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November 2nd, 2020

„Alles tun für die Trendwende“

Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober sind die neuen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie „alternativlos“. Gesundheitsexperten bestätigen das und warnen vor übertriebenen Erwartungen an Impfstoffe.

 

„Wir müssen jetzt alles tun, damit Mitte November die Trendwende erreicht wird“, erklärte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am 2. November mit Bezug auf die aktuelle Entwicklung der COVID-19-Pandemie. Vom 1. auf den 2. November seien 23.450 Personen positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet worden. Seit einigen Tagen verzeichne Österreich ebenso wie die meisten anderen Staaten Europas ein „dramatisch hohes Niveau“ an positiven Testungen. Die Lage sei schwierig. Gelinge es nicht, den Anstieg massiv zu bremsen, könne es in der zweiten Monatshälfte mit der Verfügbarkeit der Intensivbetten „eng werden“. Daher habe die Bundesregierung die am 1. November vom Hauptausschuss des Nationalrates gebilligten Maßnahmen setzen müssen, darunter die Ausgangsbeschränkungen in der Zeit von 20 bis 6 Uhr: „Das ist alternativlos.“ Diese Woche werden die Infektionszahlen weiter steigen. Erst nach rund zehn bis zwölf Tagen ist mit einer Abschwächung zu rechnen, warnte der Minister. Zwar sei die neue COVID-19-Verordnung noch nicht in Kraft. Dennoch solle die Bevölkerung die Kontaktreduktionen „ab sofort leben“. Warum der Infektionsschub Ende Oktober erfolgte, ist laut Anschober noch nicht geklärt.

 

Der Infektiologe Herwig Kollaritsch erläuterte, derzeit stecke eine mit SARS-CoV-2 infizierte Person rund 1,4 weitere Menschen an. Es gelte, diese Reproduktionszahl „drastisch zu senken. Das ist unangenehm, sicher wird es auch Kollateralschäden geben. Aber es alternativlos. Es gibt kein anderes Rezept. Alle übrigen europäischen Staaten machen das. Dass das funktioniert, sehen wir in Israel, wo der zweite Lock-down offensichtlich wirkt“.

 

Zwar heiße es häufig, sobald ein Impfstoff verfügbar sei, sei das Thema COVID-19 erledigt, ergänzte Kollaritsch. Doch dies sei nicht zwangsläufig der Fall, sondern nur, wenn der Impfstoff die Ansteckungskette unterbreche: „Dann können wir die Bevölkerung durchimpfen und zur Herdenimmunität kommen.“ Zwar werden ihm zufolge ab dem ersten Halbjahr 2021 mehrere Vakzine verfügbar sein. Doch sei jeder Impfstoff nur ein „relativer Schutz“, und die Impfung breiter Bevölkerungskreise werde eine „enorme logistische Herausforderung“. Manche der in Entwicklung befindlichen Vakzine müssten bei 180 Grad Celsius gelagert werden: „Das ist nicht so einfach.“ Auch nach der Verfügbarkeit eines oder mehrerer Impfstoffe werde es daher noch über Monate hinweg notwendig sein, die „persönlichen Schutzmaßnahmen“ einzuhalten, also etwa die Abstandsregeln und das Tragen der Mund- und Nasenschutzmasken.

 

 

 

 

 

October 29th

OMV übernimmt Borealis-Mehrheit

Der Öl- und Gaskonzern hat die Transaktion wie geplant abgeschlossen. Infolge der COVID-19-Pandemie verzeichnete er in den ersten neun Monaten des Jahres Verluste.

 

Mit 29. Oktober hat die OMV die Übernahme der Mehrheit an der Borealis abgeschlossen. Sie hält nun 75 Prozent des Kunststoff- und Düngerkonzerns, zuvor lag ihr Anteil bei 36 Prozent. Der bisherige Mehrheitseigentümer, die Investmentgesellschaft Mubadala mit Sitz in Abu Dhabi, behält die übrigen 25 Prozent. OMV-Generaldirektor Rainer Seele berichtete anlässlich der Präsentation der Dreivierteljahresbilanz, sein Unternehmen habe für die neu übernommenen 39 Prozent der Borealis rund 3,8 Milliarden Euro bezahlt. Dies sei mit Sicherheit nicht zu viel. Es handle sich um eine „faire und attraktive Transaktion“. Schon in der Jahresbilanz 2020 der OMV werde die Borealis voll konsolidiert. Die OMV wachse mit einem Schlag um rund ein Drittel. Überdies erweitere sie ihr Geschäftsmodell und werde von einem Öl- und Erdgaskonzern zu einem Öl-, Erdgas- sowie Chemiekonzern. Das mache ihr Geschäftsmodell noch „widerstandsfähiger“. Geplant sei, zu einem weltweit führenden Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft zu werden. Darin bestehe auch die Strategie des Unternehmens in einer Weltwirtschaft mit im Vergleich zu bisher niedrigen CO2-Emissionen. Zur Frage, ob der Vorstandsvorsitzende der Borealis, Alfred Stern, in seiner Funktion bleibt, wollte Seele nicht Stellung nehmen: Es handle sich um eine „reine Spekulation, und so etwas kommentiere ich nicht“.

 

In den ersten neun Monaten des heurigen Jahres lieferte die OMV etwas, das sie in einer Aussendung als „solide Leistung“ bezeichnete. Konkret bedeutet das einen Verlust von 622 Millionen Euro, der laut Seele vor allem durch die verfallenen Ölpreise und die gesunkenen Gaspreise infolge der COVID-19-Pandemie bedingt war. Für das Gesamtjahr rechnet die OMV mit einem Brent-Ölpreis von 40 US-Dollar je Fass (2019: 64 US-Dollar) und einem Gaspreis von weniger als 10 Euro pro Megawattstunde (2019: 11,9 Euro). Die Gesamtfördermenge dürfte bei 450.000 bis 470.000 Fass liegen, 2019 waren es 487.000 Fass gewesen.

 

 

October 8th

Agrana steigert Umsatz und Gewinn

Zu der positiven Entwicklung trugen vor allem die Segmente Stärke und Zucker bei. Im Geschäft mit Fruchtsaftkonzentraten waren wegen der geringeren Nachfrage aus der Gastronomie Rückgänge zu verzeichnen.

 

Der Umsatz des Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzerns Agrana belief sich im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2020/21 auf rund 1,31 Milliarden Euro, um etwa 4,8 Prozent mehr als im ersten Halbjahr des vorigen Geschäftsjahres. Das EBITDA wuchs um 11,7 Prozent auf 101,4 Millionen Euro, das EBIT um 7,9 Prozent auf 55,8 Millionen Euro. Ihr Konzernergebnis beziffert die Agrana mit 34,4 Millionen Euro, was einer Steigerung um rund 9,0 Prozent entspricht.

Generaldirektor Johann Marihart begründete dies mit der „sehr guten Geschäftsentwicklung im Bereich Bioethanol“, die Rückgänge beim Absatz von Stärke mehr als kompensierte, sowie dem besseren Geschäftsverlauf im Segment Zucker. Sowohl die Verkaufsmengen als auch die Verkaufspreise stiegen, was sich in einem Umsatzzuwachs von 21,8 Prozent auf 300,3 Millionen Euro sowie in einem auf -9,0 Millionen Euro um rund 50 Prozent gestiegenen EBIT manifestierte.

Im größten Segment, Frucht, verzeichete die Agrana einen leichten Umsatzanstieg um 1,0 Prozent auf 601,8 Millionen Euro. Dem gegenüber verringerte sich das EBIT um 16,6 Prozent auf 30,1 Millionen Euro. Zurückzuführen ist dies auf die geringeren Absatzmengen im Bereich Fruchtsaftkonzentrat. Dort schlug sich vor allem die verringerte Nachfrage aus der Gastronomie infolge der COVID-19-Pandemie nieder, berichtete Vertriebsvorstand Fritz Gattermayer. Das Geschäft mit Fruchtzubereitungen verlief ihm zufolge stabil.

 

Für das gesamte Geschäftsjahr 2020/21 erwartet Marihart „ein Konzern-EBIT zumindest auf Vorjahresniveau“. Der Umsatz dürfte voraussichtlich um ein bis zehn Prozent steigen. Infolge der nach wie vor virulenten COVID-19-Pandemie ist dieser Ausblick jedoch nach wie vor mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, räumte Marihart ein. Allerdings habe sich die Diversifizierung der Geschäftsbereiche der Agrana im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres einmal mehr bewährt: „Wir sind solide unterwegs und gut aufgestellt.“ Marihart, dessen Vertrag im Februar 2021 endet, sollte die Agrana somit mit einer zufriedenstellenden Jahresbilanz verlassen können. 

 

Im November entschieden wird, wie es mit der Zuckerfabrik Leopoldsdorf weitergeht. Die Agrana hatte angekündigt, die Anlage zu schließen, falls ihr nicht eine Zuckerrüben-Anbaufläche von mindestens 38.000 Hektar garantiert werde. Laut Marihart hat sein Konzern den österreichischen Rübenbauern angeboten, das Dreijahresvertragsmodell bis 2022 mit Mindestpreisen von 32 Euro netto pro Tonne Rüben plus zwei Euro Rübenplatzmiete weiterzuführen. Da die Rübenbauern üblicherweise auch Weizen- und Maisbauern sind, bietet die Agrana ferner Kombiverträge an. Staatlicherseits wurde überdies eine Wiederanbauprämie von 250 Euro je Hektar bei Schädlingsbefall in den Raum gestellt. Auch die von den Rübenbauern gewünschte Notfallzulassung für Neonicotinoide ist laut Marihart „relativ wahrscheinlich“ und sicher, falls das laufende Bienenmonitoring positive Ergebnisse zeitigt.

 

 

October 7th

Chemienobelpreis für CRISPR/Cas9

Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, die Erfinderinnen der Genome-Editing-Methode CRISPR/Cas9, erhalten den Chemienobelpreis 2020.

Die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises für Chemie an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna ist keine große Überraschung: Schon seit Jahren galten die beiden Erfinderinnen der Genome-Editing-Methode CRISPR/Cas9 zu den hoch gehandelten Favoriten. Die Methodik hat seit ihrer erstmaligen Publikation im Jahr 2012 in allen Zweigen der Biowissenschaften als Werkzeug zur gezielten Modifikation von Genen Verbreitung gefunden und ist die Basis für Anwendungen in der Pflanzenzüchtung und in der Krebstherapie

Charpentier, die 1968 in Frankreich geboren wurde, arbeitete von 2002 bis 2009 am Vienna Biocenter in Wien, wo sie sich mit dem bakteriellen Abwehrsystem gegen Viren beschäftigte. Die Publikation der Entdeckung des RNA-Typus tracrRNA, der dabei eine entscheidende Rolle spielt, erfolgte 2011, als sie schon an die Universität Umeå in Schweden weitergezogen war. Die Forscherin ging daraufhin eine Kooperation mit der als RNA-Spezialistin bekannten Biochemikerin Jennifer Doudna von der University of California in Berkeley ein. Gemeinsam gelang es, die bakterielle „Genschere“ in-vitro nachzubauen. In einem Epoche-machenden Experiment konnten die beiden Forscherinnen überdies zeigen, dass der Mechanismus umprogrammiert werden kann, um nicht nur virale, sondern beliebige DNA-Sequenzen an einer ausgewählten Stelle zu schneiden. Gemeinsam mit auf den Doppelstrangbruch folgenden DNA-Reparaturmechanismen kann die Methode zur gezielten Inaktivierung von Genen oder zum gezielten Einfügen von Mutationen verwendet werden. Seit 2018 ist Charpentier Leiterin der „Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene“ in Berlin.

 

October 5th

Nobelpreis für Hepatitis-C-Entdecker

Harvey J. Alter, Michael Houghton und Charles Rice wurde der Nobelpreis für Medizin zugesprochen. Sie haben mit ihrer Arbeit „Millionen Menschen das Leben gerettet“, so die Begründung.

 

Für die Entdeckung und Erforschung des Hepatitis-C-Virus erhalten die US-Amerikaner Harvey J. Alter und Charles M. Rice sowie der Brite Michael Houghton dem Nobelpreis für Medizin. Alter zeigte in den 1970er Jahren, dass ein unbekanntes Virus eine häufige Ursache für chronische Lebererkrankungen darstellt. Houghton gelang es gegen Ende der 1980er Jahre, den Erreger zu isolieren. Dieser wurde nachmals als „Hepatitis-C-Virus“ bezeichnet. Rice schließlich führte Ende der 1990er den Nachweis, dass dieses Virus alleine in der Lage ist, Hepatitis auszulösen. Das Nobelpreiskomitee begründete seine Entscheidung damit, dass die drei Forscher mit ihrer Arbeit die Entwicklung auf das Virus bezogener Bluttests und Medikamente möglich gemacht und auf diese Weise „Millionen von Leben gerettet“ hätten.

 

Der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Alexander Herzog, betonte aus gegebenem Anlass einmal mehr die Wichtigkeit des Zusammenwirkens von Grundlagen- und angewandter Forschung: „Hepatitis C konnte schon seit vielen Jahren behandelt werden. Durch kontinuierliche Forschung ist es schlussendlich im Jahr 2013 gelungen, ein Medikament auf den Markt zu bringen, mit dem die Krankheit heilbar ist. Das ist letzten Endes genau das, was wir bei jeder Krankheit anstreben, nämlich, sie heilbar zu machen.“ Herzog zufolge ist Hepatitis C „ein großes globales Gesundheitsproblem, das bei Menschen auf der ganzen Welt Leberzirrhose und Leberkrebs verursacht“. Er verwies auf Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, denen zufolge jedes Jahr rund 70 Millionen Personen an Hepatitis C erkranken. In etwa 400.000 Fällen führt dies zum Tod der Betroffenen.

 

Die Chance auf Heilung von Hepatitis C besteht seit der Zulassung des Medikaments Sovaldi des US-amerikanischen Pharmakonzerns Gilead Sciences. Dieser wurde seinerzeit allerdings durch alle Winde geschossen, weil er für das Mittel Preise in bis dato kaum jemals gekannter Höhe verlangte. In Deutschland etwa beliefen sich die Kosten für eine Packung mit 28 Tabletten anfangs auf rund 20.000 Euro. Eine zwölf Wochen dauernde Therapie hätte mit rund 60.000 Euro zu Buche geschlagen, was bei den Gesundheitsbehörden für Furore sorgte. Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt, und die Preise sind um immerhin rund ein Drittel gesunken. In 101 Staaten mit geringem Nationaleinkommen bietet Gilead den in Sovaldi enthaltenen Wirkstoff Sofosbuvir um 900 Euro für eine zwölf Wochen dauernde Therapie an.

 

 

Agrana: Start für Betainanlage

Trotz einiger Herausforderungen in der Bauphase durch die COVID-19-Pandemie konnte der Konzern die Fabrik am Standort Tulln kürzlich in Betrieb nehmen.

 

Nach 15 Monaten Bauzeit nahm die Agrana ihre neue Betainkristallisations-Anlage am Standort Tulln in Betrieb. Das teilte der Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern per Aussendung mit. Gemeinsam mit der US-amerikanischen Amalgamated Sugar Company investierte er dort rund 40 Millionen Euro. Tulln ist der dritte Standort, an dem die Agrana kristallines Betain herstellt. Die Kapazität der neuen Anlage liegt bei rund 8.500 Tonnen pro Jahr. Schon seit fünf Jahren gewinnt die Agrana in Tulln aus der bei der Zuckerherstellung anfallenden Rübenmelasse flüssiges Betain-Konzentrat.

 

Generaldirektor Johann Marihart und Amalgated-Sugar-CEO John McCreedy verlauteten, infolge der COVID-19-Pandemie sei es während der Bauzeit „zu einigen Herausforderungen“ gekommen. Dennoch habe die Anlage im August fertiggestellt werden können. Nun seien die beiden Unternehmen in der Lage, Kunden in der Kosmetik-, Lebensmittel- und Futtermittelindustrie mit hochwertigem kristallinem Betain zu versorgen. Als wichtigste Absatzmärkte nannte die Agrana Asien und Australien sowie den arabischen Raum.

 

 

September 30th

„Grüne Gase“ gut verträglich

Bei der „Energiewende“ wird Österreich kaum ohne gasförmige Energieträger auf biogener Basis auskommen. Sie für Heizzwecke einzusetzen, wäre technisch kein besonderes Problem, betont die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW).

 

Österreichs Gaswirtschaft ist entschlossen, ihren Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten. Das betonte der Vizepräsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW), Michael Haselauer, am 30. September bei einer Pressekonferenz in Wien. Ihm zufolge ließen sich auf längere Sicht ausreichende Mengen an Biomethan und „grünem“ Wasserstoff bereitstellen, um den Raumwärmebedarf vollständig zu decken. Über die bestens ausgebauten Gasnetze wäre es grundsätzlich kein Problem, die Endkunden zu versorgen. Auch die rund eine Million Gasheizungen würde die „grünen Gase“ gut vertragen. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung, die der Leiter des Departments für Umwelt- und Energieverfahrenstechnik der Montanuniversität Leoben und Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Thermoprozesstechnik, Harald Raupenstrauch, und sein Team im Auftrag der ÖVGW durchführten. So kann Biomethan Erdgas vollständig ersetzen, ohne die Brenner anpassen zu müssen. Nicht adaptiert werden müssen die Brenner auch, wenn Erdgas bis zu vier Prozent Wasserstoff beigemengt werden. Wird ein Brenner dagegen entsprechend angepasst, können dem Erdgas sogar bis zu zehn Prozent Wasserstoff beigemengt werden.

 

Aus Biomasse biogene Gase zu erzeugen und mit diesen Erdgas zu ersetzen, ergibt auch in Bezug auf die Treibhausgasbilanz Sinn, erläuterte Gregor Berger, einer der Experten in Raupenstrauchs Team, auf Anfrage des Chemiereports. Verrottet die Biomasse ungenutzt, so werden dabei CO2 und Methan (CH4) frei. Über den üblichen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren hinweg gilt CH4 als 28 Mal klimawirksamer als CO2. Somit entspricht ein Gramm CH4 rund 28 Gramm CO2-Äquivalent. Bei der Verbrennung eines Gramms CH4 entstehen dagegen nur rund 2,75 Gramm CO2. Somit ergibt sich bei der Verbrennung bzw. „thermischen Nutzung“ von CH4 im Vergleich zur Verrottung eine Einsparung von rund 90 Prozent des in die Atmosphäre gelangenden CO2-Äquivalents.

 

Für ausgeschlossen hält Raupenstrauch, sämtliche österreichischen Haushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien zu beheizen. Es lasse sich schlicht und einfach nicht genug Ökostrom erzeugen, um die Industrie sowie den Mobilitätssektor vollständig zu versorgen und darüber hinaus den Raumwärmebedarf zu decken. Auch deshalb sei „grünes“ Gas unverzichtbar. Um diesem zum Durchbruch zu verhelfen, sind allerdings entsprechende Rahmenbedingungen notwendig, erläuterte Haselauer. Die Gaswirtschaft wünscht insbesondere ein Fördersystem ähnlich der Ökostromförderung, wie sie im Entwurf zum Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) beschrieben wird. Dabei geht es um Marktprämien, die unter Berücksichtigung des Großhandelspreises für Erdgas variieren. Festzuschreiben wäre dieses System im „Grüne-Gase-Gesetz“, das die Bundesregierung ergänzend zum EAG angekündigt hat.

 

September 29th

Plädoyer für Regionalität

Plasmaprodukte für europäische Patienten sollten nach Möglichkeit in Europa selbst hergestellt werden, hieß es beim Plasmadialog der Pharmig in Wien.

 

Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Versorgung Europas mit Plasma und Plasmaprodukten ist bis dato gering. Das sagte Josef Weinberger, der Vorsitzende des Standing Committee Plasmaproteine des Pharmaindustrieverbands Pharmig, bei einem Pressegespräch in Wien. Sein Unternehmen, die Octapharma, betreibt in Deutschland 20 Plasmaspenden-Zentren: „Dort sehen wir eine Aufkommensreduktion von etwa fünf Prozent. Das sind Größenordnungen, mit denen man leben kann.“ Solche Zentren bestehen auch in Österreich, Deutschland, der Tschechischen Republik und Ungarn. Und diese vier Länder sind es auch, die den Großteil des europäischen Plasmabedarfs decken, erläuterte Weinberger.

Rund 40 Prozent des benötigten Plasmas müssen allerdings importiert werden, vor allem aus den USA. Und dort sieht die Lage erheblich dramatischer aus. Weinberger rechnet damit, heuer „im besten Fall“ 75 bis 80 Prozent der üblichen Jahresmenge erhalten zu können. Die Auswirkungen in der Versorgung mit Plasmaprodukten werden sich ihm zufolge im ersten Quartal 2021 zeigen. Wie schwer sie sein werden, bleibe abzuwarten. Erst Ende des kommenden Jahres sei mit einer Normalisierung der Lage zu rechnen.

 

Vielleicht ist es aber ohnehin nicht ratsam, sich allzu sehr auf US-amerikanisches Plasma zu verlassen, erläuterte Volker Wahn von der Berliner Charité. In den USA treten teilweise andere Krankheiten auf als in Europa. Folglich enthält US-Plasma andere Antikörper als europäisches. Plasmaprodukte aus den USA seien daher zur Behandlung von Patienten in Europa möglicherweise weniger geeignet als europäische. Derartige Unterschiede haben jedoch nichts mit der grundsätzlichen Qualität des Plasmas und der Plasmaprodukte zu tun, betonte Christa Wirthumer-Hoche, die Leiterin des Geschäftsfelds Medizinmarktaufsicht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Diese sei unbestritten und werde laufend kontrolliert, nicht zuletzt auch von der AGES selbst.

 

Weinberger zufolge besteht seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO die Empfehlung, die unterschiedlichen Regionen der Welt sollten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst mit Plasma und Plasmaprodukten versorgen. Ein „duales System“ der Aufbringung über Blutspenden sowie Plasmapheresezentren gebe es außerhalb Österreichs jedoch nur in wenigen Ländern: „Und solange wir in Europa nicht das Ziel der Unabhängigkeit von Importen definieren, werden wir abhängig bleiben.“

 

Das freilich ist ein Problem, das nicht nur hinsichtlich der Plasmaprodukte besteht, ergänzte Robert Sauermann vom Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen. Gerade im Zuge der COVID-19-Pandemie habe sich gezeigt, „dass die Abhängigkeit von wenigen Produktionsstätten im Ausland zu bedenklichen Situationen führen kann. Wir sollten daher wieder mehr an Arzneimittelproduktion nach Europa bekommen“. Und Plasmaprodukte als „sehr essenzielle Produkte“ sollten ihm zufolge „von europäischen Spendern“ stammen. Um das zu ermöglichen, sieht Sauermann neben der Pharmaindustrie auch seinen eigenen Verband in der Pflicht: Notwendig sei eine „behutsame Preispolitik“ und ein Preisniveau, mit dem alle leben könnten.

 

Mehr spenden, bitte

 

Hilfreich wäre allerdings auch eine erhöhte Bereitschaft in der Bevölkerung, Plasma zu spenden. Während des ersten Höhepunkts der COVID-19-Pandemie im Frühjahr gingen die Spenden in Österreich zeitweilig um bis zu 50 Prozent zurück - nicht zuletzt, weil die Spendezentren etwa zwei Wochen lang geschlossen waren. Auf das Niveau vor der Pandemie zurückgekehrt ist das Aufkommen bisher aber immer noch nicht. Die IG Plasma veranstaltet deshalb im Oktober eine Kampagne zur Bewusstseinsbildung, berichtete ihr Vorsitzender, Matthias Gessner. Ohne das Engagement der Bevölkerung könne die Industrie keine Plasmaprodukte entwickeln und erzeugen.

 

Österreich ist bekanntlich einer der weltweit wichtigsten Standorte der Pharmaindustrie, was Plasmaprodukte betrifft. Etwa vier Millionen Liter Plasma werden hierzulande jährlich verarbeitet, was rund 15 Prozent der globalen Gesamtkapazität entspricht. Geplant ist eine Aufstockung auf rund neun Millionen Liter. Die fünf in Österreich ansässigen Unternehmen mit ihren 5.000 Beschäftigten, die sich mit Plasmaprodukten befassen, exportieren ihre Erzeugnisse in 100 Länder. Und die 18 Plasmazentren in den größeren Städten Österreichs tragen nach Angaben der Pharmig mit jeweils rund 1,5 bis fünf Millionen Euro pro Jahr zur lokalen Wertschöpfung bei.

 

 

 

September 27th

ÖGMBT vergibt Preise für herausragende Forschungsarbeiten

Die diesjährigen Austrian Life Science Awards prämieren exzellente Forschungsarbeiten aus Molekularbiologie und Biotechnologie. Die Preisträger kommen von BOKU, CeMM, MPL, IST Austria und St. Anna Kinderkrebsforschung.

Eine kleine Insel physischer Präsenz war auch unter den besonderen Umständen dieser Tage möglich: Die Jahrestagung der ÖGMBT (Österreichische Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie) wird heuer im Online-Modus ausgetragen. Dennoch konnten die vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) sowie den Unternehmenspartnern THP Medical Products und Polymun Scientific finanzierten Austrian Life Science Awards im Rahmen einer kleinen Preisverleihungszeremonie am Vienna Biocenter übergeben und diese live in die via Zoom abgewickelte Konferenz sowie im Youtube-Livestream übertragen werden.

Sowohl die „Research Awards“ als auch die „PhD Awards“ wurden dabei in gewohnter Weise in den beiden der Grundlagen- und der angewandten Forschung gewidmeten Kategorien vergeben, eine zusätzliche Auszeichnung kürte zum dritten Mal die Forschungsarbeit mit der höchsten gesellschaftlichen Wirkung („societal impact“). Als letztere wurde von der 16-köpfigen Jury eine Publikation von Thomas Gaßler ausgewählt, die sich mit der Umwandlung der in industriellen Anwendungen gerne verwendeten Hefeart Pichia pastoris von einem heterotrophen, Methanol als Nährmedium benutzenden, in eine autotrophen Organismus beschäftigt, der CO2 fixieren kann. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, die biotechnologische Produktion mit diesem Expressionssystem von der Verfügbarkeit organischer Rohstoffe zu entkoppeln, was Anwendung in der nachhaltigen Produktion von proteinreichen Futtermitteln oder biologisch abbaubaren Polymeren finden könnte. Gaßler, der am Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur tätig ist, verwendete für diese Arbeit Techniken der Synthetischen Biologie, die gestatten, eine synthetische Version des Calvin-Benson-Zyklus von Pflanzen in der Hefe zu implementieren.

 

Proteine beklebt, um sie abzubauen

In der Kategorie „Applied Research“ der Forschungspreise konnte Cristina Mayor-Ruiz reüssieren, die sich am Center for Molecular Medicine der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) mit einem neuem Typus pharmazeutischer Wirkstoffe beschäftigt: den sogenannten „molecular glue degraders“. Diese setzen an folgendem Mechanismus an: Proteine werden, vermittelt durch spezielle Ligasen, durch Ubiquitin markiert, damit Proteasen erkennen, dass dies Proteine abgebaut werden sollen. Die gesuchten „molekularen Klebstoffe“ binden nun an Ubiquitin-Ligasen in einer Weise, die bewirkt, dass diese auch Proteine markieren, die für gewöhnlich nicht mit ihnen in Wechselwirkung treten. Sie „kleben“ in diesem Sinne die jeweilige Ligase an derartige Proteine an und ermöglichen so deren Abbau durch Proteasen. Eine solche Vorgehensweise (die man auch „targeted protein degradation“ nennt) ist eine vielversprechende Möglichkeit, auch Proteine pharmazeutisch in den Griff zu bekommen, die sonst als nicht durch Arzneimittel adressierbar („undruggable“) gelten. Mayor-Ruiz, die in der Forschungsgruppe von Georg Winter als Post-doc arbeitet, entwickelte eine Hochdurchsatz-Screening-Methode, um chemische Verbindungen aufzufinden, die als „molekulare Klebstoffe“ für die Ubiquitinierung in Frage kommen. Der „proof of principle“ konnte durch das Auffinden mehrerer bisher nicht beschriebener molekularer Strukturen erbracht werden, die eine Ligase an einen wichtigen Regulator des Zellzyklus binden.

 

Kleine Tröpfchen konzentrieren Enzyme im Zellkern

Der Vorgang der Ubiquitinierung (in diesem Fall von Histon-Proteinen) spielt auch bei der Transkription von Genen im Zellkern eine Rolle. Damit hat sich Laura D. Gallego Valle, die diesjährige Trägerin des ÖGMBT-Forschungspreises im Bereich „Basic Research“, beschäftigt, die in an den Max Perutz Laboratories am Vienna Biocenter tätig ist. Die Forscherin fand gemeinsam mit ihren Kollegen in der Forschungsgruppe von Alwin Köhler heraus, dass das Scaffold-Protein Lge1, an das eine im Zellkern von Hefen wirksame Ubiquitin-Ligase bindet, eine intrinsisch ungeordnete Region besitzt, die kondensieren und so eine Phasentrennung zwischen zwei Flüssigkeiten bewirken kann. Die so entstandenen Mikrophase bildet gleichsam eine „Reaktionskammer“ aus, in der die für die Ubiquitinierung benötigten Enzyme in höherer Konzentration vorhanden sind. Proteine, die zu den untersuchten homolog sind, kommen auch im menschlichen Organismus vor, eine Störung der beschriebenen Prozesse wird mit neurologischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.

 

PhD Awards in zwei Kategorien

Die Life Science PhD Awards Austria 2020 schließlich gingen an Aglaja Kopf (IST Austria) in der Kategorie Grundlagenforschung und an Benjamin Salzer (St. Anna Kinderkrebsforschung) in der Kategorie Angewandte Forschung. Kopf untersuchte, wie die Dynamik von Mikrotubuli die Gestalt von Immunzellen steuert, die wie Amöben durch unterschiedliche Arten von Gewebe wandern. Salzer hat chemische Verbindungen entwickelt, die die im der Krebsimmuntherapie bedeutsamen CAR-T-Zellen ein- und ausschalten und sie so spezifischer gegen solide Tumoren einsetzbar machen können.

 

 

September 25th

Nabilon kann Parkinson lindern

Cannabinoide gelten seit längerem als Hoffnungsträger bei der Behandlung von nichtmotorischen Störungen bei Parkinson. Innsbrucker Forscher lieferten nun erstmals Indizien für ihre Wirksamkeit aufgrund einer randomisiert, doppelblind sowie placebokontrolliert durchgeführten Studie.

 

Nichtmotorische Störungen (NMS) im Zusammenhang mit Parkinson könnten sich mit Cannabinoiden wirksam lindern lassen. Das zeigt eine Studie, die Forscher der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) durchführten. Sie verabreichten von Oktober 2017 bis Juli 2019 jeweils 19 Patienten das synthetische Cannabinoid Nabilon bzw. ein Placebo. Bei den mit Nabilon Behandelten ergab sich laut einer Aussendung der MUI „eine Verbesserung der gesamten NMS-Belastung, was sich insbesondere in einer Verminderung der Angstzustände und Schlafstörungen widerspiegelt“. Dieses Resultat „ könnte als Basis für größere kontrollierte, eventuell zu einer Zulassung führender Studien dienen“. Die bisher vorliegenden Hinweise auf die eventuelle Wirksamkeit von Cannabinoiden gegen Parkinson galten als unzureichend, weil an den entsprechenden Untersuchungen zu wenige Probanden teilnahmen bzw. keine Kontrolle erfolgte. Mit der Arbeit der Innsbrucker Wissenschaftler liegen nun erstmals Indizien aufgrund einer randomisiert, doppelblind sowie placebokontrolliert durchgeführten Studie zu diesem Thema vor.

 

Der Erstautorin der Studie, Marina Peball, zufolge ist die mögliche therapeutische Wirkung von Cannabinoiden auf Motorik und NMS bei Parkinson „ein wichtiges Thema und wird häufig von Patienten im Behandlungsraum angesprochen“. Bei einer Online-Umfrage, die von der Michael-J.- Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung unterstützt wurde, sagten rund 95 Prozent der Neurologen der US-amerikanischen National Parkinson Foundation, Patienten hätten sie um die Verschreibung von Marihuana ersucht, berichtete Peball. Laut Mitautor Klaus Seppi treten NMS im Zusammenhang mit Parkinson manchmal Jahre oder sogar Jahrzehnte vor den bekannten motorischen Störungen auf. Zu den NMS gehören neben Schlafstörungen und Angstzuständen unter anderem Geruchsstörungen, Stimmungsschwankungen, ein Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit, aber auch Wahrnehmungsstörungen. Nabilon setzten die Forscher nach Angaben Seppis ein, weil „dessen Hersteller AOP Orphan das Medikament und das dazugehörige Placebo zur Verfügung gestellt hat. Auch andere Präparate wären infrage gekommen“. Nabilon ist bisher zur Behandlung von Übelkeit zugelassen, die nach Chemotherapien auftritt.

 

Als hilfreich bei der Durchführung der Studie erwies sich laut Mitautor Werner Poewe, dem ehemaligen Direktor der Universitätsklinik für Neurologie, die klaglose Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Klinische Studien und den Departments für Genetik und Pharmakologie sowie für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie.

 

 

 

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