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Borealis: Bauernbund Niederösterreich gegen Düngemittelsparten-Verkauf

In einem offenen Brief fordern Obmann Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek ÖBAG-Chefin Edith Hlawati zum Handeln auf. Sie soll nicht zuletzt OMV-Generaldirektor Alfred Stern die Leviten lesen.

 

Der Bauernbund Niederösterreich (BBN) wehrt sich weiter vehement gegen den Verkauf der Düngemittelsparte der OMV-Tochter Borealis. In einem offenen Brief an die Chefin der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), Edith Hlawati, bekräftigen BBN-Obmann sowie Agrarlandesrat Stephan Pernkopf und BBN-Direktor Paul Nemecek ihre Bedenken. Ihnen zufolge legten weder die OMV noch die Borealis die „strategischen Überlegungen“ hinter dem Verkauf offen. „Nachvollziehbare Gründe“ für die Transaktion gibt es aus Sicht der BBN-Chefs nicht. Im Gegenteil seien diese „völlig schleierhaft. Das Unternehmen ist weder in der Krise, noch braucht es frisches Kapital. Ganz im Gegenteil: Binnen eines Jahres konnte der Gewinn deutlich erhöht werden und das Unternehmen und gerade die Düngemittelsparte florieren. Sie sind für den österreichischen Standort sowie für die Versorgung der heimischen Landwirtschaft immanent wichtig“.

 

Zweifel haben Pernkopf und Nemecek auch an der „Seriösität des Prozesses“: Der Verkaufspreis habe sich innerhalb von wenigen Monaten auf über 800 Millionen Euro „sprunghaft verdoppelt“. Dazu komme: Der voraussichtliche Käufer, der tschechische Agrofert-Konzern, habe zwar eine Bestandsgarantie für die Düngemittelproduktion in Österreich abgegeben. Doch deren Wert sei zumindest zweifelhaft. „Vor kurzem erst“ habe die Agrofert die Produktion im deutschen Stickstoffwerk SKW Piesteritz unweit von Wittenberg eingestellt, obwohl sie auch dafür eine Standortgarantie abgegeben habe. An Hlawati müsse daher die Frage gestellt werden: „Wie wollen Sie also sicherstellen, dass nach Piesteritz nicht auch das österreichische Werk in Linz stillgelegt werden wird?“ Die Pikanterie: In Piesteritz ist die Borealis mit einer Melaminproduktion vertreten und arbeitet dabei mit der SKW zusammen.

 

Pernkopf und Nemecek appellieren daher „in höchstem Maße“ an die ÖBAG-Chefin, „Ihrer Verpflichtung gegenüber dem österreichischen Standort, der österreichischen Wirtschaft und letztlich vor allem Ihrer Verpflichtung gegenüber der österreichischen Bevölkerung nachzukommen und in dieser Angelegenheit entsprechend tätig zu werden. Im Besonderen sollte dies gegenüber OMV-CEO und Borealis-Aufsichtsratvorsitzendem Alfred Stern eindringlich und nachhaltig zum Ausdruck gebracht werden“. Stern ist laut Medienberichten ohnehin unter Druck. Seine im März vorgestellte neue OMV-Konzernstrategie werde mittlerweile auch in der ÖBAG in Zweifel gezogen. Der Strategie zufolge soll die OMV von einem Energie- zu einem Chemieunternehmen mit angegliederter Energiesparte werden.

 

Der BBN werde jedenfalls weiter gegen die Transaktion eintreten, betonen Pernkopf und Nemecek: „Der Niederösterreichische Bauernbund wird auch weiterhin alle juristischen Möglichkeiten zum Schutz und Erhalt der Versorgungssicherheit unseres Landes und zum Fortbestand des Unternehmens sowie des Standorts prüfen lassen und vorantreiben. Besonders die Verantwortung der Vertreter der ÖBAG in diesem Unternehmen gilt es zunehmend zu hinterfragen.“

 

Stichwort „juristische Möglichkeiten“: Schon vor Monaten engagierte der BBN in der Causa die auf Wettbewerbsrecht spezialisierte deutsche Anwaltskanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP. Diese übermittelte im Juli der EU-Kommission einen Brief, dem zufolge die Übernahme der Borealis-Düngemittelsparte durch die Agrofert „schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf die Märkte für stickstoffhaltige Düngemittel“ hätte. Sie sei daher „aus rechtlicher, wirtschaftlicher, als auch aus politischer Sicht nicht hinnehmbar“.

 

 

Novartis verkauft Sandoz

Der Schweizer Pharmariese stößt sein Generika- und Biosimilarsgeschäft ab. Laut einer „strategischen Überprüfung“ gibt es nur „begrenzte“ Synergien mit Sandoz.

 

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis verkauft seine Generika- und Biosimilarssparte Sandoz. In einer Aussendung hieß es, die in den vergangenen Monaten durchgeführte „strategische Überprüfung“ habe ergeben, „dass eine Abspaltung von Sandoz durch eine hundertprozentige Ausgliederung im besten Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre ist. Dadurch entsteht das größte europäische Generikaunternehmen und ein weltweit führender Anbieter von Biosimilars sowie eine stärker fokussierte Novartis“.

 

Sandoz könne in den kommenden Jahren insbesondere im Biosimilarsbereich stark wachsen, „mehr als 15 Moleküle“ seien in der Pipeline. Novartis wiederum „will ein auf innovative Arzneimittel fokussiertes Unternehmen mit stärkerem Finanzprofil und verbesserter Kapitalrendite werden“. Laut einer Präsentation anlässlich der Bekanntgabe der Abspaltung sind die Synergien zwischen Novartis und Sandoz „begrenzt“. Die beiden Unternehmen befänden sich „an den einander entgegengesetzten Endpunkten der Pharma-Wertschöpfungskette“. Auch sei die Dynamik ihrer Geschäftsbereiche höchst unterschiedlich.

 

Abgeschlossen werden soll der Verkauf im zweiten Halbjahr 2023. Wie viel Novartis dadurch zu lukrieren gedenkt, gab der Konzern nicht bekannt. Nur so viel: „Sandoz erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Umsatz von 9,6 Milliarden US-Dollar und war in mehr als 100 Märkten weltweit tätig, mit einer starken Präsenz in Europa wie auch in den USA und der restlichen Welt.“ Seinen Hauptsitz werde Sandoz in der Schweiz haben und dort an der Swiss Exchange (SIX) mit Hauptsitz in Zürich kotiert sein. In den USA ist der Handel mit Hinterlegungsscheinen (American Depositary Receipts, ADRs) anstelle von Aktien geplant.

 

Novartis-Chef Vasant Narasimhan sprach von einem „aufregenden Moment“. Sein Unternehmen könne sich künftig auf sein Kerngeschäft konzentrieren: „Darüber hinaus könnten sich beide Unternehmen darauf konzentrieren, die Wertschöpfung für ihre Aktionäre zu maximieren, indem sie die Kapital- und Ressourcenallokation priorisieren, eine eigene Kapitalstrukturpolitik verfolgen und den Fokus des Managements stärker auf ihre jeweiligen geschäftlichen Bedürfnisse richten.“ Näheres werde im Laufe der kommenden Monate bekannt gegeben.

 

 

Deutsche Gasumlage: VCI verlangt Entlastungen

Der Chemieindustrieverband hält die Umlage für grundsätzlich notwendig. Um die Industrie nicht über Gebühr zu belasten, sollte sie allerdings teilweise staatlich finanziert werden.

 

„Zusatzbelastungen von mehr als drei Milliarden Euro“ entstehen der deutschen Chemieindustrie durch die sogenannte „Gasumlage“ von 2,419 Cent pro Kilowattstunde, die ab 1. Oktober von sämtlichen Gaskunden zu bezahlen ist. Wolfgang Große Entrup, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VCI, sprach von einer „extrem bitteren Pille“. Diese müsse dringend versüßt werden, am besten mit staatlichen Zuschüssen. Finanziert werden könnten die Zuschüsse laut Große Entrup „durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer, die aufgrund der hohen Energiepreise entstehen. Außerdem sollte die Umlage über einen möglichst langen Zeitraum gestreckt werden, um eine kurzfristige Überforderung von Industrie und und Verbrauchern zu vermeiden“.

 

Eingeführt wurde die Gasumlage aus folgendem Grund: Wegen des Krieges in der Ukraine kommt es zu Ausfällen von Gaslieferungen aus Russland. Die Gasversorger müssen daher Gas aus anderen Quellen beschaffen und haben somit zusätzliche Kosten. Aufgrund der Bestimmungen in ihren Lieferverträgen können sie diese den Kunden nicht immer und nicht ohne Weiteres weiterverrechnen. Laut dem deutschen Wirtschaftsministerium ist deshalb nicht auszuschließen, dass manche von ihnen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten oder sogar insolvent werden. Das aber wiederum könnte die Gasversorgung insbesondere der Wirtschaft gefährden und so zu letzten Endes unabsehbaren Konsequenzen führen. Damit dies nicht geschieht, werden den Gasversorgern 90 Prozent ihrer Mehrkosten für die Gasbeschaffung aus anderen als russischen Quellen mittels der Umlage abgegolten.

 

VCI-Hauptgeschäftsführer Große Entrup konstatierte, die Umlage sei „notwendig“ und „volkswirtschaftlich das beste“ der Modelle zur Abgeltung der Mehrkosten der Gasversorger. Allerdings dürfe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie nicht gefährdet werden. Darum seien die von ihm vorgeschlagenen Abfederungsmaßnahmen nötig. „Besonders betroffene Betriebe brauchen jetzt eine Entlastung. Dafür setzen wir uns im intensiven Dialog mit der Bundesregierung weiter ein“, resümierte Große Entrup.

 

 

Borealis: Bau in Kallo gestoppt

Nach Vorwürfen schwerer Menschenrechtsverletzungen liegt die Errichtung einer Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Belgien bis auf Weiteres auf Eis. Der Konzern sieht die Verantwortung bei der Baugesellschaft.

 

Der Kunststoff- und Düngerkonzern Borealis hat den Bau der neuen Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Kallo in Belgien bis auf Weiteres gestoppt. Der Grund sind Vorwürfe, dass die mit dem Bau beauftragte IREM-Ponticelli im Zuge der Abwicklung des Projekts Menschenrechtsverletzungen begangen haben soll. Im Raum steht, es seien 174 Arbeiter von den Philippinen und aus Bangladesh unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt und auf der Baustelle illegal beschäftigt worden. Ihre Bezahlung belief sich bei sechs Arbeitstagen pro Woche auf höchstens 650 Euro im Monat. Eine der Unterkünfte soll unbenutzbar gewesen sein. Ferner soll die Borealis bereits im Mai von den Zuständen Kenntnis gehabt haben.

 

In einer Aussendung von 5. August betonte die Borealis, Ende Juni hätten belgische Sozialinspektoren die Baustelle überprüft und dabei „Standardbefragungen zu einer Reihe von Arbeiten“. Von möglichem Sozialbetrug in großem Umfang habe die Borealis „erst nach dem Eingreifen der belgischen Behörden Mitte Juli“ erfahren. Und: „Das Ausmaß des Sozialbetrugs und die Möglichkeit des Menschenhandels war zuvor nicht klar und wurden erst später in besonders alarmierenden Presseberichten Ende Juli deutlich.“ Angesichts der Vorwürfe sei der Vertrag mit IREM-Ponticelli am 27. Juli ausgesetzt worden. Am 1. August habe die Borealis dieses Aussetzen auf unbestimmte Zeit verlängert. „Borealis untersucht diese Angelegenheit mit höchster Priorität und arbeitet eng mit der Sozialinspektion zusammen, um deren Untersuchung voranzutreiben. Gleichzeitig wurde von Borealis eine externe Kanzlei mit der Analyse des Falles beauftragt“, stellte der Konzern fest.

 

Der Bau der neuen PDH begann am 10. September 2019 unter der Ägide des damaligen Borealis-Vorstandschefs Alfred Stern, der heute Generaldirektor der OMV ist. Die Anlage ist auf die Herstellung von 750.000 Tonnen Propylen pro Jahr ausgelegt. Die Kosten für ihre Errichtung beziffert die Borealis mit rund einer Milliarde Euro. Ihr zufolge handelt es sich um ein „Megaprojekt“ und die größte Investition eines Petrochemiekonzerns in Europa seit 20 Jahren.

 

Die Borealis gehört zu 75 Prozent der OMV und zu 25 Prozent der Mubadala, der staatlichen Beteiligungsgesellschaft des Emirats Abu Dhabi. Mit rund 6.900 Beschäftigten erwirtschaftete sie 2021 einen Umsatz von rund 12,44 Milliarden Euro und einen Gewinn von 1,39 Milliarden Euro.

 

 

Vorläufig Stillstand: Das „Megaprojekt“ des Baus einer PDH in Kallo ist bis auf Weiteres gestoppt.

 

Lenzing: Halbjahresbilanz mit „sehr viel Licht, aber auch Schatten“

Steigende Umsatzerlöse wurden durch Einbrüche beim EBITDA und beim EBIT konterkariert. Der Halbjahresgewinn fiel um ein Viertel niedriger aus als 2021. Die Aussichten sind laut dem Management aber durchaus zufriedenstellend.

 

„Sehr viel Licht, aber auch Schatten“ zeigt laut Vorstandschef Stephan Sielaff das Halbjahresergebnis des Faserkonzerns Lenzing. Die Umsatzerlöse erhöhten sich um 25,2 Prozent auf 1,29 Milliarden Euro. Dem gegenüber sank das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) um 13,3 Prozent auf 188,9 Millionen Euro. Das Betriebsergebnis (EBIT) brach um 31,2 Prozent ein und lag bei 95,6 Millionen Euro. Ihren Halbjahresüberschuss beziffert die Lenzing mit 72,3 Millionen Euro, um 24,8 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2021. Sielaff, der den Vorstandsvorsitz im März übernahm, begründete die Entwicklung insbesondere mit den „immens“ gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe sowie für Logistikleistungen. Zu Buche schlug ferner, dass sich die neuen Fabriken in Thailand und Brasilien im Hochfahrbetrieb befinden. „Das heißt, wir haben die vollen Kosten, aber noch keine Erträge“, erläuterte Sielaff. Probleme mit der Sicherheit der Energieversorgung könnte es ihm zufolge ausschließlich in Kontinentaleuropa geben. Gemeint ist damit vor allem die Fabrik in Heiligenkreuz im Südburgenland, die von Erdgas abhängig ist. Für diese werde in Zusammenarbeit mit dem Land Burgenland eine neue Lösung gesucht. Sie soll vor allem auf Photovoltaik, Geothermie und Biomasse beruhen. Von heute auf morgen geht die Umstellung indessen verständlicherweise nicht. Sielaff: „Da sprechen wir von Jahren, nicht von Monaten.“ Bezüglich des immer wieder ventilierten Ausfalls der Gaslieferungen aus Russland zeigte sich Sielaff entspannt: Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausfalls ist ihm zufolge nicht besonders hoch. Außerdem habe die Bundesregierung bekanntermaßen mehrfach auf die mittlerweile vergleichsweise hohen Füllstände der Gasspeicher hingewiesen: „Da sind wir deutlich besser aufgestellt als in Deutschland.“ Freilich: Falle das „Russengas“ tatsächlich aus, müsse die Lenzing die Produktion in Heiligenkreuz drosseln oder vielleicht sogar komplett einstellen. Die Lage werde laufend beobachtet, konstatierte Sielaff. Ob sein Unternehmen selbst Gas einspeichert, wollte der Lenzing-Chef nicht bekannt geben. Er zeigte sich aber „zuversichtlich, weiter produzieren“ zu können. Angedacht wird ihm zufolge auch, erdgasbefeuerte Anlagen auf den Betrieb mit Erdöl umzustellen. Auch das ist freilich nicht im Handumdrehen zu bewerkstelligen.

 

Ein besonderes Anliegen hat Sielaff hinsichtlich der Strompreiskompensation durch die öffentliche Hand. Vorgesehen ist, dass Unternehmen, die Zellstoff erzeugen, gefördert werden. Das Problem ist laut Sielaff: „Wir erzeugen am Standort Lenzing nicht nur Zellstoff, sondern haben dort eine integrierte Produktion.“ Diese sei genau genommen erheblich umweltfreudlicher als ein herkömmliches Zellstoffwerk. Weil sie aber eben „integriert“ sei, falle sie aus der Förderung im Zuge der Strompreiskompensation. „Das kann es nicht sein. Wir sind daher im Gespräch mit der Regierung und hoffen auf offene Ohren“, vermerkte Sielaff. Kritische Rohstoffe lagert die Lenzing ebenfalls ein. Um welche es dabei geht, wollte Sielaff nicht bekanntgeben.

 

Was das voraussichtliche Ergebnis des Gesamtjahres 2022 betrifft, sind Prognosen laut Sielaff schwierig. Allerdings bleibe die Lenzing bei ihrer bisherigen Guidance. Und die laute, dass das EBITDA „deutlich“ über dem des Jahres 2021 liegen werde. Dafür gebe es drei Gründe: Erstens steige der Bedarf an nachhaltig hergestellten Fasern. Zweitens brächten die neuen Fabriken in Thailand und Brasilien im zweiten Halbjahr erste Ergebnisbeiträge. Und drittens setze die Lenzing in bewährter Manier auf „operative Exzellenz“, also nicht zuletzt striktes Kostenmanagement. Dank ihrer starken Marken könne sie für ihre Waren auch „faire Preise“ verlangen. „Wenn auch nur einige der Risiken, die sich am Horizont abzeichnen, sich nicht manifestieren, werden wir ein erfolgreiches Jahr haben“, resümierte Sielaff.

 

 

IV plädiert für „Grund-Zuversicht“

An Herausforderungen für Österreichs Wirtschaft ist kein Mangel, und die Aussichten für die kommenden Monate sind nicht rosig. Für „Weltuntergangsstimmung“ besteht aber kein Anlass, betonen IV-Generalsekretär Christoph Neumayer und Chefökonom Christian Helmenstein.

 

„Wir haben eine starke Volkswirtschaft und können die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen. Eine gewisse Grund-Zuversicht ist durchaus ratsam.“ So kommentiert der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, die aktuelle Konjunkturprognose seines Hauses. Ihm zufolge stellt sich die Lage „janusköpfig“ dar: Einerseits ist die Geschäftslage zufriedenstellend, die Auftragsbestände sind außerordentlich hoch. Andererseits sind die Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich ihrer künftigen Geschäftsentwicklung negativ. Laut der Konjunkturumfrage erwartet nur jeder zehnte Industriebetrieb für das kommende Halbjahr „einen günstigen Geschäftsverlauf, jeder dritte dagegen eine zum Teil erhebliche Verschlechterung“. Der Grund ist das Zusammentreffen mehrerer Krisen, darunter der nach wie vor virulenten COVID-19-Pandemie, des Kriegs in der Ukraine, der Klimakrise sowie der Inflation. Dies wird laut Neumayer „die österreichische Wirtschaft treffen, aufgrund ihrer internationalen Exponierung besonders die österreichische Industrie.“

Wirtschaftspolitisch stehen angesichts dessen vor allem drei Themen auf der Tagesordnung, erläuterte Neumayer. Erstens geht es um die Sicherstellung der Energieversorgung: „Jeder Tag, an dem die Gasspeicher weiter befüllt werden, ist ein guter Tag.“ Notwendig ist aus Sicht der IV eine „Übergangsstrategie, die transparent vermittelt, wie wir in den kommenden Jahren unabhängig von Gasimporten aus Russland werden“. Dies bedeutet, alternative Gasquellen zu erschließen. Ausdrücklich bejahte Neumayer die Frage des Chemiereports, ob damit auch die Schiefergasvorkommen im Weinviertel angesprochen sind: „Das ist politisch sensibel, aber es muss ernsthaft geprüft werden.“ Nötig sei eine Machbarkeitsstudie, um den Umfang der Vorkommen abschätzen zu können. In der Folge müsse geklärt werden, wie lange es voraussichtlich dauert, die Reserven zu erschließen. Dringend adaptiert werden muss laut Neumayer die Infrastruktur für die Gasimporte: „Wir werden Gas über die italienischen und die kroatischen Häfen einführen müssen.“ Deshalb seien entsprechende Ertüchtigungen der Pipelines nötig.

 

Als zweites Thema nannte Neumayer den Fachkräftemangel: „Das ist gewiss komplex. Umso mehr brauchen wir eine diesbezügliche Strategie.“ Drittens schließlich geht es um den Umgang mit der Inflation. Die Bundesregierung habe dazu bereits drei Maßnahmenpakete vorgelegt, die die Teuerungen weitgehend ausgleichen dürften. Weitere Hilfen biete die Abschaffung der kalten Progression: „Wir verstehen nicht ganz, warum es der Regierung nicht gelingt, das zu kommunizieren.“ Gezielte Maßnahmen müssten weiterhin gesetzt werden, insbesondere in Bezug auf die Energiepreise. Manche Bundesländer wie Niederösterreich gingen hier mit gutem Beispiel voran.

 

IV-Chefökonom Christian Helmenstein ergänzte, die Wirtschaft stehe „fürwahr“ vor einer großen Zahl von Herausforderungen: „Aber für Weltuntergangsstimmung besteht keinerlei Anlass.“ Eine Überlagerung von Krisen sei zwar ungewohnt, aber „historisch betrachtet normal“. Es gehe schlicht und einfach um den Umgang mit Knappheiten: „Und das ist ohnehin das ureigenste Gebiet der Volkswirtschaft.“ Österreichs quasi „natürliche“ Rate des Wirtschaftswachstums liege bei etwa 1,3 bis 1,5 Prozent. Für 2023 erwarte die IV einen „Einser“ vor dem Komma. Wie es hinter dem Komma aussehen wird, hängt von der Inflation ab. Für die Industrie sei heuer noch mit einem Wachstum von zwei bis drei Prozent zu rechnen: „Aber die Zeiten werden härter. Die Ertragslage ist unzureichend, und nun steigen auch die Finanzierungskosten.“

 

Was die Energieversorgung betrifft, ist laut Helmenstein längerfristig nicht zuletzt auf das Thema Wasserstoff zu achten. Für Importe hätte ihm zufolge die Pipeline Nord Stream 2 dienen können, die als erste Erdgaspipeline Europas „wasserstofffähig“ ist. 

 

 

 

Gasversorgung: FCIO fordert Gesamtkonzept

Der Chemieindustrieverband hält die geplante Verordnung zur Vorbereitung des Einsatzes anderer Brennstoffe als Erdgas in Fabriken, Kraft- und Heizwerken für sinnvoll, aber nicht ausreichend.

 

Als „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) die geplante Verordnung zur Umstellung von Fabriken sowie Kraft- und Heizwerken vom Betrieb mit Erdgas auf jenen mit anderen Brennstoffen, insbesondere Erdöl. FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger begrüßte insbesondere die Übernahme der damit verbundenen Kosten durch die öffentliche Hand. Noch geklärt werden müsse indessen die Frage des Umgangs mit allfälligen zusätzlichen Treibhausgas-Emissionen infolge der Umstellung. Hofinger forderte daher ein energiepolitisches „Gesamtkonzept“ und einen „umfassenden Plan für mehr Versorgungssicherheit“. Das „Gesamtkonzept“ müsse Möglichkeiten des Einsparens und der Substitution von Erdgas umfassen, insbesondere aber den „von der Industrie seit Monaten geforderten verstärkten Bezug von Erdgas aus alternativen Lieferquellen“, konstatierte Hofinger.

 

Ausdrücklich begrüßte die FCIO-Geschäftsführerin die Ankündigung der Bundesregierung, hinsichtlich der Gasversorgung transparenter zu kommunizieren: „Eine offene und transparente Kommunikation und eine stärkere Zusammenarbeit aller Akteure hilft, die Belastungen, die auf uns zukommen, zu verringern. Und sie schafft Vertrauen sowie mehr Akzeptanz für notwendige Maßnahmen. Denn klar ist, dass besser früher als später sämtliche Einsparpotentiale gehoben werden müssen – sowohl in der Wirtschaft als auch bei privaten Haushalten.“

 

Die derzeitige Krise stelle Österreich vor Herausforderungen, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten seien. „Jeder wird einen Beitrag leisten müssen, damit wir gemeinsam durch den nächsten Winter kommen“, resümierte Hofinger.

 

 

Medikamente: Österreicher setzen auf heimische Produktion

Rund 65 Prozent der Bevölkerung haben mehr Vertrauen in Produkte aus dem Inland als auf Importwaren, zeigt eine IFES-Umfrage im Auftrag von Sandoz Austria. Die Pharmabranche plädiert daher einmal mehr für bessere Konditionen bei den Arzneimittelpreisen.

 

Rund 65 Prozent der Österreicher vertrauen auf hierzulande hergestellte Arzneimittel mehr als auf ausländische Präparate. Das zeigt der Austrian Health Report 2022, eine Studie des IFES im Auftrag des Pharmakonzerns Sandoz. Vorgestellt wurde diese am 5. Juli von Wolfgang Andiel, „Head External Affairs und Market Access“ bei Sandoz Austria, der Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), der Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker und IFES-Geschäftsführer Reinhard Raml. Befragt wurden im Zeitraum Mitte Mai bis Mitte Juli 2022 insgesamt 1.005 Personen. Laut Raml halten rund 61Prozent davon die „stärkere Unabhängigkeit Österreichs in der Medikamentenproduktion“ für „sehr wichtig“, weitere 25 Prozent erachten diese als „wichtig“. Als „wichtig“ bzw. „sehr wichtig“ bezeichnen rund 83 Prozent der Befragten ferner die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei der Arzneimittelerzeugung sowie die Produktion von Generika in Österreich. Für die „klimaneutrale Herstellung von Medikamenten“ können sich 73 Prozent der Bevölkerung erwärmen.

 

Andiel erläuterte, Sandoz sei mit rund 5.000 Beschäftigten eines der größten Pharmaunternehmen in Österreich: „Daher haben wir die Pflicht, zu einer sicheren Versorgung mit Arzneimitteln beizutragen.“ Der Austrian Health Report soll künftig jährlich erscheinen und nicht zuletzt zu einer „faktenorientierten“ Gesundheitspolitik beitragen. Eines der wichtigsten diesbezüglichen Themen für die Pharmaindustrie sind bekanntlich die Arzneimittelkosten. Laut Andiel bestehen in Österreich umfangreiche diesbezügliche Regulierungen. Notwendig seien indessen „strukturelle Maßnahmen“, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Etwa zwei Drittel der Wirkstoffe für Medikamente würden nicht mehr in der EU erzeugt. Es sei dringend erforderlich, die heimische Produktion „preisseitig zu unterstützen“. Bei patentfreien Präparaten seien Preissteigerungen nicht möglich, wobei etliche Waren zu Preisen unterhalb der Rezeptgebühren abgegeben würden. Andiel forderte daher eine Anpassung der Preise an den Verbraucherpreisindex (VPI): „Wenn eine Monatstherapie gegen Diabetes weniger als zwei Euro Gewinn bringt, geht sich das wirtschaftlich einfach nicht aus.“ Bei der Anpassung an den VPI handle es sich „nicht um signifikante Beträge“. Dennoch seien diese zur Absicherung der Produktion hilfreich.

Zu den Diskussionen über die Zukunft des Standorts Kundl seines Unternehmens berichtete Andiel dem Chemiereport, dieser sei für die nächsten zehn Jahre jedenfalls abgesichert. Dazu habe sich die Sandoz bzw. deren Konzernmutter, der Schweizer Pharmakonzern Novartis, verpflichtet. Organisatorisch gebe es unterschiedliche Möglichkeiten, diese Verpflichtung zu erfüllen. Möglich sei unter anderem, die in Kundl erzeugten Waren zehn Jahre lang aufzukaufen.

 

FCIO-Geschäftsführerin Hofinger verwies auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Pharmaindustrie. Diese beschäftige etwa 18.000 Personen und repräsentiere rund 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und gerade im Zuge der COVID-19-Pandemie habe sich einmal mehr die Bedeutung der Branche gezeigt. Gerade in dieser Zeit offenbarten sich indessen auch manche organisatorischen Schwächen der Gesundheitspolitik der EU, ergänzte Hofinger: „Die EU-Kommission wollte vor zwei Jahren eine Liste der wichtigsten Wirkstoffe für Arzneimittel erstellen. Bis heute gibt es diese Liste nicht. Die USA hatten ihre Liste im August 2020 beisammen.“ Dringend erforderlich sei, den heimischen Pharmastandort zu stärken und abzusichern, etwa durch Maßnahmen im Steuersystem und durch Investitionsanreize. Die Erstattung der Arzneimittelkosten in ihrer derzeitigen Form dagegen bringe eine „Preisspirale nach unten“ mit sich, warnte Hofinger: „Die Unternehmen können kaum noch wettbewerbsfähig produzieren.“ Es habe wenig Sinn, Wirtschaftsförderungen zu vergeben und gleichzeitig die Arzneimittelpreise immer weiter zu verringern: „Hier müssten sich die Wirtschafts- und die Gesundheitspolitik besser abstimmen.“ Als weiteres großes Problem nannte Hofinger den bekannten Fachkräftemangel. Dieser hänge möglicherweise auch mit der in Österreich weit verbreiteten „Technikfeindlichkeit“ zusammen. Ihr gelte es „bereits im Kindergarten“ entgegenzuwirken.

 

Hofmarcher-Holzhacker plädierte für die Schaffung einer angemessenen „Dateninfrastruktur“ im Gesundheitswesen. In vielen Bereichen des E-Governments sei Österreich international beispielgebend. Im Gesundheitsbereich etwa gelte dies nicht zuletzt für die ELGA. Dennoch müsse die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden, insbesondere auch in den Arztpraxen. Eine verpflichtende Teilnahme an der ELGA sei indessen nicht anzustreben, konstatierte Hofmarcher-Holzhacker auf Anfrage des Chemiereports.

 

 

Wittgensteinpreis für Christa Schleper

Die Wiener Mikrobiologin und Archaeen-Spezialistin erhielt den mit 1,5 Millionen Euro höchstdotierten österreichischen Wissenschaftspreis. Ferner vergab der FWF sechs START-Preise über je 1,2 Millionen Euro.

 

Die Wiener Mikrobiologin Christa Schleper ist Trägerin des Wittgenstein-Preises 2022, meldete der Wissenschaftsfonds FWF. Mit 1,5 Millionen Euro ist dieser der höchstdotierte österreichische Wissenschaftspreis. Schleper leitet an der Universität Wien das Institut für funktionelle und evolutionäre Biologie. Sie ist Spezialistin für Archaeen, die gemeinsam mit den Bakterien zu den ältesten Lebensformen auf der Erde gehören. Weiters befasst sie sich laut dem FWF mit Virus-Wirt-Interaktionen und der „Erforschung nicht kultivierbarer Mikroorganismen mithilfe der Metagenomik“. Mit den Mitteln des Wittgensteinpreises möchte Schleper außer der evolutionären Bedeutung der Archaeen nach Angaben des FWF „auch deren Rolle im Ökosystem untersuchen. Ihre Erkenntnisse helfen, die Rolle der Mikroorganismen im Boden besser verstehen und künftig beispielsweise für eine nachhaltigere Landwirtschaft nutzen zu können“. Schleper studierte Biologie an den Universitäten Aachen und Konstanz Biologie. Sie promovierte am Max-Planck-Institut in München in Biochemie und war in Deutschland, Norwegen sowie den USA wissenschaftlich tätig. Der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gehört sie ebenso an wie der Amerikanischen Akademie für Mikrobiologie.

 

Schleper konstatierte, sie freue sich „riesig über die Auszeichnung durch die internationale Jury des Wissenschaftsfonds FWF. Der Wittgenstein-Preis gibt mir und meinem ganzen Team viel Freiraum, uns noch an einige der unbeantworteten Fragen der Biologie zu wagen“. Ein Anliegen sei ihr, sich „nicht nur an die Fersen der Evolution zu heften, sondern auch einen Beitrag für die Biodiversität und den Klimaschutz von morgen zu leisten“.

 

FWF-Präsident Christof Gattringer zufolge handelt es sich bei der Preiverleihung an Schleper um „die Bestätigung eines herausragenden wissenschaftlichen Lebenswerks, das im Falle von Christa Schleper noch viele weitere Entdeckungen in ihrem Forschungsfeld erwarten lässt. Christa Schleper arbeitet daran, bisher unerforschten Bereichen in der Biologie auf den Grund zu gehen. Ihre Erkenntnisse helfen, die Rolle der Mikroorganismen im Boden und ihren Einfluss auf das Klima besser zu verstehen“.
 

Sechs mal START

 

Ferner vergab der FWF sechs START-Exzellenzförderungen von jeweils Je 1,2 Millionen Euro „für aufstrebende Spitzenforscher“. Sie gingen an Elfriede Dall vom Fachbereich für Biowissenschaften und Medizinische Biologie der Universität Salzburg, Sandra Müller vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der Technischen Universität (TU) Wien, Petra Sumasgutner von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle der Universität Wien, William Barton vom Institut für Neulateinische Studien der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft Innsbruck, Marcus Ossiander vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz sowie Stefan Pflügl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien.

 

 

Lackindustrie: „Realistischer Optimismus“ angesagt

Im „Rekordjahr“ 2021 war die Branche mit etlichen Herausforderungen konfrontiert, wie steigenden Rohstoffpreisen und Lieferkettenproblemen. Für heuer sind die Aussichten aber nicht dramatisch, hieß es bei der Jahrespressekonferenz.

 

 

Glänzend sind die wirtschaftlichen Aussichten der österreichischen Lack- und Anstrichmittelindustrie für die nächste Zeit nicht, aber für Panik besteht ebenfalls kein Grund. Das betonten Branchenobmann Hubert Culik und der Geschäftsführer der Fachgruppe Lackindustrie im Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Klaus Schaubmayr, bei ihrer Jahrespressekonferenz. Culik zufolge war 2021 zwar ein „Rekordjahr“ mit einem um 16,3 Prozent auf rund 551 Millionen Euro gewachsenen Produktionswert und gegenüber 2020 um 7,4 Prozent gestiegenen Exporten. Zu schaffen machten den Unternehmen indessen die deutlich erhöhten Preise für ihre Rohstoffe sowie deren teils eingeschränkte Verfügbarkeit. Für zusätzliche Probleme sorgten die höheren Kosten für Stahl und Kunststoffe, die den Aufwand der Branche für Verpackungen in die Höhe trieben. Eine schon „traditionelle“ Herausforderung ist der Fachkräftemangel, mit dem laut Culik etwa 88 Prozent der Unternehmen konfrontiert sind.

 

Und Culik fügte hinzu: Noch sei der Auftragsstand zufriedenstellend, die Kunden der Lackindustrie investierten weiterhin. Auch der Preisanstieg bei den Rohstoffen habe sich abgeflacht, wenngleich keine Rückgänge in Sicht seien. Aber nach dem Sommer müsse mit einem „Knick“ bei den Aufträgen gerechnet werden, nicht zuletzt wegen des Kriegs in der Ukraine, der sich in den Lieferketten bemerkbar mache. Dort seien seit der russischen Invasion vom 24. Feber „Zulieferer ausgefallen oder nur beschränkt lieferfähig.“ Auch ein Lockdown in Shanghai infolge der COVID-19-Pandemie verschärfe die Problematik. Hinzu kämen monatelange pandemiebedingte Produktionsausfälle in China. Ferner könne niemand sagen, wie sich die Lage in der Ukraine entwickeln wird. Nicht zuletzt deshalb seien Prognosen hinsichtlích des Produktionswerts im heurigen Jahr schwierig.

 

Auf Anfrage des Chemiereports erläuterte Culik, er glaube nicht, „dass der derzeitige gute Wind in den Segeln anhält“. Angesagt ist ihm zufolge deshalb ein „realistischer Optimismus“. Den Produktionswert von 2021 zu erreichen, liege durchaus im Bereich des Möglichen.

 

Längerfristige Herausforderungen

 

Als längerfristige Herausforderung erachtet die Lackindustrie den „Green Deal“ der EU-Kommission, ergänzte Schaubmayr: „Jetzt zeigt sich, was das wirklich heißt.“ Mit den Zielen könne sich die Branche durchaus identifizieren. Und der Deal biete auch große Chancen, „denn ohne uns gibt es keinen Klimaschutz“. Dem steht laut Schaubmayr indessen ein „großes Aber“ gegenüber. Insbesondere die neue Chemikalienstrategie bringe die Lackindustrie kräftig unter Druck. Der Grund: Die EU-Kommission richte das Chemikalienrecht auf die prinzipielle Gefährlichkeit von Stoffen aus, nicht jedoch auf das tatsächliche Risiko bei deren Anwendung. Das aber führe zu erheblichen Kosten für die Unternehmen, weil viele Substanzen möglicherweise strenger eingestuft würden als bisher: „Etwa 15 Prozent der Chemikalien, die wir derzeit verwenden, könnten künftig unzulässig sein.“ Culik zufolge besteht das Problem weniger in den Vorgaben als solchen als in der mangelnden Planungssicherheit. Es habe keinen Sinn, wenn die Branche ein Lösungsmittel austausche und der Ersatzstoff nach wenigen Jahren neuerlich verboten werde: „Das ist nicht mehr beherrschbar.“ Dies gelte insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen.

 

Ein weiteres Thema ist laut Schaubmayr das geplante EU-Lieferkettengesetz. Selbstverständlich bekenne sich die Lackindustrie zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards: „Aber was die EU-Kommission vorschlägt, ist wirklichkeitsfremd und nicht umsetzbar.“ Die Problematik bestehe vor allem in der Verwendung unklarer Begriffe sowie in seitenlangen Hinweisen auf internationale Abkommen bei gleichzeitigem Mangel an der Festschreibung konkreter Pflichten für die Unternehmen. Überdies werde einzelnen Betroffenen sowie NGOs die Möglichkeit eingeräumt, behauptete Verstöße gegen Vorgaben zivilrechtlich zu bekämpfen. „Das heißt, irgendjemand könnte ein österreichisches KMU klagen, das den angeblichen Missstand gar nicht beeinflussen kann. Da droht eine Klagslawine“, warnte Schaubmayr.

 

 

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