Archive - Mai 26, 2023

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Ingo Raimon ist Pharmig-Präsident

Der Geschäftsführer von Abbvie in Österreich wurde bei der Generalversammlung mit breiter Mehrheit in seine Funktion gewählt. Im öffentlichen Teil der Versammlung diskutierten Fachleute über „Politik und Wissenschaft in bewegten Zeiten“. 

 

Ingo Raimon, der Geschäftsführer des US-amerikanischen Pharmakonzerns Abbvie, ist neuer Präsident des Pharmaindustrieverbands Pharmig. Er wurde bei der Generalversammlung am 26. Mai mit breiter Mehrheit in seine Funktion gewählt. Sein Vorgänger, Philipp von Lattorff, der Generaldirektor der Boehringer Ingelheim RCV GmbH & CO KG, wechselte in die Funktion eines Vizepräsidenten. Somit besteht das Präsidium der Pharmig bis zum Ende der regulären Funktionsperiode im Jahr 2025 aus Raimon, von Lattorf, der Geschäftsführerin von Merck Sharp Dohme (MSD) in Österreich, Ina Herzer, sowie dem Geschäftsführer der Sigmapharm Arzneimittel GmbH, Bernhard Wittmann. Raimon konstatierte, es ehre ihn, „als Präsident der Pharmig die gesamte heimische Pharmaindustrie vertreten zu dürfen. Ich werde mich in dieser Funktion für die Stärkung des Forschungs- und Produktionsstandortes einsetzen. Ein zentrales Anliegen ist mir die damit einher gehende Arzneimittelvielfalt. Denn die bestmögliche Therapie kann nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie für die Patientinnen und Patienten auch zur Verfügung steht. Hier hat sich in der jüngsten Vergangenheit gezeigt, dass sich die Erstattungs- und die Standortpolitik ergänzen müssen und nicht konterkarieren dürfen. Wer in Arzneimittel investiert, investiert folglich in den Standort Österreich, in seine Wettbewerbsfähigkeit und vor allem in die Versorgungsqualität“.

 

Neu in den Vorstand gewählt wurden Nicole Daniela Schlautmann, die Geschäftsführerin der Pfizer Corporation Austria GesmbH, Michael Kreppel-Friedbichler, der die Biogen Austria GmbH leitet, und Michael Kocher, der Chef von Sandoz in Österreich. 

 

Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog dankte von Lattorff „für die überaus konstruktive Zusammenarbeit und seinen unablässigen Einsatz für den Verband“. Den neuen Präsidenten Raimon bezeichnete Herzog als „äußerst versierten Kenner des heimischen Gesundheitswesens. Gemeinsam mit dem Pharmig-Präsidium, den neuen und bestehenden Vorstandsmitgliedern und allen im Verband engagierten Mitgliedsunternehmen steht uns ein breites Spektrum an Erfahrungen und Expertise zu Verfügung, damit wir weiterhin wichtige Impulse für einen starken Forschungs- und Pharmastandort setzen können“.

 

Lob vom Kanzler 

 

Im öffentlichen Teil der Generalversammlung ging es um das Thema „Politik und Wissenschaft in bewegten Zeiten“. 
Bundeskanzler Karl Nehammer würdigte in einer Videobotschaft die Bedeutung der Pharmabranche für Österreich. Der Pharmig dankte er „für ihren Einsatz und die exzellente Zusammenarbeit. Wir sind immer daran interessiert, den Standort Österreich weiterzuentwickeln“. 

 

Der Strategie- und Politikberater Lothar Lockl, von 2006 bis 2009 Bundesparteisekretär der Grünen und im Präsidentschaftswahlkampf 2016 Wahlkampfmanager Bundespräsident Alexander van der Bellens, konstatierte, die Vorhersehbarkeit politischer Entwicklungen nehme ab, die Zersplitterung des Parteiensystems dagegen zu. Über kurz oder lang sei auch in Österreich mit „skandinavischen Verhältnissen“ zu rechnen. Da in der Bevölkerung die Sehnsucht nach einfachen Botschaften wachse, würden Kompromisse schwieriger. Ausgehend davon empfahl Lockl den Pharmig-Mitgliedern, optimistisch zu bleiben, gemeinsame Visionen für die Zukunft zu entwickeln, am Aufbau wechselseitigen Vertrauens zu arbeiten und die Zusammenarbeit zu verstärkten. Bei allem Wettbewerb gehe es sämtlichen Unternehmen nicht zuletzt um das Wohlbefinden der Patienten und um den medizinischen Fortschritt. Es gelte, stets auch dieses „große Ganze im Auge zu behalten“. 

 

Die Neurologin Adelheid Kastner, Primaria der Klinik für Psychiatrie mit Forensischem Schwerpunkt am Kepler-Universitätsklinikum Linz, konstatierte, die bisweilen attestierte „kollektive Bereitschaft zur Ignoranz“ habe eine Vielzahl von Ursachen. Wegen der Komplexität der heutigen Lebenswelt seien die Menschen ansprechbar für „Rattenfänger“ mit einfachen Botschaften sowie für Emotionalisierungen. Oftmals würden Meinungen mit Tatsachen verwechselt. Zu konstatieren sei ferner ein Mangel an Allgemeinbildung. In einer ihrer Lehrveranstaltungen habe eine Teilnehmerin vermeint, der Begriff „Großglockner“ bezeichne eine Blumenart. Die bekannte Äußerung Bundeskanzler Nehammers, die Bundesregierung sei in der Corona-Pandemie „zu wissenschaftshörig“ gewesen, kritisierte Kastner heftig. Sie zeige, dass selbst hochrangige Politiker „den Wert der Wissenschaft nicht erfassen. Und da erwarten wir uns, dass sich die ‚kleinen Leute‘ auskennen?“ 

 

„Emokratie“ statt „Demokratie“ 

 

Laut dem Politikberater Thomas Hofer geht die Entwicklung von der „Demokratie“ zur von Emotionen geprägten „Emokratie“. In den USA sei dieser Trend besonders weit fortgeschritten. Auch in Österreich könnten die nächsten Wahlgänge in dieser Hinsicht problematisch werden. Um gegenzuwirken, bedürfe es fundierter Bildung: „Zurzeit züchten wir medialen und politischen Analphabetismus heran.“ Allerdings gelte es, im Bestreben, dergleichen entgegenzuwirken, „nicht die Linie zum Aktivismus zu überschreiten“ und gegenüber möglicherweise mangelhaft Informierten nicht arrogant zu werden. 

 

Der Kommunikationsberaterin Julia Keck zufolge empfiehlt es sich, sich zu fragen, „wofür man steht, woran man glaubt, welche Gesprächsbasis man aufbaut und welcher ‚Nordstern‘ einen leitet“. Wichtig ist laut Keck, langfristig zu denken, worin ihrer Ansicht nach Unternehmensvertreter Politikern meist überlegen sind. Ferner sei es sinnvoll, „bewusst den Blick auf das Gelungene und das Gelingende zu richten. Man sollte nicht in Mutlosigkeit verfallen. Denn das verhindert Gestaltungsmöglichkeiten“. 

 

„Leistungs- und Opferbereitschaft“ gefragt 

 

Der Strategieberater Josef Kalina schließlich diagnostizierte einen weitreichenden „Verfall von Autorität“. Früher habe den „Dorfdeppen“ niemand ernst genommen: „Heute können sich die ‚Dorfdeppen‘ auf der ganzen Welt vernetzen.“ Es sei erforderlich, positiv über sich selbst zu sprechen: „Sonst wird das keiner tun. Wir müssen immer wieder aufklären.“ Dafür müssten Emotionen benutzt werden, um mit den eigenen Botschaften „durchzukommen“. Sprächen sich Politiker für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich aus, müsse ihnen die Pharmig mitteilen, was sie zum Zwecke dieser Stärkung konkret zu tun hätten: „Und da reden wir nicht über Förderungen.“ Österreichs Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg sei eine „riesige Erfolgsgeschichte“ gewesen, weil sich die Kräfte der politischen Mitte zusammengetan hätten: „Das hat man getan, um etwas zu schaffen, das man dann verteilen konnte.“ In diesem Sinne müssten Leistung und Ausbildung wieder mehr Stellenwert erhalten. „Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Daher müssen die Menschen leistungs- und manchmal auch opferbereit sein, sonst können wir unseren Wohlstand nicht halten. Es ist wirklich viel zu tun“, resümierte Kalina.