Archive - Apr 28, 2014

60 Jahre Pharmig

Die Pharmig, der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs, feierte ihr 60-jähriges Bestehen im Rahmen einer Jubiläums-Generalversammlung am 25. April. Anerkannte Experten  gaben Rück- und Ausblicke auf die wichtigsten Arzneimittelentwicklungen in verschiedenen medizinischen Fachgebieten.

 

1954 als Vereinigung pharmazeutischer Erzeuger Österreichs gegründet, kann die Pharmig heuer auf eine 60-jährige Geschichte zurückblicken. Aus diesem Anlass wurden im Rahmen der diesjährigen Generalversammlung die gewaltigen Umbrüche beleuchtet, die sich in der Arzneimittelentwicklung in dieser Zeit ereignet und Medizin und Gesundheitssystem verändert haben. Sieben Experten waren eingeladen, diesen Bogen für ihr jeweiliges Fachgebiet zu spannen, aber auch die Perspektiven aufzuzeigen, die sich dafür Gegenwart und Zukunft ergeben.

Besonders augenfällig ist dies auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten. Wurde in den 50er-Jahren die Polioschutzimpfung flächendeckend in Österreich eingeführt, so ist bis heute ein ausdifferenzierter Impfplan ausgearbeitet worden, der jeden heranwachsenden Bürger begleitet. Die Breitenwirkung der Immunisierung könnte dennoch größer sein, wenn Falschaussagen und Glaubenskriege dem in jüngster Zeit nicht verstärkt entgegenwirken würden, wie Florian Thalhammer, stellvertretender ärztlicher Leiter der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der Med-Uni Wien kritisch anmerkte.

 

Arzneimittelentwicklung und gesellschaftlicher Wandel

Geradezu gesellschaftliche Sprengkraft hatte die Entwicklung auf dem Gebiet der Gynäkologie. Kaum etwas habe die Frau so sehr aus traditionellen Zwängen befreit, wie die Möglichkeit zur Geburtenregelung durch oral einzunehmende Kontrazeptiva, hob Hormonspezialist Johannes Huber hervor. Die Zukunft halte für sein Fachgebiet aber noch größere Aufgaben bereit: Die Verlängerung der Fruchtbarkeit in spätere Lebensabschnitte sei angesichts veränderter Lebensentwürfe und höherer Lebenserwartung ebenso Forschungsgegenstand wie die Nutzung der körperlichen Veränderung während der Schwangerschaft für die regenerative Medizin.

Einem großen Wandel ihres Aufgabengebiets war auch die Lungenheilkunde unterworfen. Wie Otto Burghuber, Vorstand der ersten internen Lungenabteilung am Wiener Otto-Wagner-Spital darstellte, hat vor allem der Fortschritt der Physiologie ermöglicht, differenzierte Diagnosen zu erstellen und nach den Ursachen der gefundenen Krankheitsbilder zu fragen. Die Pharma-Industrie habe zu Recht häufiger werdende Erkrankungen wie COPD als zukunftsträchtiges Feld erkannt. Um sie in den Griff zu bekommen, müsse freilich auch bei der Prävention und also bei Lebensstil- und Umweltfaktoren angesetzt werden. Noch mehr gilt dies für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, wie Alexandra Kautzky-Willer, Internistin und Endokrinologin am Wiener AKH, erläuterte. Arzneimittel mit neuartigen Wirkprinzipien hätten zwar immer wieder neue Ansatzpunkte in der Bekämpfung ermöglicht und die Sterblichkeit von Diabetes-Patienten drastisch reduziert. In Zukunft müsste aber multifaktoriell gedacht werden Zusammenhänge mit Depression oder Krebs vermehrt Berücksichtigung finden.

 

Krankheitsmodifizierende Therapien

Gesellschaftlich immer mehr in den Vordergrund rücken auch die neurodegenerativen Erkrankungen. Erst seit den späten 90er-Jahren sei hier eine symptomatische Behandlung möglich, wie Peter Dal-Bianco von der Uni-Klinik für Neurologie der Med-Uni Wien deutlich machte. Die Vertreter seines Fachgebiets würden sich damit aber nicht zufrieden geben und strebten eine krankheitsmodifizierende Therapie an, zu deren Entwicklung gegenwärtig viele verschiedene Ansätze verfolgt würden. Ähnliche Paradigmenwechsel findet man auch in der medikamentösen Behandlung onkologischer Erkrankungen. Immer mehr lasse die Erforschung molekularer Mechanismen zugeschnittene Therapieansätze für bestimmte Patientengruppen zu, immer schwieriger werde es angesichts der ökonomischen Rahmenbedingungen aber auch, allen Menschen, einen barrierefreien Zugang zu den jüngsten Entwicklungen der Krebsbekämpfung zu ermöglichen, so Paul Sevelda, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Hietzing.

 

Ein Blick in die Zukunft

Einen Blick in die Zukunft der Arzneimittelkonzeption warf abschließend Johannes Khinast, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Research Centers Pharmaceutical Engineering in Graz. Vor allem die genetische Typisierung von Erkrankungen habe zu ganz neuen Verbindungsklassen unter den Arzneimitteln geführt, die heute in den Entwicklungs-Pipelines der Unternehmen zu finden seien. Zudem würden Medikamente der Zukunft mehr sein als Wirkstoffe, die zu Tabletten gepresst werde; siewürden vielmehr Ergebnisse eines gezielten Engineerings werden, das unterschiedliche Funktionen auf einmal wahrnehme.

Als die Pharmig vor 60 Jahren gegründet wurde, habe die durchschnittliche Lebenserwartung  65 Jahre betragen, heute liege man bei knapp über 80, resümierte Pharmig-Präsident Robin Rumler, Geschäftsführer von Pfizer Österreich. „Daran hat die pharmazeutische Industrie einen wesentlichen Anteil“, so Rumler, der betonte, dass die Branche auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hohe Summen in Forschung und Entwicklung investiere. Um das Gesundheitswesen weiterzuentwickeln, seien aber adäquate Prävention und die Steigerung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung ebenso wichtig.