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Chemiereport_2016-2

Foto:iStockphoto.com/shannonstent 74 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.2 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG IN KOOPERATION MIT SCIENCEBLOG.AT D as Element Kohlenstoff (C) kommt in der Natur in Form der zwei sta- bilen Isotope 12 C (99 %) und 13 C (ca. 1 %) und Spuren des instabilen 14 C (auf eine Billion 12 C -Atome kommt ein 14 C ) vor. 14 C entsteht fortwährend durch Kernreak- tionen der kosmischen Strahlung in der Atmosphäre und zerfällt mit einer Halb- wertszeit von rund 5. 700 Jahren. Ebenso wie die stabilen C-Isotope ist 14 C über den Kohlenstoffkreislauf in den CO2 -Austausch zwischen Atmosphäre, Biosphäre und Hy- drosphäre eingebunden. Es wird über die Photosynthese in Pflanzen eingebaut, ab- geatmet und verteilt sich über die Nah- rungskette in der gesamten Biosphäre. Das Verhältnis der Kohlenstoffisotope hat im Laufe der Jahrmillionen einen Gleichgewichtszustand erreicht – alle belebte Materie auf der Erde weist in etwa dasselbe Verhältnis von 14 C /12 C auf. Beim Tod eines Lebewesens endet der Aus- tausch, zerfallendes 14 C wird nicht mehr ersetzt. Darauf beruht die Altersbestim- mung mittels 14 C (Radiocarbonmethode), die seit langem in der Archäologie, aber auch in anderen Gebieten erfolgreich ein- gesetzt wird: Aus dem abnehmenden Iso- topenverhältnis von 14 C /12 C lässt sich auf den Todeszeitpunkt des biologischen Mate- rials schließen. Seit dem Beginn der Industrialisierung nimmt der Mensch einen so massiven Einfluss auf die geologischen, atmosphä- rischen und biologischen Prozesse der Erde, dass es berechtigt erscheint, dafür ein neues Zeitalter, das „Anthropozän“, zu definieren. Bei einer Halbwertszeit von 5.700 Jahren ist der Zerfall von 14 C viel zu langsam, als dass er in dieser Zeitspanne eine Bedeutung für Altersbestimmungen hätte. Es gibt aber zwei menschliche Akti- vitäten, die das Isotopenverhältnis von 14 C / 12 C in charakteristischer Weise geändert haben, nämlich: die atmosphärischen Kernwaffentests in den Jahren 1950 bis 1963 und die Emissionen von CO2 durch Verfeue- rung fossiler Brennstoffe, die seit ungefähr 1900 andauern. 14 C wird damit zu einem außerordent- lichen Spurenisotop für Veränderun- gen der Umwelt im Anthropozän; seine Bestimmung erlaubt eine Vielzahl von Anwendungen, von denen einige klimare- levant sind, andere überraschende Unter- suchungen in der Biologie ermöglichen. Veränderungen durch Bombenpeak und fossile Brennstoffe Neutronen, die in Kernexplosionen freigesetzt werden, erzeugen – wie die kosmische Strahlung – das Isotop 14 C. In beiden Fällen wird es in der Atmosphäre zu 14 CO2 oxidiert, das sich einerseits gut in der Hydrosphäre löst und andererseits über die Photosynthese in die Pflanzen und über die Nahrungskette letztlich in die gesamte Biosphäre gelangt. Zum 14 C / 12 C Gleichgewicht im CO2 unserer Luft vor 1950 liegen Daten aus den Jahresrin- gen von Bäumen vor, deren Alter genau bekannt ist. Diese zeigen, dass in den letz- ten 4. 000 Jahren vor dem Einsetzen der Bombentests nur geringfügige Schwan- kungen von wenigen Prozent stattgefun- den haben. Die Tests haben das atmo- sphärische 14 CO2 aber um 100 Prozent – auf das Doppelte – ansteigen lassen. Seit diesem Stopp von Atomtests in der Atmo- sphäre im Jahr 1963 fällt der 14 C-Gehalt in der Luft nun durch Austauschvorgänge des Kohlenstoffs zwischen Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre wieder ab. Seit dem Beginn der Industrialisie- rung ist der CO2 -Gehalt der Atmosphäre stetig angestiegen. Die Nutzung fossiler Brennstoffe ist ein wesentlicher Mitver- ursacher der anthropogenen Emissionen. Das durch menschliche Aktivitäten Aus den Altersunterschieden von Oberflächen- zu Tiefenwässern konnte ein Bild davon entworfen werden, was mit den Wassermen- gen im Ozean geschieht. Radiokohlenstoff als Indikator für Umweltveränderungen im Anthropozän Signaturen des Menschen Atombombentests und Verbrennung fossiler Brennstoffe haben das Verhältnis der Kohlenstoffisotope in der Atmosphäre verändert. Dies kann man dazu benutzen, Umweltveränderung im Zeitalter des „Anthropozäns“ zu untersuchen. Von Walter Kutschera Der Autor Walter Kutschera ist emeritierter Professor für Physik und ehemaliger Vorstand des Instituts für Isotopenforschung und Kernphysik an der Universität Wien.

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