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Durchgekommen durch die Krise

Führende Veranstalter im Chemie- und Pharmabereich haben die Pandemie gut bewältigt, wenn auch mit einigen wirtschaftlichen Schrammen. Und für das kommende Jahr steht Zuversicht auf dem Programm.

 

Kein Zweifel: Die COVID-19-Pandemie hinterließ auch bei führenden Veranstaltern von Messen und Kongressen im Chemie- und Pharmabereich deutliche wirtschaftliche Spuren. „Wir haben eineinhalb Jahre Krisenmanagement hinter uns. Uns sind 2020 und 2021 in Summe Umsätze von rund 400 Millionen Euro weggebrochen“, berichtet der Vorsitzende der Geschäftsführung der Messe München, Klaus Dittrich. Ähnlich gestaltete sich die Lage bei der Messe Düsseldorf. Sie hatte laut ihrem Geschäftsführungsvorsitzenden Wolfram N. Diener im „Coronajahr“ 2020 einen Umsatzeinbruch um rund 73,4 Prozent bzw. 218 Millionen Euro zu verkraften. Immerhin: Die Eigenkapitalquote liegt bei grundsoliden 60,1 Prozent – ein Wert, über den sich keineswegs nur im Veranstaltungssektor so manches Unternehmen hellauf freuen könnte. Und Diener gibt sich optimistisch: „Unsere strategische Neuausrichtung, die eingeleiteten Gegenmaßnahmen wie Einsparungen und Kurzarbeit, unser bereits seit Jahresbeginn wieder anziehendes Messegeschäft im In- und Ausland sowie der hohe Zuspruch für die anstehenden Veranstaltungen stimmen uns zuversichtlich, dass mittel- bis langfristig wieder die Profitabilität und wirtschaftliche Stärke vor der Krise erreicht werden kann.“ Eine Perspektive, die auch Dittrich teilt: „Die unvermeidbaren Schritte der Restrukturierung sind gegangen und wir blicken zuversichtlich in die Zukunft. Für uns bei der Messe München ist es daher entscheidend, dass wir, so gut es geht, nicht reagieren, sondern den Wandel – und damit die Zukunft – aktiv gestalten.“

 

Ähnlich argumentiert Rolf Keller, Mitglied der Geschäftsleitung der NürnbergMesse. Diese sei „bisher gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Mit dem Vertrauen und der Unterstützung unserer Hauptgesellschafter, Freistaat Bayern und Stadt Nürnberg, lenken wir das Unternehmen verantwortungsvoll durch die Krise – bislang ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung. Dank der außerordentlichen Disziplin und dem Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten wir auch in den herausfordernden Monaten der Pandemie für unsere Kunden die so wichtigen Plattformen für den Branchenaustausch bieten – mit digitalen Formaten und Präsenzveranstaltungen“. Einen ersten Auftakt zur Erholung habe sein Unternehmen bereits 2020 in China gesetzt. Und heuer „konnten wir im Messezentrum Nürnberg, in Griechenland und Brasilien seit diesem Herbst wieder durchstarten“.

 

Präsenzformat bestätigt

 

Diener zufolge zeigen die Erfahrungen, „dass das Format der Präsenzmesse von allen Beteiligten in seiner Bedeutung bestätigt wird. Gleichzeitig führt aber die breitere Erfahrung mit digitalen Marketingkanälen bei unseren Kunden dazu, dass wir die Messeereignisse zu hybriden Formaten weiterentwickeln müssen und auch zwischen den Messeterminen einen Mehrwert bieten können“. Er verweist auf eine Umfrage des deutschen Messeverbands AUMA unter 427 Unternehmen. Dieser zufolge setzen 48 Prozent der Befragten auch künftig auf physische Messen, nutzen jedoch darüber hinaus auch digitale Ergänzungen. Etwa 17 Prozent nahmen an digitalen Veranstaltungen nur teil, weil diese nicht in der gewohnten Präsenzform abgehalten werden konnten. Sobald dies jedoch wieder möglich ist, ist der digitale Messe-Ersatz kein Thema mehr. Für immerhin 14 Prozent kommt die Beteiligung an digitalen Veranstaltungen auch dann nicht in Frage, wenn das physische „Original“ abgesagt wird. Abzuwarten bleibt laut Diener, welche Erlöse sich mit den digitalen Varianten erzielen lassen und „ob das als Ergänzung des Formates Messe selbstverständlicher Bestandteil wird“. Die bisherigen Erfahrungen sind ihm zufolge eher ernüchternd: Als rein digitale Veranstaltung brachte die Medizintechnikmesse Medica Dieners Unternehmen einen Umsatz von gerade einmal 5,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Mit der Analog-Variante erwirtschaftete die Messe Düsseldorf vor der Pandemie mit etwa 50 Millionen Euro üblicherweise fast zehn Mal so viel.

Jedenfalls aber wird das Unternehmen Diener zufolge „die entstandenen digitalen Formate auch für künftige Präsenzmessen beibehalten und weiterentwickeln. Dank Streamings, On-Demand-Angeboten und Ausstellerprofilen werden Personen teilhaben können, ohne physisch vor Ort zu sein. Unsere Aussteller erreichen mehr pozentielle Kunden durch die Verlängerung einer Messe ins Digitale. Zusammen bilden alle eine Community, die 365 Tage im Jahr aktiv sein kann. Diese Kombination aus Präsenzmesse und digitalen Elementen schafft den größten Nutzen für unsere Kunden und festigt die führende Position der Düsseldorfer Weltleitmessen als zentrale Kommunikations- und Informationsplattform ihrer jeweiligen Branche – zu den Laufzeiten der Präsenzmessen und über das ganze Jahr hinweg“.

 

Clever verbinden

 

Auch für die Messe München ist laut Geschäftsführungschef Dittrich klar: „Messen sind auch durch noch so gute digitale Formate nicht zu ersetzen. Das hat die Pandemie eindrucksvoll bewiesen. Am Ende des Tages sind es die zahlreichen persönlichen Begegnungen mit den Entscheidern der Branche, die haften bleiben. Die größte Herausforderung besteht somit darin, die digitalen Elemente klug mit den Live-Messen zu verbinden. Dass dies professionell umgesetzt werden kann, hat die Messe München in den letzten anderthalb Jahren bewiesen.“ Und Dittrich fügt hinzu: „Wer digital nichts macht, riskiert, künftig Aussteller zu verlieren. Unser Geschäftsmodell wird auch in Zukunft erfolgreich sein, wenn es gelingt, das Beste aus beiden Welten, d. h. Online- und Präsenzmesse, clever zu verbinden. Die Messe München antwortet auf die Herausforderungen der Coronakrise mit neuen digitalen Plattformen. Formate werden unsere Präsenzformate künftig immer begleiten – die Zukunft ist hybrid.“

 

Auf alles vorbereitet

 

Die NürnbergMesse hat sich ebenfalls gut an die neue Situation angepasst, erläutert Geschäftsführungsmitglied Keller. Die Menschen sehnten sich nach persönlichen Kontakten: „Das muss unser Maßstab sein und bleiben. Wir wollen Menschen an einem Ort zusammenbringen, damit neue Ideen entstehen und Geschäfte miteinander gemacht werden. Natürlich denken wir Digital und Hybrid nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre mit, und natürlich werden in der Zukunft digitale Komponenten das klassische Messewesen ergänzen. Wir haben in den verschiedensten Ländern erlebt, dass Messen von den Behörden untersagt worden sind. Das war für uns vor Corona kaum vorstellbar, mittlerweile sind wir aber dank digitaler Formate auch darauf vorbereitet.“ Einige Vorteile von Online-Events und -Plattformen liegen Keller zufolge auf der Hand: „Unsere Kunden können von überall auf der Welt darauf zugreifen und teilnehmen – unabhängig von den aktuellen Reiserestriktionen. Darüber hinaus ist die ‚Laufzeit‘ unserer Plattformen wie it-sa 365 oder mybeviale.com unbegrenzt.“ Die NürnbergMesse habe auf ihren digitalen Plattformen und Events „in den vergangenen zwölf Monaten über 55.000 Teilnehmer aus unterschiedlichen Branchen wie IT-Sicherheit, Medizintechnik oder Brandschutz registriert. Auch nach Ende der Pandemie werden wir unseren Ausstellern und Besuchern weiterhin den digitalen Zugang zu unserem weltweiten Branchen-Netzwerk bieten“.

Keller stellt jedoch klar: „Das Live-Event bleibt unersetzlich. Das haben wir beim emotionalen Messe-Restart im Herbst 2021 in Nürnberg, Griechenland und Brasilien gesehen, und das sehen wir seit 2020 auch in China: Aussteller und Besucher wollen sich vor Ort treffen und persönlich in Kontakt treten.“

 

„Sehr positive Stimmung“

 

Ähnliche Erfahrungen wie Diener, Dittrich und Keller machte Andreas Ott, Head of Operations für das Portfolio Lifestyle, Hospitality and Care bei der Reed Exhibitions Austria. Er zeichnet für die Austropharm verantwortlich, die als wichtigste Fachmesse für pharmazeutische Produkte in Österreich gilt. Geplant gewesen war diese für April 2020: „Aufgrund der Lockdowns haben wir uns dazu entschlossen, die Messe in den September 2021 zu verschieben. Diese Entscheidung wurde natürlich in Abstimmung mit der Branche getroffen. Der Pharmaindustrie war eine Face-to-Face-Plattform für Netzwerken und Wissensaustausch wichtig.“ Der Wissensaustausch hinsichtlich der neuesten Produkte und Erkenntnisse sowie der Erfahrungsaustausch müssen laut Ott „im persönlichen Kontakt erfolgen. Wir kombinieren das aber mit dem Angebot des Online-Bühnenprogramms für Besucher, die nicht live vor Ort sein können. Damit entwickeln wir das Messekonzept weiter und richten uns nach dem Markt“. Ein Konzept, das sich bewährt, stellt Ott fest: „Wir können auf eine sehr positive Stimmung und hohe Qualität der Gespräche zwischen Besuchern und Ausstellern zurückblicken.“