Weiter Krach um Patentschutz
Der Pharmaindustrie zufolge ist dieser für die Arzneimittel- und Impfstoffentwicklung nötig. Internationale Verteilungsfragen seien über den Abbau von Handelsschranken zu lösen. Doch es gibt auch Gegenstimmen.
Die Auseinandersetzungen um den Patentschutz für die Pharmaindustrie im Allgemeinen und COVID-19-Impfstoffe im Besonderen gehen weiter. Der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Alexander Herzog, betonte jüngst einmal mehr, es mangle keineswegs an Produktionskapazitäten: „Was dagegen immer noch nicht einwandfrei läuft, ist die weltweite Verteilung der produzierten Impfstoffe. Daran kann und wird eine allfällige, zeitlich befristete Aussetzung des Patentschutzes auf COVID-19-Impfstoffe nichts ändern.“ Statt dessen empfehle sich, Handelsschranken abzubauen und auf Exportverbote zu verzichten. Überdies gelte es „ärmere Regionen in der Handhabung der Impfstoffe zu unterstützen“. In Malawi etwa mussten laut Herzog „fast 17.000 Impfdosen vernichtet werden, weil das Ablaufdatum überschritten wurde“. Und Herzog fügte hinzu, der Patentschutz „ist und bleibt eine wichtige Triebfeder für Forschung und Entwicklung. Fällt dieser weg, wird sich das negativ auf die Forschungstätigkeit und damit auch auf die Verfügbarkeit medizinischer Innovationen auswirken“. Durchschnittlich dauere es etwa zwölf Jahre, ein Arzneimittel zur Marktreife zu entwickeln. Rund 5.000 bis 10.000 Substanzen müssten getestet werden, um einen einzigen vermarktungsfähigen Wirkstoff zu gewinnen: „Da ist enorm viel Risiko mit im Spiel. Daher müssen auch entsprechende Schutzmechanismen vorhanden sein.“
Ähnlich argumentierte die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Ihr zufolge fordern beispielsweise die USA neuerdings die Abschaffung des Patentschutzes. Gerade sie hätten jedoch bis dato „mit Exportverboten ihre Bevölkerung gegenüber dem Rest der Welt bevorzugt“. Verteilungspolitisch sinnvoll sei statt dessen „ein Schwenk hin zu mehr Ausfuhren, wie ihn die Pharmaunternehmen in der EU von Anfang an betrieben haben“. Dieser könne „rasch zu einer besseren Versorgung auch in ärmeren Regionen führen“. Ferner müsse die COVAX-Initiative besser genutzt werden, die ja gerade der Bereitstellung von Impfstoffen für Entwicklungs- und Schwellenländer diene. Ferner forderte Hofinger „die weitere Optimierung und den Ausbau von bereits bestehenden Produktionsstätten und Kooperationen in der Pharmaindustrie, um dauerhaft ausreichende Mengen an Impfstoffen zu gewährleisten. Diese wären auch bestens dafür geeignet, den Herstellungsprozess rasch zu adaptieren, sollten die Vakzine gegen neue Virusvarianten angepasst werden müssen“.
„Mehr Flexibilität bei den handelsbezogenen Aspekten der geistigen Eigentumsrechte in Zusammenhang mit Impfstoffen gegen das Coronavirus“ fordert dem gegenüber die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ im Nationalrat, Petra Bayr. Sie verweist darauf, dass sich das Europäische Parlament für das zeitweilige Aussetzen des Patentschutzes für COVID-19-Vakzine aussprach. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron habe betont, es müssten „alle Beschränkungen in Bezug auf geistiges Eigentum beseitigt werden, die die Produktion jeglicher Art von Impfstoffen blockieren“. Für „Impfegoismus und kurzsichtige Geschäftsinteressen“ dürfe in der gegenwärtigen Lage kein Platz sein. Statt dessen müsse „der globale Süden selbst in die Lage versetzt werden, Impfstoffe für seine Bevölkerung herzustellen“. In einem Antrag an den Nationalrat verweist Bayr auf Aussagen der neuen Generaldirektorin der Welthandelsorganisation WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, der zufolge ungenutzte Produktionskapazitäten für Impfstoffe auf der südlichen Hemisphäre binnen sechs Monaten auf die Herstellung von COVD-19-Vakzinen umgerüstet werden könnten. Daher müsse sich Österreich „dafür einsetzen, dass sich die EU für die Aussetzung handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte zur Pandemiebekämpfung ausspricht“.