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April 20th

Henkel: Raus aus der Russländischen Föderation

Noch Anfang April hatte Vorstandschef Carsten Knobel die vorläufige Fortsetzung der Geschäftstätigkeit angekündigt. Nun will er doch aussteigen, angeblich unter dem wachsenden Druck von Aktionären.

 

Der deutsche Chemiekonzern Henkel will seine Geschäftstätigkeit in der Russländischen Föderation (RF) beenden. Begründet wurde dies in einer Aussendung mit den „aktuellen Entwicklungen des Krieges in der Ukraine“. Henkel versicherte darin, zu versuchen, einen „geordneten Ablauf“ des Ausstiegs zu gewährleisten. Die etwa 2.500 Beschäftigten in der RF würden vorläufig „weiterbeschäftigt und -bezahlt. Die mit der Entscheidung verbundenen finanziellen Auswirkungen des geplanten Ausstiegs für Henkel können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher quantifiziert werden“. Vorstandschef Carsten Knobel wurde in einer Aussendung mit den Worten zitiert, „Henkel verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Gewalt gegen unschuldige Zivilisten. Unsere Priorität ist weiterhin, alles zu tun, um unsere Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine zu unterstützen. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter:innen und die Menschen in der Ukraine und in den Nachbarländern umfassend mit finanziellen Spenden sowie Lebensmittel- und Sachspenden. Viele Henkel-Mitarbeiter:innen helfen zudem an den Grenzen, indem sie dringend benötigte Güter verteilen oder den Menschen aus der Ukraine eine Bleibe bieten.“

 

Wie berichtet, hatte Knobel bei der Hauptversammlung Anfang April noch anders geklungen. Damals argumentierte er, ein Stopp des Geschäfts in der RF könne „weitreichende Konsequenzen haben, auch für unsere Mitarbeiter vor Ort. In Russland besteht die Gefahr, dass ausländische Unternehmen von der Regierung in Zukunft enteignet werden können und ihre lokalen Manager haftbar gemacht werden, wenn sie die Geschäfte einstellen“. Ohnehin habe Henkel in der RF „die gesamte Werbung eingestellt. Wir haben alle Sponsoringaktivitäten beendet und alle geplanten Investitionen in Russland gestoppt“. Somit setze der Konzern die seitens der EU und der USA verhängen Sanktionen gegen die RF „konsequent“ um und gehe sogar über diese hinaus. Allerdings hatte Knobel schon damals „weitere Schritte“ hinsichtlich der Tätigkeit Henkels in der RF nicht ausgeschlossen. Gerüchten zufolge soll sich der Druck aus Aktionärskreisen, diese einzustellen, in den vergangenen Wochen verstärkt haben, nicht zuletzt unter dem Eindruck von Berichten über mutmaßliche Kriegsverbrechen russländischer Truppen. Moskau spricht diesbezüglich bekanntlich von „Provokationen“, die seitens ukrainischer Einheiten verübt worden seien. Abschließende Ergebnisse unabhängiger Untersuchungen der fraglichen Ereignisse gibt es bis dato nicht.

 

 

 

April 11th

Airfinity senkt Umsatzprognosen für COVID-19-Vakzine

Heuer dürften mit dem Verkauf von Impfstoffen gegen das SARS-CoV-2-Virus weltweit etwa 64,1 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet werden. Bisher war der Pharmadatendienst von rund 80,8 Milliarden US-Dollar ausgegangen.

 

Der Pharmadatendienst Airfinity senkt seine Erwartungen hinsichtlich des voraussichtlichen weltweiten Umsatzes mit COVID-19-Impfstoffen im heurigen Jahr. Statt von 80,8 Milliarden US-Dollar geht er nunmehr von 64,1 Milliarden US-Dollar aus. Der nun prognostizierte Wert liegt also um etwa 20,7 Prozent unter dem zuvor angegebenem. Auch der Bedarf an COVID-19-Vakzinen dürfte laut Airfinity erheblich zurückgehen. Der Datendienst geht für heuer von etwa sechs Milliarden Dosen aus, für 2023 und die Folgejahre dagegen nur mehr von zwei bis vier Milliarden Dosen. Laut dem Chefanalytiker von Airfinity, Matt Linley, liegen derzeit einerseits rund 2,3 Milliarden Dosen an COVID-19-Impfstoffen auf Lager. Andererseits haben speziell Länder mit niedrigerem volkswirtschaftlichem Einkommen Probleme, genug Impfstoff für die Versorgung ihrer Bevölkerungen zu bekommen. Die Omikron-Variante des SARS-CoV-2Virus führe überwiegend zu einem leichteren Verlauf der Krankheit als frühere Mutationen. Das senke das Verlangen nach weiteren Impfungen.

 

Im Wesentlichen teilen sich zwei Unternehmen den Markt für die COVID-19-Vakzine: An der Spitze befindet sich heuer weiterhin Pfizer/Biontech mit einem voraussichtlichen Anteil von etwa 58 Prozent, was einem Umsatz von rund 36,4 Milliarden US-Dollar entspricht. Der Wermutstropfen für den US-Konzern: Die Prognose liegt um 15 Prozent unter der bisherigen. Die zweite Stelle hat Moderna inne - mit 30 Prozent Marktanteil bzw. 18,7 Milliarden US-Dollar Umsatz, womit der Umsatz um etwa 27 Prozent niedriger wäre als der bisher prognostizierte. Jeweils fünf Prozent Marktanteil weist Airfinity für Astrazeneca und Johnson & Johnson (J&J) aus, beim Umsatz bewegt sich Astrazeneca bei 3,4 Milliarden US-Dollar. Einen Jahresvergleich nennt Airfinity für das schwedisch-britische Unternehmen nicht. Doch lagen die Umsätze im ersten Quartal 2022 um rund 67 Prozent unter denen des vierten Quartals 2021. J&J wiederum dürfte im Gesamtjahr 2022 auf etwa 2,9 Milliarden US-Dollar kommen. Im ersten Quartal 2022 erzielte J&J mit dem Präparat um 65 Prozent weniger Umsatz mit seinem COVID-19-Vakzin als im vierten Quartal 2021. Der fünftgrößte Hersteller von COVID-19-Impfstoffen ist Novavax mit einem Marktanteil von etwa zwei Prozent und einem voraussichtlichen Umsatz von 2,7 Milliarden US-Dollar. Allerdings: Bisher hatte Airfinity den voraussichtlichen Umsatz für heuer mit 4,6 Milliarden US-Dollar angegeben, also um 41 Prozent höher. Novavax hat laut Airfinitiy bis dato zwar Verträge über die Lieferung von bis zu 1,7 Milliarden Dosen abgeschlossen, tatsächlich aber erst etwa 30 Millionen Dosen abgesetzt.

 

Den russländischen Impfstoff Sputnik V berücksichtigt Airfinity in seinen Analysen übrigens nicht mehr. Laut dem Datendienst bestehen seit der Invasion in der Ukraine angeblich Unsicherheiten hinsichtlich der Produktion und der Vermarktung des Präparats. Auch die in der Volksrepublik China hergestellten Vakzine behandelt Airfinity in seinen Berichten nun nicht mehr. Einen Grund nennt der Datendienst nicht.

 

 

 

 

April 7th

Cefic: Erneutes Plädoyer für Chemikalienrecycling

Ohne einschlägige Technologien sind die Kreislaufwirtschaftsziele der EU nicht zu erreichen, warnt der europäische Chemieindustrieverband in einem aktuellen Positionspapier.

 

Chemikalienrecycling ist notwendig, um die Kreislaufwirtschaftsziele der EU für 2050 zu erreichen, betont der europäische Chemieindustrieverband Cefic in einem aktuellen Positionspapier. Ihm zufolge werden derzeit rund 70 Prozent der Glas-, Papier- und Metallabfälle recycelt, aber nur etwa 41 Prozent der Kunststoffabfälle. Chemikalienrecycling könnte der Cefic zufolge diese Quote maßgeblich erhöhen, insbesondere bei Verbundmaterialien, die mechanisch kaum recyclierbar sind. Dem Positionspapier zufolge lassen sich mit Chemikalienrecycling neue Chemikalien erzeugen, darunter gerade auch neue Kunststoffe. Sekundärrohstoffe können in einer Qualität bereitgestellt werden, die jener von Primärrohstoffen entspricht und die alle einschlägigen Vorgaben für derartige Materialien erfüllt, also auch REACH-kompatibel ist. Ferner ist es möglich, mittels Chemikalienrecycling die Recyclate von unerwünschten Additiven zu befreien. Laut der Cefic ist eine Reihe von Demonstrationsprojekten im Gange bzw. angekündigt. Es sei indessen notwendig, die Technologien zum Einsatz im industriellen Maßstab reif zu machen, was entsprechender Investitionen bedürfe.

 

Nach Ansicht der Cefic muss die Industrie selbst verstärkt zusammenarbeiten. Notwendig sei nicht zuletzt die Entwicklung von Verfahren zur Behandlung schwer recyclierbarer Materialien, ebenso wie das Schaffen von Qualitätsstandards und Zertifizierungsschemata. Ferner sollte die Branche Lebenszyklusanalysen durchführen und deren Ergebnisse veröffentlichen.

 

Die Politik wiederum ist laut Cefic aufgerufen, Chemikalienrecycling als integralen Bestandteil der Kreislaufwirtschaft anzuerkennen und geeignete Rahmenbedingungen für den Einsatz entsprechender Technologien zu entwickeln. Als besonders wichtig erachtet die Cefic klare Festlegungen hinsichtlich des „Abfallendes“, also jener Kritieren, bei deren Erfüllung ein Stoff nicht mehr als Abfall gilt. Notwendig sei auch, Investitionen in industrielle Vorhaben zum Einsatz von Chemikalienrecycling zu erleichtern.

 

 

 

April 5th

Erdgas: Industrie gegen Importstopp

Die Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer warnt vor einem Missbrauch von Erdgas als „wirtschaftspolitische Waffe“. Sie fordert die Sicherstellung der Gasversorgung sowie die Klärung der Frage, was im Energielenkungsfall auf die Unternehmen zukommt.

 

„Erdgas darf nicht als wirtschaftspolitische Waffe verwendet werden. Hundertausende Arbeitsplätze wären bei Produktionsstillständen gefährdet.“ Das betonte Siegfried Menz, der Obmann der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer, bei einer Pressekonferenz am 5. April. Menz zufolge würde ein Stopp der Erdgasimporte aus der Russländischen Föderation (RF) die Versorgung der österreichischen Bevölkerung „mit lebensnotwendigen Produkten und Dienstleistungen in den Bereichen Ernährung, Hygiene, Medizin, Verpackungen, Bauen und Wohnen“ gefährden. In der Stahl-, der Gießerei- und der Glasindustrie seien Ausfälle von Schmelzprozessen und damit Millionenschäden zu befürchten. Ferner würde die „Herstellung von pharmazeutischen Produkten würde zum Stillstand kommen, in der Halbleiterproduktion sowie bei der Herstellung von Hygieneprodukten und Verpackungen würden irreparable Schäden an den Anlagen entstehen, die ein Wiederhochfahren in kurzer Zeit verunmöglichen“. Daher müsse „alles unternommen werden, um die heimische Industrie mit ihren rund 460.000 Beschäftigten am Laufen zu halten und die Gasversorgung kurz- und mittelfristig sicherzustellen“.

 

Die Industrie benötige rund drei Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr, was etwa einem Drittel des österreichischen Gasbedarfs entspreche. Kurzfristig verfügbare Alternativen zum „Russengas“ sind laut Menz nicht verfügbar. Folglich gelte es, mögliche Engpässe in der Gasversorgung „primär durch freiwillige, marktbasierte Maßnahmen auszugleichen. Der vorhandene Notfallplan mit definierten Krisenstufen muss aus der Parteipolitik herausgehalten werden. Die aktuelle Situation erfordert Krisenmanagement“. Bekanntlich habe die Bundesregierung die erste Stufe des Notfallplans für Versorgungskrisen im Erdgasbereich aktiviert. Nun müsse klargestellt werden, was auf die Industrie zukomme, wenn die Stufe 3 ausgerufen werde, also der sogenannte „Energielenkungsfall“. „Selbstverständlich sind die Haushalte und die kritischen Infrastrukturen vorrangig zu versorgen. Die Unternehmen müssen aber wissen, was auf sie zukommt und wie die verfügbaren Vorräte verteilt werden“, forderte Menz. Es sei klar, dass Österreich angesichts des derzeitigen Gasspeicherfüllstands von etwa 13 Prozent „höchstens fünf bis sechs Wochen“ durchhalten könne.

 

Zur Wirtschaftslage im Allgemeinen konstatierte Menz, die WKÖ gehe von einem Wachstum des BIP um etwa 3,5 Prozent aus. Noch seien die Auftragsbücher gut gefüllt, „aber wir wissen nicht, wie lange“. Der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie, Andreas Mörk, ergänzte, mit dem Angriff der RF auf die Ukraine am 24. Feber habe sich die Hoffnung, einen positiven Ausblick geben zu können, zerschlagen. Zwar habe die Industrie mit einem Produktionswert von 202,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr erstmals die „Marke“ von 200 Milliarden Euro übertroffen. Doch dies sei den gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten geschuldet, nicht aber einer Ausweitung der Absätze.

 

Angesichts des massiven Anstiegs der Großhandelspreise – bei Strom beispielsweise um 163,2 Prozent, bei Gas um 465,7 Prozent und bei Aluminium um 79 Prozent – seien die Liquidität und die Margen der Unternehmen „massiv unter Druck“. Hinzu kämen Probleme bei den Lieferketten, die vermehrt zu Kurzarbeit und zu Herausforderungen bei der Beschäftigung führten. Ensprechend sorgsam gelte es bei den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen zu agieren. Wünschenswert sei die Schaffung der Möglichkeit, den Beschäftigten steuerfreie Prämien nach Art der  „Coronaprämie“ anbieten zu können. Finanzminister Magnus Brunner solle ehestens die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Diese sollten dauerhaft gelten, um in Krisenfällen entsprechende Angebote machen zu können, empfahl Mörk. 

 

 

 

Henkel bleibt in der Russländischen Föderation

Produktion und Verkauf werden „zur Zeit“ fortgesetzt, betonte Vorstandschef Carsten Knobel bei der Hauptversammlung des Konzerns. Er will damit möglichen Reaktionen auf die westlichen Sanktionen vorbeugen.

 

Der deutsche Chemiekonzern Henkel bleibt weiter in der Russländischen Föderation (RF) tätig. Das betonte Vorstandschef Carsten Knobel bei der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung des Unternehmens am 4. April. Die „lokale Produktion“ sowie der Verkauf würden „zur Zeit“ fortgesetzt. Vor allem gehe es dabei um Waren „des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Reinigungs- und Hygieneprodukte“. Knobel erläuterte, Henkel trage Verantwortung für seine etwa 2.500 Beschäftigten sowie den Erhalt seiner Vermögenswerte in der RF: „Ein Stopp unserer russischen Geschäfte kann weitreichende Konsequenzen haben, auch für unsere Mitarbeiter vor Ort. In Russland besteht die Gefahr, dass ausländische Unternehmen von der Regierung in Zukunft enteignet werden können und ihre lokalen Manager haftbar gemacht werden, wenn sie die Geschäfte einstellen“.

 

Henkel habe in der RF indessen „die gesamte Werbung eingestellt. Wir haben alle Sponsoringaktivitäten beendet und alle geplanten Investitionen in Russland gestoppt“. Somit setze der Konzern die seitens der EU und der USA verhängen Sanktionen gegen die RF „konsequent“ um und gehe sogar über diese hinaus. Allfällige „weitere Schritte“ hinsichtlich der Tätigkeit Henkels in der RF schloss Knobel nicht aus.

 

Den Geschäftsverlauf im Jahr 2021, auf das sich die Hauptversammlung bezog, bezeichnete Knobel als „gut“. Er verwies auf den um 7,8 Prozent auf 20,06 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz sowie das um 4,2 Prozent auf 2,69 Milliarden Euro gewachsene bereinigte Betriebsergebnis (EBIT). Henkel sei „finanziell kerngesund“.

 

Allerdings werde das laufende Geschäftsjahr aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der weiter steigenden Kosten für Energie sowie Logistik „voraussichtlich noch schwerer als ohnehin erwartet“. Hinsichtlich der längerfristigen Perspektiven gab sich Knobel indessen optimistisch: Es sei möglich, „dieses Jahrzehnt für Henkel zu einem Erfolg machen“.

 

 

 

April 1st

Boehringer-Ingelheim: Ausbau in Niederösterreich

Nach der LSCC in Wien tätigt der deutsche Pharmakonzern binnen weniger Jahre seine zweite Großinvestition in Österreich. Unterstützung kommt nicht zuletzt von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus.

 

Rund 1,2 Milliarden Euro investiert Boehringer Ingelheim in eine neue Fabrik für biopharmazeutuische Arzneimittel im Wirtschaftspark der niederösterreichischen Landes-Wirtschaftsagentur ecoplus in Bruck an der Leitha. Sie trägt die Bezeichnung Bionex und entspricht technisch sowie von ihrer Größe her im Wesentlichen der „Large Scale Cell Culture“ (LSCC), die das Unternehmen im Herbst vergangenen Jahres in Wien in Betrieb nahm. Laut dem Generaldirektor der Boehringer-Ingelheim-Vertretung in Österreich (Boehringer Ingelheim RCV), Philipp von Lattorff, handelt es sich um die „größte Investition in Österreich in der Konzerngeschichte“. Anlässlich des Beschlusses über den Bau der LSCC im Jahr 2015 habe er geglaubt, „das sei etwas Einmaliges. Aber wir haben es geschafft, noch ein zweites derartiges Projekt nach Österreich zu bekommen“. Aus Platzgründen sei es nicht möglich gewesen, dieses am Standort in Wien zu realisieren. Aber eine „gewisse Nähe“ zur LSCC sei wünschenswert. Den Baubeginn erwartet Von Lattorff für das erste Quartal 2023. Ein Teil der erforderlichen Genehmigungen liegt bereits vor, teilte Von Lattorff dem Chemiereport mit. Er sei „guten Mutes“, auch die ausständigen Genehmigungen zeitgerecht zu erhalten. Der Abschluss der Arbeiten ist für 2026 geplant. Installiert wird ein Fermenter mit rund 185.000 Litern Volumen. Boehringer Ingelheim RCV wird in Bruck sowohl Auftrags- als auch Eigenproduktion mit wechselndem Erzeugungsmix durchführen. Daher sei es schwierig, das jährliche Produktionsvolumen zu beziffern, verlautete gegenüber dem Chemiereport. Auch der Energiebedarf lasse sich zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht exakt angeben. Von Lattorff sprach von einer „guten Nachricht für ganz Europa“. Mit der Investition werde der Pharmastandort Österreich gestärkt, was der gesamten EU zugute komme. Die Biopharmazie werde „ein wesentlicher Teil der Zukunft der Medizin“ sein. Somit nutze das neue Werk den Patienten weit über Österreich hinaus. Vor allem für Indikationen wie Krebs, Schlaganfall und Herzinfarkt seien die in Bruck künftig hergestellten Heilmittel vorgesehen. Ausdrücklich dankte Von Lattorff Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die die Umsetzung unterstützen.

 

Schramböck ihrerseits dankte Von Lattorff, das Wirtschaftsministerium von Beginn an in das Vorhaben eingebunden zu haben. Das mache es möglich, dieses wirksam zu unterstützen. Das Land Niederösterreich und insbesondere die ecoplus hätten „großartige Arbeit“ geleistet, betonte Schramböck. Sie kündigte an, „alles“ für eine rasche Umsetzung des Projekts zu tun. Die Life-Science-Branche sei einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Europas. Mit Investitionen wie denen von Boehringer Ingelheim habe Österreich die Chance, zur „Apotheke Europas“ zu werden.


Laut Landeshauptfrau Mikl-Leitner handelt es sich bei der neuen Fabrik in Bruck um eine „Green Factory“, die einmal mehr die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie unter Beweis stellt. Die Energieversorgung erfolgt ausschließlich mit Biomasse und Biogas, Windkraft und Photovoltaik, also vollständig klimaneutral. Auch Mikl-Leitner zufolge ist das Vorhaben ein „wichtiges Signal in Richtung Life Sciences“. Was dessen wirtschaftliche Bedeutung betrifft, verwies die Landeshauptfrau darauf, dass es der ecoplus in den vergangenen zehn Jahren gelungen sei, rund 335 Betriebe in Niederösterreich anzusiedeln, die insgesamt etwa eine Milliarde Euro investiert und mehr als 700 Arbeitsplätze geschaffen hätten. Mit einem einzigen Schlag würden diese Werte nunmehr verdoppelt. Ausdrücklich dankte Mikl-Leitner Wirtschafts- und Technologielandesrat Jochen Danninger sowie der ecoplus unter Geschäftsführer Helmut Miernicki für ihre diesbezügliche Arbeit.

 

Branchenvertreter erfreut

 

Erfreut zeigten sich der Pharmaindustrieverband Pharmig und der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog konstatierte, Boehringer Ingelheim trage „massiv zur Stärkung unseres Pharmastandorts bei. Wir freuen uns außerordentlich, dass Österreich hier im Wettbewerb mit anderen Ländern als Produktionsstandort zum Zug gekommen ist“. Er empfahl der Politik, die Rahmenbedingungen für die Industrie weiter zu verbessern. Als hilfreich zu erachten wären laut Herzog unter anderem eine „Senkung der Lohnnebenkosten oder ein zehnjähriger Steuerfreibetrag für Investitionen zum Standortausbau“, ebenso wie ein „klares Bekenntnis zu mehr Forschung wichtig sowie rechtliche Rahmenbedingungen, um die Produktion in Österreich weiter planbar zu machen und Marktkonditionen nachhaltig zu verbessern“.

 

Ähnlich äußerte sich FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger: „Es ist ein wichtiges Signal für den Pharmastandort, dass sich Boehringer-Ingelheim erneut für Österreich entschieden hat. Die Investition wird die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten mit pharmazeutischen Produkten verbessern und führt gleichzeitig zu vielen neuen hochwertigen Jobs. Dadurch wird die lokale Wirtschaft gestärkt.“ Auch Hofinger plädierte jedoch für „ein freundlicheres Umfeld für die Branche“. Bei den Arzneimittelpreisen etwa sollte sich Österreich „als eines der wohlhabendsten Länder in der EU an Ländern orientieren, deren Wirtschaftsleistung nicht einmal halb so groß ist. Außerdem braucht es Verbesserungen bei der Nutzung anonymisierter Patientendaten für die Forschung, mehr Anreize für klinische Studien, ein rascher Zugang für Patienten zu neuen Therapien sowie ein klares Bekenntnis zum Patentschutz, um die bestmögliche Versorgung garantieren und im internationalen Wettbewerb bestehen zu können“.