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Boehringer-Ingelheim: Ausbau in Niederösterreich

Nach der LSCC in Wien tätigt der deutsche Pharmakonzern binnen weniger Jahre seine zweite Großinvestition in Österreich. Unterstützung kommt nicht zuletzt von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus.

 

Rund 1,2 Milliarden Euro investiert Boehringer Ingelheim in eine neue Fabrik für biopharmazeutuische Arzneimittel im Wirtschaftspark der niederösterreichischen Landes-Wirtschaftsagentur ecoplus in Bruck an der Leitha. Sie trägt die Bezeichnung Bionex und entspricht technisch sowie von ihrer Größe her im Wesentlichen der „Large Scale Cell Culture“ (LSCC), die das Unternehmen im Herbst vergangenen Jahres in Wien in Betrieb nahm. Laut dem Generaldirektor der Boehringer-Ingelheim-Vertretung in Österreich (Boehringer Ingelheim RCV), Philipp von Lattorff, handelt es sich um die „größte Investition in Österreich in der Konzerngeschichte“. Anlässlich des Beschlusses über den Bau der LSCC im Jahr 2015 habe er geglaubt, „das sei etwas Einmaliges. Aber wir haben es geschafft, noch ein zweites derartiges Projekt nach Österreich zu bekommen“. Aus Platzgründen sei es nicht möglich gewesen, dieses am Standort in Wien zu realisieren. Aber eine „gewisse Nähe“ zur LSCC sei wünschenswert. Den Baubeginn erwartet Von Lattorff für das erste Quartal 2023. Ein Teil der erforderlichen Genehmigungen liegt bereits vor, teilte Von Lattorff dem Chemiereport mit. Er sei „guten Mutes“, auch die ausständigen Genehmigungen zeitgerecht zu erhalten. Der Abschluss der Arbeiten ist für 2026 geplant. Installiert wird ein Fermenter mit rund 185.000 Litern Volumen. Boehringer Ingelheim RCV wird in Bruck sowohl Auftrags- als auch Eigenproduktion mit wechselndem Erzeugungsmix durchführen. Daher sei es schwierig, das jährliche Produktionsvolumen zu beziffern, verlautete gegenüber dem Chemiereport. Auch der Energiebedarf lasse sich zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht exakt angeben. Von Lattorff sprach von einer „guten Nachricht für ganz Europa“. Mit der Investition werde der Pharmastandort Österreich gestärkt, was der gesamten EU zugute komme. Die Biopharmazie werde „ein wesentlicher Teil der Zukunft der Medizin“ sein. Somit nutze das neue Werk den Patienten weit über Österreich hinaus. Vor allem für Indikationen wie Krebs, Schlaganfall und Herzinfarkt seien die in Bruck künftig hergestellten Heilmittel vorgesehen. Ausdrücklich dankte Von Lattorff Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die die Umsetzung unterstützen.

 

Schramböck ihrerseits dankte Von Lattorff, das Wirtschaftsministerium von Beginn an in das Vorhaben eingebunden zu haben. Das mache es möglich, dieses wirksam zu unterstützen. Das Land Niederösterreich und insbesondere die ecoplus hätten „großartige Arbeit“ geleistet, betonte Schramböck. Sie kündigte an, „alles“ für eine rasche Umsetzung des Projekts zu tun. Die Life-Science-Branche sei einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Europas. Mit Investitionen wie denen von Boehringer Ingelheim habe Österreich die Chance, zur „Apotheke Europas“ zu werden.


Laut Landeshauptfrau Mikl-Leitner handelt es sich bei der neuen Fabrik in Bruck um eine „Green Factory“, die einmal mehr die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie unter Beweis stellt. Die Energieversorgung erfolgt ausschließlich mit Biomasse und Biogas, Windkraft und Photovoltaik, also vollständig klimaneutral. Auch Mikl-Leitner zufolge ist das Vorhaben ein „wichtiges Signal in Richtung Life Sciences“. Was dessen wirtschaftliche Bedeutung betrifft, verwies die Landeshauptfrau darauf, dass es der ecoplus in den vergangenen zehn Jahren gelungen sei, rund 335 Betriebe in Niederösterreich anzusiedeln, die insgesamt etwa eine Milliarde Euro investiert und mehr als 700 Arbeitsplätze geschaffen hätten. Mit einem einzigen Schlag würden diese Werte nunmehr verdoppelt. Ausdrücklich dankte Mikl-Leitner Wirtschafts- und Technologielandesrat Jochen Danninger sowie der ecoplus unter Geschäftsführer Helmut Miernicki für ihre diesbezügliche Arbeit.

 

Branchenvertreter erfreut

 

Erfreut zeigten sich der Pharmaindustrieverband Pharmig und der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog konstatierte, Boehringer Ingelheim trage „massiv zur Stärkung unseres Pharmastandorts bei. Wir freuen uns außerordentlich, dass Österreich hier im Wettbewerb mit anderen Ländern als Produktionsstandort zum Zug gekommen ist“. Er empfahl der Politik, die Rahmenbedingungen für die Industrie weiter zu verbessern. Als hilfreich zu erachten wären laut Herzog unter anderem eine „Senkung der Lohnnebenkosten oder ein zehnjähriger Steuerfreibetrag für Investitionen zum Standortausbau“, ebenso wie ein „klares Bekenntnis zu mehr Forschung wichtig sowie rechtliche Rahmenbedingungen, um die Produktion in Österreich weiter planbar zu machen und Marktkonditionen nachhaltig zu verbessern“.

 

Ähnlich äußerte sich FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger: „Es ist ein wichtiges Signal für den Pharmastandort, dass sich Boehringer-Ingelheim erneut für Österreich entschieden hat. Die Investition wird die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten mit pharmazeutischen Produkten verbessern und führt gleichzeitig zu vielen neuen hochwertigen Jobs. Dadurch wird die lokale Wirtschaft gestärkt.“ Auch Hofinger plädierte jedoch für „ein freundlicheres Umfeld für die Branche“. Bei den Arzneimittelpreisen etwa sollte sich Österreich „als eines der wohlhabendsten Länder in der EU an Ländern orientieren, deren Wirtschaftsleistung nicht einmal halb so groß ist. Außerdem braucht es Verbesserungen bei der Nutzung anonymisierter Patientendaten für die Forschung, mehr Anreize für klinische Studien, ein rascher Zugang für Patienten zu neuen Therapien sowie ein klares Bekenntnis zum Patentschutz, um die bestmögliche Versorgung garantieren und im internationalen Wettbewerb bestehen zu können“.

 

 

 

 

 

March 23rd

Zusammenhang zwischen Übergewicht und Immunsystem

Eine Studie der LMU München konnte zeigen, dass bereits nach wenigen Wochen einer hochkalorischen Diät Immunzellen im Fettgewebe akkumulieren und zu krankhaften Veränderungen von Immunstatus und Stoffwechsel führen können.

Gesundheitsexperten von der WHO abwärts warnen kontinuierlich vor den Folgen von Übergewicht und Adipositas (definiert als Stoffwechselerkrankung, die mit überdurchschnittlicher Vermehrung von Körperfett einhergeht). Einer Aussendung der LMU München zufolge gelten knapp 60 Prozent der Deutschen als übergewichtig, rund ein Viertel als adipös. Übergewicht wird als Auslöser für schwere Folgeerkrankungen wie Diabetes, Arteriosklerose oder Herzinfarkte angesehen.

Im Rahmen einer Studie haben Wissenschaftler der Ludwigs-Maximilians-Universität München (LMU) nun gezeigt, dass schon eine dreiwöchige hochkalorische Diät drastische Effekte auf das Immunsystem haben kann. Das Forschungsteam rund um Susanne Stutte und Barbara Walzog vom Walter-Brendel-Zentrum für Experimentelle Medizin hat festgestellt, dass sogenannte plasmazytoide dendritische Zellen (pDCs) im Viszeralfettgewebe im Inneren des Bauchraums akkumulieren. Die Folge davon ist die Ausbildung kleiner Lymphknötchen – tertiärer lymphatischer Organe –, die akut in den Stoffwechsel eingreifen.

Molekularer Mittler dieses Eingriffs ist Alpha-Interferon – ein Protein, das für gewöhnlich das Immunsystem stimuliert, um Infektionen zu bekämpfen. Im Bauchfettgewebe steigen nun aber durch die Ausschüttung des Botenstoffs die Entzündungswerte und der Stoffwechsel entgleist – ein Krankheitsbild, das als „metabolisches Syndrom“ bezeichnet wird. Wird die Einwanderung der pDCs dagegen blockiert, verbessert sich der metabolische Zustand deutlich. Die Ergebnisse dieser Studie, die in Kooperation mit der Harvard Medical School entstanden, können nun dazu beitragen, neue Ansatzpunkte für eine therapeutische Intervention zu entwickeln.

Die Original-Publikation “High-Fat Diet Rapidly Modifies Trafficking, Phenotype, and Function of Plasmacytoid Dendritic Cells in Adipose Tissue” ist im Journal of Immunology erschienen.

 

 

March 22nd

Wieso läuft die Zeit nur in eine Richtung?

Der Physiker Marcus Huber vom Atominstitut der TU Wien erhält für seine Forschung, die an der Schnittstelle von Quantenphysik und Thermodynamik angesiedelt ist, einen ERC Consolidator Grant.

Hubers Interesse ist von einem besonderen Zusammenhang geleitet: „Es gibt nur zwei Bereiche der Physik, in denen die Richtung der Zeit eine entscheidende Rolle spielt“, wie der Wissenschaftler aufzeigt. Der eine davon ist die Thermodynamik. Hier wurde die Größe Entropie definiert, die in abgeschlossenen Systemen immer nur zunehmen kann und somit die Richtung von Prozessen angibt, die von selbst ablaufen: Zum Beispiel gibt ein Gegenstand höherer Temperatur Wärme an seine Umgebung ab, bis überall die gleiche Temperatur herrscht; niemals aber kühlt ein Körper seine Umgebung von selbst ab, um sich selbst zu erwärmen.

Die andere Teildisziplin der Physik, in die Richtung der Vorgänge eine Rolle spielt, ist die Quantenphysik, im Speziellen der quantenphysikalische Messprozess. Dabei tritt ein mikroskopisches System, das durch die Quantentheorie sehr gut beschrieben werden kann (z.B. ein einzelnes Atom) mit einer makroskopischen Messanordnung in Wechselwirkung. Während der Zustand des Quantensystems vor der Messung durch Überlagerung („Superposition“) verschiedener, mit bestimmter Wahrscheinlichkeit auftretender Zustände aufgefasst werden kann, wird bei der Messung einer davon, der einem ganz bestimmten Messwert entspricht, selektiert. Auch hier ist eine Umkehrbarkeit dieses Vorgangs unmöglich.

„Die Vermutung liegt nahe, dass diese beiden Gebiete – die Thermodynamik und der Messprozess in der Quantenphysik – auf ganz fundamentaler Ebene etwas miteinander zu tun haben“, sagt Marcus Huber: „Daher wollen wir die Quantentheorie statistisch verstehen, ähnlich wie man mit Hilfe der Thermodynamik statistische Größen wie Druck und Temperatur verstehen kann.“

 

Ansehnliche Karriere

Um auf diesem Forschungsfeld weiter vorzudringen, stehen Marcus Huber nun die finanziellen Mittel eines ERC Consolidator Grants zur Verfügung. Diese prestigeträchtige Förderung wird an Forscher vergeben, die seit ihrer Promotion sieben bis zwölf Jahre Erfahrung gesammelt, dabei einen vielversprechenden Weg beschritten und überdies einen exzellenten Forschungsvorschlag gemacht haben. Über eine Periode von fünf Jahren werden dem Geförderten bis zu zwei Millionen Euro ausbezahlt.

Der Physiker studierte zunächst an der Universität Wien Physik und kehrte nach Aufenthalten an den Universitäten Bristol, Barcelona und Genf nach Wien zurück, wo er seit 2016 Gruppenleiter am IQOQI (Institut für Quanten-Optik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) und seit 2020 zusätzlich Professor an der TU Wien ist.

Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit sieht er dabei auch als Grundlage neuer Formen von Technologie: So wie die Thermodynamik im 19. Jahrhundert mit Dampfmaschinen oder Verbrennungsmotoren die Basis für die industrielle Revolution geschaffen habe, könnten Quantensysteme die Grundlage für neue Quantentechnologien (etwa „Quantenkühlschränke“ oder ein künftiges „Quanteninternet“) darstellen. 

 

 

March 11th

Borealis: Stickstoffspartenverkauf abgeblasen

Infolge der Sanktionen gegen die Russländische Föderation lehnt der Kunststoff- und Düngerkonzern das Angebot der Eurochem ab.

 

Der Verkauf des Stickstoff- und Düngemittelgeschäfts der Borealis ist vorerst geplatzt. Das Angebot der Eurochem vom 2. Feber, dieses um 455 Millionen Euro zu übernehmen, werde abgelehnt, teilte das Unternehmen mit. Vorstandschef Thomas Gangl konstatierte, die Borealis habe „die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und den verhängten Sanktionen eingehend geprüft. Infolgedessen haben wir beschlossen, das Angebot von Eurochem für den Erwerb des Stickstoffgeschäfts von Borealis, welches Pflanzennährstoffe, Melamin und technische Stickstoffprodukte umfasst, abzulehnen“. Nun werde nach einer neuen Lösung für die Angelegenheit gesucht.

 

Der Hintergrund: Rund 90 Prozent der Eurochem gehören bzw. gehörten dem russländischen Geschäftsmann Andrej Melnicenko. Dieser steht seit 9. März auf der Sanktionsliste der EU. Sie ließ sein Vermögen einfrieren und erteilte ihm ein Einreiseverbot. Wie viel des auf bis zu 19,3 Milliarden US-Dollar (17,6 Milliarden Euro) geschätzten Vermögens Melnicenkos davon betroffen ist, ist unbekannt. Nach Angaben von Eurochem legte dieser seine Funktionen in dem Konzern am 10. März zurück und gilt nicht mehr als dessen Hauptbegünstiger. Hinsichtlich der künftigen Eigentümerstruktur der Eurochem ist bisher in der Öffentlichkeit nichts bekannt. Nach eigenen Angaben ist der Konzern mit Sitz in Zug in der Schweiz einer der weltweit größten Anbieter von Stickstoff, Phosphat, Kali sowie komplexen Düngemitteln. Sein Jahresumsatz für 2020 wird mit etwa 6,2 Milliarden US-Dollar (5,6 Milliarden Euro) beziffert.
 

 

March 10th

Lenzing wieder mit Gewinn

Der Zellstoff- und Faserkonzern hat die Verlustzone verlassen und 2021 einen Überschuss von 127,7 Millionen Euro erzielt. Dem interimistischen Vorstandschef Cord Prinzhorn folgt am 1. April der derzeitige Technikchef der Lenzing, Stephan Sielaff.

 

Der Zellstoff- und Faserkonzern Lenzing erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021 einen Gewinn von rund 127,7 Millionen Euro, nachdem er 2020 einen Verlust von etwa 10,6 Millionen Euro hinzunehmen hatte. Die Umsatzerlöse erhöhten sich um 34,4 Prozent auf 2,19 Milliarden Euro. Das EBITDA fiel mit 362,9 Millionen Euro fast doppelt so hoch aus wie 2020 (192,3 Millionen Euro). Cord Prinzhorn, der interimistische Vorstandschef, sprach von einem „starken Geschäftsjahr“. Er begründete die deutlich verbesserten Resultate mit dem „strategischen Fokus auf holzbasierte Spezialfasern und dem überwiegend positiven Marktumfeld“. Für die Zukunft sieht Prinzhorn den Konzern gut gerüstet. Er verwies auf das Anfang März in Betrieb gegangene Lyocellwerk in Thailand, das eine Jahreskapazität von 100.000 Tonnen aufweist und damit als eines der größten der Welt gilt. Auch stehe die Inbetriebnahme des neuen Zellstoffwerks in Brasilien „unmittelbar bevor“. Beide Projekte realisiere die Lenzing im vorgesehenen Zeit- und Budgetrahmen, betonte Prinzhorn.

 

Das EBITDA des heurigen Jahres sollte Prinzhorn zufolge „deutlich über dem Niveau von 2021“ liegen. Allerdings gebe es einige Unsicherheitsfaktoren. Die COVID-19-Pandemie sei keineswegs zuende. Und: „Die stark gestiegenen Energiekosten und die Probleme globaler Lieferketten stellen weitere ökonomische Herausforderungen dar. Darüber hinaus gilt es auch die geopolitischen Risiken verstärkt im Auge zu behalten. Insbesondere die militärischen Auseinandersetzungen in der Ukraine wird die Weltwirtschaft negativ beeinflussen.“

 

Unterdessen ist geklärt, wer Prinzhorn nachfolgt: Es ist Stephan Sielaff, der derzeitige Technikvorstand der Lenzing, der per 1. April den Vorstandsvorsitz übernimmt. Prinzhorn führt die Lenzig seit dem überraschenden Abgang Stefan Doboczkys im Herbst vergangenen Jahres und übernimmt den Vorsitz im Aufsichtsrat. Er folgt damit Peter Edelmann, der sich mit 26. April zurückzieht. Ferner verzichtet Finanzvorstand Thomas Obendrauf auf die Verlängerung seines bis Ende Juni laufenden Vertrags. Ein Nachfolger wird bereits gesucht.

 

 

 

March 8th

Rauch angelobt

Der neue Gesundheitsminister hat sein Amt übernommen. Seine Aufgabe ist keine leichte, warnte Bundespräsident Alexander van der Bellen.

 

„Herr Bundespräsident, ich gelobe.“ Mit diesen Worten übernahm Johannes Rauch am 8. März das Amt des Gesundheits- und Sozialministers. Bundespräsident Alexander van der Bellen konstatierte bei der Angelobung in der Wiener Hofburg, bei der Bewältigung der Pandemie stehe der Gesundheitsminister im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dessen Aufgabe sei nicht leicht: „Sie ist nervenaufreibend und geht ohne Zweifel an die Belastungsgrenze.“ Van der Bellen rief die Mitglieder der Bundesregierung, die Bundesländer und die Gemeinden auf, die Pandemie gemeinsam einzudämmen: „Nur, wenn alle zusammenarbeiten, kann diese schwierige Aufgabe bewältigt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir das auch schaffen, auch wenn wir heute noch nicht wissen, wann die Pandemie vorbei sein wird.“

 

Johannes Rauch, geboren 1959 in Rankweil (Vorarlberg), ist Diplom-Sozialarbeiter. Von 2000 bis 2014 war er Abgeordneter zum Vorarlberger Landtag, seit 2014 Landesrat. Als Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgt er Wolfgang Mückstein, der nach einem Jahr zurückgetreten war. Mückstein begründete seinen Rücktritt mit der Belastung durch seine Tätigkeit sowie Drohungen gegen seine Person und seine Familie. Rauch betonte bei seiner Vorstellung durch Vizekanzler Werner Kogler am 4. März, er werde nicht den Fehler machen, die COVID-19-Pandemie vorschnell für beendet zu erklären. Er versicherte, sein Bestes geben und auch „als Sozialminister sichtbar werden“ zu wollen.

 

Wie der Pharmaindustrieverband Pharmig schon am 4. März, gratulierten nun auch der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) sowie die Interessensgemeinschaft österreichischer Heilmittelhersteller und Depositeure (IGEPHA) Rauch zu seiner Bestellung. IGEPHA-Präsidentin Mirjana Mayerhofer konstatierte, mit Rauch komme „ein erfahrener Politiker in das Amt des Sozial und Gesundheitsministers, der schon als Landesrat in Vorarlberg Regierungserfahrung gesammelt hat. Die IGEPHA wünscht dem Minister alles Gute und freut sich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Gesundheitsressort“. Auch ÖVIH-Vizepräsidentin Sigrid Haslinger lobte Rauch als „erfahrenen und sachorientierten Politiker“. Der ÖVIH freue sich darauf, „ihm gemeinsam die anstehenden Verbesserungen auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel im Bereich des e-Impfpasses, bei den Schulimpfungen oder auch in der Beschaffung von Impfstoffen anzugehen“.

 

Auf den Minister wartet eine Reihe von Herausforderungen, darunter keineswegs zuletzt die Umsetzung der gesetzlichen Impfpflicht sowie die Frage, ob es weiterhin kostenlose COVID-19-Tests geben wird. Die regierungs- und globalisierungskritische Organisation Attac nahm die Angelobung Rauchs zum Anlass zur Kritik an der geplanten Bestellung Helga Tiebens zur Leiterin der österreichischen Medizinmarktaufsicht in der AGES. Attac forderte Rauch auf, die „Pharmalobbyistin“ nicht zu berufen.

March 4th

Kernkraftwerk Saporishtshia: IAEA besorgt

Die Internationale Energieagentur mahnt zur Gewährleistung der Sicherheit der Anlage und ihres Personals.

 

„Schwer besorgt“ über die Lage um das ukrainische Kernkraftwerk Saporishtshia (russisch Saporoshkoe) zeigte sich der Generaldirektor der Internationalen Energieagentur (IAEA), Rafael Mariano Grossi, am 4. März bei einer Pressekonferenz in Wien. Oberste Priorität müsse haben, die Sicherheit des Kraftwerks, seines Personals sowie der Stromerzeugung in der Anlage zu gewährleisten. Auf deren Areal Artilleriegranaten abzufeuern, widerspreche dem Prinzip, die physische Integrität von kerntechnischen Anlagen jederzeit sicherzustellen.

 

Grossi tätigte seine Aussagen, nachdem es in der Nacht vom 3. auf den 4. März zu einem Brand im Trainingszentrum des größten Kernkraftwerk Europas gekommen war. Betroffen war ein Areal von rund 2.000 Quadratmetern. Gegen 6 Uhr Ortszeit (5 Uhr MEZ) konnte der Brand unter Kontrolle gebracht werden. Um etwa 6:30 Uhr Ortszeit (5:30 Uhr MEZ) verlautete, er sei gelöscht.

 

Über die Ursachen des Brandes gibt es unterschiedliche Darstellungen. Der Bürgermeister der nahegelegenen ukrainischen Stadt Energodar, Dmitri Orlov, sprach von „dauerndem feindlichem Beschuss der Gebäude und Anlagen“ des Kraftwerks. Anderen ukrainischen Quellen zufolge soll dieser durch russländische Truppen auch mit den Geschützen von Kampfpanzern bzw. mit Artillerie erfolgt sein.

Das russländische Verteidigungsministerium bezeichnete die Ereignisse dagegen als „ukrainische Provokation“. Das Kraftwerk Saporishtshia / Saporoshkoe sei bereits seit 28. Feber von russländischen Truppen besetzt. Am 4. März um etwa 2 Uhr Ortszeit (1 Uhr MEZ) hätten „ukrainische Saboteure“ eine motorisierte Patrouille der Russländischen Nationalgarde aus dem Trainingszentrum außerhalb des engeren Kernkraftwerksareals mit Handfeuerwaffen schwer beschossen. Die Patrouille sei in das Zentrum eingedrungen und habe den Beschuss ihrerseits mit Handfeuerwaffen erwidert. Im Zuge des Schusswechsels hätten die „Saboteure“ das Gebäude in Brand gesteckt. Kein Angehöriger des Kraftwerkspersonals habe sich während des Vorfalls in dem Zentrum befunden. Das Ziel der „ukrainischen Provokation“ sei es gewesen, die russländische Seite völkerrechtswidrigen Verhaltens zu bezichtigen. 

 

Die IAEA meldete unter Berufung auf nicht näher spezifizierte ukrainische Quellen, das Kraftwerk werde nunmehr offenbar weiterhin von seiner regulären Belegschaft betrieben. Es sei keinerlei radioaktives Material freigesetzt worden. Von den sechs Reaktoren von Saporishtshia / Saporoshkoe ist derzeit nur einer, der Block 4, in Betrieb. Block 1, der dem Trainingszentrum am nächsten liegen soll, wurde schon vor dem russländischen Angriff auf die Ukraine am 24. Feber für reguläre Wartungsarbeiten abgeschaltet. Die übrigen vier Blöcke sind in Reserve bzw. in Wartung und zur Zeit ebenfalls abgeschaltet. Das Kernkraftwerk Saporishtshia / Saporoshkoe liegt am Kachowkaer Stausee am Unterlauf des Dnjepr. Es wurde in den Jahren 1980 bis 1995 erbaut. Jeder der sechs Blöcke hat eine Nettoleistung von rund 950 Megawatt (MW). Die Gesamtleistung des Kraftwerks wird folgerichtig mit etwa 6.000 MW beziffert. Geplant ist, das Kraftwerk bis 2026 vollständig stillzulegen.

 

 

 

Johannes Rauch soll Wolfgang Mückstein folgen

Der Vorarlberger Umweltlandesrat wird Bundespräsident Alexander van der Bellen kommende Woche als neuer Gesundheits- und Sozialminister vorgeschlagen, berichtete Vizekanzler Werner Kogler. Die Pharmig gratuliert.

 

Der Vorarlberger Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) soll neuer Gesundheits- und Sozialminister werden. Einen entsprechenden Vorschlag wird Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kommende Woche Bundespräsident Alexander van der Bellen unterbreiten. Das berichtete Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rauch am 4. März. Laut Artikel 70 des Bundes-Verfassungsgesetzes obliegt es dem Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und auf dessen Vorschlag hin die übrigen Mitglieder der Bundesregierung zu ernennen. Kogler erläuterte, es sei notwendig, nach dem Rücktritt Wolfgang Mücksteins am 3. März einen „raschen und reibungslosen Übergang im Gesundheitsministerium“ sicherzustellen. Der erweiterte Bundesvorstand der Grünen habe Rauch einstimmig gewählt: „Ich freue mich, dass er gewonnen werden konnte.“ Rauch sei „ein erfahrender Profi mit Tiefgang und Weitblick, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit. Er kann und wird klare Worte sprechen“. Rauchs Vorgänger zollte Kogler Lob: „Wolfgang Mückstein ist wesentlich mehr gelungen, als wahrgenommen wird.“ Dies betreffe die Eindämmung der Pandemie ebenso wie die Sozialpolitik. Die Gründe für seinen Rücktritt habe Mückstein „sehr eindrücklich“ geschildert: „So, dass ein Gesundheitsminister rund um die Uhr Polizeischutz braucht und mit kugelsicherer Weste im Auto fahren muss, kann und soll es nicht weitergehen.“

 

Vorbereitung auf den Herbst 

 

Rauch konstatierte, Österreich befinde sich immer noch im Zustand der COVID-19-Pandemie: „Den Fehler, diese vorschnell für beendet zu erklären, mache ich nicht.“ Sein erstes und wichtigstes Vorhaben sei, Österreich seriös auf Herbst und Winter 2022/23 vorzubereiten. Er habe Verständnis dafür, dass die Menschen „keine Masken und keine Einschränkungen mehr wollen. Aber das nützt nichts“. Die Pandemie und deren Folgen „werden uns noch lange beschäftigen“. Rauch kündigte an, bei der weiteren Bekämpfung von COVID-19 die Bundesländer ebenso einzubinden wie jene im Parlament vertretenen Parteien, die dazu bereit seien. Für die SPÖ und die NEOS sei es zweifellos nicht leicht gewesen, der Impfpflicht zuzustimmen. Er wolle aber die Zusammenarbeit mit beiden Parteien fortsetzen und intensivieren.

 

Grundsätzlich müssten die einschlägigen Fachleute die Basis für die Entscheidungen liefern, betonte Rauch. Diese zu treffen, sei in der Folge die Aufgabe der Politik. Es gelte, eine „Balance zwischen Sicherheit und Freiheit“ zu finden: „Das wird den Dialog brauchen, dann aber auch klare und nachvollziehbare Entscheidungen, die verstanden werden.“ Neben der Gesundheitspolitik werde er die anderen Bereiche seines Ressorts nicht vernachlässigen, versicherte Rauch: „Ich komme aus der Sozialarbeit, will auch als Sozialminister sichtbar werden und für die eintreten, die am Rande der Gesellschaft stehen.“ Den Beschäftigten im Pflegebereich, die „seit zwei Jahren unfassbare Leistungen erbringen“, will Rauch so rasch wie möglich die nötige Unterstützung und Erleichterung verschaffen. Auch der Konsumenten- und der Tierschutz würden nicht vernachlässigt. Und: „Die Gewalt an Frauen ist in Österreich dermaßen aggressiv an der Tagesordnung, dass man das nicht hinnehmen kann.“ Daher werde der Gewaltschutz weiter verstärkt.

 

Kompromisse nötig 


Rauch resümierte, er sei schon einige Jahre in der Politik und glaube, einschätzen zu können, was auf ihn zukomme. Sein neues Amt übernehme er „mit Überzeugung und voller Kraft. Ich kann nicht versprechen, alle Probleme zu lösen, wohl aber, mein Bestes zu geben“. Die Zusammenarbeit mit der ÖVP will Rauch „konstruktiv angehen. Ich bin aber auch bereit, für die Sache zu kämpfen“. In Vorarlberg habe er mit der ÖVP in der dortigen Koalition kooperiert. Klar sei: „Kompromisse sind nötig. Wer solche nicht schließen kann, ist für die Politik nicht geeignet, hat der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt“.

 

Gratulation der Pharmig

 

Der Pharmaindustrieverband Pharmig gratulierte Rauch zu seiner neuen Funktion. Präsident Philipp von Lattorff und Generalsekretär Alexander Herzog verlauteten, sie freuten sich „auf eine gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit, um gemeinsam die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung weiter zu verbessern“. In seiner bisherigen politischen Tätigkeit habe sich Rauch sich durch Kompetenz, Engagement und Sachorientierung verdient gemacht. Dem scheidenden Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein dankten Von Lattorf und Herzog. Dieser habe „in wahrlich herausfordernden Zeiten das Ruder im Gesundheitsministerium übernommen und im Rahmen seiner Möglichkeiten Österreich durch die Pandemie geführt“.

 

 

 

March 3rd

Mückstein geht

Der Gesundheitsminister tritt nach einem Jahr zurück. Aus Begründung nennt er nicht das vielfach kolporierte Hickhack um die Pandemiebekämpfung, sondern die Belastung durch das Leben unter Polizeischutz.

 

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein verkündete am 3. März seinen Rücktritt. Er könne nicht mehr die notwendigen 100 Prozent Leistung erbringen und bleibe damit hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück, begründete der Wiener Arzt seinen Schritt. Zugesetzt hätten ihm insbesondere ständige Bedrohungen sowie die Notwendigkeit, seit Monaten rund um die Uhr unter Polizeischutz leben zu müssen. Das habe auch seine Familie sehr belastet. „Das hält man nicht lange aus“, konstatierte Mückstein. Den Namen seines Nachfolgers nannte Mückstein nicht. Er werde diesem jedoch in den kommenden Tagen ein geordnetes Haus übergeben und bis dahin die Geschäfte weiterführen, beschied der scheidende Minister.

 

Er betonte, es sei für ihn ein „großes Privileg“ gewesen, die Gesundheitspolitik ein Jahr lang mitgestalten zu dürfen. Es sei gelungen, viel weiterzubringen: „Aber die Pandemie hat uns auch auf eine harte Probe gestellt.“ Ihm sei es immer darum gegengen, „Menschenleben zu bewahren und das Gesundheitssystem zu schützen“. Mittlerweile seien sieben von zehn Österreichern geimpft. Auch stehe „ein halbes Dutzend“ Medikamente zur Bekämpfung von COVID-19 zur Verfügung.

 

Ausdrücklich dankte Mückstein dem Regierungsteam. Namentlich nannte er Vizekanzler Werner Kogler und Bundeskanzler Karl Nehammer. Mit dem Letztgenannten verbinde ihn „der pragmatische Zugang“. Zum vielfach kolportierten Hickhack um die Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie, insbesondere die neuesten Öffnungsschritte, nahm Mückstein nicht Stellung. Fragen ließ er nicht zu.

 

 

 

 

 

February 15th

Clariant: Verdacht auf Bilanzfälschung

Nach derzeitigem Stand könnten die Geschäftsjahre 2020 und 2021 von den Malversationen betroffen sein. Die Untersuchungen sind laut Clariant „weit fortgeschritten“.

 

Der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant verschiebt die Veröffentlichung seiner Jahresbilanz 2021 auf unbestimmte Zeit. Laut einer Aussendung besteht der Verdacht der Bilanzfälschung. Rückstellungen und Abgrenzungen sollen falsch gebucht worden sein, um das Erreichen bestimmter Unternehmensziele zu suggerieren. Clariant könnte daher „angehalten sein, zuvor veröffentlichte Finanzberichte anzupassen. Dies betrifft den Jahresabschluss für das am 31. Dezember 2020 endende Geschäftsjahr, die Halbjahresabschlüsse für die am 30. Juni 2020 und 30. Juni 2021 endenden Zeiträume sowie die Quartalsberichterstattung für die Jahre 2020 und 2021. Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, ob sich diese Problematik auch auf Abrechnungszeiträume vor 2020 erstreckt“. Dem Konzern zufolge sind das Beratungsunternehmen Deloitte sowie die US-amerikanische Anwaltskanzlei Gibson, Dunn & Crutcher mit der Causa befasst. Die Untersuchungen seien „bereits weit fortgeschritten“. Es geschehe alles, um sie zügig abzuschließen.

 

Nach derzeitigem Stand werde der Jahresumsatz 2021 rund 4,37 Milliarden Schweizer Franken (4,16 Milliarden Euro) betragen. Die EBITDA-Marge für die fortgeführten Geschäftsbereiche werde, wie Ende Okotber 2021 angekündigt, bei 16 bis 17 Prozent liegen: „Es wird nicht erwartet, dass die Ergebnisse der Untersuchung Auswirkungen auf die in den Berichtsjahren ausgewiesenen liquiden Mittel haben werden.“

 

Auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht wurde der Konzern nach eigenen Angaben durch interne Zuträger. Vorstandschef Conrad Keijzer betonte, Clariant ermutige die Beschäftigten, „ihre Meinung zu sagen. Wir schätzen es deshalb sehr, dass wir auf diese Angelegenheit aufmerksam gemacht wurden. Wir untersuchen diesen Sachverhalt mit größter Dringlichkeit und Sorgfalt“. Keijzer ergänzte, das Clariant-Management werde „der Sache auf den Grund gehen und unsere Kontrollen und Prozesse verbessern. Gleichzeitig wollen wir unsere Kultur weiter stärken, die als Teil unserer Strategie auf den höchsten ethischen Standards aufbaut“.

 

 

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