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July 8th

Arzneimittelversorgung: Warnung vor Engpässen

Laut der Ärztekammer und der Pharmaindustrie sind das Preisband, die Wirkstoffverschreibung und die Kommunale Abwasserrichtlinie der Versorgungssicherheit nicht eben förderlich.

 

Vor einer weiteren Verschärfung bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln warnt die Österreichische Ärztekammer. Bei einer Pressekonferenz verwies deren Präsident Johannes Steinhart auf das seit kurzem geltende neue Preisband für Arzneimittelspezialitäten, mit dessen Einführung die Preise für die betreffenden Präparate ein weiteres Mal gesenkt wurden. „Wenn die Kostenschraube nun noch weiter angezogen wird, dann könnten noch mehr Medikamente vom österreichischen Markt verschwinden“, betonte Steinhart. Auch die immer wieder diskutierte Wirkstoffverschreibung wäre dem Kammerpräsidenten zufolge alles andere als empfehlenswert. Sie würde lediglich dazu führen, die Logistikkosten der Apotheken zu senken und deren Gewinnspannen zu steigern. Den Patienten bringe sie dagegen nichts, sondern verunsichere diese nur und gefährde im Extremfall deren Gesundheit. „Bei Schluckbeschwerden achten wir beispielsweise auf ein lösliches Präparat. Dieses Wissen über einen Patienten hat aber der Apotheker nicht und so kann es zu gefährlichen Situationen kommen, wenn der Patient trotzdem versucht, das Medikament zu schlucken“, stellte Steinhart fest.

 

Um die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln sicherzustellen, schlug Steinhart zwei Maßnahmen vor. Erstens müsse die Erzeugung von Medikamenten wieder nach Österreich oder zumindest Europa zurückgeholt werden. Zweitens gelte es, die österreichische „Niedrigpreispolitik“ bei Arzneimitteln zu revidieren. Auf die Frage der Redaktion, welche Maßnahmen er zum „Zurückholen“ der Produktion setzen würde, beschied Steinhart: „Man wird vermutlich Förderungen brauchen. Das wird natürlich etwas kosten.“ Aber einem „wohlhabenden Land“ wie Österreich müsse die Versorgungssicherheit etwas wert sein.

 

Preise senken „mit Augenmaß“

 

Hinsichtlich des Preisbandes erläuterte Ernst Agneter, Facharzt für Pharmakologie, Inhaber des Lehrstuhls für Pharmakologie an der Sigmund Freud Privatuniversität sowie Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien, es sei legitim, die Preise für Generika senken zu wollen. Das müsse jedoch „mit Augenmaß“ geschehen. Das Preisband sei mittlerweile zum fünften Mal angewandt worden. Der Wirkstoff Astorvastatin gegen einen zu hohen Cholesterinspiegel sei 2005 mit einem Fabrikabgabepreis von 33 Euro in den Erstattungskodex aufgenommen worden. Nunmehr liege der Preis für das günstigste Generikium bei 3,24 Euro, was einem Rückgang um 90 Prozent entspreche. Als Referenzpräparat werde jeweils das Medikament mit der geringsten Wirkstoffmenge verwendet: „Das kann nicht sinnvoll sein.“

 

Im Gespräch mit dem Chemiereport erläuterte Agneter, es gehe nicht darum, das Preisband abzuschaffen. Notwendig sei jedoch, die Anpassung der Preise für Arzneimittel unter Berücksichtigung der Inflation zu ermöglichen. Als sinnvoll erachtet Agneter eine politische Grundsatzdebatte über die Kosten von Arzneimitteln. Gerade aus Kostengründen habe die Industrie die Produktion in einigen wenigen Ländern konzentriert, insbesondere bei Generika. Das wirke sich nicht eben positiv auf die Versorgungssicherheit aus: „Die Globalisierung hat viel gebracht. Aber jede Medaille hat zwei Seiten.“

 

Unterstützung von der Pharmig

 

Weitgehend unterstützt wird die Position der Ärztekammer vom Pharmaindustrieverband Pharmig. Dessen Generalsekretär Alexander Herzog warnte wie Steinhart und Agneter vor der Wirkstoffverschreibung. Sie hätte „nur Verunsicherung und sicherlich keinen einzigen Engpass weniger zur Folge“. Herzog ergänzte, letztlich lasse sich das Problem der Versorgung nur auf europäischer Ebene lösen. Entsprechende Maßnahmen seien „ein wichtiger Bestandteil der neuen EU-Pharmagesetzgebung, die sich auf der Zielgerade befindet. Darüber hinaus wird mit Hochtouren an einem Critical Medicines Act gearbeitet, der dieses Problem ebenfalls adressiert. Weiters sorgt seit Anfang des Jahres die European Shortages Monitoring Plattform für mehr Transparenz, um Lieferengpässe auf EU-Ebene besser zu erfassen und gegebenenfalls entgegenwirken zu können. Auch bereits etablierte regulatorische Erleichterungen, etwa für die Abgabe ausländischer Packungen im Falle von Engpässen, führen dazu, dass Patient:innen die gewohnten Arzneimittel erhalten können“. Darüber hinaus müssten die Zulassungsinhaber in Österreich seit kurzem Vorräte bestimmter Arzneimittel anlegen.

 

Wichtig sei aber auch eine „faire Preispolitik“. Würden die Preise für Arzneimittel zu niedrig angesetzt, sei das der Versorgungssicherheit nicht eben dienlich, warnte Herzog.

 

Generikaverband schlägt Alarm

 

Bereits Ende Juni hatte der Präsident des Österreichischen Generikaverbands, Wolfgang Andiel, im Zusammenhang mit dem Preisband Alarm geschlagen. Im Durchschnitt würden monatlich etwa 20 Präparate aus dem Erstattungskodex verschwinden. Dies zeige, dass „Preisregulierungen mit Augenmaß umgesetzt werden“ müssten. Andernfalls sei die sichere Versorgung mit Arzneimitteln gefährdet. Über 80 Prozent jener Generika, deren Marktanteil bei mehr als 60 Prozent liege, würden „in Europa nur noch von einem einzigen großen Anbieter geliefert“. Dazu komme die neue EU-Verordnung zur Arzneimittelbevorratung. Sie verpflichte die Pharmabranche, rund 600 Präparate dauerhaft vorzuhalten, von denen etwa 83 Prozent Generika seien.

 

Ferner müssten die Generikahersteller nach derzeitigem Stand rund 60 Prozent der Kosten für die kommende vierte Reinigungsstufe kommunaler Kläranlagen tragen, was europaweit Belastungen von bis zu 6,6 Milliarden Euro mit sich bringen könne. Freilich: Klagen gegen die Kommunale Abwasserrichtlinie (KARL) sind seitens der Pharma- und der Kosmetikindustrie im Laufen. Und Branchenvertreter betonten in den vergangenen Monaten, die KARL müsse angepasst werden, um die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln nicht zu gefährden.

 

Kasse wimmelt ab

 

Unbeeindruckt von den Warnungen gab sich der Dachverband der Sozialversicherungsträger. Ihm zufolge sind Befürchtungen, das Preisband könne die Versorgung mit Medikamenten gefährden, „unbegründet“. Gerade bei Generika sei Österreich kein Billigland, sondern ein „Hochpreisland“. Außerdem steige die Zahl der Präparate im Erstattungskodex stetig. „Waren Anfang 2005 noch 5.264 Medikamente gelistet, sind es mit Jänner 2025 bereits 7.759“, hieß es in einer Aussendung.

July 3rd

Pharmaindustrie lobt EU-Life-Sciences-Strategie

Dem europäischen Branchenverband EFPIA zufolge ist das Dokument „ein höchst willkommener Schritt für die in Europa tätigen Unternehmen“.

 

Weitestgehend positiv beurteilt der europäische Pharmaindustrieverband EFPIA die Life-Sciences-Strategie, die die EU-Kommission am 2. Juli vorstellte. Nach Ansicht der EFPIA ist diese „ein höchst willkommener Schritt für die in Europa tätigen Unternehmen“. Die Strategie fokussiere richtigerweise darauf, die Durchführung klinischer Studien zu erleichtern. Ferner begrüßt der Verband das noch für heuer geplante EU-Biotech-Gesetz, mit dem der Kommission zufolge „ein innovationsfreundlicherer Rahmen für alle Biotech-Sektoren“ geschaffen werden soll. Auch die Ankündigung, eine „Koordinierungsgruppe für Biowissenschaften“ (Life Sciences Coordination Board) zu etablieren, „um Politik und Finanzierung sektorübergreifend aufeinander abzustimmen und die Zusammenarbeit mit wichtigen Interessenträgern, einschließlich der Industrie und der Bürgerinnen und Bürger, zu unterstützen“, stößt bei der EFPIA auf Zustimmung. Dies könne helfen, die Strategie in „schnelle, greifbare“ Handlungen umzusetzen.

 

EFPIA-Generaldirektorin Nathalie Moll konstatierte, es sei „außerordentlich ermutigend, dass die EU-Gesetzgeber die Notwendigkeit erkennen, negative Trends umzukehren und dass sie aktiv nach neuen Investitionen suchen“. Um seine führende Rolle im Pharmasektor zu behaupten, müsse Europa selbst in neuartige Arzneimittel investieren, private Investoren anziehen, sicherstellen, dass die Investitionen rascher zu neuen Behandlungsmöglichkeiten sowie zu Wirtschaftswachstum führen und den Patienten in der EU den Zugang zu den Präparaten ebenso rasch gewährleisten wie in anderen Regionen.

 

Notwendig sind der EFPIA zufolge ein „funktionierender einheitlicher Markt für klinische Studien“ sowie eine Strategie für die gleichzeitige Durchführung solcher Studien in mehreren EU-Staaten. „Die Arbeit daran muss unverzüglich beginnen“, hieß es in einer Aussendung. Als hilfreich erachtet die EFPIA auch, dass die EU-Kommission über die Programme Horizon Europe und EU4Health rund 300 Millionen Euro bereitstellen möchte, um biowissenschaftliche Innovationen zur Eindämmung des Klimawandels sowie zur Entwicklung neuartiger Impfstoffe und Krebsmedikamente zu fördern.

 

„Vielversprechende Impulse“

 

Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), Ricardo Gent. Ihm zufolge enthält die Life-Sciences-Strategie „vielversprechende Impulse, um Forschung, Entwicklung, Produktion zu stärken – und vor allem eingefahrene Strukturen aufzubrechen. Denn Europa kann die nächste Innovationswelle in den Life-Sciences nur dann global anführen, wenn sie gewohnte Denk- und Branchengrenzen überwindet“. Gent zufolge handelt es sich bei „der Biotechnologie“ um eine „ eine universell einsetzbare Technologie, die tiefgreifende Transformationen branchenübergreifend vorantreibt. Ein robustes Biotech-Ökosystem ist auf regulatorische und finanzielle Rahmenbedingungen angewiesen, die diese Integration unterstützen und sie nicht behindern. Ohne dies bleibt das Potenzial der Biotechnologie für die EU reine Theorie“.

 

Gewichtig und innovativ

 

Seitens der EU-Kommission hieß es, die Life-Sciences- und Biotechnologieindustrie der EU repräsentiere einen Wert von 1.500 Milliarden Euro oder rund 9,4 Prozent des kumulierten BIP der Mitgliedsstaaten. Überdies beschäftige sie etwa 29 Millionen Personen. Auch zeichne sich die Branche durch außerordentliche Innovationskraft aus. Allein im Jahr 2022 habe sie rund 46,6 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert, was knapp einem Fünftel der einschlägigen Ausgaben der gesamten EU-Industrie entspreche. Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi konstatierte, Life Sciences und Biotechnologie schüfen „Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze“. Mit der Strategie ebne die Kommission „den Weg für ein gesünderes, intelligenteres Europa“.