Archive - Apr 5, 2022

Datum
  • Alles
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
  • 11
  • 12
  • 13
  • 14
  • 15
  • 16
  • 17
  • 18
  • 19
  • 20
  • 21
  • 22
  • 23
  • 24
  • 25
  • 26
  • 27
  • 28
  • 29
  • 30

Erdgas: Industrie gegen Importstopp

Die Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer warnt vor einem Missbrauch von Erdgas als „wirtschaftspolitische Waffe“. Sie fordert die Sicherstellung der Gasversorgung sowie die Klärung der Frage, was im Energielenkungsfall auf die Unternehmen zukommt.

 

„Erdgas darf nicht als wirtschaftspolitische Waffe verwendet werden. Hundertausende Arbeitsplätze wären bei Produktionsstillständen gefährdet.“ Das betonte Siegfried Menz, der Obmann der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer, bei einer Pressekonferenz am 5. April. Menz zufolge würde ein Stopp der Erdgasimporte aus der Russländischen Föderation (RF) die Versorgung der österreichischen Bevölkerung „mit lebensnotwendigen Produkten und Dienstleistungen in den Bereichen Ernährung, Hygiene, Medizin, Verpackungen, Bauen und Wohnen“ gefährden. In der Stahl-, der Gießerei- und der Glasindustrie seien Ausfälle von Schmelzprozessen und damit Millionenschäden zu befürchten. Ferner würde die „Herstellung von pharmazeutischen Produkten würde zum Stillstand kommen, in der Halbleiterproduktion sowie bei der Herstellung von Hygieneprodukten und Verpackungen würden irreparable Schäden an den Anlagen entstehen, die ein Wiederhochfahren in kurzer Zeit verunmöglichen“. Daher müsse „alles unternommen werden, um die heimische Industrie mit ihren rund 460.000 Beschäftigten am Laufen zu halten und die Gasversorgung kurz- und mittelfristig sicherzustellen“.

 

Die Industrie benötige rund drei Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr, was etwa einem Drittel des österreichischen Gasbedarfs entspreche. Kurzfristig verfügbare Alternativen zum „Russengas“ sind laut Menz nicht verfügbar. Folglich gelte es, mögliche Engpässe in der Gasversorgung „primär durch freiwillige, marktbasierte Maßnahmen auszugleichen. Der vorhandene Notfallplan mit definierten Krisenstufen muss aus der Parteipolitik herausgehalten werden. Die aktuelle Situation erfordert Krisenmanagement“. Bekanntlich habe die Bundesregierung die erste Stufe des Notfallplans für Versorgungskrisen im Erdgasbereich aktiviert. Nun müsse klargestellt werden, was auf die Industrie zukomme, wenn die Stufe 3 ausgerufen werde, also der sogenannte „Energielenkungsfall“. „Selbstverständlich sind die Haushalte und die kritischen Infrastrukturen vorrangig zu versorgen. Die Unternehmen müssen aber wissen, was auf sie zukommt und wie die verfügbaren Vorräte verteilt werden“, forderte Menz. Es sei klar, dass Österreich angesichts des derzeitigen Gasspeicherfüllstands von etwa 13 Prozent „höchstens fünf bis sechs Wochen“ durchhalten könne.

 

Zur Wirtschaftslage im Allgemeinen konstatierte Menz, die WKÖ gehe von einem Wachstum des BIP um etwa 3,5 Prozent aus. Noch seien die Auftragsbücher gut gefüllt, „aber wir wissen nicht, wie lange“. Der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie, Andreas Mörk, ergänzte, mit dem Angriff der RF auf die Ukraine am 24. Feber habe sich die Hoffnung, einen positiven Ausblick geben zu können, zerschlagen. Zwar habe die Industrie mit einem Produktionswert von 202,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr erstmals die „Marke“ von 200 Milliarden Euro übertroffen. Doch dies sei den gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten geschuldet, nicht aber einer Ausweitung der Absätze.

 

Angesichts des massiven Anstiegs der Großhandelspreise – bei Strom beispielsweise um 163,2 Prozent, bei Gas um 465,7 Prozent und bei Aluminium um 79 Prozent – seien die Liquidität und die Margen der Unternehmen „massiv unter Druck“. Hinzu kämen Probleme bei den Lieferketten, die vermehrt zu Kurzarbeit und zu Herausforderungen bei der Beschäftigung führten. Ensprechend sorgsam gelte es bei den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen zu agieren. Wünschenswert sei die Schaffung der Möglichkeit, den Beschäftigten steuerfreie Prämien nach Art der  „Coronaprämie“ anbieten zu können. Finanzminister Magnus Brunner solle ehestens die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen. Diese sollten dauerhaft gelten, um in Krisenfällen entsprechende Angebote machen zu können, empfahl Mörk. 

 

 

 

Henkel bleibt in der Russländischen Föderation

Produktion und Verkauf werden „zur Zeit“ fortgesetzt, betonte Vorstandschef Carsten Knobel bei der Hauptversammlung des Konzerns. Er will damit möglichen Reaktionen auf die westlichen Sanktionen vorbeugen.

 

Der deutsche Chemiekonzern Henkel bleibt weiter in der Russländischen Föderation (RF) tätig. Das betonte Vorstandschef Carsten Knobel bei der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung des Unternehmens am 4. April. Die „lokale Produktion“ sowie der Verkauf würden „zur Zeit“ fortgesetzt. Vor allem gehe es dabei um Waren „des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Reinigungs- und Hygieneprodukte“. Knobel erläuterte, Henkel trage Verantwortung für seine etwa 2.500 Beschäftigten sowie den Erhalt seiner Vermögenswerte in der RF: „Ein Stopp unserer russischen Geschäfte kann weitreichende Konsequenzen haben, auch für unsere Mitarbeiter vor Ort. In Russland besteht die Gefahr, dass ausländische Unternehmen von der Regierung in Zukunft enteignet werden können und ihre lokalen Manager haftbar gemacht werden, wenn sie die Geschäfte einstellen“.

 

Henkel habe in der RF indessen „die gesamte Werbung eingestellt. Wir haben alle Sponsoringaktivitäten beendet und alle geplanten Investitionen in Russland gestoppt“. Somit setze der Konzern die seitens der EU und der USA verhängen Sanktionen gegen die RF „konsequent“ um und gehe sogar über diese hinaus. Allfällige „weitere Schritte“ hinsichtlich der Tätigkeit Henkels in der RF schloss Knobel nicht aus.

 

Den Geschäftsverlauf im Jahr 2021, auf das sich die Hauptversammlung bezog, bezeichnete Knobel als „gut“. Er verwies auf den um 7,8 Prozent auf 20,06 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz sowie das um 4,2 Prozent auf 2,69 Milliarden Euro gewachsene bereinigte Betriebsergebnis (EBIT). Henkel sei „finanziell kerngesund“.

 

Allerdings werde das laufende Geschäftsjahr aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der weiter steigenden Kosten für Energie sowie Logistik „voraussichtlich noch schwerer als ohnehin erwartet“. Hinsichtlich der längerfristigen Perspektiven gab sich Knobel indessen optimistisch: Es sei möglich, „dieses Jahrzehnt für Henkel zu einem Erfolg machen“.