„Paris ist nicht das Ende“
Urlaub ist für die Klimapolitiker und -diplomaten in aller Welt in den kommenden Wochen wohl eher nicht angesagt: Vom 31. August bis 4. September findet in Bonn der zehnte Teil der zweiten Sitzung der Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (ADP) statt. Hinter diesem Titel verbirgt sich die vorletzte offizielle Vorbereitungskonferenz für den Weltklimpagipfel in Paris vom 30. November bis 11. Dezember. Dort soll ein völkerrechtlich bindendes Nachfolgeabkommen zum bekannten Kyotoprotokoll beschlossen werden.
Seit Ende Juli liegt ein 83-seitiger Entwurf vor, den die „co-chairs“ (Vizevorsitzenden) der ADP ausarbeiteten. Obwohl das Papier vor alternativen Formulierungsvorschlägen und einander in etlichen Punkten widersprechenden Begehrlichkeiten nur so strotzt, gilt es als maßgeblicher Fortschritt. Der Ausgangspunkt für seine Erstellung war der sogenannte „Geneva Text“, der bei der Genfer Klimawandelkonferenz Anfang Februar erarbeitet worden war. Allerdings handelte es sich dabei lediglich um eine so gut wie unlesbare 90-seitige Kompilierung der Vorschläge und Wünsche der 196 an den Verhandlungen beteiligten Unterzeichnerstaaten der Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Bei der Klimawandelkonferenz in Bonn im Juni gelang es gerade einmal, den Text auf 85 Seiten zu kürzen, im Wesentlichen, indem Doubletten entfernt wurden.
Die nunmehrige Version, verfügbar unter http://unfccc.int/2860.php, gliedert sich in drei Teile. Der erste davon, das „Draft Agreement“, enthält auf 19 Seiten Standardbestimmungen, von denen viele zum Teil aus formalrechtlichen Gründen schwerlich verzichtbar sind. Dabei geht es unter anderem um die Begriffsdefinitionen sowie einmal mehr um das grundsätzliche Bekenntnis zur Umsetzung der Klima-Rahmenkonvention. Nicht fehlen darf eine Klausel, die jeden beteiligten Staat zum „Austritt“ aus dem Abkommen berechtigt. Der zweite Teil, betitelt „Draft Decision“, beinhaltet auf weiteren 19 Seiten die Vorschläge der „Co-Chairs“ für die Kernbestimmungen eines allfälligen Abkommens, also im Wesentlichen, welche Pflichten die beteiligten Staaten prinzipiell haben und wie diese erfüllt werden könnten. Wie schon im ersten Teil werden allerdings auch hier bei fast jedem Punkt mehrere Alternativen vorgeschlagen. Allein hinsichtlich des Zeitplans für die Umsetzung finden sich nicht weniger als fünf Optionen. Im dritten Teil schließlich ist alles zusammengefasst, was noch weiterer Klärung durch die Verhandler bedarf.
Nicht ausreichend
Allerdings halten die Co-Chairs einleitend ausdrücklich fest, dass auch der nun auf dem Tisch liegende Text weder inhaltlich noch formal etwas vorweg nimmt, was Teil eines Pariser Abkommens sein könnte. Und die bisher bekannten unverbindlichen Vorschläge der UNFCCC-Staaten hinsichtlich ihrer allfälligen CO2-Reduktionsziele (Intended Nationally Determined Contributions, INDCs) lösen unter Klimawissenschaftlern nur mäßige Begeisterung aus. Ende Juni lagen gerade einmal 20 Vorschläge auf dem Tisch. Das „Climate Action Tracker“-Konsortium (CAT-Konsortium), bestehend aus den Forschungseinrichtungen ECOFYS, NewClimate Institute und PIK Potsdam, untersuchte bisher zwölf davon. Nur zwei wurden als ausreichender Beitrag angesehen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf 1,5 bis zwei Grad Celsius zu begrenzen. Und die stammten von Äthiopien und Marokko, nicht eben den größten CO2-Emittenten der Welt.
Kühler Kopf
Und so ist der Optimismus hinsichtlich der Substanz eines allfälligen Pariser Klimaabkommens eher verhalten. Sylvie Lemmet, im französischen Umweltministerium für die Vorbereitung des Gipfels im Dezember zuständig, betonte indessen beim Vienna Energy Forum: „Paris ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Es muss ein Meilenstein auf dem Weg zu einer weitgehend CO2-neutralen Weltwirtschaft werden, von dem aus es keine Umkehr mehr gibt.“ Lemmet zufolge will die französische Regierung auf alle Fälle ein völkerrechtlich bindendes Abkommen zustande bringen, das mehr als ein bloßes Alibi-Papier ist. Notwendig sei vor allem ein Aktionsplan, der zeige, wie es nach dem Dezember-Gipfel weitergeht. Ähnlich argumentierte der Klimabevollmächtigte der polnischen Regierung, Marcin Korolec. Auch wenn bei manchen offiziellen Verhandlungen wenig weitergehe, laufe doch inoffiziell sehr viel: „Wir müssen einfach einen kühlen Kopf bewahren.“
Die vollständige Fassung dieses Beitrages erscheint in der Ausgabe 5/2015 des Chemiereport.