Archive - Aug 20, 2015

„Komplexität muss gemanagt werden“

Zum 150-Jahr-Jubiläum von BASF sprachen wir mit Zentraleuropa-Chef Joachim Meyer über die Herausforderungen an das Management eines Chemieriesen, die Struktur des Unternehmens in Österreich und die Zukunft Europas in einer globalisierten Welt.

 

BASF ist einer der wenigen Chemie-Riesen, die noch existieren. Was bedeutet es, einen Konzern mit einem so großen Portfolio zu führen?

Eine wesentliche Herausforderung einer solchen Größe ist die mit ihr verbundene Komplexität – nach innen und nach außen: Nach außen gibt es eine große Zahl an Themen, bei denen Sie mitreden müssen. Nach innen müssen Sie mehr als 10.000 Produkte in rund 60.000 Anwendungen managen können. Das gelingt nur mit einem strengen Portfoliomanagement, das auch beinhaltet, sich von Produkten zu trennen, wenn diese nicht mehr in das Portfolio passen. Ein historisches Beispiel dafür ist das Tonband, das von BASF in den 40er-Jahren entwickelt wurde und in das man Herzblut hineingesteckt, Produktionsstätten aufgebaut, ein Trademark geschaffen hat. Dennoch war es irgendwann wegen der anstehenden Veränderung der Tonträger-Technologie wichtig, sich von diesem Bereich zu trennen. Ähnlich verhielt es sich mit Düngemitteln oder Polyolefinen, die zu bestimmten Zeiten einen wichtigen Markt für BASF darstellten, heute aber nicht mehr im Portfolio sind. Es ist für die Öffentlichkeit nicht immer leicht nachvollziehbar, wenn ein Konzernbereich umgebaut wird. Aber im industriellen Management brauchen Sie ein Ohr am Markt und den Mut, notwendige Schritte früh genug zu setzen. Wenn wir das nicht hätten, wären wir nicht 150 Jahre alt geworden.

 

Für manche Märkte bietet BASF ja eine Vielzahl an Produkten an.

Jedes Einzelprodukt muss in eine Wertschöpfungskette passen. Ein Beispiel dafür ist die Automobilindustrie. Da sind wir, etwa mit der Lackierung an den Produktionsstätten der Automobil-Hersteller, als direkte Zulieferer tätig. Ebenso treten wir als Lieferanten weiter hinten in der Kette auf, zum Beispiel wenn wir Systeme für Polyurethan-Schaumstoffe an einen Hersteller von Autositzen liefern, der wiederum die Automobilindustrie bedient. Auch unser neues Werk für Autokatalysatoren in der Nähe von Wroclaw liefert den eigentlichen Edelmetall-Katalysator an einen sogenannten Canner.  Dieser stellt das umgebende Gehäuse her und liefert es an die Automobilhersteller.

 

Laufen alle diese Entwicklungen für den Automotive-Sektor an einer bestimmten Stelle im Unternehmen zusammen?

Zunächst entwickelt jede Abteilung ihre Anwendungen mit ihrem speziellen Know-how selbst. Gegenüber dem Kunden, etwa einem großen Automobilhersteller, treten wir aber mit einem Gesicht auf. Das Key Account Management sitzt wie die Spinne im Netz, löst in Wechselwirkung mit dem Kunden Entwicklungen aus und stellt die richtigen Kontakte zwischen den Spezialisten in beiden Unternehmen her. So etwas gibt es beispielsweise auch gegenüber einem großen Konsumgüter-Konzern wie Procter & Gamble, mit dem wir auch verschiedenste Berührungspunkte haben.

 

Es fiel auf, dass die Produktion bei BASF sehr schnell wieder hochgefahren werden konnte, als sich die Nachfrage nach den starken Einbrüchen 2009 wieder zu erholen begann, und man in Folge sehr gut von der wieder einsetzenden Konjunktur profitieren konnte.

BASF denkt langfristig. Das ist auch eine Konsequenz des Verbundkonzepts: Wir sind eben mehr als eine Ansammlung von Fabriken nebeneinender, vieles ist aufeinander abgestimmt. Wir haben zum Beispiel zwei Steamcracker am Standort Ludwigshafen, die aus Naphtha die Ausgangsstoffe für einen Großteil unserer Basisprodukte liefern. 2009 ist es gelungen, die Steamcracker auf einen niedrigeren Output herunterzufahren, sie aber nicht ganz abzustellen. Zudem wurden viele Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigt, es gab aber keine Kündigungen. Wir haben uns mit den Gewerkschaften darauf geeinigt, als Unternehmen gemeinsam vorzugehen. So konnte man sehr schnell reagieren, als die Nachfrage wieder anzog.

 

Á propose Steamcracker: Gewinnen gegenüber der Rohstoffbasis Erdöl eigentlich landwirtschaftliche Rohstoffe in der Chemie-Industrie an Bedeutung? BASF hat mit Cognis ja selbst ein darauf spezialisiertes Unternehmen übernommen.

Wir verwenden seit Längerem bestimmte nachwachsende Rohstoffe, um daraus chemische Bausteine herzustellen. Darüber hinaus ist es, chemisch betrachtet, sinnvoller, pflanzliche Polymere in Polymeranwendungen zu verarbeiten als sie zu Grundchemikalien abzubauen.

 

Eine Übernahme wie die von Cognis ist Teil des Portfoliomanagements. Sie können heute in der Chemie nicht überall Spezialist sein. Wenn sich ein neues Pflänzchen entwickelt, mit dem man sich selbst nicht oder weniger beschäftigt hat, sind Akquisitionen eine Möglichkeit, einzusteigen. Das ist auch eine Frage der Risikoabschätzung. Manche Technologien sind so neu, dass man überlegen muss: Wann und wo steigt man ein und wann und wo nicht? Dazu stehen der BASF neben Akquisitionen auch Investments zur Verfügung. Wir haben eine eigene Venture-Capital-Gesellschaft, die in Start-ups investiert, die mit dem Sektor Chemie zu tun haben.

 

Ein solches Pflänzchen, bei dem sich BASF entschieden hat, mitzumachen, ist ja auch die Elektromobilität. Ist es nicht auch mittelfristig schwierig, dass diese Technologie mit den Benzinmotoren konkurrenzfähig wird?

Wenn ein Trend gesellschaftsfähig und eine neue Nachfrage entsteht, dann kann man das zu Beginn nicht rein aus ökonomischer Perspektive diskutieren. Man kann langfristig nicht gegen die Wünsche der Kunden arbeiten. Ein ähnlich gelagerter Fall ist die steigende Nachfrage nach Bioprodukten. Das sind Marktentwicklungen, die man nicht übergehen sollte. Hier entstehen immer mehr Nischen, nicht nur für Großunternehmen und gerade auch in gehobenen Kundensegmenten.

 

Wie ist BASF in Österreich heute aufgestellt? 

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren eine Veränderung von einer Generalgesellschaft in Untergesellschaften mit Spartenspezialisierungen durchgeführt. Im Zuge dessen wurden Service-Bereiche nach Bratislava verlagert. Auch das ist eine Frage des Komplexitätsmanagements, die Prozesse sind ja in allen Ländern gleich. Damals ist gesagt worden, BASF verlasse Österreich. Das hat ja nicht gestimmt, Österreich ist ein interessanter Markt, der auch weiter wachsen wird. Wir hatten die ganze Zeit über den Reparaturlack-Standort in Eugendorf. Durch Akquisitionen kamen Produktionsstätten für die Bauchemie in Krieglach und die Papierchemie in Pischelsdorf dazu. Heute arbeiten für BASF in Österreich insgesamt rund 250 Menschen. Mehr als die Hälfte davon ist im Vertrieb beschäftigt. Österreichische Mitarbeiter sind gut für die Anwendungstechnik ausgebildet. Die Vertriebsschwerpunkte profitieren dabei vom Know-how der Produktionsstandorte. So bearbeitet man heute von Krieglach aus neben Österreich auch den Bauchemie-Vertrieb in Slowenien, Kroatien und Ungarn, in Pischelsdorf haben wir Key Accounter, deren Kundenstock über die starke und international vernetze österreichische Papierindustrie bis nach Afrika reicht.  

 

Welche Rolle wird der Standort Europa für die Chemie-Industrie künftig spielen? Wachstum ist ja mehr in anderen Weltregionen zu erzielen.

Bei BASF ist „Europa“ sehr weit definiert und umfasst die gesamte EMEA-Region. Wir haben auf der einen Seite ein „Mature Europe“, sehr gereifte Märkte in den westlichen Ländern, auf der anderen die „Emerging Markets“, etwa in Afrika. Dazwischen gibt es einen Übergangsbereich – Märkte wie Russland, Polen, Zentraleuropa, die Türkei. Diese Länder sind bereits auf einem hohen technischen Niveau und bieten erhebliche Wachstumschancen, die für „Mature Europe“ begrenzt sind. Dort ist noch vor der Entstehung eines Konsumentenmarkts ein industrieller Absatzmarkt entstanden, den wir als Lieferanten nutzen können. Wer das verpasst, verliert, was aus dem reifen Europa an Geschäften verlagert wird. Wenn es einem Unternehmen aber gelungen ist, sich dort zu positionieren, ist es oft nur ein kleiner Sprung in den zentralasiatischen oder nordafrikanischen Raum. Die Übergangsländer haben eine wichtige Sprungbrettfunktion für die Emerging Markets.

 

Aber sind die wirklich hohen Wachstumsraten nicht in Ostasien zu erwarten?

Weltweit betrachtet, müssen Sie dort präsent sein, wo die Absatzmärkte sind oder wo es wichtige Ressourcen gibt. Wenn es nach den Rohstoff-Ressourcen geht, müsste ein Chemiekonzern im Nahen Osten aktiv tätig sein, denn dort, aber auch in China und Indien entstehen neue Chemie-Unternehmen. Für BASF wird es darauf ankommen, sich in diesem Wettbewerbsumfeld zu behaupten, wobei wir seit jeher dort investieren, wo unsere Kunden sind. Wir haben beispielsweise schon sehr früh in China – einem riesigen Absatzmarkt – investiert.

 

 

Wird das reife Europa dann auf die Rolle einer Technologie-Boutique reduziert?

(Schmunzelt) Wir werden auch weiterhin Produktion in Europa haben. Manches wird hier produziert, weil man es nicht transportieren kann, manches aus Zulassungsgründen. Ich würde das insgesamt nicht so negativ darstellen. Wenn Sie z. B. denken, für welche Konsumenten Sie in einem Europa, mit einer immer älter werdenden Bevölkerung, Produkte entwickeln, dann ergeben sich Fragen, die sich in Emerging Markets noch gar nicht stellen. Menschen wollen länger aktiv, gesund und schön sein. Da werden auch Chemikalien und ihre Anwendungen gebraucht. Wir sind immerhin mehr als 500 Millionen Menschen in Europa, die auch eine sehr hohe Kaufkraft haben.

 

Welche Aktivitäten sind in Österreich zum Jubiläum geplant?

Im Oktober wird es in Salzburg eine 150-Jahr-Feier mit Mitarbeitern und Stakeholdern geben. Dabei werden wir sowohl unsere Historie als auch unsere Zukunft zeigen. Anwendungen aus den verschiedenen in Österreich vertretenen Bereichen werden zu sehen sein: Aus der Bauchemie, aus der Automobilindustrie und der Landwirtschaft. Darüber hinaus gab es unter dem Titel „Future Heroes“ einen Wettbewerb, bei dem Chemielehrer und ihre Schüler österreichweit aufgerufen waren, nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Das Siegerprojekt wird in Salzburg prämiert werden.

SBO mit Ergebniseinbruch

Der Umsatz der Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG (SBO) belief sich im ersten Halbjahr 2015 auf rund 186,9 Millionen Euro, um 18,9 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2014. Das teilte die SBO in einer Aussendung mit. Dieser zufolge sank das EBITDA um 31,5 Prozent auf 45,1 Millionen Euro. Das EBIT brach um 57,6 Prozent auf 19,3 Millionen Euro ein, das Konzernergebnis um 88,5 Prozent auf 4,8 Millionen Euro. Nach Angaben der SBO ist dies auf den „erwarteten Einbruch der Bohraktivitäten“ zurückzuführen. Der „Rig Count“, also die Zahl der Ölbohranlagen, fiel weltweit um 38 Prozent bzw. 1.309 Stück. Besonders dramatisch war der Rückgang in Kanada und den USA. In Kanada sank der Rig Count im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 um 46,3 Prozent auf 111 Anlagen, in den USA fiel er um 53,7 Prozent auf 1.000 Anlagen. „Dieser Rückgang ist auf den Verfall des Ölpreises zurückzuführen, der die in den USA überwiegend betriebene, technologisch sehr aufwendige und kostenintensive Förderung aus unkonventionellen Quellen teilweise unrentabel machte“, heißt es im aktuellen SBO-Aktionärsbericht. Zwar wurde im Juli ein „leichte (r)Anstieg von 859 auf 874“ Anlagen verzeichnet. Doch ist es laut SBO noch zu früh, um einzuschätzen, ob dies bereits eine Trendwende bedeutet.

 

Insgesamt erwartet SBO-Vorstandschef Gerald Grohmann für heuer daher „ein schwieriges Jahr für die gesamte Oilfield Service-Industrie.“ Der Abschwung könne „länger dauern als frühere“. Allerdings seien derartige Zyklen für die Branche nichts Neues. Die SBO habe bereits Maßnahmen gesetzt, um gegenzusteuern. So wurden die Investitionen in Sachanlagen auf „Erhaltungsinvestitionen“ vermindert und rund 360 Mitarbeiter abgebaut. Ende Juni 2015 beschäftigte die SBO noch 1.279 Personen, verglichen mit 1.640 Ende Juni 2014. Die beiden Tochtergesellschaften in Großbritannien werden voraussichtlich bis Jahresende zusammengelegt, einer der Standorte entfällt.

 

Allerdings betonte die SBO in ihrer heutigen Aussendung, „dass die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten für die Oilfield Service-Industrie absolut intakt sind. Eine steigende Nachfrage nach Öl und Gas, sowie sinkende Förderraten existierender Felder werden neue Investitionen erfordern und den nächsten Aufschwung einläuten, für welchen die SBO auf Grund ihrer Technologie- und Marktführerschaft gut gerüstet ist.“