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October 4th

Nobelpreis für Chemie 2023

Wenn man Halbleiterkristalle immer kleiner macht, sollte irgendwann eine Grenze erreicht sein, unter der sie sich nicht mehr verhalten wie gewöhnliche Kristalle im Kleinformat sondern neue, nur mit der Quantenphysik erklärbare Phänomene auftreten. Das dachten sich auch jene drei Forscher, die in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet werden.

Alexei Jekimov war der erste, dem es Anfang der 1980er-Jahre am Joffe-Institut in St. Petersburg gelang, Gläser mit Nanopartikeln zu dotieren, deren Eigenschaften von der Größe der Partikel abhängt – und somit durch die Wahl dieser Größe beeinflussbar sind. Im Falle von Jekimow waren es Partikel aus Kupferchlorid, die je nach Abmessungen unterschiedliche Absorptionseigenschaften aufwiesen – und das Glas daher unterschiedlich färbten. Theoretisch konnte das gedeutet werden mithilfe des guten alten Quantenmodells eines „Teilchens im Kasten“, adaptiert um den sogenannten Exziton-Effekt, eine starke Coulomb-Wechselwirkung zwischen Elektronen und Löchern in Halbleitern

Das muss man aber einmal synthetisieren können

Auch andere Charakteristika dieser bald „Quantenpunkte“ (englisch „Quantum Dots“) getauften Kriställchen werden unterhalb einer bestimmten Grenze von deren Abmessungen abhängig: Das Auftreten von Phasenübergängen, die Schmelztemperatur, das Redoxpotenzial. Um all diese Effekte technisch nutzen zu können, bedarf es aber effektive Methoden der Synthese von Quantenpunkte – ein Metier, in dem die Chemiker punkten konnten. Louis Brus, der an den Bell Laboratories in Murray Hill, New Jersey (USA), forschte, kam auf einer ganz anderen Route zu Quantenpunkten als Jekimow (von dessen Entdeckung auf dem Boden der damaligen Sowjetunion er nichts wusste). Er beschäftigte sich mit Kristalliten aus Cadmiumsulfid, die wegen ihrer katalytischen Fähigkeiten interessant waren, und versuchte, ihre Abmessungen in Lösung mithilfe eines Polymers möglichst klein zu halten. Hob man die Lösungen eine Zeitlang auf, änderten sich die optischen Eigenschaften der Kristalle – was auch Brus richtigerweise auf Quanteneffekte zurückführte. Auch seine Methode war aber noch nicht geeignet dafür, Quantenpunkte mit vorhersagbarer Qualität herzustellen.

Hier kommt die Arbeit des dritten heurigen Nobelpreisträgers, Moungi Bawendi, ins Spiel. Bawendi, der in Paris geboren wurde, hatte in Brus‘ Labor begonnen, sich mit verbesserten Methoden zur Synthese von Quantenpunkten zu beschäftigen – und alle möglichen Parameter dafür variiert: Ausgangsmaterial, Lösungsmittel, Temperatur. In seinem eigenen Labor am MIT (Cambridge, Massachusetts) gelang der Durchbruch: Wurde von der Substanz, die Nanokristalle ausbilden sollte, gerade so viel in ein gut ausgewähltes Lösungsmittel injiziert, dass die Lösung gerade gesättigt war, begannen sich kleinste Kristalle auszubilden. Durch dynamische Veränderung der Temperatur gelang es in Folge, Kristalle ganz bestimmter Größe zu gewinnen. Das Verfahren war so einfach, dass bald viele Chemiker mit Quantenpunkten zu experimentieren begannen.

Vier Milliarden Dollar Marktvolumen

30 Jahre später gibt es eine Fülle von Anwendungen. Am bekanntesten ist wohl die QLED-Technologie, bei der Quantum Dots dazu verwendet werden, blaues Licht in solches anderer Frequenz und Farbe umzuwandeln, was in vielen Bildschirmen Verwendung findet. Andere Anwendungsfelder liegen in Biochemie und Medizin, wo die Nanoobjekte dazu dienen, Zellen oder Organe zu identifizieren oder Tumorgewebe im Organismus aufzufinden. Das Weltmarktvolumen für Quantum Dots wurde 2021 auf vier Milliarden US-Dollar geschätzt.