessiv“ ins Wirtschaftsleben eingreife und mit dem Geschäfte schwierig seien. Doch der Premier, der seinen Militärdienst bei einer Eliteeinheit absolvierte, gab sich kämpferisch: „Wir werden andere Wege suchen, um den schweren Schaden abzuwenden, den dieses seltsame Urteil für die israelische Wirtschaft verursacht.“
David L. Stover, Chef der US-amerikanischen Noble Energy, die gemeinsam mit der israelischen Delek an der Erschließlung des Leviathan-Felds arbeitet, sagte, das Gerichtsurteil sei „enttäuschend und stellt ein weiteres Risiko für unseren Zeitplan dar.“ Projekte dieser Größenordnung benötigten „ein stabiles Investitionsklima.“ Nun liege es an der israelischen Regierung, eine Lösung für das Problem zu finden, „und zwar rasch“, fügte Stover hinzu.
24.03.16
von
Klaus Fischer
BASF-Chef Kurt Bock soll neuer Präsident des deutschen Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) werden. Er wurde vom Verbandspräsidium als Nachfolger von Marijn Dekkers nominiert. Seine Wahl ist für die Mitgliederversammlung am 23. September in Düsseldorf vorgesehen. Dekkers, der per 1. Mai seine Funktion als Chef der Bayer AG zurücklegt, bleibt bis dahin VCI-Präsident. Dem VCI gehören über 1.650 deutsche Chemieunternehmen und Tochterfirmen von Chemiekonzernen aus anderen Ländern an. Nach eigenen Angaben repräsentiert der Verband über 90 Prozent der deutschen Chemieindustrie, die 2015 mit ihren etwa 447.000 Mitarbeitern rund 190 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete.
Kurt Bock wurde 1958 in Rahden, rund 70 Kilometer südwestlich von Bremen, geboren. Er absolvierte das Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Münster und Köln sowie an der US-amerikanischen Pennsylvania State University. Im Jahr 1985 promovierte er an der Universität Bonn. Im selben Jahr begann er seine Karriere im Bereich Finanzen bei der BASF. Nach einer Zwischenstation im Bosch-Konzern kehrte er 1998 zur BASF zurück und war zunächst als Finanzchef der BASF Corporation mit Sitz in New Jersey, USA, tätig. Fünf Jahre später wurde er zum Finanzchef des BASF-Konzerns berufen, 2011 übernahm er den Vorstandsvorsitz.
Lenzing mit „sehr gutem Jahr“ 2015
23.03.16
von
Klaus Fischer
„Es war ein sehr gutes Jahr“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der Lenzing AG, Stefan Doboczky, heute in Wien die Bilanz für 2015. Der Umsatz des Faserkonzerns erhöhte sich gegenüber 2014 um rund sechs Prozent auf 1,98 Milliarden Euro. Das EBITDA wuchs um etwa 20,7 Prozent auf 290,1 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss schließlich belief sich auf 124 Millionen Euro, nachdem 2014 ein Minus von 14,2 Millionen ausgewiesen worden war. Laut Doboczky sind die Umsatzsteigerungen vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen: „höhere Faserverkaufspreise, einen gesteigerten Anteil der Spezialfasern und positive Fremdwährungseffekte“. Welchen Anteil die einzelnen Komponenten am Umsatzplus aufweisen, wollte Doboczky auf Anfrage des Chemiereport nicht bekanntgeben: „Ein Gutteil ist auf die Währungseffekte zurückzuführen. Details zu nennen, würde aber nur der Konkurrenz nützen.“ In Summe falle die Jahresbilanz sehr gut aus: „Das Unternehmen ist hoch liquide und gut gerüstet für die Umsetzung der Strategie.“ Überdies sei die „strategische Neuausrichtung abgeschlossen.“ Oberste Priorität habe profitables organisches Wachstum.
Die neue Unternehmensstrategie wurde im Herbst 2015 präsentiert und sieht vor, bis 2020 das EBITDA jährlich um zehn Prozent zu erhöhen, die Kapitalrentabilität (Return on Capital Employed, ROCE) um mindestens zehn Prozent zu verbessern, das Verhältnis der Nettofinanzverschuldung zum EBITDA bei weniger als 2,5 zu stabilisieren und den Anteil der Spezialfasern am Gesamtumsatz auf 50 Prozent zu steigern. Von 2014 auf 2015 verbesserte die Lenzing den ROCE um rund 8,0 Prozent, der Spezialfaseranteil belief sich 2015 auf 40,5 Prozent.
Guter Jahresbeginn
Für heuer zeigte sich Doboczky optimistisch. Änderten sich die Rahmenbedingungen nicht erheblich, werde die Lenzing auch 2016 „eine deutliche Ergebnisverbesserung“ verzeichnen. Der für das Unternehmen wichtige Markt für holzbasierte Cellulosefasern entwickle sich besser als der Gesamtmarkt für Fasern. Neue Kapazitäten in relevantem Ausmaß seien nicht zu erwarten. Ein möglicher Risikofaktor sind laut Doboczky Währungsschwankungen, insbesondere im Verhältnis zwischen Euro und US-Dollar, aber auch zwischen dem Euro und dem chinesischen Yuan Renminbi sowie zwischen dem Euro und der indonesischen Rupiah. Wie Doboczky dem Chemiereport mitteilte, verlief das erste Quartal durchaus zufriedenstellend: „Die Gesamttonalität ist: Das Jahr fängt sehr gut an.“
Noch keine Auswirkungen spürt die Lenzing laut Doboczky durch die Kontrollen an den Schengen-Grenzen. Die Frage, wie es diesbezüglich weitergeht, biete allerdings Anlass zur Sorge: „Der Lastwagenverkehr hat für uns große Bedeutung.“ Aus dem Werk in Lenzing würden Produkte mit einem Gesamtgewicht von etwa 300.000 Tonnen ausgeliefert. Teilweise erfolge dies bereits per Bahn, weitere Verlagerungen von Transporten von der Straße auf die Schiene schloss Doboczky nicht aus.
OMV: Raffinerie Schwechat geht in Revision
16.03.16
von
Klaus Fischer
Es ist wieder einmal so weit: Wie alle sechs Jahre muss die OMV auch heuer die gesetzlich vorgeschriebene umfassende Sicherheitsprüfung („Turnaround“) in der Raffinerie Schwechat durchführen. Im Zeitraum 4.bis 24. April werden zentrale Teile der Anlage stillgelegt, auseinandergenommen, gründlich gereinigt, untersucht und gewartet, wieder zusammengebaut sowie in Betrieb genommen. Ein Vorhaben, bei dem es sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinn nicht zuletzt um die Wurst geht: Erstens umfasst der Turnaround das sogenannte „Herz der Raffinerie“, die Rohöldestillationsanlage 4. Zweitens werden die mit den Arbeiten befassten Personen, von denen 2.500 von Partnerfirmen stammen, während des „Turnarounds“ etwa 200.000 Wurstsemmeln verzehren, rechnet der Direktor der Raffinerie, Thomas Gangl, vor.
Die OMV nutzt die Gelegenheit, um eine neue Entschwefelungskolonne in die bestehenden Anlagen einzubinden. Der Koloss mit seinen 300 Tonnen Gewicht ersetzt laut Gangl ein System, das bereits seit 1981 in Betrieb war. Insgesamt rund 40 Millionen Euro wendet die OMV für das Vorhaben auf. Wie Gangl im Gespräch mit dem Chemiereport festhält, lassen sich durch die Arbeiten einige Effizienzsteigerungen erzielen: „Die Gesamtkosten holen wir damit allerdings nicht herein.“
Größten Wert legt die OMV darauf, die Arbeiten ohne Unfälle zu verrichten. Aus diesem Grund wurden im Zuge der zwei Jahre dauernden Vorbereitung des „Turnaround“ zusätzliche Monitoringanlagen installiert und 180 eigene Mitarbeiter sowie rund 700 Beschäftigte der Partnerfirmen speziell geschult. Etwa 45 Personen („Safety Stewards“) sind nach Angaben Gangls ausschließlich mit Sicherheitsaufgaben befasst. „Außerdem gibt es täglich Meetings, bei denen die Sicherheit der Arbeit der erste Tagesordnungspunkt ist“, berichtet Gangl.
Minutöse Planung
Laut Projektleiter Stefan Hölbfer lässt sich der „Turnaround“ als eine Art riesige „Pickerlüberprüfung“ auffassen. Für deren möglichst reibungslosen Ablauf soll eine minutiöse Planung sorgen, die rund 29.000 Arbeitsstunden in Anspruch nahm. Unterstützt werden die mit dem Vorhaben befassten Personen von einem vollelektronischen Koordinierungsinstrument, in dem buchstäblich jeder Handgriff erfasst wird. Zu inspizieren und zu warten sind unter anderem 16 Prozessöfen, 478 Wärmetauscher, rund 1.100 Sicherheitsventile, 2.128 Armuaturen und 3.400 Stück an Mess- und Regeltechnikausrüstung. Überdies werden neue Rohrleitungen mit einer Gesamtlänge von etwa 14 Kilometern verlegt. Insgesamt fallen um die 600.000 Arbeitsstunden an.
„Riesengroße Wertschöpfung“
Ihre Vorteile von der Raffinerie im Allgemeinen und dem „Turnaround“ im Besonderen hat auch die Stadtgemeinde Schwechat, berichtet Bürgermeisterin Karin Baier: „Die Raffinerie bringt uns riesengroße Wertschöpfung.“ Details dazu können nach Angaben der Stadtverwaltung nicht bekannt gegeben werden. Laut Budgetvoranschlag 2016 machen die „ausschließlichen Gemeindeabgaben“, zu denen auch die Kommunalsteuer gehört, etwa 47,1 Prozent des Ordentlichen Haushaltes der Stadtgemeinde aus. In absoluten Zahlen entspricht dies rund 33,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: Insgesamt plant die Kommune für heuer Einnahmen von etwa 77,1 Millionen Euro. Dazu kommt laut Baier, dass etwa 300 Personen aus Schwechat bei der OMV beschäftigt sind. Und im Zuge der nun anlaufenden Revisionsarbeiten „merken wir, dass die Lokale am Abend voller sind und mehr Nächtigungen verzeichnet werden.“ Kurz und gut: Die OMV sei ein „stabiler Partner“ der Stadtgemeinde, und das solle, wenn irgend möglich, auch weiterhin so bleiben.
Laut Gangl entfallen etwa 4,7 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in Niederösterreich auf die Raffinerie. „Sie ist natürlich ein Wirtschaftsmotor für die Region.“ Das nächste Großprojekt ist übrigens bereits in Vorbereitung. Im Frühjahr 2017 gehen die petrochemischen Anlagen der Raffinerie in Revision. Die Kosten werden lauf Hölbfer „noch etwas höher“ sein als die des diesjährigen Turnarounds.
EU-Parlament gegen Antibiotikabehandlung bei Tieren
10.03.16
von
Klaus Fischer
Für ein „Verbot kollektiver und vorbeugender Antibiotikabehandlung bei Tieren sowie für die Förderung der Erforschung neuer Medikamente“ votierte das Plenum des Europäischen Parlaments in seiner Sitzung am 10. März. Wie die Abgeordneten betonten, „sollte die Verwendung bestehender antimikrobieller Medikamente eingeschränkt und die Entwicklung neuer Wirkstoffe vorangebracht werden, um die zunehmende Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika zu bekämpfen.“ Sorgen machen den Parlamentariern insbesondere Berichte über „Superbugs“, die gegen eine breite Palette antibakterieller Wirkstoffe teilweise oder vollständige Resistenzen entwickelt haben. Verbieten wollen sie vor allem den Einsatz von Antibiotika, um die Leistungsfähigkeit von Zuchtbetrieben zu erhöhen. Der prophylaktische Einsatz solcher Mittel soll nur bei einzelnen Tieren gestattet sein, und auch das nur, wenn ihn ein Tierarzt „ausführlich“ rechtfertigt.
„Da die Weltgesundheitsorganisation uns davor warnt, dass die Welt in einem `post-antibiotischen´ Zeitalter versinken könnte, wo die Antibiotikaresistenz jedes Jahr mehr Todesfälle als Krebs verursachen würde, ist es an der Zeit, starke Maßnahmen zu ergreifen und das Problem an der Wurzel zu lösen“, erläuterte die Berichterstatterin des EU-Parlaments zu der Angelegenheit, die Französin Françoise Grossetête von der Europäischen Volkspartei (EVP). Nicht zuletzt solle daher auch der Online-Verkauf von Antibiotika, Impfstoffen und Rauschmitteln verboten werden.
Falls die Vorschläge des EU-Parlaments Rechtskraft erlangen, könnte die EU-Kommission künftig festlegen, welche Antibiotika ausschließlich bei Menschen verwendet werden dürfen. Das Parlament will nun mit dem Rat der Europäischen Union Verhandlungen aufnehmen, um rasch zu einer Einigung zu kommen.
Weiter Krach um Glyphosat
08.03.16
von
Klaus Fischer
Das Hin und Her um die Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat geht weiter. Heute sollten Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel des EU-Parlaments über das Thema abstimmen. Doch dies wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Gegner der Wiederzulassung zeigten sich erfreut. Karin Kadenbach, Mitglied der SPÖ im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments, sprach von einem „Erfolg auf dem Weg zur Verhinderung der Wiederzulassung von Glyphosat“. Im Sinne des Vorsorgeprinzips forderte sie, dafür zu „sorgen, Restrisiken auszuschließen.“ Ulrike Lunacek, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, verlautete, es handle sich um einen „ersten großen Erfolg gegen das gesundheitsschädliche Herbizid.“ Allerdings sei Österreich „skandalöserweise für die Zulassung“ eingetreten. Lunacek forderte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter auf, diese Position zu revidieren.
Heftige Kritik kam dagegen von der Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP). Deren Obmann Christian Stockmar betonte, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe die „Unbedenklichkeit von Glyphosat bestätigt, auch das Vorsorgeprinzip wurde eingehalten. Deshalb ist es schade, dass nun erneut politische Entscheidungen aus einer emotional geführten Debatte heraus getroffen werden.“ Die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten hätten „einer absurden Kampagne recht gegeben, deren Argumente sich a posteriori als unwissenschaftlich und falsch herausstellen.“ Den Grünen, die eine „politische Entscheidung“ über die Wiederzulassung von Glyphosat gefordert hatten, empfahl Stockmar, ihr demokratisches Selbstverständnis zu hinterfragen: „Denn nachhaltige und kluge Entscheidungen trifft man nicht emotional, sondern auf Basis sachlicher Fakten.“
Merck: Wachstum durch Währungseffekte und Akquisitionen
08.03.16
von
Klaus Fischer
Der Umsatz des Merck-Konzerns stieg von 2014 auf 2015 um rund 13,1 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro, teilte das Unternehmen heute mit. Hauptursache waren Währungseffekte, auf die 6,2 Prozent entfielen. Den zweitwichigsten Faktor bildeten Übernahmen von AZ Electronic Materials (AZ) und Sigma-Aldrich mit 4,3 Prozent. Organisch wuchs der Umsatz laut Angaben des Unternehmens dagegen lediglich um 2,6 Prozent, was rund einem Fünftel des Gesamtwachstums entspricht.
Das EBIT für 2015 beziffert Merck mit 1,8 Milliarden Euro (plus 4,6 Prozent), das EBITDA mit 3,3 Milliarden Euro (plus 7,4 Prozent). Infolge des Kaufs von Sigma-Aldrich haben sich die Nettoschulden von Merck von 559 Millionen Euro am 31. Dezember 2014 auf 12,7 Milliarden Euro zu Jahresende 2015 erhöht. Diese Verbindlichkeiten sollen allerdings „schnell“ abgebaut werden, versicherte Merck. Der Konzern hatte für Sigma-Aldrich rund 17 Milliarden US-Dollar bezahlt. Wie Merck im Geschäftsbericht betont, liegt die Eigenkapitalquote trotz der Milliardentransaktion bei 33,8 Prozent „und damit nach wie vor auf einem guten Niveau“.
Außerdem sei Merck mit der Übernahme „zu einem der größten Life-Science-Anbieter der Welt aufgestiegen“, konstatierte Vorstandschef Karl-Ludwig Kley. Ihm zufolge war 2015 „nicht nur ein ereignisreiches Jahr für Merck, sondern vor allem ein erfolgreiches.“ Der Konzern sei „erneut profitabel gewachsen“ und habe mit der Übernahme von Sigma-Aldrich „den Portfolio-Umbau der letzten Jahre erfolgreich abgeschlossen.“
Rund 54 Prozent des Umsatzes (6,9 Milliarden Euro) erwirtschaftete Merck im Bereich Healthcare, auf Life Sciences entfielen 26 Prozent (3,3 Milliarden Euro), auf den Bereich Performance Materials, zu dem unter anderem Flüssigkristalle sowie Pigmente gehören, schließlich 20 Prozent (2,5 Milliarden Euro). Regional betrachtet, entfielen auf dem asiatisch-pazifischen Raum etwa 33 Prozent des Umsatzes, auf Europa 32 Prozent, auf Nordamerika 21 Prozent, auf Lateinamerika zehn Prozent und auf den Mittleren Osten sowie Afrika rund vier Prozent.
„Leichter organischer Anstieg“
Für heuer rechnet Merck mit einem „leichten organischen Anstieg der Umsatzerlöse gegenüber dem Vorjahr“. Im Bereich Healthcare sei allerdings von einem „starken organischen Rückgang“ auszugehen. Als Grund wird das „weiterhin herausfordernde Marktumfeld“ für das umsatzstärkste Medikament, Rebif, genannt. Für die Bereiche Life Sciences und Performance Materials erwartet Merck dagegen leichte Umsatzzuwächse. Hinsichtlich des EBITDA wird vor Sondereinflüssen ein Anstieg „im niedrigen zweistelligen Prozentbereich“ prognostiziert.
Für Kley war die Bilanz des Jahres 2015 die letzte seiner Laufbahn. Er geht Ende April in Pension. Als Vorstandschef folgt ihm sein derzeitiger Stellvertreter Stefan Oschmann, der unter anderem für die Strategie der Merck-Gruppe zuständig ist.
M&A: A. T. Kearney erwartet „Rekordjahr“
08.03.16
von
Klaus Fischer
Ein „Jahr der Rekorde“ könnte 2016 werden, was Mergers&Acquisitions (M&A) in der weltweiten Chemieindustrie betrifft. Das prognostiziert das Beratungsunternehmen A.T. Kearney in seinem „Chemicals Executive M&A Report 2016“. Ihm zufolge könnte das kumulierte Transaktionsvolumen den bisherigen „Rekord“ des Jahres 2011 (151 Milliarden US-Dollar) übersteigen und etwa doppelt so hoch sein wie jenes von 2015. Ausschlaggebend dafür ist eine Reihe geplanter Megafusionen wie etwa jene von Dow Chemical und DuPont sowie Übernahmen wie jene von Syngenta durch ChemChina. Neben Investitionen sieht A. T. Kearney aber auch Divestitionen, um Portfolios zu bereinigen.
Die für den Report befragten Manager von Chemieunternehmen sehen vor allem fünf Faktoren, die allfällige M&A-Aktivitäten beeinflussen:
Erstens gibt es kaum Potenzial für organisches Wachstum. Verglichen mit ihren Erträgen seien etliche Chemieunternehmen bereits 2015 hoch bewertet gewesen. Um die Erwartungen der Analysten zu erfüllen, müssten sie nunmehr Wachstum darstellen. Wenn dies nicht organisch möglich sei, müsse es durch Akquisitionen bzw. Fusionen erfolgen.
Zweitens beeinflussen die niedrigen Ölpreise die Branche sowohl positiv als auch negativ. Unternehmen, die negativ betroffen sind, könnten sich gezwungen sehen, Vermögenswerte abzustoßen, um so ihre Bilanzen zu verbessern.
Der dritte Faktor sind Portfoliobereinigungen, um die Profitabilität und das Kerngeschäft zu stärken.
Viertens suchen Investoren nach Anlagemöglichkeiten.
Fünftens schließlich werden die Preise für Vormaterialien genannt. Durch die Schieferöl- und Schiefergasförderung haben US-amerikanische Chemiekonzerne Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz in Europa. Dies könnte ihnen die Möglichkeit eröffnen, sich verstärkt im Bereich M&A zu betätigen.
Ferner erwähnt A. T. Kearney noch einen weiteren Faktor: Steuerersparnisse, die sich sowohl durch Divestments als auch durch Fusionen ergeben können. „Wir erwarten, dass diesbezügliche Überlegungen 2016 eine wesentliche Rolle bei M&A-Aktivitäten spielen werden“, heißt es in dem Bericht.
Schwerpunkt Nordamerika
Geographisch betrachtet, dürfte der Schwerpunkt der M&As laut A. T. Kearney in Nordamerika liegen, auf die rund 22 Prozent der Transaktionen entfallen dürften. Dies deute sich bereits durch die geplante Dow-DuPont-Transaktion an. Mehrere weitere große „Deals“ seien vorgesehen, darunter der Kauf von Unternehmensteilen der niederländischen OCI durch die US-amerikanische CF Industries, der mit rund acht Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen würde. An zweiter Stelle sieht A. T. Kearney China, wo bereits rund 21 Prozent aller M&As im Chemiesektor stattfinden sollten. Chinesische Unternehmen versuchten zunehmend, Know-how auf Weltklasseniveau zu erwerben und bemühten sich um Investitionsmöglichkeiten außerhalb des nicht mehr so rasch wachsenden Heimmarktes. In ihren Blick gerieten nicht zuletzt unterbewertete europäische Unternehmungen.
Dem A.-T.-Kearney-Berater Joachim von Hoyningen-Huene zufolge bringen die Mega-Deals der europäischen und damit nicht zuletzt auch der deutschen Chemieindustrie aber auch einige Chancen. Seine Überlegung: „Wettbewerbsbehörden werden darauf bestehen, dass Unternehmensteile mit Milliarden-Umsätzen veräußert werden, um Marktdominanz in allen Märkten zu vermeiden. Diese Unternehmensteile können dann weniger spektakulär, aber durchaus profitabel das Kerngeschäft europäischer Unternehmen verstärken.“
Eine Kurzfassung der Studie ist unter https://www.atkearney.de/chemieindustrie verfügbar.
Klimapolitik: Allein auf weiter Flur
07.03.16
von
Klaus Fischer
Das Klimaabkommen von Paris vom vergangenen Dezember verbessert die Wettbewerbslage der europäischen Chemieindustrie nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des niederländischen Beratungsunternehmen ECOFYS im Auftrag des Chemieindustrieverbandes CEFIC mit dem Titel „Alone under an absolute cap“. Laut ECOFYS ist die Europäische Union auch nach Paris weiterhin die einzige Wirtschaftsmacht mit verbindlichen CO2-Senkungs-Zielen. Auszugehen ist davon, dass die CO2-Preise steigen werden und die Gratiszuteilung von Emissionszertifikaten im Rahmen des Emissionshandelssystems ETS abnehmen wird. Selbst die energieeffizientesten europäischen Chemieunternehmen müssen daher erhebliche zusätzliche Kosten befürchten. ECOFYS schätzt die Kosten für die gesamte Branche auf etwa 1.900 Milliarden Euro allein im Jahr 2030.
China erwägt dem Beratungsunternehmen zufolge zwar, einen Emissionshandel nach Art des ETS einzuführen. Doch haben chinesische Unternehmen, für die CO2-Verminderungen bis dato das sprichwörtliche „spanische Dorf“ waren, erheblich mehr Möglichkeiten, solche Reduktionen billig darzustellen als ihre europäischen Konkurrenten. Hinzu kommt, dass Chinas „Pflichten“ im Zusammenhang mit dem Pariser Abkommen darauf hinauslaufen, dass das Land seine CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 300 Prozent steigern und im Zieljahr somit etwa 14 Milliarden Tonnen CO2 emittieren darf. Indien ist ein Anstieg um 327 Prozent auf sechs Milliarden Tonnen erlaubt.
Inkrafttreten fraglich
Die EU dagegen muss ihre Emissionen von rund sechs Milliarden Tonnen im Jahr 1990 auf knapp vier Milliarden Tonnen im Jahr 2030 senken. Dem gegenüber nimmt sich die Zusage der USA, ihre Emissionen von sechs auf fünf Milliarden Tonnen zu senken, nicht eben ambitioniert aus. Zu berücksichtigen ist dabei, dass diese Zusage bis dato nicht rechtsverbindlich ist und abzuwarten bleibt, ob die USA das Pariser Abkommen überhaupt ratifizieren. Die Ratifizierungsfrist beginnt am 22. April und dauert ein Jahr. Damit das Abkommen in Kraft tritt, müssen es mindestens 55 der 187 Unterzeichnerstaaten ratifizieren, die insgesamt mindestens 55 Prozent der auf ihrem Gebiet anfallenden CO2-Emissionen repräsentieren.
Laut ECOFYS ist es daher dringend notwendig, die Abwanderung der Chemieindustrie aufgrund der Klimapolitik zu vermeiden (Carbon Leakage). Die EU müsse danach trachten, ihre klimapolitischen Ziele mittels innovativer Technologien zu erreichen, wie sie gerade die Chemiebranche zu bieten habe. Nur so könne die angestrebte „Dekarbonisierung“ der europäischen Wirtschaft funktionieren, betont ECOFYS.
Seiten