Archive - 2017
Dezember 5th
Biobasierte Industrie: Noch weit zu gehen
05.12.17
von
Klaus Fischer
Die Verwendung von Biomaterialien in der Chemieindustrie nimmt zu. Doch das hat bisweilen seine Tücken, hieß es beim Stakeholderdialog Biobased Industry in Wien.
Zumindest eines wurde beim Stakeholderdialog Biobased Industry des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), des Technologieministeriums (BMVIT) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) deutlich: Der Weg zur biobasierten Industrie ist noch einigermaßen weit - und er könnte so manche Windung aufweisen. Zwar hat die Verwendung agrarischer Rohstoffe in der Chemieindustrie in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, erläuterte FCIO-Obmann Hubert Culik. Auch bei diversen Förderprogrammen stehen einschlägige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben hoch im Kurs. Wirtschafts- sowie umweltpolitisch wiederum besteht das Ziel, ab 2050 so weit wie möglich ohne fossile Rohstoffe auszukommen. Doch wie das realistischer Weise erfolgen kann, weiß bis dato niemand. „Haben wir überhaupt genug agrarische Ressourcen? Wenn wir nicht ordentlich haushalten, eher nicht“, warnte Culik und verwies auf Tierisches: „Wenn man früher ein Schwein geschlachtet hat, hat man alles davon verwertet.“
In dieser Weise vorzugehen, sei auch hinsichtlich der biobasierten Industrie gefragt: „Wir müssen die Biomasse kaskadisch verwerten, also stofflich wie auch energetisch.“ Und dafür müsse es auch entsprechende Anreize sowie klare rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen geben. Die seinerzeitigen Beimischungsregeln für Biosprit seien „eher verwirrend“ gewesen. Schließlich gelte es, eine Weltbevölkerung von rund 7,6 Milliarden Menschen zu versorgen. „Das geht nur ressourcenschonend. Wir müssen mit wirklich nachhaltigen Rohstoffen arbeiten. Nur dann gehen wir einer guten Zukunft entgegen“, betonte Culik.
Klein ist fein
Wie die Angelegenheit seiner Meinung nach funktionieren könnte, schilderte Johan Sanders von der Universität Wageningen in Holland. Sollten ab 2050 auch nur 30 Prozent der voraussichtlich benötigten fossilen Rohstoffe durch biobasierte Substanzen ersetzt werden, würden von den letzteren nicht weniger als 20 Milliarden Tonnen gebraucht. Davon entfielen rund vier bis fünf Millarden Tonnen für Nahrungs- und Futtermittel, zwei Milliarden Tonnen auf Holzwerkstoffe, Papier und Textilien sowie vier Milliarden Tonnen auf Brennholz. Das funktioniere nur mit radikalen Effizienzverbesserungen bei der Bereitstellung wie auch bei der Verwendung: „Wir müssen alle Biomassebestandteile nutzen, und zwar die richtigen Komponenten für die richtigen Zwecke.“ Und es sei natürlich darauf zu achten, die Fertilität des Bodens zu erhalten. Ein durchschnittlicher Erwachsener in der EU verzehre heute Nahrungsmittel mit einem Energiegehalt von rund 2.000 Kalorien pro Tag. Der Energieaufwand, um diese zu erzeugen, sei aber etwa 20 Mal so hoch. „Könnten wir ihn um den Faktor 2 senken, hätten wir genug Energie, um alle Autos in der EU mit Biosprit zu betreiben“, rechnete Sanders vor.
Er plädierte dafür, biochemische Produktionsanlagen eher klein auszulegen, statt Großfabriken zu errichten. Das ermögliche eine sichere Erzeugung auch der Basischemikalien zu niedrigeren Kosten als derzeit. Ferner verringere sich die Abhängigkeit von der Infrastruktur großer Anlagen - nicht zuletzt wegen niedrigerer Transportkosten. Eine These, die indessen nicht bei allen Teilnehmern auf uneingeschränkte Zustimmung stieß. „Wenn wir nach 200 Jahren Industrialisierung draufkommen, dass die Economies of Scale doch nicht funktionieren, dann kann etwas nicht stimmen“, so das Geraune in der Kaffeepause.
Dezember 1st
Neuer Studiengang für die „Chemische Industrie 4.0“
Ab Herbst 2018 wird an der IMC FH Krems ein Bachelor-Studiengang „Applied Chemistry“ angeboten, der eine fundierte Ausbildung in den chemischen Basisfächern mit Kompetenzen zu IT-unterstützten Methoden verbindet.
Das Anforderungsprofil an Fachkräfte der chemischen Industrie hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. An die IMC FH Krems wurde daher immer öfter herangetragen, dass die Betriebe der Branche Mitarbeiter mit einem Ausbildungsprofil benötigen, das heute schwer zu finden ist: Fundiertes Wissen in den Basisfächern der Chemie (Allgemeine, Analytische, Anorganische, Organische, Physikalische Chemie und Biochemie), verknüpft mit dem Beherrschen Computer-unterstützter Arbeitsmethoden des Molecular Modelling, der Prozessanalyse und des Prozessmanagements.
In diese Lücke stößt der Bachelor-Lehrgang „Applied Chemistry“ vor, der ab Herbst 2017 an der IMC FH Krems angeboten wird. Auf das Vermitteln des Basiswissens in Chemie und angrenzenden Fächern (Mathematik, Informatik, Statistik, Physik) wird dabei eine fundierte praktische Ausbildung in Verfahrenstechnik und instrumenteller Analytik aufgesetzt und mit dem Aneignen von Kompetenzen in Chemometrie, Big Data Analysis, IT- Prozessoptimierung sowie In-silico-Methoden in der Wirkstoffsynthese verknüpft.
Zwei Vertiefungsrichtungen möglich
Im letzten Studiensemester können die Studenten zwischen zwei Vertiefungsmodulen wählen: „Instrumental Analysis and Chemometrics“ bereitet mit vertieften Kenntnissen der instrumentellen Analytik und der statistischen Auswertung von Messergebnissen auf berufliche Aufgabenstellungen in den Bereichen Produktsicherheit, Umweltanalytik, pharmazeutische und forensische Analytik sowie Polymeranalytik vor. „Chemical Simulations and Data Analysis“ vermittelt Kompetenzen im Bereich der computergesteuerten Simulation von chemischen Prozessen, wie sie für die Steuerung von Anlagen in der Prozessindustrie erforderlich sind. Die Vermittlung von Soft Skills, Chemikalienrecht, Prozessmanagement sowie betriebswirtschaftlichen Grundbegriffen rundet das Curriculum ab.
Der Vollzeit-Studiengang ist auf sechs Semester angelegt und wird in englischer Sprache abgehalten. Das Land Niederösterreich unterstützt das Programm mit einer Anschubfinanzierung von rund 2,4 Millionen Euro.
November 29th
AIT-Batterieforscherin mit Mobilitäts-Zukunftspreis ausgezeichnet
Arlavinda Rezqita wurde mit dem Staatspreis Mobiliät in der Kategorie „Zukunftspotenzial entfalten“ ausgezeichnet. Die Forscherin hat im Rahmen ihrer Dissertation am AIT ein verbessertes Anodenmaterial für Antriebsbatterien von Elektrofahrzeugen entwickelt.
Rezqita ersetzte den herkömmlich in Lithium-Ionen-Akkus verwendeten Graphit durch Siliciumpartikel, die mit mesoporösem Kohlenstoff umhüllte wurden. Silicium weist eine zehnmal höhere Energiedichte wie Kohlenstoff auf, Batterien könnten dementsprechend leichter und platzsparender werden. Zur Verbesserung der an sich schlechten mechanischen Stabilität von Silicium umgab es die junge Forscherin mit einer Hülle aus Kohlenstoff, in die kleine Löcher geätzt wurden, durch die sich das Anodenmaterial kontrolliert ausdehnen und Lithium-Ionen aufnehmen kann.
Arlavinda Rezqita studierte in ihrer Heimat Indonesien Chemical Engineering und kam über ein Erasmus-Stipendium für das Masterstudium „Material for Energy Storage and Conversion“ nach Europa. Seit 2013 forschte sie als Dissertantin am Austrian Institute of Technology (AIT). Seit 2017 ist sie Junior Scientist im Batterieforschungsteam der außeruniversitären Forschungseinrichtung.
November 28th
ERC-Grant für Gruppenleiter am CeMM
Stefan Kubicek, der in seiner Forschung am CeMM die Rolle niedermolekularer Metaboliten bei der Regulierung der Genexpression untersucht, kann seine Arbeitsgruppe auf das Fundament eines „ERC Consolidator Grant“ stellen.
Bislang wurde weithin angenommen, dass für die Regulation der Genexpression zwar zahlreiche Proteine und DNA-Modifikationen eine wichtige Rolle spielen, dass kleine Moleküle des Stoffwechsels“ aber keinen nennenswerten Einfluss auf das Geschehen im Zellkern haben. Stefan Kubicek, der am Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) forscht, widerspricht dieser Annahme. Ergebnisse aus seinem Labor weisen darauf hin, dass niedermolekulare Metaboliten sich in bestimmten Zellregionen anreichern und dabei auf die Aktivität von Genen in gesunden und bösartig veränderten Zellen Einfluss nehmen.
Für das Testen dieser Hypothese wurde Kubicek, der organische Chemie studiert hat und nach Forschungsarbeiten am IMP in Wien und am Broad Institute in Cambridge, Massachusetts, seit 2010 Gruppenleiter am CeMM ist, nun mit einem ERC Consolidator Grant“ in der Höhe von zwei Millionen Euro ausgestattet. In dem damit finanzierten Projekt „Chromabolism“ sollen zunächst die an Chromatin, die genetische Strukturkomponente des Zellkerns, gebundenen Stoffwechselenzyme und zugehörigen Metaboliten untersucht werden. Im zweiten Schritt werden Methoden entworfen, mit denen die molekularen Verhältnisse im Kern gezielt gestört werden können und darauf aufbauend Modelle entworfen, um den Einfluss der Stoffwechselprodukte auf Entstehung und Vermehrung von Krebszellen vorhersagen zu können.
ERC Grant für junge Forschungsgruppen
„ERC Consolidator Grants“ werden an Wissenschaftler vergeben, die eine eigene Arbeitsgruppe gründen oder ein neugegründetes Team auf eine feste Basis stellen wollen. Sie sind mit bis zu zwei Millionen Euro für eine Periode von fünf Jahren dotiert.
November 23rd
Vier Sieger bei „Best of Biotech“ 2017
Der achte vom Austria Wirtschaftsservice (AWS) im Auftrag des BMWFW organisierte Businessplan-Wettbewerb „Best of Biotech“ ging mit der Preisverleihung am 22. November zu Ende. Die diesjährigen Gewinner sind BHS Technologies, Macroarray Diagnostics, Image Biopsy Lab und Morphomed.
30 Projekte wurden bei der zweiten Phase der diesjährigen Ausgabe des Businessplan-Wettbewerbs „Best of Biotech“ eingereicht, zehn davon haben es in die finale Fragerunde der Jury geschafft. Aus den dabei gegebenen Präsentationen und den eingereichten Geschäftsideen und Markteintritts-Strategien wurden schließlich jene vier Sieger ermittelt, die im Rahmen eines Festakts am 22. November ihre Auszeichnungen entgegennehmen konnten.
Den mit 15.000 Euro dotierten ersten Platz konnte das Tiroler Unternehmen BHS Technologies erringen. Bei dem Projekt geht es darum, ein neuartiges Mikroskop für die Mikrochirurgie zu entwickeln, das Zeitersparnis für Operateure bringen soll. Die Jury habe aber auch der durchdachte Businessplan und das erfahrene Team überzeugt, wie deren Sprecherin, Angelika Weinländer-Mölders ausführte.
Medizintechnik-Unternehmen räumen ab
Der zweite Platz und 10.000 Euro Preisgeld gingen an Macroarray Diagnostics. Das Wiener Unternehmen entwickelt eine neue Art von Multi-Parameter-Allergiediagnostik, die möglichst viele der relevanten Allergene in einem einzigen Labortest abdecken soll. Seitens der Jury wurden der neuartige diagnostische Ansatz und die überzeugende Präsentation der Geschäftsidee hervorgehoben. Platz 3 und 5.000 Euro konnte das Projekt Image Biopsy Lab für sich gewinnen, das eine Software zur Automatisierung und Objektivierung der Diagnose von Knie-Arthrose entwickelt. Die Preisgelder wurden von Shire, Boehringer Ingelheim und Roche Diagnostics gestiftet.
Zusätzlich wurde auch heuer wieder der von der Wiener Life-Science-Plattform Lisa Vienna ausgeschriebene und mit 10.000 Euro dotierte Medtech Award vergeben, der an die Firma Morphomed ging. Das im Mai in Wien gegründete Unternehmen entwickelt ein Implantat aus hochreiner Seide, das der Regeneration von Bändern und Sehnen dient.
November 21st
21.11.17
von
Klaus Fischer
Wien hat die Bewerbung um die EMA zwar nicht gewonnen, aber dennoch als Pharma- und Life-Sciences-Standort gepunktet, verlauten die Stadt Wien und die Pharmaindustrie.
„Wien hat eine starke Bewerbung abgegeben, die nicht zuletzt auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EMA gepunktet hat. Damit ist es gelungen, den Bekanntheitsgrad der Stadt als gut ausgestattete Wirtschaftsmetropole zu steigern.“ So kommentiert Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner die Entscheidung, die European Medicines Agency in Amsterdam anzusiedeln. Brauner zufolge konnte sich Wien im Zuge der Bewerbung „als attraktiver Top-Standort für die Pharma- und Life-Science-Branche positionieren, der mit ausgezeichneter Infrastruktur, Top-Immobilien und zahlreichen Unterstützungsleistungen bis zuletzt zum Favoritenkreis gehörte“. Sie dankte dem Bundeskanzleramt, den beteiligten Ministerien, der Wirtschaftskammer Wien sowie den Pharmaindustrieverbänden Pharmig und FOPI für die diesbezügliche Zusammenarbeit: „Damit haben wir bewiesen, dass es möglich ist, auch in politisch turbulenten Zeiten über verschiedene Ministerien und Interessensgruppen hinweg gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um im Standortwettbewerb so stark wie möglich aufzutreten.“
Ähnlich äußerte sich Pharmig-Präsident Martin Munte. Die „exzellente“ Bewerbung Wiens sei „von einem starken Miteinander und viel positiver Energie getragen“ gewesen. Wien und Österreich hätten „stark an Aufmerksamkeit gewonnen, vor allem auch, weil Wien in die Favoritenrolle aufgestiegen ist. Es konnte aufgezeigt werden, wie gut wir hinsichtlich unserer Wirtschaftsleistung und Bedeutung als Life-Science-Standort innerhalb der EU aufgestellt sind“.
Kritik an Kurz und Schelling
Weniger freundlich reagierte der Gesundheitssprecher der NEOS, Gerald Loacker, der der Bundesregierung vorwarf, die Bewerbung „sabotiert“ zu haben. Er kritisierte insbesondere ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz sowie Finanzminister Hans Jörg Schelling. Sie hätten sich „parallel um die Europäische Bankenaufsicht EBA bemüht. Dass man sich einfach mal überall beworben hat, zeugt nicht gerade von ernsthaftem Interesse an der EMA und war – wie sich nun erwartungsgemäß gezeigt hat – kontraproduktiv“.
EMA-Executive Director Guido Rasi gab sich „geehrt, dass so viele Staaten unsere Organisation beherbergen wollten. Das zeigt unsere wichtige Rolle beim Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie bei der Unterstützung einer dynamischen und innovativen Pharmaindustrie“. Nun gehe es ans Übersiedeln der Organisation und ihrer 900 Beschäftigten. Spätestens am 30. März 2019, wenn Großbritannien die EU verlässt, muss der Umzug abgeschlossen sein.
November 20th
Biotechnologie am Computer
20.11.17
von
Klaus Fischer
Siemens hat ein „Living Lab für die Digitalisierung von Bioprozessen“. Es dient dazu, einschlägige Produktionsverfahren technisch und kommerziell zu optimieren - nicht zuletzt in der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie.
Ein sogenanntes „Living Lab für die Digitalisierung von Bioprozessen“ hat Siemens in Wien eingerichtet. Versucht wird darin, das Wachstum von Hefezellen digital möglichst exakt abzubilden. Dieser Vorgang dient als Modell dafür, andere Bioprozesse in digitaler Form zu reproduzieren, um sie simulieren und in weiterer Folge optimieren zu können. So soll ihre Produktivität gesteigert werden, erläuterte Bernhard Kienlein, der Leiter der Division Process Industries and Drives von Siemens in Österreich. Sein Unternehmen bietet die Leistungen des laut Siemens europaweit einzigartigen Living Lab nicht zuletzt Kunden aus der Chemieindustrie, der Pharmabranche und der Lebensmittelindustrie an. Einer davon ist die Salzburger Bierbrauerei Stiegl, berichete Kienlein. Mit den Kunden gemeinsam werden „digitale Zwillinge“ realer Produktionsverfahren entwickelt. So ist es mit vergleichsweise geringen Kosten möglich, die Verfahren zu verbessern und Mehrwert zu generieren. „Co-creation of value“, gemeinsame Wertschöpfung, wird dies laut Kienlein neuerdings genannt. Und die Einsatzmöglichheiten sind seinen Angaben zufolge so gut wie unbegrenzt: „Das reicht von der Lebensmittelherstellung bis zur Abwasserentsorgung.“ Entsprechend groß sei das Interesse: „Wir haben laufend Kunden da.“
Technisch funktioniert die Sache so: Mit einer Vielzahl von Sensoren wird das Wachstum von Hefezellen in einem Bioreaktor weitestgehend lückenlos überwacht. Auf Basis mehrerer hundert Parameter entwickelt Siemens Algorithmen und statistische Modelle, mit denen sich der Wachstumsprozess nachbilden lässt. So ist es möglich, die Parameter auf einen einzigen zu „verdichten“ und diesen über den gesamten realen Produktionsprozess hinweg zu überwachen. Bei Abweichungen von der Norm lässt sich jederzeit eingreifen. Dieses kontinuierliche Prozessmanagement ermöglicht, die ungewollte Herstellung fehlerhafter Chargen zu vermeiden und wirtschaftliche Verluste zu verhindern.
Etwa fünf Millionen Euro investierte Siemens in das Living Lab, teilte Unternehmenschef Wolfgang Hesoun dem Chemiereport mit. Er plädierte bei der Präsentation des Lab am 20. November „für die Digitalisierung in Europa. Bei der industriellen Produktion hinken wir der übrigen Welt nämlich nicht hinterdrein, sondern sind in fast allen Sektoren viele Jahre voraus. Die Zukunft Österreichs und der EU als Industriestandort hängt an der Digitalisierung“. Diese bedeute aber keineswegs, „dass wir jetzt sämtliche Arbeitsplätze wegrationalisieren“, betonte Hesoun. Den „großen Einschnitt“ habe es es seinerzeit mit der Prozessautomatisierung ohnehin bereits gegeben: „Das ist weitgehend erledigt.“ Die Digitalisierung diene dem Sichern von Standorten und gefährde diese keineswegs.
November 16th
Pharmaindustrie: Kritik am Hauptverband
16.11.17
von
Klaus Fischer
Die Gebarungsprognosen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (HV) dienen dazu, die Branche unter Druck zu setzen, kritisieren Pharmig und FCIO. Der HV sieht das anders.
Auf wenig Wohlwollen seitens der Pharmaindustrie stößt die neue Gebarungsprognose des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (HV). Dieser zufolge „hat sich im Vergleich zur Vorschau von Mitte August die Gesamtgebarung bei einem Gesamtbudget von 18,5 Milliarden Euro von ursprünglich minus 37 Millionen Euro auf minus elf Millionen Euro verbessert“.
Laut dem Generalsekretär des Pharmaindustrieverbandes Pharmig folgen die Veröffentlichungen der Prognosen indessen „Jahr für Jahr demselben Schema: Es beginnt mit einem eklatanten Minus, das im Laufe des Jahres nach unten korrigiert wird, bis am Ende der Gebarungsperiode – erfreulicherweise und für alle dann doch überraschend – ein Plus ausgewiesen werden kann“. Ein mittlerweile vertrautes Spielchen, um der Pharmaindustie über angeblich stark steigende Arzneimittelpreise die „Schuld am zu erwartenden hohen Defizit der Krankenkassen“ zuzuweisen. Doch könne von hohen Medikamentenpreisen in Österreich keine Rede sein. Vielmehr lägen diese bekanntermaßen unter dem EU-weiten Durchschnitt. „Wir sind kein Hochpreisland, im Gegenteil. Die Kostentreiber liegen ganz wo anders im Gesundheitswesen, nämlich bei den Strukturen, der Verwaltung und in einem ineffizienten Spitalswesen“, betonte Huber.
Ähnlich argumentierte die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Sie verwies auf das Jahr 2016: Da seien die Medikamentenkosten um 2,5 Prozent gestiegen. Die Verwaltungskosten der Krankenkassen hätten sich dagegen um 4,7 Prozent und somit fast das Doppelte erhöht. Außerdem bedeutet ein Anstieg der Ausgaben für Arzneimittel nicht zwangsläufig, dass die Produkte teurer werden, erläuterte Hofinger. In den kommenden Jahren etwa werde sich die Zahl der Versicherten erhöhen. Außerdem steige die Lebenserwartung, und die Zahl der chronischen Erkrankungen nehme ebenfalls zu. Umso wichtiger sei es, nun endlich effizientere Strukturen im Gesundheitswesen zu schaffen, beispielsweise durch eine Fusion der Krankenkassen. Ferner empfehle sich, „durch eine innovations- und investitionsfreundliche Standortpolitik die heimischen Spitzenleistungen im Bereich der Medizin- und Pharmaforschung zu unterstützen“.
Anders sieht die Sache HV-Vorsitzender Alexander Biach. Ihm zufolge ist die Entwicklung der Gebarung und damit auch der diesbezüglichen Prognosen „den gemeinsamen intensiven Anstrengungen aller Krankenversicherungsträger zu verdanken“.
Manifest für die Bioökonomie
16.11.17
von
Klaus Fischer
Der Chemieindustrieverband CEFIC und 25 weitere Organisationen plädieren dafür, die EU zu einem erstklassigen Standort für Unternehmen zu machen, die nachwachsende Rohstoffe für nachhaltige Wertschöpfung nutzen.
Gemeinsam mit 25 weiteren Interessenvertretungen veröffentlichte der europäische Chemieindustrieverband CEFIC am 16. November das sogenannte „European Bioeconomy Stakeholders Manifesto“. Dessen Ziel besteht darin, die Debatten über die Entwicklung einer weltweit führenden Bioökonomie in der EU weiter voranzutreiben. Den Hintergrund bilden unter anderem das Kreislaufwirtschaftspaket der EU, die geplante Revision der Bioökonomie-Strategie sowie die Diskussionen über zukünftige Schwerpunkte in den Forschungsprogrammen der Gemeinschaft.
Wie es in einer Aussendung der CEFIC hieß, hat die Chemieindustrie aus zwei Gründen Interesse an einer starken europäischen Bioökonomie: Erstens machen geeignete Chemikalien Biotechnologien erst möglich. Für die Branche eröffnet sich damit ein attraktiver Absatzmarkt. Zweitens nutzt die Chemiebranche selbst in zunehmendem Maße biologische Grundstoffe für die Herstellung ihrer Produkte sowie für die Schaffung nachhaltiger Wertschöpfungsketten.
Das 16seitige Manifest wird dem Forschungskommissar der EU, Carlos Moedas, übergeben und im Bioeconomy Stakeholders Panel der EU-Kommission diskutiert. Unter anderem plädieren die Unterzeichner für eine „Ressourcennutzung im Rahmen der Grenzen des Planeten“. Auch sogenannte nachwachsende Rohstoffe wie Biomasse sind nicht unbegrenzt verfügbar. Daher ist es notwendig, die Bioökonomie auf den Grundlagen der Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Wichtig ist weiters, dass die Bioökonomie im Dienst des Menschen steht, das heißt unter anderem Arbeitsplätze sichert und schafft und nicht auf Kosten grundlegender Menschenrechte, des Landbesitzes von Personen sowie einer sicheren Wasserversorgung geht.
Notwendig für eine erfolgreiche Bioökonomie sind laut dem Manifest stabile rechtliche Rahmenbedingungen, deren Weiterentwicklung sich zumindest einigermaßen zuverlässig einschätzen lässt. Nur so kann es gelingen, Investoren und Unternehmer zum Tätigwerden in diesem Sektor zu bewegen und Innovationen voranzutreiben. Ferner empfiehlt das Manifest die Zusammenarbeit von Akteuren aus unterschiedlichen (Wirtschafts-)Bereichen und entlang der gesamten Wertschöpfungsketten. Auch müssen langfristige Forschungs- und Entwicklungsstrategien erarbeitet werden. Nicht zuletzt gilt es auch, die Ressourcenbasis für die Bioökonomie nachhaltig sicherzustellen.
November 10th
Weiter Krach um Glyphosat
10.11.17
von
Klaus Fischer
Der neue Vorschlag der EU-Kommission bezüglich Zulassungsverlängerung erhielt nicht die notwendige Zustimmung. Auch im Berufungsausschuss des zuständigen Expertengremiums zeichnet sich diese nicht ab.
Unerwartet kam das Ergebnis eher nicht: Die EU-Kommission scheiterte am 9. November mit ihrem neuesten Vorschlag bezüglich der Zulassung für Glyphosat. Statt um zehn Jahre sollte diese nun um fünf Jahre verlängert werden, also bis zum 15. Dezember 2022. Dies hätte der Forderung entsprochen, die das EU-Parlament am 24. Oktober erhob. Doch bei der Abstimmung im Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed (PAFF Committee) kam die notwendige „qualifizierte Mehrheit“ der Stimmen der EU-Mitgliedsstaaten (55 Prozent der Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) auch diesmal nicht zustande. Für den Kommissionsvorschlag stimmten 14 Staaten, darunter Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Spanien und Ungarn. Neun Staaten lehnten den Vorschlag ab, unter ihnen Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland und Italien. Fünf weitere Staaten enthielten sich der Stimme, darunter Deutschland, Polen und Portugal.
Am Zug ist nun der Berufungsausschuss, der am 28. November tagt. Die EU-Kommission kündigte an, ihm einen neuerlichen Vorschlag zur Zulassungsverlängerung zu unterbreiten. Ergibt sich im Berufungsausschuss keine qualifizierte Mehrheit, kann die Kommission die Verlängerung auch selbst beschließen. Tut sie dies nicht, läuft die Zulassung am 15. Dezember des heurigen Jahres aus. Restbestände des Mittels dürften dann noch binnen anderthalb Jahren verbraucht werden, das heißt bis Mitte 2019. Dass sich im Berufungsausschuss eine qualifizierte Mehrheit findet, ist allerdings kaum zu erwarten: An der Haltung Deutschlands wird sich nichts ändern, bis die neue Bundesregierung gebildet ist. Die französische Regierung wiederum ist gespalten: Umweltminister Nicolas Hulot ist für eine Verlängerung um maximal drei Jahre, Landwirtschaftsminister Stéphane Travert dagegen für fünf bis sieben Jahre, Premierminister Édouard Philippe für höchstens vier Jahre.
Die Reaktionen auf das gestrige Abstimmungsergebnis im PAFF erfolgten erwartungsgemäß. Die Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP) sprach von einem „unwürdigen Polit-Schauspiel“, das „dem Landwirtschafts-, Wirtschafts-, Forschungs- und Wissenschaftsstandort Europa sowie dem Ansehen der EU-Behörden“ schade. Wissenschaftliche Fakten würden ignoriert, das „zutiefst verwerfliche Spiel der NGOs mit der Angst der Menschen und die Panikmache gefördert“. Und IGP-Obmann Christian Stockmar fügte hinzu: „Gemäß dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand würde nichts gegen eine Wiederzulassung für 15 Jahre sprechen.“
Seitens der NGOs war von einem „Misstrauensvotum der Mitgliedstaaten gegen die Zulassungsbehörden“ die Rede. Die EU-Kommission müsse „nun den endgültigen Ausstieg vorschlagen“.
Karin Kadenbach, Abgeordnete der SPÖ zum EU-Parlament, verlautete: „Wir brauchen so schnell wie möglich ein Verbot des Pflanzengifts. Im EU-Parlament haben wir uns bereits auf den Kompromiss einigen können, dass ab 15. Dezember 2022 das Pestizid europaweit verboten werden soll und für eine sofortige Beschränkung bei der Verwendung des Stoffes gestimmt – allerdings ohne die Stimmen von ÖVP und FPÖ.“ Kadenbach zufolge muss „mit der Salamitaktik der ewigen Glyphosat-Verlängerung Schluss sein muss. Das sehen auch viele Bürger so: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben bereits die Europäische BürgerInneninitiative für ein Verbot unterzeichnet“.
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