Archive - 2017

Dezember 22nd

BASF: Brudermüller folgt Bock

Der derzeitige Forschungschef des deutschen Chemiekonzerns übernimmt Anfang Mai 2018 den Vorstandsvorsitz.

 

Am 4. Mai 2018 wird Martin Brudermüller Vorstandsvorsitzender des deutschen Chemiekonzerns BASF. Das beschloss dessen Aufsichtsrat am 21. Dezember. Brudermüller ist derzeit stellvertretender Vorstandschef und Chief Technology Officer des Unternehmens. Er folgt Kurt Bock, der 2020 den Vorsitz im BASF-Aufsichtsrat übernehmen soll. Zuvor muss er laut geltender Rechtslage eine zweijährige „Cooling-Off-Periode“ durchlaufen. Brudermüller wurde 1961 in Stuttgart geboren. Er absolvierte das Studium der Chemie an der Universität Karlsruhe und promovierte 1987. Dem folgte ein Postdoc-Aufenthalt an der University of California in Berkeley. Mitglied des BASF-Vorstands ist Brudermüller seit 2006.

 

Mit seinem Aufrücken zum Chef des Vorstands wird dieser von acht auf sieben Personen verkleinert. Neuer stellvertretender Vorstandsvorsitzender wird Hans-Ulrich Engel, der bereits Finanzchef von BASF ist und dies auch künftig bleibt.

 

Bock wird als Aufsichtsratsvorsitzender Nachfolger von Jürgen Hambrecht, der von 2003 bis 2011 Vorstandsvorsitzender von BASF war und dem er bereits in dieser Funktion folgte. Hambrecht leitet den Aufsichtsrat seit 2014.

Dezember 21st

Karte der Wechselwirkungen mit dem Virus

Forscher des CeMM haben eine Karte sämtlicher zellulärer Wechselwirkungspartner einer viralen Polymerase erstellt.

 

Ein Forscherteam am CeMM (Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) hat gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Basel und des Laboratory of Molecular Biology Cambridge alle Interaktionspartner der viralen Polymerase des Lymphozytäre-Choriomeningitis-Virus (LCMV) bestimmt. Dieses Virus wird schon seit längerem als Modell für chronische Virusinfektionen verwendet. Die virale Polymerase ist für die Replikation des viralen Genoms erforderlich und nimmt daher eine Schlüsselfunktion im Infektionsgeschehen ein.

Das Forscherteam rund um Andreas Bergthaler hat nun eine Methodik entwickelt, mit der virale Proteine im lebenden Tiermodell markiert werden und damit jene Proteine der Wirtszelle bestimmt werden können, die mit ihnen in Wechselwirkung treten. Diese Proteine wurden in eine Interaktionskarte eingezeichnet, aus der herausgelesen werden kann, welche Bindungspartner der viralen Poylmerase eher einen proviralen und welche einen antiviralen Effekt aufweisen. Daraus lassen sich vertiefte Einblicke in die Infektionsstrategie des Virus erhalten.

Die Originalpublikation „Characterization of host proteins interacting with the lymphocytic choriomeningitis virus L protein“ ist in der Zeitschrift „PLOS Pathogen“ erschienen.

 

 

Digitale Veränderungen der Chemie-Lieferketten

Bei einer Konferenz zur Chemie-Logistik in Antwerpen wurde die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten als größte Herausforderung identifiziert.

 

Im Rahmen einer vom Luft- und Seefrachtunternehmen DHL Global Forwarding organisierten Konferenz kamen Experten der Chemie-Logistik in Antwerpen zusammen und diskutierten aktuelle Herausforderungen der Lieferketten in der Branche. Dabei wurde insbesondere die Entstehung von digitaler Wertschöpfungsnetzwerke als Triebkraft der Veränderung identifiziert, die Chemieunternehmen vor die Aufgabe stellen, wachsende Datenmengen bewältigen zu müssen und die dafür erforderlichen Rechenkapazitäten und Algorithmen zur Verfügung zu haben.

Veranstalter DHL präsentierte bei dieser Gelegenheit sein Risikomanagement-Werkzeug „DHL Resilience360“, das in Echtzeit analysiert, ob Schiffe, Züge oder LKWs auf ihren Transportrouten mit Unwägbarkeiten konfrontiert werden. Dazu werden Informationen über Naturkatastrophen, gesellschaftspolitische und andere Risiken mit dem globalen Produktions- und Distributionsnetzwerk der Kunden verknüpft und diese in die Lage versetzt, schon vor dem Eintreten einer kritischen Situation alternative Transportwege zu finden oder die Ladung stoppen zu lassen.

Dezember 20th

BASF: Ausbau in China

Bis 2020 werden die Kapazitäten zur Herstellung des Polyalkohols Neopentylglykol auf 80.000 Jahrestonnen verdoppelt.

 

BASF und Sinopec verdoppeln ihre gemeinsamen Produktionskapazitäten für Neopentylglykol (NPG) auf 80.000 Tonnen pro Jahr. Dazu wird eine Fabrik in der 5,4-Millionen-Einwohner-Stadt Nanjing etwa 500 Kilometer westlich von Shanghai ausgebaut. Operativ für das Projekt zuständig ist das Gemeinschaftsunternehmen BASF-YPC, das dem deutschen und dem chinesischen Chemiekonzern je zur Hälfte gehört. Die Fabrik von BASF-YPC in Nanjing erzeugt jährlich rund drei Millionen Tonnen an petrochemischen Produkten für den chinesischen Markt. Darunter sind Chemikalien für die Landwirtschaft, die Bau-, Elektronik-, Pharma-, Auto- sowie die Chemieindustrie.

 

Die Erweiterung der NPG-Anlagen soll 2020 abgeschlossen werden. Zu den Kosten äußerten sich die Konzerne nicht. NPG ist ein Polyalkohol. Er wird vor allem für die Produktion von Polyesterharzen verwendet. Zum Einsatz kommen diese ihrerseits unter anderem bei der Herstellung von Lacken, Schmierstoffen und Weichmachern.

 

BASF-YPC besteht seit dem Jahr 2000. Im Jahr 2016 erwirtschaftete das Unternehmen mit rund 1.880 Beschäftigten einen Umsatz von etwa 17,3 Milliarden Yuan Renminbi (RMB). Das entspricht rund 2,2 Milliarden Euro.

 

 

 

Dezember 15th

Teva: Schultz zieht Notbremse

Der Chef des unter Druck befindlichen israelischen Generikariesen will diesen radikal umbauen. Mehr als ein Viertel des Personals soll seinen Job verlieren.

 

Kåre Schultz, der Chef des angeschlagenen israelischen Generikagiganten Teva, zieht die Notbremse. Er plant, bis Ende 2019 mehr als ein Viertel der weltweiten Belegschaft von rund 57.000 Personen abzubauen. Das entspricht einer Reduktion um rund 14.000 Arbeitsplätze. Die Kostenbasis soll um drei Milliarden US-Dollar reduziert werden. Zurzeit beläuft sich diese auf rund 16,1 Milliarden Euro. Verbunden mit dem Kahlschlag ist eine radikale Umstrukturierung. In einem E-Mail an die Belagschaft kündigte Schultz an, eine „bedeutende Anzahl“ von Fabriken, Forschungsstätten Headquarters und anderen Niederlassungen zu schließen. Binnen der kommenden drei Monate will er bekannt geben, wer seinen Arbeitsplatz verliert. Durchziehen möchte Schultz den Großteil des Personalabbaus im Lauf des kommenden Jahres. Wie er in dem E-Mail ergänzte, muss Teva „ein flexibleres, schlankeres und profitableres Unternehmen“ werden.

 

Immerhin spart Teva nicht nur beim „Bodenpersonal“: Das Management erhält für heuer keinen Bonus, „weil die finanziellen Ergebnisse deutlich unter unserer Guidance liegen“, verlautete in einer Aussendung. Auch werden keine Dividenden auf normale Aktien bezahlt.

 

Teva ist insbesondere seit 2015 unter Druck, als der Konzern um rund 40 Milliarden US-Dollar den Konkurrenten Actavis schluckte. Doch der Bissen bekam alles andere als gut: Der Aktienkurs halbierte sich binnen eines einzigen Tages. Dazu kommt, dass das Unternehmen die Exklusivrechte an Copaxone verloren hat, einem Medikament gegen multiple Sklerose. Überdies müssen innerhalb der kommenden zwei Jahre Schulden von rund neun Milliarden US-Dollar beglichen werden.

 

Dass Schultz sein Programm durchziehen kann, ist noch nicht sicher. Der mächtige Gewerkschaftsdachverband Histadrut hat für Sonntag (in Israel ein Arbeitstag, arbeitsfrei ist der Samstag) zu einem Streik aufgerufen, der weit über Teva selbst hinausgeht. Betroffen sind der gesamte öffentliche Sektor inklusive der öffentlichen Straßenverkehrsmittel, aber auch die Börse.

 

Schultz ließ in seinem Mail an die Belegschaft jedoch keinen Zweifel an der Dramatik der Lage: „Ein Personalabbau in dieser Größenordnung ist nicht einfach. Und wir nehmen ihn keineswegs auf die leichte Schulter. Aber gegenwärtig gibt es keine Alternative.“ Mit besten Grüßen.

Dezember 14th

Hookipa holt in Finanzierungsrunde 50 Millionen Euro

Das Wiener Impfstoff-Unternehmen Hookipa hat eine Serie-C-Finanzierungsrunde im Umfang von 50 Millionen Euro abgeschlossen. Das Geld soll vor allem für zwei „Proof-of-concept“-Studien zu den wichtigsten Entwicklungsprogrammen der Startup-Firma verwendet werden.

 

„Eine Welle neuartiger Impfstoffe“ wollte ein Team von Entrepreneuren 2011 auslösen, deshalb nannte man das damals frischgegründete Unternehmen „Hookipa“ nach dem Surfer-Paradies „Hookipa Beach Park“ auf Hawaii. Seither ist es tatsächlich gelungen, einigermaßen hohe Wogen zu schlagen: Die von dem in Wien ansässigen Startup entwickelten virusbasierten Vektor-Technologien  „TheraT“ und „Vaxwave“ wurden daraufhin designt, dendritische Zellen zu infizieren und eine wirksame und langanhaltende Immunantwort zu stimulieren.

HB-101, ein auf der „Vaxwave“-Plattform basierender Impfstoff gegen das Cytomegalovirus, wurde bereits im Rahmen eine Phase-I-Studie erfolgreich auf Sicherheit und Immunogenität geprüft. Nun soll eine Phase-II-Studie die prophylaktische Wirksamkeit an Patienten nach Organtransplantationen zeigen.  „TheraT“, eine Therapieform, mit der man auf eine aktive Immunisierung von Patienten mit Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich abzielt, zeigte im Tierversuch starke, antigenspezifische T-Zell-Antworten. Nun soll eine Phase-I-Studie im Menschen folgen.

 

Alte und neue Shareholder

Die jüngste Finanzierungsrunde, die das Geld für diese Aktivitäten aufbringen sollte, wurde von einer nicht näher benannten US-Blue-Chip-Fonds angeführt. Neben neuen Partnern wie HBM Partners, Hillhouse Capital, Sirona Capital und Gilead zogen auch alle bestehenden Hookipa-Investoren (Sofinnova Partners, Forbion Capital Partners, Boehringer Ingelheim Venture Fund, Takeda Ventures and Bio Med Partners) bei der Runde mit.

 

 

Dezember 13th

CEFIC setzt auf Kreislaufwirtschaft

Im Rahmen des künftigen Forschungs-Rahmenprogramms der EU (FP9) will die Chemieindustrie die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik für neue Geschäftsmöglichkeiten nutzen.

 

Ein sogenanntes „Missions Paper“ zum künftigen Forschungs-Rahmenprogramm der EU (FP9) veröffentlichte der europäische Chemieindustrieverband CEFIC. Das derzeitige Rahmenprogramm Horizon 2020 endet 2020. Ab 2021 läuft FP9. CEFIC umreißt in dem „Missions Paper“ drei Bereiche, in denen die Chemiebranche zu Innovationen beitragen kann und die entsprechend gefördert werden sollten: die Schaffung weitgehend klimaneutraler Industriezweige (low carbon industries), das Up- und Recycling von Materialien sowie erschwingliche und reichlich verfügbare saubere Energie für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. So könnte die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik zur neuen Geschäftschance werden.

 

Hinsichtlich der „low carbon industries“ konstatiert CEFIC, die Industrie sei das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Europa verfüge über Wettbewerbsvorteile bei der Bereitstellung hochwertiger Produkte und Dienstleistungen. Ferner habe es sich ambitionierte klimapolitische Ziele gesetzt. Die Chemieindustrie könne wesentlich dazu beitragen, diese zu erreichen. Ihr sei es beispielsweise möglich, die negativen Auswirkungen von CO2-Emissionen zu begrenzen und deren positive Auswirkungen zu erhöhen. So könne sie etwa neue Produkte und Materialien sowie Dienstleistungen entwickeln, um den Energie- und Ressourcenbedarf zu vermindern und die Wiederverwendbarkeit bzw. Rezyklierbarkeit zu steigern. Weiters sei es denkbar, ihre eigenen Produktionsprozesse zu verbessern und „Symbiosen“ zwischen Industriebetrieben und den Infrastrukturen städtischer Ballungsgebiete zu finden. Schließlich könnten biobasierte Grundstoffe die petrochemischen Basischemikalien ergänzen.

 

Was das Up- und Recycling betrifft, geht es CEFIC im Einklang mit den diesbezüglichen Bestrebungen der EU-Kommission um den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Elemente einer solchen sind CEFIC zufolge Ökodesign, biologisch abbaubare Produkte, biobasierte Grundstoffe, ein effizienterer Ressourceneinsatz und schließlich die Vermeidung des Begriffs „Abfall“, da „Abfall“ im derzeitigen Sinn künftig nicht mehr existieren soll. Nicht zuletzt im Kunststoffbereich ginge es laut CEFIC um das „Upcycling“, also die Herstellung hochwertiger(er) Produkte aus Sekundärrohstoffen.

 

Betreffend die erschwingliche, reichlich verfügbare und „saubere“ Energie betont CEFIC, die Chemieindustrie könne bessere Materialien zur Isolierung von Gebäuden ebenso bereitstellen wie Leichtbaumaterialien für Fahrzeuge, aber auch chemische Energiespeicher und Stoffe zum Bau leistungsfähigerer Batterien. Überdies sei es möglich, mit solchen Materialien effizientere Solarzellen und Rotorblätter für Windkraftanlagen zu erzeugen. Zu guter Letzt könnten erneuerbare Energien auch in den Produktionsprozessen der Chemieindustrie zur Anwendung kommen.

 

Österreichs Wünsche

 

Eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Führung des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums veröffentlichte Anfang September ein Eckpunktepapier mit den wichtigsten österreichischen Forderungen zum FP9. Unter anderem umfassen diese den Wunsch nach einem verstärkten „wirkungsorientierten Ansatz“ mit gezieltem und umfassendem Programmmanagement und einer „Evaluierungskultur, die dem Entstehen von Lerneffekten hohe Priorität einräumt“. Auch sollte das FP9 „stärker als das zentrale Instrument des europäischen Forschungsraums fungieren“. Und nicht zuletzt muss „die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit weiterhin einen zentralen Fokus der europäischen FTI-Maßnahmen darstellen“.

 

Nicht fehlen darf der Hinweis, dass die Nuklearforschung „auf nukleare Sicherheit zu fokussieren“ ist. Die Entwicklung neuer Reaktoren der Generation IV „hat zu unterbleiben, ebenso die Darstellung der Kernspaltung als nachhaltige Energieform“.

 

Dezember 12th

Covestro erweitert Tarragona

Der deutsche Werkstoffkonzern investiert in Spanien rund 200 Millionen Euro in die Hartschaum-Vorprodukt- sowie Chlorerzeugung.

 

Der deutsche Werkstoffkonzern Covestro baut seinen spanischen Standort Tarragona aus. Die Produktionskapazität für das Hartschaum-Vorprodukt MDI wird bis 2022 von 50.000 auf 220.000 Tonnen pro Jahr vervierfacht. Ferner soll bis Ende 2020 eine Anlage zur Chlorerzeugung errichtet werden. Insgesamt plant Covestro in Tarragona Investitionen von rund 200 Millionen Euro. Am deutschen Standort Brunsbüttel erweitert das Unternehmen seine Kapazität zur Erzeugung von MCI ebenfalls. Sie soll sich ab Ende 2018 auf 400.000 Tonnen belaufen, das Doppelte des derzeitigen Wertes.

 

Laut Vorstandschef Patrick Thomas bekennt sich Covestro „voll und ganz zum MDI-Markt und zu unserem Standort Tarragona. Durch die Steigerung der Produktionskapazität und den Aufbau unserer eigenen Chlorproduktion wird dieser Standort ein noch effizienterer und wettbewerbsfähigerer Teil unseres Netzwerks sein.“

 

Covestro ist der ausgegliederte ehemalige Werkstoff-Geschäftsbereich von Bayer. Mit rund 15.600 Beschäftigten erwirtschaftet das Unternehmen an 30 Standorten in aller Welt etwa 11,9 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.

 

 

Dezember 7th

„Politik der Abrissbirne“

Die niederösterreichische Gebietskrankenkasse sowie die Ärztekammer kritisieren die gesundheitspolitischen Pläne der mutmaßlichen künftigen Bundesregierung ein. Die Pharmaindustrie sieht diese dagegen positiv.

 

Heftige Kritik an den gesundheitspolitischen Überlegungen der mutmaßlichen künftigen ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition üben Vertreter der Gebietskrankenkasse (NÖGKK) und der Ärztekammer Niederösterreichs. Bei einem Pressegespräch in Wien verlautete NÖGKK-Obmann Gerhard Hutter, natürlich lasse sich auch am international anerkannten österreichischen Gesundheitssystem mancherlei verbessern. Die Koalitionsverhandler hätten jedoch andere Pläne: „Einem bewährten System soll in die Speichen gegriffen werden. Das ist eine Politik der Abrissbirne mit dem Ziel bloßer Machtverschiebung.“ Die FPÖ habe das Problem, in den Kammergremien nicht gerade stark vertreten zu sein. Auch bei den Arbeiterkammerwahlen hielten sich ihre Erfolge in Grenzen: „Da dürfte die Versuchung schon groß sein, an die Macht zu kommen.“ Letzten Endes gehe es um die Privatisierung weiter Teile des Gesundheitssystems, sagte Hutter auf Anfrage des Chemiereports: „Man redet eine Krise herbei, um sich selbst als Retter darstellen zu können.“

 

Der Generaldirektor der NÖGKK, Jan Pazourek, ergänzte, die Krankenkassen hätten etliche sinnvolle Verbesserungen ohnehin bereits in Angriff genommen, insbesondere die Leistungsharmonisierung und die „Aufgabenbündelung im Verwaltungs- und IT-Bereich“. Die seitens der Koalitionäre in spe angestrebte Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen brächte laut Pazourek wenig: In Deutschland habe der Bundesrechnungshof sechs derartige Fusionen untersucht. Das Ergebnis: Bei fünf der Zusammenschlüsse stiegen die Kosten um bis zu 18 Prozent. Ähnlich habe sich in Österreich die Zusammenführung der Kassen für Eisenbahn und Bergbau sowie der Pensionsversicherungsträger ausgewirkt. Vom Chemiereport darauf angesprochen, dass die Leistungsharmonisierung schon längst erfolgen hätte können, konstatierte Pazourek: „Das war ja ohnehin der Fall.“ Schon Ende der 1990er Jahre sowie der 2000er Jahre sei diesbezüglich „viel geschehen. Jetzt geht es bei dem, was wir selbst tun können, eigentlich nur mehr um die letzte Restrate“. Die tatsächlich ins Gewicht fallenden Leistungsunterschiede bestünden zwischen den Bundesinstitutionen und den Gebietskrankenkassen: „Und da müsste der Gesetzgeber tätig werden. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“

 

Dietmar Baumgartner, der Vizepräsident der niederösterreichischen Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, fügte hinzu, er betrachte die Pläne der ÖVP und der FPÖ als „reinen politischen Aktionismus“. An den eigentlichen Problemen gehe das bisher Bekannte vorbei: „Wir haben immer mehr Kinder mit Diabetes mellitus und eine massive Zunahme an morbider Adipositas im Kindesalter. Außerden droht für die nahe Zukunft ein Ärztemangel.“ Dem mit einer zentralistischen Krankenkasse für alle Bundesländer zu begegnen, sei schwerlich der Weisheit letzter Schluss: „Regionale Unterschiede verlangen dezentrale Entscheidungsstrukturen und müssen im Sinne der Menschen auch in Zukunft Berücksichtigung finden.“

 

Lob von der Pharmig

 

Einiges abgewinnen kann den Vorstellungen der mutmaßlichen künftigen Bundesregierung dagegen der Pharmaindustrieverband Pharmig. Präsident Martin Munte forderte „in Sachen Reform der Sozialversicherung und einer effizienteren Leitung der Finanzierungsströme entscheidende Impulse. Wir werden uns als Industrie partnerschaftlich und in direkten Gesprächen mit der Politik dafür einsetzen, Österreich als Wirtschafts- und speziell als Pharmastandort zu stärken“.

Dezember 6th

VCI: „Gutes Jahr“ 2017

Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie macht heuer voraussichtlich rund 195 Milliarden Euro Umsatz, 2018 könnten es über 200 Milliarden werden.

 

Der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie wird heuer bei knapp 195 Milliarden Euro liegen, um 5,5 Prozent über dem Wert des Jahres 2016. Das erwartet der Branchenverband VCI. Beim Inlandsumsatz geht der VCI von einer Steigerung um 4,5 Prozent auf 74,4 Milliarden Euro aus, beim Auslandsumsatz von einem Plus um 6,5 Prozent auf 120,4 Milliarden Euro. Besonders gut dürfte das Geschäft mit 8 Prozent Zuwachs in Asien gelaufen sein, gefolgt von 5,5 Prozent in Europa und 3 Prozent in Nordamerika. Das Produktionsvolumen wird sich um 2,5 Prozent erhöhen. Die Kapazitätsauslastung sollte laut VCI „mit 86,7 Prozent überdurchschnittlich gut“ ausfallen. Den Beschäftigtenstand beziffert der Verband mit 451.500 Personen, dem höchsten Wert seit 2004.

 

„Nach eher durchwachsenen Ergebnissen in den drei vorherigen Jahren hat 2017 das Prädikat ‚gut‘ ohne Einschränkung verdient“, konstatierte VCI-Präsident und BASF-Chef Kurt Bock bei der Vorstellung des voraussichtlichen Jahresergebnisses. Auch für 2018 gab sich Bock optimistisch: Wenn die Produktenpreise um 1 Prozent steigen, würde der Umsatz um etwa 3 Prozent wachsen und damit erstmals über 200 Milliarden Euro liegen.

 

Prügel für die Politik

 

Einmal mehr wiederholte Bock seine Kritik an der deutschen Bundespolitik. Diese habe „sich bisher nicht auf einen gemeinsamen Plan für die Zukunftssicherung des Standortes und die Modernisierung der Gesellschaft einigen können“. Ferner verfolgten manche Politiker immer noch „Konzepte, die zu weiteren Erhöhungen der Strompreise und einer Gefährdung der Versorgungssicherheit führen“ würden. Eine CO2-Steuer lehnt Bock weiterhin ab, ebenso einen „überhasteten Ausstieg aus der Kohleverstromung“.

 

Und was den Brexit betrifft, sollte Großbritannien laut Bock „durch ein umfassendes Abkommen möglichst eng an die EU gebunden bleiben“. Immerhin exportiere die deutsche Chemie- und Pharmabranche jährlich Waren im Wert von knapp zwölf Milliarden Euro nach Großbritannien, die Importe von dort beliefen sich auf etwa 6,4 Milliarden Euro.

 

 

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