Archive - Dez 20, 2022

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Arzneimittel: Schluss mit den Billigpreisen 

Angesichts von Versorgungsengpässen will der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelabgeltung ändern. Österreichische Vertreter der Pharmabranche halten das auch hierzulande für empfehlenswert. 

 

„Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben“, konstatiert der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Deshalb will er die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelabgeltung ändern, bei Präparaten für Kinder sogar „radikal“. Laut einem dreiseitigen Eckpunktepapier, das Lauterbach am 20. Dezember präsentierte, wird das Preismoratorium für Arzneimittel für Kinder geändert. „Als neue Preisobergrenze wird das 1,5-fache eines aktuell bestehenden Festbetrags oder, sofern kein Festbetrag besteht, das 1,5-fache des Preismoratoriums-Preises festgelegt“, heißt es in dem Papier. Ferner will Lauterbach die Krankenkassen gesetzlich verpflichten, bei jeder Ausschreibung für patentfreie Arzneimittel eine verbindliche Ausschreibung eines zusätzlichen Loses  vorzunehmen. Dabei ist der „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“ als ergänzendes Vergabekriterium zum Preis zu berücksichtigen. Vorerst gilt dies nur für Arzneimittel gegen Krebs und für Antibiotika. Die Ausweitung auf andere „Wirkstoffe und Indikationen“ ist aber möglich, wenn der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das empfiehlt. Die Apotheken wiederum bekommen das Recht, den Patienten wirkungsgleiche alternative Präparate anzubieten, wenn das ihnen verschriebene Medikament nicht verfügbar ist. Müssen die Apotheken, um sicherzugehen, einen Arzt konsultieren, wird ihnen dies vergütet. 

 

Überdies soll der Beirat „Kriterien für einen sich abzeichnenden Versorgungsengpass und eine drohende Marktverengung auf der Grundlage einer kontinuierlichen Marktbeobachtung bei versorgungskritischen Arzneimitteln“ entwickeln. Das Gesundheitsministerium „kann auf dieser Grundlage der Empfehlung des Beirats weitere Wirkstoffe bzw. Indikationen den neuen Ausnahmeregelungen bei Festbeträgen, Rabattverträgen und bei der Apothekenabgabe unterstellen“. Um die Marktbeobachtung durch den Beirat zu erleichtern, erhält das BfArM laut dem Eckpunktepapier „zusätzliche Informationsrechte gegenüber pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern, insbesondere bezogen auf die aktuellen Produktionsmengen nach Produktionsstandort und auf die Lagerhaltung von Wirkstoffen, Zwischenprodukten und Fertigarzneimitteln“. Einen Zeitplan für die Umsetzung der Maßnahmen nannte Lauterbach nicht. 

 

Höhere Preise notwendig 

 

Für Österreich wäre ein derartiges Abgehen „von der Billigstpreispolitik bei der Erstattung von lebenswichtigen Arzneimitteln“ ebenfalls zu empfehlen, betont der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Nur so könnten Lieferengpässe vermieden werden. Dem Verband zufolge sind die Pharmaunternehmen „mit enormen Kostensteigerungen auf Grund der Energiekrise und Teuerungen bei den Produktionsmitteln konfrontiert“. Daher müsse das Gesundheitsministerium die Möglichkeit schaffen, „Medikamente im Sinne der Versorgungssicherheit zu höheren Preisen anbieten zu können“. FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger forderte „einen Bonus für in Österreich und in der EU hergestellte Arzneimittel. Nur wenn wir rasch und entschieden handeln, können wir verhindern, dass Versorgungsprobleme in den kommenden Jahren noch schlimmer werden“. 

 

Lösungs- statt Kostenfaktor 

 

Seitens des Pharmaindustrieverbands Pharmig und des Österreichischen Generikaverbands hieß es, wegen des „sprunghaft angestiegenen Infektionsgeschehen bei Erkältungs- und Atemwegskrankheiten“ fehle den Pharmafirmen die nötige Vorlaufzeit für die Steigerung der Produktion. Und aufgrund des Kriegs in der Ukraine seien die Lieferketten „ohnehin bereits stark belastet“. Die Lieferzeiten für Verpackungsmaterialien, etliche Inhaltsstoffe sowie Lösungsmittel und Beschichtungen hätten sich teils erheblich verlängert, konstatierte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Wolfgang Andiel, der Präsident des Generikaverbandes, ergänzte, zurzeit müssten Unternehmen „mehrere Monate auf einzelne Komponenten warten, die vor der Pandemie binnen kürzester Zeit verfügbar waren. Das verlangt eine längerfristige Planung und erhöht gleichzeitig die Gefahr, dass es im Zuge der sehr komplexen Produktion von Arzneimitteln zu Zwischenfällen kommen kann“. 

 

Herzog kritisierte, die Branche sei „seit Langem schon mit einer Preisspirale konfrontiert, die sich beständig nach unten bewegt“. Deshalb habe die Pharmaindustrie ihre Erzeugungskapazitäten „zunehmend in Regionen verlagert, wo eine günstigere Produktion möglich ist. Die Auswirkungen sehen wir vor allem in diesen Tagen“. Es sei an der Zeit, „Arzneimittel nicht nur als Kostenfaktor zu betrachten, sondern vor allem als Lösung essenzieller Probleme. Anstatt immer nur auf Einsparpotenziale im Gesundheitssektor zu schielen, sollte der gesamte Sektor als Chance für zukunftsgerichtete Investitionen angesehen werden“.