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March 18th, 2024

Lenzing mit 593 Millionen Euro Verlust

Der Faserkonzern schreibt weiter rote Zahlen. Das Management spricht von verhaltener Nachfrage sowie „stark erhöhten Rohstoff- und Energiekosten“.

 

 

Einen Verlust von 593 Millionen Euro hatte der Faserkonzern Lenzing 2023 zu verkraften, nachdem er bereits 2022 einen Verlust von rund 37 Millionen Euro hatte hinnehmen müssen. Begründet wurde dies mit „der verhaltenen Nachfrage auf der einen und den nach wie vor stark erhöhten Rohstoff- und Energiekosten auf der anderen Seite“. Der Umsatz sank um 1,7 Prozent auf 2,52 Milliarden Euro. Operativ schrieb die Lenzing aufgrund von Sonderabschreibungen respektive massiven Wertminderungen einen Verlust von 476,5 Millionen Euro. Nach Steuern ergab sich der eingangs genannte Verlust.

 

Die Wertminderungen betrafen immaterielle Vermögenswerte wie Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Lizenzen und Ähnliches von rund 21,3 Millionen Euro sowie Sachanlagen von 441,6 Millionen Euro. Davon entfielen 292,0 Millionen auf technische Anlagen und Maschinen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung, 94,1 Millionen Euro auf Grundstücke und Bauten und 57,4 Millionen auf geleistete Anzahlungen und Anlagen in Bau. Der größte Einzelposten war die Viscosefaserfabrik in Purwakarta in Indonesien, wo die Lenzing eine Wertminderung von 209,6 Millionen Euro vornehmen musste. Im Stammwerk in Lenzing in Oberösterreich selbst ergab sich ein Wertminderungsbedarf von 70,8 Millionen Euro, in der Viscose- und Modalfaserfabrik in Nanjing in China waren es 22,6 Millionen Euro, in Prachinburi in Thailand 19,9 Millionen. In Mobile im US-amerikanischen Bundesstaat Alabama liegt der Ausbau der Lyocell-Fabrik schon seit 2018 auf Eis. Dort verortete die Lenzing 2023 eine Wertminderung von 20,5 Millionen Euro. Die Fortsetzung des Ausbaus wird in „näherer Zukunft nicht mehr als hochwahrscheinlich eingeschätzt“, heißt es im Geschäftsbericht.

 

Lenzing-Vorstandschef Stephan Sielaff konstatierte, „die erwartete Erholung der für die Lenzing-Gruppe relevanten Märkte blieb bisher aus. Die verhaltene Nachfrage und die nach wie vor stark erhöhten Rohstoff- und Energiekosten haben 2023 zu einem Ergebnis geführt, mit dem wir nicht zufrieden sind. Umso wichtiger erweisen sich die Maßnahmen, die wir entschlossen und zu einem frühen Zeitpunkt gesetzt haben, um die Lenzing auf Kurs zu halten und ihre Krisenresilienz zu steigern“. Mit einem „Performance-Programm“ will der Konzern jährlich über 100 Millionen Euro einsparen, die Hälfte davon noch heuer. Grundsätzlich erwartet die Lenzing einen „steigenden Bedarf an umweltverträglichen Fasern für die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Hygiene- und Medizinbranchen“. Mit der Konzentration auf Spezialfasern sieht sie sich daher strategisch gut positioniert und erwartet für heuer ein „höheres EBITDA“ als 2023.

 

March 15th

Gangl verlässt Borealis

Nach drei Jahren legt der Vorstandschef des Kunststoffkonzerns seine Tätigkeit mit Ende Juni zurück. Laut dem Aufsichtsrat erfolgt dies einvernehmlich.

 

Mit Ablauf des 30. Juni verlässt Borealis-Vorstandschef Thomas Gangl den Kunststoffkonzern. Darauf haben sich Gangl und der Aufsichtsrat geeinigt, teilte die Borealis in einer Aussendung mit. Der scheidende „CEO“ war per 1.April 2021 in seine Funktion berufen worden. Bekanntlich gehört die Borealis zu 75 Prozent der OMV, 25 Prozent hält die Adnoc, der staatliche Öl- und Petrochemiekonzern des Emirats Abu Dhabi am Persischen Golf. Daniela Vlad, die Aufsichtsratschefin der Borealis, die im OMV-Vorstand für das Petrochemiegeschäft zuständig ist, würdigte Gangl als „Vorstandspersönlichkeit mit einem breiten Erfahrungsschatz bei der OMV, zuletzt als CEO von Borealis. Ich danke ihm für seine wertvollen Beiträge, die er in den vergangenen zwei Jahrzehnten für die OMV-Gruppe geleistet hat. Ich wünsche ihm alles Gute für seine zukünftigen Aufgaben“.

 

In der Aussendung verwies die Borealis auf wesentliche Entwicklungen des Unternehmens unter der Führung Gangls. Genannt wurden unter anderem der Verkauf des Stickstoff- und Düngemittelgeschäfts an die tschechische Agrofert, der Erwerb der italienischen Rialti Spa, die auf auf Polypropylen-Verbundstoffe aus Rezyklaten spezialisiert ist, aber auch den Börsengang der Borouge, eines Gemeinschaftsunternehmens mit der Adnoc, das den gleichnamigen Petrochemiekomplex in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) betreibt, sowie „die endgültige Investitionsentscheidung für die Borouge-4-Anlage in Ruwais (VAE), die nach ihrer Fertigstellung der weltweit größte Polyolefin-Komplex an einem Standort sein wird“.

 

Vor seiner Tätigkeit bei der Borealis hatte Gangl mehr als 20 Jahre lang für die OMV gearbeitet. Als Mitglied ihres Vorstands leitete er die Aufstockung des Anteils der OMV an der Borealis von 36 auf 75 Prozent im Herbst 2020. Wer Gangl in seiner jetzigen Funktion folgt, wird laut der Aussendung der Borealis „zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben“.

 

Offen ist bekanntlich die Zukunft der Borealis. Die OMV und die Adnoc verhandeln über die Schaffung eines weltweit führenden Petrochemiekonzerns, in den sie die Borealis und die Borouge verschmelzen wollen.

 

 

 

March 7th

Brenntag: Gewinn um 20 Prozent gesunken

Der Umsatz des Essener Chemiedistributeurs verringerte sich gegenüber 2022 um rund 13,4 Prozent. Als Gründe nennt der Konzern verringerte Absatzpreise und -mengen. Er spricht vom „zweitbesten Ergebnis“ seiner Unternehmensgeschichte.

 

Der deutsche Chemiedistributeur Brenntag mit Hauptsitz in Essen erwirtschaftete 2023 einen Gewinn von rund 721,1 Millionen Euro, um rund 20 Prozent weniger als 2022. Seine Umsatzerlöse sanken um 13,4 Prozent auf 16,81 Milliarden Euro. Als „führende Steuerungsgröße“ bezeichnet der Konzern in seinem Geschäftsbericht das sogenannte „operative EBITA“. Er definiert dieses als „Betriebsergebnis gemäß Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung zuzüglich der Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte sowie als Finanzinvestition gehaltene Immobilien, bereinigt um bestimmte Sachverhalte“ und beziffert es für 2023 mit 1,26 Milliarden Euro. Gegenüber 2022 ist das, mit zwei Dezimalen gerechnet, ein Rückgang um rund 16,5 Prozent. Mit drei Dezimalen gerechnet liegt der Rückgang bei 16,3 Prozent. Dies ist jener Wert, den Brenntag selbst nennt.

 

Laut dem Geschäftsbericht beruhte dieser Rückgang „hauptsächlich auf gesunkenen Absatzpreisen, aber auch auf rückläufigen Absatzmengen“. Diese Effekte waren im Geschäftsbereich Specialties ebenso zu verbuchen wie im Bereich Essentials. Specialties befasst sich dem Geschäftsbericht zufolge mit dem „Verkauf von Inhaltsstoffen und Zusatzleistungen für die ausgewählten Branchen Nutrition, Pharma, Personal Care / HI&I (Home, Industrial & Institutional), Material Sciences, Water Treatment und Lubricants“. Essentials wiederum ist auf Prozesschemikalien ausgerichtet. Bei Specialties hatte Brenntag mit „rückläufigen Absatzmengen in Kombination mit leicht gesunkenen Roherträgen pro Mengeneinheit“ zu kämpfen. Geographisch betrachtet, lief vor allem das Geschäft auf dem amerikanischen Doppelkontinent nicht eben überragend. Das operative EBITA des Bereichs verringerte sich gegenüber 2022 um 24,4 Prozent auf 550,8 Millionen Euro. Im Bereich Essentials wiederum sanken die verkauften Mengen in allen Weltgegenden außer im asiatisch-pazifischen Raum („APAC“). Vom „Rückgang der Roherträge pro Mengeneinheit“ war auch APAC betroffen. Das operative EBITA von Essentials lag mit 848,9 Millionen Euro um 6,8 Prozent unter dem Wert von 2022.

 

Vorstandschef zufrieden

 

Vorstandschef Christian Kohlpaintner gab sich dennoch zufrieden. Ihm zufolge erzielte Brenntag 2023 das „zweitbeste Ergebnis seiner Geschichte. Dies ist auf die inhärente Stärke und Widerstandsfähigkeit unseres Geschäftsmodells mit seiner globalen Reichweite und seinem breiten Produkt- und Dienstleistungsportfolio zurückzuführen“.

 

Dem Geschäftsbericht zufolge geht das Brenntag-Management „geht davon aus, dass sich die im Jahresverlauf 2023 gesehene sequenzielle Erholung der Absatzmengen 2024 fortsetzen wird“, aber auch davon, dass die politische und wirtschaftliche Weltlage gespannt bleibt. Angesichts dessen rechnet es mit einem operativen EBITA zwischen 1,23 und 1,43 Milliarden Euro. Dies wäre gegenüber 2023 entweder ein Rückgang um etwa 2,8 Prozent oder ein Anstieg um 13,0 Prozent.

 

 

 

March 6th

Bayer mit Milliardenverlust 

Knapp drei Milliarden Euro Verlust muss der deutsche Agrochemie- und Pharmakonzern für 2023 verbuchen. Unter den Gründen ist nicht zuletzt das schlechte Glyphosat-Geschäft. An Herausforderungen mangelt es nicht. Deshalb will Konzernchef Bill Anderson nun abbauen – bei den Schulden und bei der Unternehmensbürokratie. 

 

Der deutsche Agrochemie- und Pharmakonzern Bayer verzeichnete 2023 einen Verlust von 2,94 Milliarden Euro, nachdem er 2022 einen Gewinn von 4,15 Milliarden Euro verbucht hatte. Der Umsatz verringerte sich um 6,1 Prozent auf 47,64 Milliarden Euro, das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) um 21,3 Prozent auf 10,63 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) stürzte um 91,3 Prozent auf 612 Millionen Euro ab. Der Free Cashflow schließlich sank um 57,9 Prozent auf 1,31 Milliarden Euro. 

 

Im Bereich Crop Sciences schrieb Bayer einen operativen Verlust (EBIT) von 3,49 Milliarden Euro, verglichen mit einem Gewinn von 2,95 Milliarden Euro im Jahr 2022. Der Umsatz sank um 7,5 Prozent auf 23,27 Milliarden Euro. Begründet wird dies im Geschäftsbericht insbesondere mit „Preisrückgängen bei unseren glyphosathaltigen Produkten aufgrund von reduzierten Preisen für Generika“. Abgesehen davon meldet Bayer für diesen Geschäftsbereich „eine insgesamt positive Preisentwicklung durch innovative Produkte und höhere Agrarproduktpreise“.


Auch der Geschäftsbereich Pharmaceuticals (rezeptpflichtige Medikamente) verzeichnete einen Umsatzrückgang. Dieser belief sich auf 6,1 Prozent, der Umsatz auf 18,01 Milliarden Euro. Das EBIT verringerte sich um 20,3 Prozent auf 3,97 Milliarden Euro. Mit dem Gerinnungshemmer Xarelto, seiner bis dato wichtigsten „Cash Cow“, machte Bayer um 9,6 Prozent weniger Umsatz, in absoluten Zahlen waren es 4,08 Milliarden Euro. Der zweitstärkste Umsatzbringer war das Augenmedikament Eylea mit 3,23 Milliarden Euro, was einem leichten Plus um 0,6 Prozent entspricht. Der Umsatz mit dem Krebsmittel Nubeqa wuchs dagegen stark, nämlich um 86,5 Prozent auf 869 Millionen Euro. Das Nierenmittel Kerendia legte sogar um 152,3 Prozent auf 270 Millionen Euro zu. 

 

Auch im kleinsten Geschäftsbereich, Consumer Health (rezeptfrei Präparate) hatte Bayer einen Umsatzrückgang zu verkraften. Dieser hielt sich mit 0,9 Prozent aber in Grenzen. In absoluten Zahlen belief sich der Umsatz auf 6,03 Milliarden Euro. Das EBIT wuchs um etwa 21,0 Prozent auf 1,16 Milliarden Euro. 

 

Vier Herausforderungen 

 

Vorstandschef Bill Anderson, der Bayer seit Mitte vergangenen Jahres leitet, attestierte seinem Unternehmen vier Herausforderungen. Die erste sind die „Patentabläufe und unsere Pipeline bei Pharma“. Die Patentabläufe betreffen vor allem Xarelto und Eylea, bei denen „einige schwierige Jahre bevorstehen“. Immerhin habe Bayer 2023 „acht Zulassungsanträge für neue Medikamente eingereicht. Dieses Tempo wollen wir beibehalten“. 


Die zweite Herausforderung sind die Rechtsstreitigkeiten bezüglich PCB und Glyphosat. Anderson zufolge will sich Bayer insbesondere bei Glyphosat, das er als „sicher“ und „essenziell“ bezeichnete, „energisch verteidigen“. Außerdem werde der Konzern „alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, diesen Rechtskomplex im Sinne unseres Unternehmens und unserer Kunden abzuschließen. Sie können mehr Initiativen von Bayer in diesem Bereich erwarten, aber wir können uns erst dazu äußern, wenn es im Interesse des Unternehmens ist“.


Als dritte Herausforderung nannte Anderson die Schulden. Sie belaufen sich auf rund 34,5 Milliarden Euro und sind gegenüber 2022 um 8,5 Prozent gewachsen. Deshalb wird die Dividende in den kommenden drei Jahren „auf das gesetzliche Minimum“ eingeschränkt. „Der Schuldenabbau wird bei der Verwendung der einbehaltenen Barmittel oberste Priorität haben. Dieser Schritt wird uns helfen, bis Ende 2026 in Richtung eines Single-A-Ratings voranzukommen“, versicherte Anderson.


Viertens schließlich plagt Bayer die konzerninterne Bürokratie. Ihr entgegenwirken will Anderson mithilfe „eines radikalen neuen Organisationsmodells, das wir Dynamic Shared Ownership nennen“. DSO, so die Abkürzung, soll die bis dato bis zu zwölf Ebenen zwischen Anderson und den Bayer-Kunden im Durchschnitt auf fünf bis sechs Ebenen verringern. Laut Arbeitsdirektorin Heike Prinz geht es bei DSO um die Schaffung von profitorientierten Teams aus etwa 15 Personen und einer Führungskraft, „die auf Kunden und Produkte ausgerichtet sind“. Prinz zufolge arbeiteten Ende 2023 rund 50 Teams und 2.500 Beschäftige in solchen Einheiten. Bis Ende des Jahres sollen sämtliche knapp 100.000 Beschäftigten „im Sinne von DSO arbeiten“. 

 

Vorerst kein Verkauf 

 

Vorerst abgeblasen ist der Verkauf der Sparte Consumer Health. Statt dessen wird das Bayer-Management laut Anderson „in den kommenden 24 bis 36 Monaten unsere Energie und unseren Fokus darauf richten, unser Organisationsmodell Dynamic Shared Ownership zu implementieren, um die Performance zu verbessern, die Rechtsstreitigkeiten wirkungsvoll anzugehen, den Verschuldungsgrad in Richtung eines A-Ratings zu senken und eine starke Pharma-Pipeline aufzubauen“. In der Folge könnte das Abstoßen des Geschäfts mit rezeptfreien Pharmazeutika aber durchaus wieder zum Thema werden. „Unsere Antwort auf die Frage nach Strukturveränderungen lautet ‚nicht jetzt‘ – aber das sollte nicht als ‚nie‘ missverstanden werden. Natürlich werden wir für alles offenbleiben“, resümierte Anderson. 

 

March 5th

Borealis feiert 30jähriges Bestehen

Der weit größte Kunststoffkonzern Österreichs entstand 1994 als Gemeinschaftsunternehmen der Neste Oy und der Statoil. Sein Haupteigentümer ist seit 2020 die OMV, die mit der Adnoc darüber verhandelt, ihn in einen globalen Petrochemiekonzern einzubringen.

 

Der Kunststoffkonzern Borealis feiert im März sein 30jähriges Bestehen. Mit rund 7.600 Beschäftigten ist er in 120 Staaten tätig und erwirtschaftete zuletzt rund 9,61 Milliarden Euro Umsatz sowie 1,61 Milliarden Euro Gewinn. Damit ist er das weitaus größte Kunststoffunternehmen Österreichs.

 

Gegründet wurde die Borealis 1994 als Gemeinschaftsunternehmen der finnischen Neste Oy und der norwegischen Statoil, die beide je 50 Prozent hielten. Schon drei Jahre später verkaufte die Neste ihren Anteil jeweils zur Hälfte an die OMV und die Adnoc, die staatliche Ölgesellschaft des Emirats Abu Dhabi am Persischen Golf. Die Statoil dagegen behielt ihre 50 Prozent. Im Jahr 1998 gründeten die Borealis und die Adnoc in Abu Dhabi den Petrochemiekomplex Borouge, der vom gleichnahmigen Gemeinschaftsunternehmen geführt wird. Borouge wurde in den kommenden Jahrzehnten sukzessive erweitert und ist heute einer der wichtigsten Vermögenswerte der Borealis.

 

Das Jahr 2005 brachte eine grundlegende Änderung der Eigentumsverhältnisse: Die Statoil verkaufte ihre Anteile an die OMV und die IPIC, den staatlichen Investmentfonds Abu Dhabis, der zwischenzeitlich die von der Adnoc gehaltenen Aktien übernommen hatte. Aufgrund dessen hielt die IPIC 64 Prozent der Borealis, auf die OMV entfielen 36 Prozent. Im Jahr 2006 verlegte die Borealis ihren Hauptsitz nach Wien. Ein Jahr später übernahm sie den Düngererzeuger Agrolinz Melamin – laut ihrem nachmaligen Vorstandschef Mark Garrett ein Schritt, dessen Bedeutung vielfach erst später erkannt wurde. Garrett blieb bis 2018 an der Unternehmensspitze. Unter anderem steigerte er den Umsatz der Borealis auf über eine Milliarde Euro. Im Jahr 2018 folgte ihm der heutige OMV-Generaldirektor Alfred Stern.

 

OMV-Mehrheitsübernahme

 

Eine wesentliche Änderung der Eigentumsverhältnisse erfolgte 2020: Die OMV stockte ihren Anteil auf 75 Prozent auf. Die übrigen 25 Prozent verblieben bei der Mubadala, grob gesprochen der Nachfolgerin der IPIC als staatliche Investmentvestmentgesellschaft Abu Dhabis. Mit dem Eintritt Sterns in den OMV-Vorstand per 1. April 2021 übernahm im Gegenzug Thomas Gangl den Vorstandsvorsitz der Borealis, die er bis heute leitet. Gangl war zuvor 20 Jahre bei der OMV tätig gewesen und hatte laut der damaligen Aussendung „nicht nur den Raffinerie- und Petrochemie-Bereich bei der OMV maßgeblich mitgestaltet, sondern auch das chemische Recycling im OMV Konzern etabliert und damit den Grundstein für die Kreislaufwirtschaftsstrategie der OMV gelegt“.

 

Aus Anlass des heurigen Jubiläums konstatierte Gangl, ihr „europäisches Erbe“ sowie ihre technologische Kompetenz hätten die Borealis „zu einem globalen Player in der Branche gemacht. Wir treiben die Transformation der Branche hin zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe voran und erfinden die Grundlagen für ein nachhaltiges Leben neu. Auch weiterhin werden wir in unsere Mitarbeiter:innen, Anlagen und in das lokale Umfeld investieren“.

 

Verschmelzung mit Borouge?

 

Seit dem Verkauf der Düngemittelsparte an die tschechische Agrofert im Sommer 2023 konzentriert sich die Borealis auf das Kunststoffgeschäft sowie die Kreislaufwirtschaft. Ihre Zukunft ist offen. Die OMV und die Adnoc verhandeln über die Schaffung eines weltweit führenden Petrochemiekonzerns. In diesen sollen die Borealis und die Borouge verschmolzen werden.

 

 

 

February 28th

Antibiotikaresistenzen: Weitere Anstrengungen nötig

Der neue Bericht der European Food Safety Authority (EFSA) und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zeigt manche positive Tendenzen, aber auch mancherlei Handlungsbedarf. 

 

Zwar treten in menschlichen und tierischen Zellen weiterhin Stämme von Salmonellen und Campylobacter-Bakterien auf, die gegen herkömmliche Antibiotika unempfindlich sind. Die Resistenzen halten sich indessen in Grenzen, zeigt ein neuer Bericht der EU-Lebensmittelsicherheitsagentur EFSA und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Ihm zufolge werden überdies in Tieren für die Lebensmittelerzeugung vermehrt Escherichia-coli-Bakterien gefunden, die gegenüber Schlüssel-Antibiotika keinerlei Resistenzen zeigen. „Dies zeigt, es gibt in einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten Fortschritte bei der Verminderung von Antibiotikaresistenzen (AMR) in Tieren zur Lebensmittelproduktion“, teilte die EFSA in einer Aussendung mit. 

 

Salmonellen, die gegen Carbapeneme unempfindlich sind, wurden in menschlichem, nicht aber tierischem Material nachgewiesen. E. coli mit Carbapenem-Resistenzen wiederum fanden sich ausschließlich Tieren. Das Problem: Entsprechende Proben traten in einer steigenden Anzahl von Ländern auf. Dies ist unerfreulich, weil Carbapeneme als  „letztes Mittel“ gegen manche Krankheitserreger gelten. 

 

Ferner verzeichnete mindestens die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten, die der EFSA und dem ECDC Daten lieferten, in menschlichem Material zwischen 2013 und 2022 steigende Resistenzen von Salmonellen und Campylobacter-Bakterien gegen Fluorquinolone. Auch dies gilt als besorgniserregend, weil Fluorquinolone in den – wenn auch seltenen – Fällen, in denen solche Erreger schwere Krankheiten auslösen, häufig zum Einsatz kommen. 

 

Sinkende Makrolid-Resistenz 

 

Positiv vermerkten die EFSA und das ECDC die in menschlichem Material in einem Drittel der an der Studie beteiligten Länder festgestellte sinkende Resistenz von E.-Coli-Bakterien gegen Makrolide. Solche Antibiotika gewinnen vor allem bei der Behandlung von Lebensmittelvergiftungen zunehmende Bedeutung. 

 

Der Chefwissenschaftler der EFSA, Carlos Das Neves, und Mike Catchpole, sein Kollege beim ECDC, konstatierten, es gebe positive Tendenzen bei der Eindämmung von AMR: „Dennoch sind weitere gemeinsame Anstrengungen nötig, um mit dieser weltweiten Bedrohung fertigzuwerden. Um dem ‚One Health‘-Ansatz Rechnung zu tragen, brauchen wir die Zusammenarbeit unterschiedlicher Sektoren, von der Human- über die Veterinär- bis zur Umweltmedizin.“ 

 

Der Bericht ist auf der Website des ECDC verfügbar. 
 

 

February 26th

BASF macht wieder Gewinn

Nach der „tiefroten“ Jahresbilanz 2022 schrieb der deutsche Chemiekonzern 2023 einen Gewinn von 379 Millionen Euro. Eitel Wonne herrscht dennoch nicht: Vor allem der Stammsitz Ludwigshafen muss der Konzernführung zufolge umgebaut werden.

 

Der deutsche Chemiekonzern BASF erzielte im Jahr 2023 einen Gewinn von rund 379 Millionen Euro, nachdem er 2022 einen Verlust von 391 Millionen Euro hatte hinnehmen müssen. Allerdings sank der Umsatz um 21,1 Prozent auf 68,90 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) fiel um 33,2 Prozent auf 7,18 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (EBIT) um 65,8 Prozent auf 2,24 Milliarden Euro. Dazu kam, dass sich die Quartalsergebnisse im Lauf des Jahres sukzessive verschlechterten: Wies die BASF im ersten Quartal noch einen Gewinn von 1,60 Milliarden Euro aus, so verzeichnete sie im vierten Quartal einen Verlust von 1,57 Milliarden Euro. „Ausschlaggebend für die Umsatzentwicklung waren deutlich niedrigere Preise und Mengen. Insbesondere gesunkene Rohstoffpreise führten zu geringeren Preisen in nahezu allen Segmenten. Der Absatz sank in allen Segmenten infolge einer schwachen Nachfrage aus vielen Abnehmerbranchen“, teilte die BASF mit.

 

Der scheidende Vorstandschef Martin Brudermüller kommentierte seine letzte Jahresbilanz so: „Diese Situation zeigt zum einen, dass die BASF-Gruppe insgesamt unter weltweit schwierigen Bedingungen absolut wettbewerbsfähig und gesund ist. Zum anderen verdeutlicht das negative Ergebnis an unserem Standort Ludwigshafen, dass es dringend notwendig ist, hier weitere entschlossene Maßnahmen zur Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit vorzunehmen.“ Brudermüller legt seine Funktion bekanntlich mit Ablauf der Hauptversammlung am 24. April zurück. Als sein Nachfolger ist Markus Kamieth vorgesehen, der im Vorstand zurzeit unter anderem für das Asien-Geschäft zuständig ist. Ob Brudermüller wie sein Vorgänger Kurt Bock in einigen Jahren den Aufsichtsratsvorsitz der BASF übernimmt, wurde bis dato nicht kommuniziert.

 

„Sorgenkind“ Ludwigshafen

 

Für Ludwigshafen, den Stammsitz der BASF, initiierten Brudermüller und Finanzvorstand Dirk Elvermann ein weiteres Sparprogramm. Dieses soll die Kosten der dortigen Operationen bis Ende 2026 um etwa eine Milliarden Euro verringern. Laut Brudermann hatte das „deutlich negative Ergebnis“ in Ludwigshafen, dem größten Produktionsstandort der BASF, die Jahresbilanz des Konzerns in Deutschland ins Minus gerissen: „Hierfür gibt es zwei wesentliche Gründe: Das vorübergehend nachfrageschwache Umfeld beeinträchtigt die Mengenentwicklung sowohl im Upstream- als auch im Downstream-Geschäft. Außerdem belasten höhere Produktionskosten aufgrund strukturell höherer Energiepreise vor allem das Upstream-Geschäft von BASF.“

 

Schon bis Ende 2023 wollte die BASF ihre Kosten in Ludwigshafen um rund 600 Millionen pro Jahr senken. Weitere Maßnahmen, die im Oktober 2022 sowie im Feber 2023 angekündigt wurden, sollten zusätzliche etwa 500 Millionen Euro bringen. Mit anderen Worten: In etwa vier Jahren will die BASF die jährlichen Aufwendungen in Ludwigshafen um rund 2,1 Milliarden Euro reduzieren. Betroffen sind laut einer Aussendung sowohl die Produktion als auch die „Bereiche außerhalb der Produktion“. Vorgesehen sind „ Effizienzsteigerungen in den Unternehmensstrukturen“ ebenso wie Verringerungen der Produktionskapazitäten. Laut dem neuen Geschäftsbericht schloss die BASF in Ludwigshafen 2023 die TDI-Anlage, die Anlage für TDI-Vorprodukte, die Ammoniakanlage sowie die Düngelmittelanlage. Bis Ende 2026 werden auch die Caprolactam-Anlage sowie die Anlagen für Cyclohexanol, Cyclohexanon und Schwersoda stillgelegt. „Diese Maßnahmen im Bereich der Produktion werden sich voraussichtlich auf rund 700 Stellen auswirken. BASF erwartet, die Fixkosten so um mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr zu senken“, heißt es im Geschäftsbericht.

 

Für die längerfristige Positionierung des Standortes Ludwigshafen wird bis Herbst ein „Zielbild“ erarbeitet. Der Aussendung zufolge berücksichtigt die BASF darin „sowohl die regulatorischen Rahmenbedingungen als auch die veränderten Marktrealitäten in Europa und Deutschland“. Brudermüller zufolge wird Ludwigshafen „auf die Belieferung des europäischen Markts“ fokussiert: „Zugleich treiben wir unser Geschäft in den Regionen der Welt, die dynamischer wachsen und über attraktive Rahmenbedingungen für Investitionen verfügen, konsequent voran.“ Mit anderen Worten: Investiert wird offenbar primär außerhalb Deutschlands.

 

Grundsätzlich optimistisch

 

Hinsichtlich des laufenden Geschäftsjahres ist die Konzernführung grundsätzlich optimistisch. Sie rechnet mit einer Steigerung des EBITDA vor Sondereinflüssen auf 8,0 bis 8,6 Milliarden Euro und damit um 3,9 bis 11,7 Prozent. Zugrunde liegt dem die Erwartung, dass die „globale Chemieproduktion“ heuer um etwa 2,7 Prozent zulegen wird, verglichen mit 1,7 Prozent im vergangenen Jahr. „Dies wird vor allem von dem erwarteten Wachstum der chinesischen Chemieindustrie getragen sein“, hieß es in einer Aussendung.

 

 

February 7th

EU-Klimapolitik braucht ambitionierte Industriepolitik

Das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2040 zu erreichen, ist nur mit raschem Infrastrukturausbau, Technologieneutralität sowie umfassenden Förderungen erreichbar, betont der Chemieindustrieverband Cefic.

 

Begrenzte Freude mit dem Vorschlag der EU-Kommission, die unionsweiten CO2-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken, hat der Chemieindustrieverband Cefic. Er begrüßte in einer Stellungnahme zwar die Beteuerung der Kommission, auf die Anliegen der energieintensiven Industriezweige und damit auch der Chemiebranche Rücksicht zu nehmen. Kritik übte er aber an den fehlenden „konkreten und zeitgerechten Lösungen“ für deren Probleme. Laut dem Cefic muss die europäische Klimapolitik „von einer ambitionierten Industriepolitik begleitet werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie jetzt und nicht in einer unbestimmten Zukunft gewährleistet“ und sicherstellt, dass die Unternehmen die notwendigen massiven Investitionen zeitgerecht durchführen können. „Je ambitionierter das Ziel ist, desto mehr Unterstützung muss die Industriepolitik samt der zugehörigen Maßnahmen bieten“, heißt es in der Stellungnahme.

 

Unter anderem fordert Cefic die rasche Schaffung der Infrastruktur für eine CO2-neutrale Energieversorgung. Darunter fällt der Ökostrom-Ausbau ebenso wie jener von Stromleitungen und Pipelines, aber auch von CO2-Speichern. Ferner verlangt der Verband die Technologieneutralität, um die Kosten für die CO2-Vermeidung so gering wie möglich zu halten. Weitere Wünsche sind Förderungen für Technologieentwicklung, -ausrollung und -export, ein Ende der Carbon- und Investmentleakage und die Schaffung eines Markts für CO2-neutrale Technologien.

 

Die Chemiebranche sei bereit, ihre Rolle auf dem Weg zur CO2-Neutralität zu spielen, heißt es in der Stellungnahme. Die Gespräche mit der Politik über die erforderlichen Rahmenbedingungen hätten bereits begonnen. Das Cefic freue sich auf deren Fortsetzung im Sinne einer „weltweit wettbewerbsfähigen CO2-neutralen europäischen Chemieindustrie“.

 

Etliche Voraussetzungen

 

Bekanntlich hatte die scheidende EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen am 6. Februar ihren Vorschlag zur Verschärfung der klimapolitischen Ziele der Union veröffentlicht. Auf der Basis einer umfassenden Folgenabschätzung sprach sie sich dafür aus, „die Nettotreibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und eine Diskussion mit allen Interessenträgern einzuleiten; nach den Europawahlen wird die nächste Kommission einen Legislativvorschlag vorlegen, der mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten gemäß dem EU-Klimagesetz vereinbart wird“. Die genannten „Europawahlen“, also die Wahlen zum Europäischen Parlament, finden vom 6. bis 9. Juni statt. In Österreich ist der Wahltag Sonntag, der 9. Juni.

 

In ihrer Mitteilung bezüglich des vorgeschlagenen neuen Ziels nannte die Kommission eine Reihe von Voraussetzungen, die ihr zufolge notwendig sind, um dieses zu erreichen. Unter anderem umfassen diese die „Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, eine stärkere Konzentration auf einen gerechten Übergang, bei dem niemand zurückgelassen wird, gleiche Wettbewerbsbedingungen mit internationalen Partnern und einen strategischen Dialog über den Rahmen für die Zeit nach 2030, auch mit der Industrie und der Landwirtschaft“.

 

Mit anderen Worten: Die Industrie und deren Vertreter werden auf jeden Fall die Möglichkeit haben, sich zur Ausgestaltung der neuen Vorgaben zu äußern und auf diese gemäß ihren Interessen Einfluss zu nehmen.

February 6th

Novartis will Morphosys übernehmen

Der Schweizer Pharmariese plant, für das bayrische Biotech-Unternehmen rund 2,7 Milliarden Euro zu bezahlen. Interessiert ist er vor allem an einem Mittel gegen Blutkrebs. 

 

Um rund 2,7 Milliarden Euro will Novartis noch im ersten Halbjahr 2024 die deutsche Morphosys mit Sitz in Planegg südwestlich von München übernehmen. Die zuständigen Gremien der beiden Unternehmen haben der Transaktion zugestimmt. Ausgehend davon bietet Novartis den Morphosys-Aktionären an, ihre Anteile um 68,00 Euro je Aktie zu übernehmen. Der Schweizer Pharmakonzern würde damit eine Prämie von 89 Prozent auf den Schlusskurs von Morphosys vom 25. Januar 2024 bezahlen. Für den Abschluss des Geschäfts müssen mindestens 65 Prozent der Morphosys-Aktionäre dieses Angebot annehmen. Ferner ist die Genehmigung durch die zuständigen Behörden notwendig. 

 

Novartis ist vor allem an Pelabresib interessiert, einem Wirkstoff gegen Myelofibrose, eine seltene Form von Blutkrebs. Dessen Wirksamkeit wurde in der Phase-3-Studie Manifest-2 nachgewiesen. Ferner könnte die Substanz zur Bekämpfung anderer Krebsarten dienen. Nach eigenen Angaben plant Novartis, Pelabresib zur Marktreife zu entwickeln und weltweit zu verkaufen. Morphosys-Vorstandschef Jean-Paul Kress erläuterte, der Schweizer Konzern besitze „umfangreiche Ressourcen, die uns als eigenständiges Biotech-Unternehmen derzeit nicht zur Verfügung stehen, um die Entwicklungsmöglichkeiten von Pelabresib beschleunigen und das Vermarktungspotenzial schneller und in größerem Umfang ausschöpfen zu können“. 

 

Immuntherapie für US-Unternehmen 

 

Tafasitamab, ihre Immuntherapie gegen CD19, ein Protein, das eine wichtige Rolle bei der Ausbildung von B-Zell-Tumoren spielt, will die Morphosys an das US-amerikanische Pharmaunternehmen Incyte verkaufen. Dieses hat seinen Sitz in Wilmington, der mit 71.000 Einwohnern größten Stadt des Bundesstaats Delaware. Laut einer Aussendung haben der Vorstand und der Aufsichtsrat von Morphosys eine diesbezügliche Vereinbarung mit Incyte einstimmig gebilligt. 

 

Laut Morphosys-Chef Kress geht es auch bei dieser Transaktion darum, dass der künftige Eigentümer aufgrund seiner Wirtschaftskraft besser geeignet ist, das Mittel weiterzuentwickeln und zu vermarkten. In den USA wird Tafasitamab-cxix unter dem Produktnamen Monjuvi verkauft. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres erwirtschaftete die Morphosys damit einen Umsatz von rund 62,6 Millionen Euro. 

 

January 30th

Austrian Comprehensive Cancer Network gegründet

Die Krebsforschungs- und Behandlungszentren der Medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck verstärken ihre Kooperation. Neben der besseren Behandlung Erkrankter geht es auch um die Akquise von EU-Fördergeld. 

 

Einen Vertrag über die verstärkte und dauerhafte Zusammenarbeit schlossen die Krebsforschungs- und Behandlungszentren (Comprehensive Cancer Center, CCC) der Medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck. Sie gründeten damit das Austrian Comprehensive Cancer Network (ACCN), das am 30. Jänner in Wien vorgestellt wurde. Neben der Prävention und der besseren Versorgung Erkrankter geht es nicht zuletzt darum, Mittel aus den einschlägigen Förderprogrammen der EU zu akquirieren: Einer der Schwerpunkte des noch bis 2027 laufenden Programms „Horizon Europe“ ist die sogenannte „Mission Cancer“. Sie zielt darauf ab, Krebserkrankungen besser zu verstehen und in der Folge die Vorbeugung, Diagnose und Behandlung zu optimieren, aber auch die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen. Durch die Schaffung des ACCN soll der Zugang zu den Fördermitteln der „Mission Cancer“ erleichtert werden. 

 

Eigene Strukturen für das ACCN aufzubauen, ist übrigens nicht notwendig: Die CCC in Wien, Graz und Innsbruck verfügen über gut ausgebaute Geschäftsstellen, die die Kooperation koordinieren und die erforderlichen Kommunikationstätigkeiten steuern können. Unterstützt wird das ACCN auch vom Wissenschaftsministerium (BMBWF), versicherte Ressortchef Martin Polaschek bei der Präsentation des Netzwerks. Ihm zufolge etablierte das Ministerium eine „Mission Cancer Action Group“, die die Umsetzung der „Mission Cancer“ in Österreich begleitet. Zusätzliches Geld des BMBWF für die ACCN gibt es vorerst allerdings nicht, konstatierte Polaschek auf Anfrage des Chemiereports. 

 

Zusammenarbeit essenziell 

 

Laut Shahrokh Shariat, dem Leiter des CCC Wien, droht eine wahre „Lawine“ an Krebserkrankungen über die Gesellschaft hereinzubrechen. Um diese zu bewältigen, sei die Zusammenarbeit aller einschlägigen Institutionen „essenziell“. Shariat zufolge ist die nunmehrige Etablierung des ACCN ein „erster Schritt“. Der Spitzenmediziner hofft nach eigenem Bekunden auf eine Ausweitung des Netzwerks. Denkbar wäre beispielsweise eine Einbindung der bisher nicht beteiligten CCC in Salzburg und Linz. Jedenfalls aber soll das ACCN Shariat zufolge die österreichische Spitzenforschung in Sachen Onkologie besser bündeln und sie nach Möglichkeit weiter ausbauen. 

 

Geplant ist unter anderem, Patientenregister einzurichten und ein digitales „Tumorboard“ zu schaffen. Grob gesprochen, arbeiten in Tumorboards Mediziner mehrerer einschlägiger Fachrichtungen (üblicherweise der Radiodiagnostik, der Pathologie, der internistischen Onkologie, der Strahlentherapie sowie des jeweiligen Organfachs) zusammen, um die Behandlung Erkrankter zu optimieren. Allein 2019 wurden in den 23 Tumorboards des CCC Wien 847 Sitzungen mit 11.052 Fallbesprechungen durchgeführt. Auch die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft zum Thema Krebs erachtet Shariat als eine wichtige Aufgabe des ACCN. 

 

Logische Konsequenz 

 

Dominik Wolf, der Leiter des seit 2018 bestehenden CCC Innsbruck, ergänzte, es gehe darum, „vom Patienten her zu denken“. Deshalb sei die Etablierung des ACCN eine „logische Konsequenz“ der einschlägigen Aktivitäten in Österreich. Auf regionaler Ebene funktioniere die Zusammenarbeit der betreffenden Institutionen bereits bestens. Mittlerweile sei die Behandlung mancher Krebserkrankungen aber derart komplex, dass sich eine nationale Koordination immer wieder als hilfreich erweise. 

 

Philipp Jost, der Leiter des CCC Graz, erläuterte, zum besseren Verständnis von Tumorerkrankungen müsse die Grundlagenforschung verstärkt werden. Wesentlich sei aber auch der Blick aus der klinischen Praxis auf die Grundlagenforschung. Diesbezüglich solle das ACCN tätig werden, ebenso wie im Bereich klinischer Studien, bei denen Österreich im internationalen Vergleich gut aufgestellt sei. 

 

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