Archive - Aug 10, 2015

„Paris ist nicht das Ende“

Urlaub ist für die Klimapolitiker und -diplomaten in aller Welt in den kommenden Wochen wohl eher nicht angesagt: Vom 31. August bis 4. September findet in Bonn der zehnte Teil der zweiten Sitzung der Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (ADP) statt. Hinter diesem Titel verbirgt sich die vorletzte offizielle Vorbereitungskonferenz für den Weltklimpagipfel in Paris vom 30. November bis 11. Dezember. Dort soll ein völkerrechtlich bindendes Nachfolgeabkommen zum bekannten Kyotoprotokoll beschlossen werden.

 

Seit Ende Juli liegt ein 83-seitiger Entwurf vor, den die „co-chairs“ (Vizevorsitzenden) der ADP ausarbeiteten. Obwohl das Papier vor alternativen Formulierungsvorschlägen und einander in etlichen Punkten widersprechenden Begehrlichkeiten nur so strotzt, gilt es als maßgeblicher Fortschritt. Der Ausgangspunkt für seine Erstellung war der sogenannte „Geneva Text“, der bei der Genfer Klimawandelkonferenz Anfang Februar erarbeitet worden war. Allerdings handelte es sich dabei lediglich um eine so gut wie unlesbare 90-seitige Kompilierung der Vorschläge und Wünsche der 196 an den Verhandlungen beteiligten Unterzeichnerstaaten der Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Bei der Klimawandelkonferenz in Bonn im Juni gelang es gerade einmal, den Text auf 85 Seiten zu kürzen, im Wesentlichen, indem Doubletten entfernt wurden.

 

Die nunmehrige Version, verfügbar unter http://unfccc.int/2860.php, gliedert sich in drei Teile. Der erste davon, das „Draft Agreement“, enthält auf 19 Seiten Standardbestimmungen, von denen viele zum Teil aus formalrechtlichen Gründen schwerlich verzichtbar sind. Dabei geht es unter anderem um die Begriffsdefinitionen sowie einmal mehr um das grundsätzliche Bekenntnis zur Umsetzung der Klima-Rahmenkonvention. Nicht fehlen darf eine Klausel, die jeden beteiligten Staat zum „Austritt“ aus dem Abkommen berechtigt. Der zweite Teil, betitelt „Draft Decision“, beinhaltet auf weiteren 19 Seiten die Vorschläge der „Co-Chairs“ für die Kernbestimmungen eines allfälligen Abkommens, also im Wesentlichen, welche Pflichten die beteiligten Staaten prinzipiell haben und wie diese erfüllt werden könnten. Wie schon im ersten Teil werden allerdings auch hier bei fast jedem Punkt mehrere Alternativen vorgeschlagen. Allein hinsichtlich des Zeitplans für die Umsetzung finden sich nicht weniger als fünf Optionen. Im dritten Teil schließlich ist alles zusammengefasst, was noch weiterer Klärung durch die Verhandler bedarf.


 

Nicht ausreichend

Allerdings halten die Co-Chairs einleitend ausdrücklich fest, dass auch der nun auf dem Tisch liegende Text weder inhaltlich noch formal etwas vorweg nimmt, was Teil eines Pariser Abkommens sein könnte. Und die bisher bekannten unverbindlichen Vorschläge der UNFCCC-Staaten hinsichtlich ihrer allfälligen CO2-Reduktionsziele (Intended Nationally Determined Contributions, INDCs) lösen unter Klimawissenschaftlern nur mäßige Begeisterung aus. Ende Juni lagen gerade einmal 20 Vorschläge auf dem Tisch. Das „Climate Action Tracker“-Konsortium (CAT-Konsortium), bestehend aus den Forschungseinrichtungen ECOFYS, NewClimate Institute und PIK Potsdam, untersuchte bisher zwölf davon. Nur zwei wurden als ausreichender Beitrag angesehen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf 1,5 bis zwei Grad Celsius zu begrenzen. Und die stammten von Äthiopien und Marokko, nicht eben den größten CO2-Emittenten der Welt.

 

Kühler Kopf

Und so ist der Optimismus hinsichtlich der Substanz eines allfälligen Pariser Klimaabkommens eher verhalten. Sylvie Lemmet, im französischen Umweltministerium für die Vorbereitung des Gipfels im Dezember zuständig, betonte indessen beim Vienna Energy Forum: „Paris ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Es muss ein Meilenstein auf dem Weg zu einer weitgehend CO2-neutralen Weltwirtschaft werden, von dem aus es keine Umkehr mehr gibt.“ Lemmet zufolge will die französische Regierung auf alle Fälle ein völkerrechtlich bindendes Abkommen zustande bringen, das mehr als ein bloßes Alibi-Papier ist. Notwendig sei vor allem ein Aktionsplan, der zeige, wie es nach dem Dezember-Gipfel weitergeht. Ähnlich argumentierte der Klimabevollmächtigte der polnischen Regierung, Marcin Korolec. Auch wenn bei manchen offiziellen Verhandlungen wenig weitergehe, laufe doch inoffiziell sehr viel: „Wir müssen einfach einen kühlen Kopf bewahren.“

 

 

Die vollständige Fassung dieses Beitrages erscheint in der Ausgabe 5/2015 des Chemiereport.

 

 

 

Auf dem Weg zum „Game-Changer“

Neue Krebsimmuntherapien zu entwickeln, die auf niedermolekularen Substanzen beruhen, ist das Ziel einer Kooperation zwischen dem Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron Biologics, der Hamburger Evotec AG und dem Pharmakonzern Sanofi, teilten Vertreter von Apeiron und Evotec heute in Wien mit. Für die kommenden zwei Jahre übernimmt Sanofi die Forschungskosten der beiden Unternehmen in diesem Bereich. Zusätzlich zu den mit dem Projekt befassten Experten der beiden Unternehmen stellt Sanofi etwa 25 Forscher dafür ab, berichtete Evotec-Vorstand Werner Lanthaler bei einer Pressekonferenz. Vereinbart wurden Meilensteinzahlungen von mehr als 200 Millionen Euro, wenn vorab definierte Erfolge erzielt werden. Sollte es gelingen, eine Therapie zu entwickeln, erhalten Apeiron und Evotec überdies einen Anteil an den jährlichen Umsatzerlösen. Wie Lanthaler dem Chemiereport mitteilte, liegt dieser zwischen drei und zehn Prozent, der genaue Wert ist vertraulich. Lanthaler zufolge ist die Umsatzbeteiligung „der große kommerzielle Erfolg“. Bei derartigen Projekten liege der Umsatz im Milliardenbereich. Ein Anteil von wenigen Prozenten mache da erhebliche Summen aus.

 

Apeiron-Gründer Josef Penninger erläuterte, es gehe darum, dem Immunsystem zu ermöglichen, Tumorzellen zu erkennen und damit bekämpfen zu können. Das erfolgt mittels der „Checkpoint-Blockade“. Als „Checkpoints“ werden Mechanismen bezeichnet, die das Immunsystem daran hindern, körpereigene Zellen anzugreifen. Bei Krebsimmuntherapien werden die „Checkpoints“ zeitweilig deaktiviert, damit das Immunsystem die – ja körpereigenen – Tumorzellen ausschalten kann. Penniger zufolge ist dieser Ansatz „ein völliger Game-Changer“ in der Krebsbehandlung. Alle großen Pharmaunternehmen befassen sich derzeit mit solchen Technologien. Wie Penniger auf Frage des Chemiereport erläuterte, soll im Rahmen der Kooperation mit Sanofi innerhalb der kommenden zwei Jahre erforscht werden, welches Molekül sich für welche Therapie grundsätzlich am besten eignen würde: „Wenn es optimal läuft, finden wir vielleicht ein Molekül, das sich für klinische Tests eignet“. Dabei spielt nicht zuletzt auch das Erforschen der Nebenwirkungen eine wichtige Rolle, fügte Penninger hinzu. Bei Krebsimmuntherapien würden, grob gesprochen, die „Bremsen“ des Immunsystems zeitweilig deaktiviert. Dabei könnten unerwünschte Effekte nicht ausgeschlossen werden.

 

Basis APN411

Die Basis für die nun erfolgenden Forschungen legte Apeiron mit dem Programm APN411, an dem seit drei Jahren auch die Evotec beteiligt war. Laut Apeiron-Vorstandschef Hans Loibner wurden dabei rund 100.000 Substanzen auf ihre mögliche Wirksamkeit überprüft. Nun gehe es darum, die Wirkmechanismen im Detail zu untersuchen. Nach zwei Jahren werde Sanofi entscheiden, „ob ausgehend von den dann vorliegenden Ergebnissen, die Entwicklung von Therapien weiterverfolgt wird oder nicht.“ Schlage das Vorhaben fehl, sei dies zwar unerfreulich, aber keineswegs existenzgefährdend, teilte Loibner dem Chemiereport mit: „Wir haben dann viel gelernt und können mit anderen Projekten weitermachen“. Er plant, in den kommenden zwei Jahren etwa fünf bis sechs Personen für die Kooperation mit Evotech und Sanofi einzustellen.

 

Laut Lanthaler waren bei Apeiron und Evotec bisher insgesamt etwa 20 Personen mit dem Programm APN411 beschäftigt. Die jährlichen Kosten pro Mitarbeiter lagen ihm zufolge bei etwa 100.000 bis 250.000 Euro. Somit investierten die beiden Unternehmen insgesamt zwischen sieben und 17,5 Millionen Euro. Den genauen Wert wollte Lanthaler auf Anfrage des Chemiereport nicht nennen.