Archive

November 24th, 2022

Titandioxid: EU-Gericht verwirft Verordnung der EU-Kommission

Eine bestimmte Pulverform des Weißpigments wurde fälschlich als krebserregend eingestuft. Nach Ansicht der österreichischen Chemieindustrie kann Titandioxid nun in Lacken und Farben sicher weiterverwendet werden.

 

Die EU-Kommission hat das Weißpigment Titandioxid in einer bestimmten Pulverform fälschlich als möglicherweise krebserregend eingestuft. Ihr darauf beruhendes Verbot des Einsatzes der Chemikalie in Farben und Lacken ist daher nichtig. Das stellt das Gericht der EU (EuG) in einem Urteil vom 23. November sinngemäß fest. Laut dem Gericht hatte die Kommission in ihrer Verordnung aus dem Jahr 2019 behauptet, es bestehe der Verdacht, dass Titandioxid karzinogen sei, wenn es „in Pulverform mit mindestens einem Prozent Partikel mit aerodynamischem Durchmesser von höchstens zehn Mikrometern (μm) “ eingeatmet werde. Sie stützte sich dabei auf eine Einstufung durch den Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA (RAC) aus dem Jahr 2017.

 

Das Gericht stellt dazu zweierlei fest: Erstens sei „im vorliegenden Fall das Erfordernis, dass die Einstufung eines karzinogenen Stoffes auf zuverlässigen und anerkannten Untersuchungen beruhen muss, nicht erfüllt“. Der RAC habe seiner Stellungnahme nämlich eine Studie zugrunde gelegt, die falsche Behauptungen hinsichtlich der Lungenüberlastung durch Titandioxid enthalte. Indem die Kommission sich auf die Einstufung des RAC stützte, habe sie dessen Fehlurteil übernommen.

 

Zweitens verstieß die Kommission gegen das Kriterium, „wonach sich die Einstufung eines Stoffes als karzinogen nur auf einen Stoff mit der intrinsischen Eigenschaft, Krebs zu erzeugen, beziehen darf“. Der RAC dagegen habe Titandioxid richtigerweise ausdrücklich als „nicht intrinsisch im klassischen Sinn“ eingestuft. Diese „nicht im klassischen Sinn intrinsische“ Natur der Karzinogenität der Chemikalie ergebe sich noch dazu aus Gründen, die die Kommission in ihrer Verordnung selbst anführe: „Denn die Gefahr der Karzinogenität besteht nur in Verbindung mit bestimmten lungengängigen Titandioxidpartikeln, wenn sie in einem bestimmten Aggregatzustand, einer bestimmten Form, einer bestimmten Größe und einer bestimmten Menge vorhanden sind. Sie zeigt sich nur bei einer Lungenüberlastung und entspricht einer Partikeltoxizität.“

 

Dem Urteil des EuG liegt eine Klage gegen die Verordnung der EU-Kommission zugrunde, die der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) gemeinsam mit der Lackfirma Rembrandtin angestrengt hatte. In einer Aussendung begrüßte der Verband das Urteil. Klaus Schaubmayr, der Geschäftsführer der Berufsgruppe der Lack- und Anstrichmittelindustrie im FCIO, konstatierte darin, er freue sich, „dass mit dem Urteil für unsere Unternehmen Rechtssicherheit geschaffen wurde und hoffen sehr, dass bei zukünftigen Einstufungen von Stoffen mehr auf eine valide Datenlage gesetzt wird“.

 

Der FCIO ergänzte, Titandioxid könne nun „weiterhin sicher in Lacken und Farben verwendet werden“. Das Weißpigment werde seit rund 100 Jahren kommerziell verwendet „und derzeit in Mengen von bis zu zehn Millionen Tonnen pro Jahr in Europa hergestellt oder verarbeitet. Zehntausende Arbeiter weltweit und Millionen Konsumenten kommen tagtäglich mit Titandioxid in Kontakt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine krebserregende Wirkung bei einer solch weitreichenden Exposition bislang verborgen geblieben wäre“.

 

 

October 21st

Pharmaindustrie fordert Inflationsabgeltung

Die Branche wolle „nichts geschenkt haben“, sondern „faire Preise“, hieß es bei einer Pressekonferenz. Neben der Abgeltung der Inflation sei auch die Weiterführung des Preisbandes für Generika unverzichtbar.

 

 

Ihre Forderung nach Anpassung der Arzneimittelpreise an die Inflation wiederholten kürzlich Vertreter der Pharmaindustrie bei einem Pressegespräch des Branchenverbandes Pharmig. Dessen Generalsekretär Alexander Herzog erläuterte, nötig sei eine Novelle des ASVG sowie eine entsprechende Anpassung der Verordnung des Dachverbands der Sozialversicherungsträger zum Erstattungskodex. Weitergeführt werden sollte der Pharmaindustrie zufolge auch das Preisband bezüglich der Generika. Laut einer seit 18. März in Kraft befindlichen ASVG-Novelle hat der Dachverband das Preisband am 1. Oktober kommenden Jahres „letztmalig“ festzulegen. Der Höchstpreis für wirkstoffgleiche Arzneimittelspezialitäten darf dabei um maximal 20 Prozent statt bisher 30 Prozent „über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität desselben Wirkstoffs liegen“. Kommt die Politik diesen Wünschen nicht nach, könnten manche Medikamente vom österreichischen Markt verschwinden, warten die Pharma-Repräsentanten.

 

Ilse Bartenstein, die Obfrau der Berufsgruppe Pharmaindustrie im Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Geschäftsführerin bei G.L.Pharma GmbH sowie Gerot Lannach Holding GmbH, erläuterte, sie wolle von der Politik nichts geschenkt, benötige aber „faire Preise“: „Ich bin zutiefst Unternehmerin. Ich möchte mit dem, was ich tue, einen adäquaten Preis erreichen können, damit ich unternehmerisch tätig sein kann.“ Das aber lasse sich nur mittels der Inflationsabgeltung und des Preisbands erreichen. Das Preisband ermögliche einer Mehrzahl von Unternehmen, ihre Produkte zu vermarkten, und diene damit der Versorgungssicherheit. Ähnlich argumentierte Katherina Schmidt, die Geschäftsführerin der Montavit. Unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen sei es nicht möglich, höhere Produktionskosten, etwa infolge steigender Strompreise und Löhne, weiterzugeben. Die Inflationsabgeltung und das Preisband seien daher unverzichtbar. „Wir wollen nichts geschenkt haben, sondern gut wirtschaften können“, betonte Schmidt.

 

Pharmig-Vizepräsident Bernhard Wittmann, der Geschäftsführer der Sigmapharm, ergänzte, die Politik habe grundsätzlich die Bedeutung der Pharmabranche verstanden. Leider hapere es an konkreten Maßnahmen und Unterstützungen. Vielfach herrsche die Auffassung: „Da muss jemand Geld locker machen, aber bitte nicht ich.“ Letzten Endes gehe es um eine gesellschaftliche Entscheidung. Wenn die Gesellschaft eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln wünsche, „wird uns diese Sicherheit auch etwas wert sein müssen“.

 

Wolfgang Andiel, der Präsident des Generikaverbands, schloss sich diesen Aussagen an. Er sprach von einem „fatalen Dreieck“ aus permanent steigenden rechtlichen sowie regulatorischen Anforderungen, steigenden Kosten und sinkenden Preisen. Die Forderung nach der Inflationsabgeltung und der Weiterführung des Preisbandes könne er „nur unterstreichen“, beschied Andiel.

October 7th

OMV-Raffinerie Schwechat wieder im Vollbetrieb

Die Reparatur der Hauptkolonne der Rohöl-Destillationsanlage wurde erfolgreich abgeschlossen, heißt es seitens des Öl-, Gas- und Chemiekonzerns.

 

Die Raffinerie Schwechat der OMV ist wieder im Vollbetrieb, meldete der Öl-, Gas- und Chemiekonzern. Bekanntlich wurde am 3. Juni 2022 im Zuge der Generalüberholung der Anlage die Außenhaut an der Hauptkolonne der Rohöl-Destillationsanlage beschädigt. Dies führte zu erheblichen Produktionseinschränkungen, nicht zuletzt bezüglich Diesel. Die OMV errichtete „alternatives Versorgungssystem“ für Kraftstoffe. Dennoch musste die Bundesregierung mehrfach Teile ihrer strategischen Kraftstoffreserven freigeben, zuletzt rund 60.000 Liter Diesel. Die Hauptkolonne ist etwa 50 Meter hoch und besitzt einen durchschnittlichen Durchmesser von acht Metern. Im Rahmen ihrer Reparatur wurde der rund 100 Tonnen schwere Kolonnenkopf abgetrennt und mit einem 70 Meter hohen Kran gehoben, „um die Demontage- und Reparaturarbeiten zu beschleunigen“.

 

Ende September schloss die OMV die gesetzlich vorgeschriebene Wasserdruckprüfung der wiederhergestellten Hauptkolonne ab. In der Folge nahm der Konzern die Rohöl-Destillationsanlage wieder in Betrieb. Das alternative Versorgungssystem bleibt vorerst im Einsatz, um die strategische Reserve möglichst rasch wieder aufzufüllen.

 

OMV-Generaldirektor Alfred Stern konstatierte, Dank der Flexibilität, der Unterstützung und des außerordentlichen Einsatzes aller Beteiligten sei es möglich gewesen, die Reparatur ohne Zwischenfälle abzuschließen und die Märkte zuverlässig zu versorgen: „Danken möchte ich auch der österreichische Bundesregierung und den Mitgliedern des Nationalrats sowie den zuständigen Behörden und Ministerien in der Slowakei und Ungarn, die durch die Freigabe von Teilen der Pflichtnotstandsreserve dazu beigetragen haben, Engpässe zu überbrücken und die Versorgung stabil zu halten.“

 

 

October 6th

Chemie-Nobelpreis 2022: Ausgezeichnete „Click-Chemie“

Der Nobelpreis für Chemie geht an K. Barry Sharpless, Morten Meldal und Carolyn Bertozzi für die Entwicklung des Konzepts der Click-Chemie und seine Anwendung in lebenden Zellen („Bioorthogonale Chemie“)

Der Fortschritt in der Chemie werde nicht nur durch Entdeckungen und Verbesserungen angetrieben, sondern auch durch die Formulierung von Konzepten, ist im „wissenschaftlich Hintergrund“ zu lesen, den die Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit der Bekanntgabe des diesjährigen Chemie-Nobelpreises veröffentlichte. Die diesjährigen Preisträger haben sich ihre Verdienste zu einem großen Teil durch neue Konzepte erworben – und zwar solche, die die Dinge nicht komplizierter, sondern einfacher gemacht haben.

Um die Jahrtausendwende herum prägte der US-Chemiker K. Barry Sharpless den Begriff der Click-Chemie: Auf dem Weg zu dem riesigen Arsenal möglicher Wirkstoffe (etwa für medizinische Anwendungen) sollten vor allem solche Reaktionen zur Anwendung kommen, die chemische Umwandlungen in möglichst hoher Ausbeute, unter Ausschluss von Nebenprodukten, unter einfache Reaktionsbedingungen und mit billigen Ausgangsstoffen ermöglichen. Einfach zusammenbringen – und schon macht‘s „click“. Wenig später realisierten Sharpless und der dänische Chemiker Morten Meldal unabhängig voneinander ein Paradebeispiel einer solchen Click-Reaktion: die Kupfer-katalysierte Azid-Alkin-Cycloaddition.

 

Das geht auch innerhalb von lebenden Zellen

Stanford-Professorin Carolyn Bertozzi hob die Click-Chemie nochmals auf eine neue Ebene: Sie entwickelte Click-Reaktionen, die sich im Inneren lebender Zellen abspielen, ohne die sonstigen Stoffwechselvorgänge zu unterbrechen. Das geht, wenn die zur Anwendung gebrachten Reaktionen so spezifisch sind, dass selbst das hochfunktionalisierte biologische Milieu dem nicht in die Quere kommt. Dieses Prinzip, das unter dem Namen „Bioorthogonale Chemie“ bekannt wurde, wird heute breit angewandt – um die Chemie verschiedener Zelltypen besser kennenzulernen, aber auch um Wirkstoffe und Diagnostika gezielter zu designen.

Sharpless hat mit der diesjährigen Auszeichnung etwas erreicht, was nur wenigen vor ihm gelang: zweimal den Nobelpreis für dasselbe Fach zu bekommen – in Chemie war das vor ihm nur Frederick Sanger gelungen. Bereits 2001 wurde Sharpless für chiral katalysierte Oxidationsreaktionen ausgezeichnet.

 

 

October 4th

Physik-Nobelpreis für Anton Zeilinger

Nach langer Zeit kann sich wieder ein Österreicher über einen der wissenschaftlichen Nobelpreise freuen: Anton Zeilinger, Pionier der experimentellen Quantenphysik, erhält gemeinsam mit Alain Aspect und John Clauser den Nobelpreis für Physik 2022.

Die Arbeiten der drei Laureaten kreisen um einen zentralen Begriff der Quantenphysik: Verschränkung (englisch „entanglement“): Mehrere Teilchen bilden zusammen ein System in einem bestimmten Zustand, auch wenn sie sich in gewisser Distanz zueinander befinden. Werden in einer Messung die Eigenschaften eines Teilchens bestimmt, sind die der anderen unmittelbar mitdeterminiert. Prinzipiell könnte es dafür zwei Gründe geben: Diese Eigenschaften stehen schon vor der Messung fest, können aber nicht bestimmt werden (in einem solchen Fall würde man von „verborgenen Variablen“ sprechen), oder sie werden nach stochastischen Gesetzen erst im Zuge der Messung festgelegt (was echte Verschränkung wäre).

Zwischen den beiden Situationen kann man durch geeignete Experimente unterscheiden, wie zuerst John Clauser auf Basis der von John Stewart Bell formulierten theoretischen Grundlagen zeigen konnte: Die Ergebnisse, die Clauser erzielte, verletzten die sogenannte Bellsche Ungleichung und zeigten damit, dass die Quantenmechanik nicht durch eine Theorie mit verborgenen Variablen ersetzt werden kann. Alain Aspect verfeinerte das experimentelle Setting, um zu beweisen, dass diese Ergebnisse nicht von den Einstellungen des Detektors zum Zeitpunkt der Emission der Teilchen abhängen.

 

Fasziniert durch die Quantenphysik

Anton Zeilinger baute in langen Versuchsreihen auf die Ergebnisse zur Verschränkung von Teilchen auf. 1997 ließ er mit seinem Team zwei verschränkte Photonen voneinander wegbewegen, wobei eines davon auf ein drittes, bisher unbeteiligtes Teilchen traf. Nun verschränkten sich die Zustände der beiden aufeinandergetroffenen Photonen und das „freigelassene“ Teilchen übernimmt die Eigenschaften des davor „Ungepaarten“, obwohl sich ersteres an einem anderen Ort aufhält – ein Phänomen, das man „Teleportation“ nennt. Dem folgten zahlreiche weitere Experimente, die nicht nur Rekorde in der Übertragung von Quanteninformation brachen, sondern auch wesentlich zu deren Verständnis beitrugen. Heute gibt es dafür eine ganze Reihe von Anwendungen, beispielsweise Quantenkryptographie und Quantencomputer.

In einem ersten Statement hob Zeilinger das Klima hervor, das sein Doktorvater Helmut Rauch am Atominstitut in Wien (damals eine interuniversitäre Einrichtung) geschaffen hatte und das ihm den Raum gab, seiner Faszination an der Quantenphysik nachzugehen. Aus Zeilingers Arbeiten an den Universitäten Innsbruck und Wien gingen zahlreiche Forschungsgruppen hervor, die heute untereinander und mit anderen im Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IQOQI) verbunden sind.

October 3rd

Borealis: Arbeiten in Kallo wieder aufgenommen

Im August waren Tätigkeiten zur Errichtung einer Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) wegen behaupteter Menschenrechtsverletzungen gestoppt worden. Nach einer Neuausschreibung geht es nun weiter.

 

Der Kunststoff- und Düngerkonzern Borealis hat die Arbeiten an seiner neuen Propan-Dehydrierungsanlage (PDH) in Kallo in Belgien wieder aufgenommen. Etwa 80 Prozent der Tätigkeiten waren im August eingestellt worden, nachdem die zuständigen belgischen Behörden Menschenrechtsverletzungen durch eines der beauftragten Unternehmen festgestellt hatten. In der Folge führte die Borealis für mechanische Arbeiten sowie Rohrleitungsbauten eine neue Ausschreibung durch. Den Zuschlag erhielt die französische Ponticelli Frères mit Hauptsitz in Paris. 

 

Sie war seinerzeit in einer Projektgesellschaft mit der italienischen IREM in Kallo tätig, die die Bezeichnung IREM-Ponticelli trug. Der IREM warfen die belgischen Behörden vor, 174 Arbeiter von den Philippinen und aus Bangladesh unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt und auf der Baustelle illegal beschäftigt zu haben. Entlohnt wurden die Arbeiter bei sechs Arbeitstagen pro Woche angeblich mit höchstens 650 Euro im Monat. Eine ihrer Unterkünfte war den Behörden zufolge unbenutzbar. Ponticelli Frères betonte nach Bekanntwerden der Anschuldigungen, jeder der Partner führe seine Tätigkeiten selbständig und mit eigenem Personal durch. Die IREM-Ponticelli als solche habe keinen einzigen Beschäftigten: „Wir bedauern den Missbrauch der Arbeiter und sind von den diesbezüglichen Nachrichten schwer betroffen.“

 

Auf Anfrage teilte die Borealis dem Chemiereport mit, die Ponticelli Frères sei nun mit jenen Tätigkeiten beauftragt, die sie auch seinerzeit im Rahmen der Projektgesellschaft ausgeführt habe: „Für den verbleibenden Umfang (Rohrleitungen/Mechanik, Bau und Elektro/Instrumentierung) ist noch eine Neuausschreibung erforderlich.“ Ponticelli Frères habe die Einhaltung des belgischen Rechts, „insbesondere der Sozialgesetzgebung, durch ein externes Audit, das Ponticelli selbst sowie seine untergeordneten Lieferanten umfasst, bestätigt“. Sämtliche Verträge mit der IREM seien „wegen Versäumnissen auf Basis von Nichtkonformität mit grundlegenden Vertragsprinzipien aufgelöst“ worden. Die Borealis „duldet keinerlei illegales und unethisches Verhalten und ergreift im Falle eines Verdachts sofortige Maßnahmen“.

 

Wegen des Stillstands werde sich die Fertigstellung der PDH verzögern, hieß es in einer Aussendung. Zu rechnen sei mit deren Inbetriebnahme im zweiten Halbjahr 2024. Die Borealis bezeichnet den Bau als „Megaprojekt“, in das sie rund eine Milliarde Euro investiert. 

 

 

September 29th

Lob und Tadel für Energiekostenzuschuss

Wirtschaftsvertreter begrüßen den Ministerratsbeschluss grundsätzlich, mahnen aber Nachbesserungen ein. Heftige Kritik kommt von der Opposition.

 

Der Energiekostenzuschuss sei ein „erstes wichtiges Signal für dringend notwendige Unterstützungsmaßnahmen“. Benötigt würden aber „dringend ergänzende Maßnahmen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken“, betonte der Obmann der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Siegfried Menz in Reaktion auf den Ministerratsbeschluss vom 28. September. Menz zufolge hat sich der Anteil der Energiekosten an den gesamten Produktionskosten „im letzten Jahr zumindest verdrei- bis versechsfacht, oft geht es dabei ums wirtschaftliche Überleben“. In Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, verlangte Menz, den EU-rechtlich möglichen Förderzeitraum nicht zu verkürzen. Auch das Kriterium des Betriebsverlustes bei den Förderstufen 3 und 4 muss laut Menz entfallen, wofür allerdings eine Überarbeitung des EU-Beihilferahmens notwendig ist. Bei den Förderungen zu berücksichtigen ist laut Menz ferner der indirekte Bezug von Erdgas in Form von Wärme oder Dampf. „Für viele Betriebe steht die Zukunft am Standort Österreich auf dem Spiel. Wenn Unternehmen einmal Produktionen oder sogar ganze Standorte stilllegen, ist es meist zu spät“, warnte Menz. Einmal mehr urgierte er „die Kompensation indirekter CO2-Kosten aus der Stromerzeugung zur Vermeidung von Carbon Leakage“, die Förderrichtlinie zum Gas-Diversifizierungsgesetz sowie die Energielenkungsverordnung zur Förderung des freiwilligen Energieträgerwechsels.

 

IV-Präsident Knill ergänzte, auf Basis des Ministerratsbeschlusses könne nun endlich „ein Teil der explodierenden Energiekosten abgefedert werden“. Doch weitere Entlastungen müssten „jetzt so rasch wie möglich folgen“. Außerdem seien „Schwachstellen“ hinsichtlich des Energiekostenzuschusses zu beseitigen. Insbesondere muss laut Knill „das Budget von den nun angekündigten 1,3 auf 2,5 Milliarden Euro aufgestockt und der Förderzeitraum bis mindestens Ende 2023 verlängert werden“.

 

Unbürokratisch umsetzen

 

Der Wirtschaftslandesrat Niederösterreichs, Jochen Danninger, wiederum betonte im Einklang mit dem Präsidenten der WKÖ Niederösterreich, Wolfgang Ecker, „dass die Energiehilfen nun rasch bei den Unternehmen ankommen müssen“. Darüber hinaus müsse der Förderzeitraum deutlich verlängert werden. „Die Förderungen decken nur Energie-Mehrkosten für den Zeitraum Februar bis September 2022 ab. Hier brauchen die Betriebe einen deutlich längeren Förderzeitraum. Wir brauchen einen Schutzschirm bis Ende 2023, damit die Betriebe Planungssicherheit erhalten und ihre Kosten kalkulieren können“. Danninger ergänzte, „ob die nun vorliegenden Hilfen, die noch von der EU-Kommission bestätigt werden müssen, wirklich diesem Anspruch gerecht werden können, wird sich bei der praktischen Umsetzung zeigen. Jetzt geht es darum, dass die Hilfen unbürokratisch abgerufen werden und wirklich rasch bei den Betrieben ankommen“.

 

„Hochgradige Unfähigkeit“

 

Heftige Kritik am Energiekostenzuschuss und dessen Ausgestaltung übte der Wirtschaftssprecher der SPÖ im Nationalrat, Christoph Matznetter. Die Bundesregierung beweise mit der Maßnahme „einmal mehr ihre hochgradige Unfähigkeit. ÖVP und Grüne haben drei Monate für die Ausarbeitung der Richtlinien gebraucht und über Heizschwammerln gestritten. In dieser Zeit mussten Unternehmen bereits ihre Produktionen zurückfahren und Menschen in Kurzarbeit schicken, weil sie sich die hohen Energiekosten nicht mehr leisten können. Wenn Wirtschaftsminister Kocher nun die Auszahlung bis Ende des Jahres verspricht, kommt die Hilfe schlichtweg zu spät“.

 

 

 

 

August 31st

Marinomed: Arzneimittelforschung auf guter OTC-Geschäftsbasis

Das börsennotierte Life-Sciences-Unternehmen Marinomed konnte seinen Umsatz im ersten Halbjahr 2022 um mehr als die Hälfte steigern. In der F&E-Strategie setzt man auf verschreibungspflichtige Medikamente für gezielt ausgewählte Leitindikationen.

Wer im Geschäft mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit tätig ist, für den waren die Lockdowns der Jahre 2020 und 2021 keine gute Zeit: Die Kontaktminimierung, mit der COVID-19 bekämpft werden sollte, war auch sehr effektvoll zur Verhinderung anderer Atemwegsinfektionen. Doch während andere Umsatzeinbußen zu beklagen hatten, stieg der Umsatz von Marinomed in dieser Zeit an: Die aus Rotalgen gewonnenen sulfatierten Polysaccharide, die in der vom Unternehmen entwickelten Technologie-Plattform „Carragelose“ zum Einsatz gebracht werden, umwickeln auch Viruspartikel von SARS-CoV-2 und blockieren so ihre Bindung an Wirtszelle.

Nun, nachdem die gegen COVID gerichteten Maßnahmen nach und nach gelockert wurden, traten zusätzlich zu dem Coronavirus auch wieder klassische Rhinoviren auf, der Bedarf nach Sprays und Pastillen ist umso größer. Zudem konnte Marinomed die vergangenen Monate nutzen, um seine Marktposition bei verschreibungsfreien Medikamenten durch Kooperationen mit Procter & Gamble in den USA, Hanmi in Südkorea und M8 in Lateinamerika auszubauen. Das zeigt sich in den Zahlen für das erste Halbjahr 2022, die das seit 2019 an der Wiener Börse notierte Biotechnologie-Unternehmen präsentierte: Der Umsatz stieg im Vergleich zum selben Zeitraum 2021 um 52 Prozent auf 4,9 Millionen Euro an. Gemeinsam mit der Auszahlung von 6 Millionen Euro aus der letzten Tranche der Finanzierungsvereinbarung mit der Europäischen Investitionsbank EIB befindet sich das Unternehmen nach den im August veröffentlichten Kennzahlen mit 11,0 Millionen Euro an liquiden Mitteln in einer stabilen finanziellen Lage. Das operative Ergebnis (EBIT) konnte von minus 3,65 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021 auf minus 2,52 Millionen Euro in der ersten Hälfte 2022 verbessert werden.

Bessere Löslichkeit gegen Entzündungen in Auge und Magen

Im Forschungsprogramm, das darauf ausgerichtet ist, die OTC-Produkte durch rezeptpflichtige Arzneimittel zu ergänzen, gab es eine Änderung der strategischen Ausrichtung: Anstatt mit Marinosolv“, der zweiten Plattform des Unternehmens, auf den breiten Markt allergischer Erkrankungen abzuzielen, hat man einige Leitindikationen mit bisher ungedecktem medizinischem Bedarf identifiziert. Marinosolv ermöglicht, Formulierungen bekannter Wirkstoffe mit höherer Bioverfügbarkeit herzustellen. Das Immunsuppressivum Tacrolimus will man auf diese Weise gegen herpetische stromale Keratititis, eine in vielen Fällen zur Erblindung führende infektiöse Hornhautentzündung, zum Einsatz bringen. Dafür hat man bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA „Orphan Drug“-Status beantragt. Zudem soll mittels Marinosolv ein Präparat gegen autoimmune Gastritis auf Basis einer immunmodulatorischen Substanz entwickelt werden. Auf Basis der Carragelose-Plattform wird derzeit das Polysaccharid Iota-Carrageen in Kombination mit anderen Wirkstoffen zu einem antiviralen Breitband-Inhalationsprodukt entwickelt.

Borealis: Bauernbund Niederösterreich gegen Düngemittelsparten-Verkauf

In einem offenen Brief fordern Obmann Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek ÖBAG-Chefin Edith Hlawati zum Handeln auf. Sie soll nicht zuletzt OMV-Generaldirektor Alfred Stern die Leviten lesen.

 

Der Bauernbund Niederösterreich (BBN) wehrt sich weiter vehement gegen den Verkauf der Düngemittelsparte der OMV-Tochter Borealis. In einem offenen Brief an die Chefin der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), Edith Hlawati, bekräftigen BBN-Obmann sowie Agrarlandesrat Stephan Pernkopf und BBN-Direktor Paul Nemecek ihre Bedenken. Ihnen zufolge legten weder die OMV noch die Borealis die „strategischen Überlegungen“ hinter dem Verkauf offen. „Nachvollziehbare Gründe“ für die Transaktion gibt es aus Sicht der BBN-Chefs nicht. Im Gegenteil seien diese „völlig schleierhaft. Das Unternehmen ist weder in der Krise, noch braucht es frisches Kapital. Ganz im Gegenteil: Binnen eines Jahres konnte der Gewinn deutlich erhöht werden und das Unternehmen und gerade die Düngemittelsparte florieren. Sie sind für den österreichischen Standort sowie für die Versorgung der heimischen Landwirtschaft immanent wichtig“.

 

Zweifel haben Pernkopf und Nemecek auch an der „Seriösität des Prozesses“: Der Verkaufspreis habe sich innerhalb von wenigen Monaten auf über 800 Millionen Euro „sprunghaft verdoppelt“. Dazu komme: Der voraussichtliche Käufer, der tschechische Agrofert-Konzern, habe zwar eine Bestandsgarantie für die Düngemittelproduktion in Österreich abgegeben. Doch deren Wert sei zumindest zweifelhaft. „Vor kurzem erst“ habe die Agrofert die Produktion im deutschen Stickstoffwerk SKW Piesteritz unweit von Wittenberg eingestellt, obwohl sie auch dafür eine Standortgarantie abgegeben habe. An Hlawati müsse daher die Frage gestellt werden: „Wie wollen Sie also sicherstellen, dass nach Piesteritz nicht auch das österreichische Werk in Linz stillgelegt werden wird?“ Die Pikanterie: In Piesteritz ist die Borealis mit einer Melaminproduktion vertreten und arbeitet dabei mit der SKW zusammen.

 

Pernkopf und Nemecek appellieren daher „in höchstem Maße“ an die ÖBAG-Chefin, „Ihrer Verpflichtung gegenüber dem österreichischen Standort, der österreichischen Wirtschaft und letztlich vor allem Ihrer Verpflichtung gegenüber der österreichischen Bevölkerung nachzukommen und in dieser Angelegenheit entsprechend tätig zu werden. Im Besonderen sollte dies gegenüber OMV-CEO und Borealis-Aufsichtsratvorsitzendem Alfred Stern eindringlich und nachhaltig zum Ausdruck gebracht werden“. Stern ist laut Medienberichten ohnehin unter Druck. Seine im März vorgestellte neue OMV-Konzernstrategie werde mittlerweile auch in der ÖBAG in Zweifel gezogen. Der Strategie zufolge soll die OMV von einem Energie- zu einem Chemieunternehmen mit angegliederter Energiesparte werden.

 

Der BBN werde jedenfalls weiter gegen die Transaktion eintreten, betonen Pernkopf und Nemecek: „Der Niederösterreichische Bauernbund wird auch weiterhin alle juristischen Möglichkeiten zum Schutz und Erhalt der Versorgungssicherheit unseres Landes und zum Fortbestand des Unternehmens sowie des Standorts prüfen lassen und vorantreiben. Besonders die Verantwortung der Vertreter der ÖBAG in diesem Unternehmen gilt es zunehmend zu hinterfragen.“

 

Stichwort „juristische Möglichkeiten“: Schon vor Monaten engagierte der BBN in der Causa die auf Wettbewerbsrecht spezialisierte deutsche Anwaltskanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP. Diese übermittelte im Juli der EU-Kommission einen Brief, dem zufolge die Übernahme der Borealis-Düngemittelsparte durch die Agrofert „schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf die Märkte für stickstoffhaltige Düngemittel“ hätte. Sie sei daher „aus rechtlicher, wirtschaftlicher, als auch aus politischer Sicht nicht hinnehmbar“.

 

 

August 26th

Novartis verkauft Sandoz

Der Schweizer Pharmariese stößt sein Generika- und Biosimilarsgeschäft ab. Laut einer „strategischen Überprüfung“ gibt es nur „begrenzte“ Synergien mit Sandoz.

 

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis verkauft seine Generika- und Biosimilarssparte Sandoz. In einer Aussendung hieß es, die in den vergangenen Monaten durchgeführte „strategische Überprüfung“ habe ergeben, „dass eine Abspaltung von Sandoz durch eine hundertprozentige Ausgliederung im besten Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre ist. Dadurch entsteht das größte europäische Generikaunternehmen und ein weltweit führender Anbieter von Biosimilars sowie eine stärker fokussierte Novartis“.

 

Sandoz könne in den kommenden Jahren insbesondere im Biosimilarsbereich stark wachsen, „mehr als 15 Moleküle“ seien in der Pipeline. Novartis wiederum „will ein auf innovative Arzneimittel fokussiertes Unternehmen mit stärkerem Finanzprofil und verbesserter Kapitalrendite werden“. Laut einer Präsentation anlässlich der Bekanntgabe der Abspaltung sind die Synergien zwischen Novartis und Sandoz „begrenzt“. Die beiden Unternehmen befänden sich „an den einander entgegengesetzten Endpunkten der Pharma-Wertschöpfungskette“. Auch sei die Dynamik ihrer Geschäftsbereiche höchst unterschiedlich.

 

Abgeschlossen werden soll der Verkauf im zweiten Halbjahr 2023. Wie viel Novartis dadurch zu lukrieren gedenkt, gab der Konzern nicht bekannt. Nur so viel: „Sandoz erwirtschaftete im Jahr 2021 einen Umsatz von 9,6 Milliarden US-Dollar und war in mehr als 100 Märkten weltweit tätig, mit einer starken Präsenz in Europa wie auch in den USA und der restlichen Welt.“ Seinen Hauptsitz werde Sandoz in der Schweiz haben und dort an der Swiss Exchange (SIX) mit Hauptsitz in Zürich kotiert sein. In den USA ist der Handel mit Hinterlegungsscheinen (American Depositary Receipts, ADRs) anstelle von Aktien geplant.

 

Novartis-Chef Vasant Narasimhan sprach von einem „aufregenden Moment“. Sein Unternehmen könne sich künftig auf sein Kerngeschäft konzentrieren: „Darüber hinaus könnten sich beide Unternehmen darauf konzentrieren, die Wertschöpfung für ihre Aktionäre zu maximieren, indem sie die Kapital- und Ressourcenallokation priorisieren, eine eigene Kapitalstrukturpolitik verfolgen und den Fokus des Managements stärker auf ihre jeweiligen geschäftlichen Bedürfnisse richten.“ Näheres werde im Laufe der kommenden Monate bekannt gegeben.

 

 

Seiten