Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Chemiereport_2016-2

Foto:iStockphoto.com/Lusyaya 71 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.2 CHEMIE & TECHNIK T ürverkleidungen oder Armaturenbretter aus Hanf – was für manche wie Zukunftsmusik klingt, ist für verschie- dene europäische Autohersteller längst Realität. So war der 2008 präsentierte Lotus Eco Elise das erste straßentaug- liche, primär aus Hanfmaterialien, aber auch aus Bio-Wolle und Sisal hergestellte Auto, und zwar nicht nur in Bezug auf die Verkleidung, sondern auch auf die im Innenraum verwen- deten Textilien. Aber auch BMW oder Mercedes setzen schon längst auf Verbundstoffe aus Hanf und Co. Demnach stecken in modernen Autos bereits zwischen fünf und sieben Kilo Na- turfaserwerkstoffe – von Hanf- über Bananen-, Kokos-, Si- sal- bis zu Flachsfasern. Sie finden sich in den Mulden für Reserveräder genauso wie in Sitzschalen. Verarbeitete Oli- venkerne kommen sogar bei der Tankentlüftung zum Einsatz. „Naturfasern haben weniger Dichte und sind daher leichter“, sagte Herfried Lammer vom Kompetenzzentrum Holz im Rah- men seines Vortrags beim 5. Netzwerktreffen von Plastextron am 1. März in St. Pölten. Die um rund zehn Prozent geringere Dichte im Vergleich zu üblichen, mineralgefüllten Materialien ermöglicht aber nicht nur Gewichtseinsparungen, sondern führt durch die Reduktion des Verbrauchs an fossilem Kraftstoff auch zu niedrigeren CO2 -Emissionen. Ein weiterer Vorteil ist die passive Sicherheit: Teile aus Naturfa- sern brechen stumpf ab und bilden daher keine scharfen Kanten. Darüber hinaus zeichnen sich die naturfaserverstärkten Polymer-Werkstoffe durch eine hervorragende Kosteneffizienz sowie durch die ge- ringere Verarbeitungstemperatur und kürzere Zykluszeiten aus und sparen somit Energie. Ferner kann Hanf auch hierzulande angebaut werden. „Und das ohne Einsatz von Dünger oder Un- krautvernichtungsmitteln“, so Lammer. Schließlich können so- wohl Fasern als auch Samen, aus denen das Öl, das zwischen 75 und 80 Prozent ungesättigte Fettsäuren enthält, für die Kunst- stoffherstellung gewonnen wird, verwendet werden. Hanf kommt jedoch nicht nur in der Automobilindustrie oder als Papier für Banknoten zum Einsatz, auch die Dämmstoffindus- trie schätzt diesen Rohstoff. Außerdem werden Hanffasern, aber auch Flachs, in der Textilproduktion synthetischen Fasern oder Baumwollprodukten beigemischt. Selbst bei Geotextilien für den Straßen-, Wege- und Wasserbau sowie bei der Herstellung von Kondensatoren und Akkus setzt man auf Hanf, möglicherweise bald auch beim Bau von Windrädern. „Leinwand der Armen“ Ins Sichtfeld der Forscher ist noch eine andere Pflanze gera- ten: die Brennnessel. Jahrhundertelang galten Stoffe aus Brenn- nesselfasern als Leinen der armen Leute. Heute gilt die Brenn- nessel als Hoffnungsträger für die Herstellung von Vliesen oder als Verstärkungsfaser, etwa auch für die Automobilindustrie. Dass nachwachsende Rohstoffe zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit treten, ist vor allem auf die Diskussion um die Verknappung der fossilen Ressourcen und den Klimawandel zurückzuführen. Neben der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, der Schonung von nicht erneuerba- ren Ressourcen und ihrer Klimafreundlichkeit punkten nach- wachsende Rohstoffe mit der Eigenschaft, biologisch abbaubar zu sein und somit Müllberge und weitere Umweltbelastungen zu reduzieren. Darüber hinaus leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung im ländlichen Raum und zur Wertschöpfung im Inland. Nach Angaben von Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, erwirtschaftet die auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Bioökonomie in der EU heute einen Umsatz von zwei Billionen Euro und beschäftigt rund 22 Millionen Menschen. Ein Gegenargument zum Anbau nach- wachsender Rohstoffe ist die Flächen- konkurrenz zu Futter- und Lebensmit- teln. Zwar schwanken die dafür benötigten Flächen je nach Produktgruppe teils erheblich. Insgesamt gesehen ergibt sich jedoch ein maximaler Flächenbedarf von knapp über 91.000 Hektar Ackerfläche, heißt es in dem im Vorjahr von der Öster- reichischen Energieagentur im Auftrag des Umweltministeri- ums erstellten Aktionsplan zur stofflichen Nutzung nachwach- sender Rohstoffe. Dieser Wert ist als Obergrenze anzusehen, bei der jegliche Rohstoffproduktion im Inland erfolgt. Bezogen auf die gesamte Ackerfläche von 1,35 Millionen Hektar beträgt der maximale Flächenbedarf rund 6,7 Prozent. Darüber hin- aus können künftig auch Nebenprodukte, Ernterückstände und Reststoffe, die bis dato keinen Absatz gefunden haben, genützt werden. Weiteres Flächenpotenzial liegt aber auch in der Reduktion von Nahrungsmittelverschwendung. Damit würden landwirtschaftliche Flächen frei, die laut Aktionsplan deutlich über dem oben errechneten Bedarf von rund 100.000 Hektar liegen würden. Bioökonomie Comeback von Hanf und Brennnessel Schon vor Jahrtausenden wurden Hanf oder Brennnesseln unter anderem zur Herstellung von Stoffen verwendet. Heute ist das Einsatzgebiet der nachwachsenden Rohstoffe noch breiter gefächert. Von Ursula Rischanek Neu im Blickfeld: Fasern der Brennnessel sind als nachwachsender Rohstoff wieder gefragt. 22Mio. Menschen beschäf- tigt die europäische Bioökonomie.

Seitenübersicht