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February 20th, 2023

„Erneuerbare-Gase-Gesetz“: Positive Reaktionen

Der seit langem erwartete Entwurf wird weitgehend wohlwollend zur Kenntnis genommen. Verbesserungsbedarf in einigen wesentlichen Punkten sieht die Gaswirtschaft. 


Weitgehend positiv fallen die ersten Reaktionen zum Entwurf des „Erneuerbare-Gase-Gesetzes“ (EGG) aus. Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler sowie Landwirtschaftsminister Norbert Totschnit hatten den Entwurf bekanntlich Mitte Feber zur Begutachtung ausgesandt. Stellungnahmen sind bis Ablauf des 29. März möglich. Laut dem Ministerratsvortrag soll das EGG „sicherstellen, dass 2030 mindestens 7,5 Terawattstunden (TWh) grünes Gas zum Einsatz kommen. Eine jährliche Quote für Versorger wird dabei die notwendige Investitionssicherheit für österreichische Unternehmen gewährleisten“. Diese Quote beträgt im kommenden Jahr 0,7 Prozent der an Endverbraucher abgegebenen Menge und steigt bis 2030 auf 7,7 Prozent an. Nachzuweisen haben die Versorger die Erfüllung ihrer jeweiligen Quoten dem Entwurf zufolge „mittels Herkunftsnachweisen mit Grüngassiegel oder Grünzertifikaten mit Grüngassiegel“ gemäß dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Die Austrian Gas Clearing and Settlement AG (AGCS) hat in ihrer Eigenschaft als Bilanzgruppenkoordinator der Regulierungsbehörde E-Control „bis zum letzten Tag im Februar jeden Jahres die von Versorgern an Endverbraucher in Österreich im Vorjahr verkauften Gasmengen und die auf deren Basis zu berechnende und von den Versorgern zu erreichende Grün-Gas-Quote zu melden. Die Versorger haben dem Bilanzgruppenkoordinator alle Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Richtigkeit der Angaben überprüfen zu können“. Verfehlt ein Versorger seine Quote, hat er eine Ausgleichszahlung zu leisten. Sie beläuft sich bis einschließlich 2026 auf 18 Cent je zu wenig eingespeister Kilowattstunde (kWh), danach auf 20 Cent. Gewessler und Totschnig können im Einvernehmen per Verordnung höhere Ausgleichszahlungen festlegen. 

 


Weiters sieht der Entwurf des EGG vor, bis 2040 eine jährliche Grüngaseinspeisung von mindestens 15 TWh zu erreichen. Zu diesem Zweck haben die Klima- und Energieministerin sowie der Landwirtschaftsminister Quoten in angemessener Höhe zu verordnen. Die Kosten für die Endkunden von den Haushalten bis zur Industrie beziffern die beiden Ministerien, abhängig von den Großhandelspreisen für Erdgas, mit 90 bis 266 Millionen Euro für den Zeitraum 2024 bis 2030. 

 

„Misthaufen statt Bohrtürme“ 

 

In einer Aussendung stellten das Klima- und Energieministerium (BMK) sowie das Landwirtschaftsministerium (BML) fest, das sogenannte „grüne“ Gas könne „das aus Ländern wie Russland importiert werden muss, ersetzen. Es eignet sich deshalb für den Einsatz in Bereichen, in denen Gas nicht durch bessere Alternativen ersetzt werden kann. Dazu gehören etwa Hochtemperaturanwendungen in der Industrie. So leistet Biogas einen wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit unseres Energiesystems“. Indirekt wiederholt die Regierung damit ihre bekannte Position: Der Einsatz der „grünen“ Gase, also Biogas und Biomethan, zu Heizzwecken, ist nicht vorgesehen. Ergänzend hieß es in der Aussendung, Biogas werde „in entsprechenden Anlagen aus Holzresten, landwirtschaftlichen Abfällen oder auch Biomüll durch einen chemischen Prozess erzeugt. Dabei wird über den gesamten Prozess gleich viel klimaschädliches CO2 gebunden, wie bei der Verbrennung erzeugt wird. Biogas verursacht also keine zusätzlichen klimaschädlichen Emissionen“. Die These der CO2-Neutralität gilt allerdings seit längerem als umstritten, nicht zuletzt auf der Ebene der Europäischen Union. 


Dessen ungeachtet konstatierte Gewessler, die Bundesregierung wolle auch heuer daran arbeiten, „die Energieunabhängigkeit zu stärken und die Energiewende zu. Indem wir die heimische Biogasproduktion bis 2030 auf 7,5 TWh ausbauen, leisten wir dazu einen wichtigen Beitrag. Denn mehr Biogas aus Österreich bedeutet weniger Erdgas aus Russland“. Das EGG mache „die Misthaufen in Österreich zu Kraftwerken.Wir können aus Holzresten, aus landwirtschaftlichen Abfällen oder aus dem Biomüll grünes Gas produzieren und damit unsere Industrie versorgen“.


Totschnig ergänzte, mit dem Gesetz zünde Österreich „den Turbo für Biogas aus Österreich und sichern unsere Energieversorgung weiter ab. Biogas ist ein Schlüsselfaktor für die Energiewende. Es schafft weniger Abhängigkeit von fossilen Importen, mehr Klimaschutz sowie Wertschöpfung für unsere Regionen. Angesichts der geopolitischen Lage gilt es mehr denn je das verfügbare Potenzial auf unseren Bauernhöfen weiter auszubauen. Mit dem Erneuerbaren-Gase-Gesetz setzen wir auf den Misthaufen, statt auf den Bohrturm und schaffen die Basis, um Holzreste, Gülle und andere biogene Reststoffe künftig energetisch besser zu nutzen“. 

 

„Regierung meint es ernst“ 
    

Erfreut zeigte sich der Kompost- und Biogasverband. Ihm zufolge soll mit dem Entwurf „endlich der von der Branche lange ersehnte und notwendige Rechtsrahmen zur Produktion und Einspeisung von Grüngas vorgegeben werden. Durch die geplante Quotenregelung und dem im Entwurf festgelegten Hochlauf der Grüngasproduktion entsteht auch die nötige Planungssicherheit für die Produzenten. Die Erneuerbare-Gase-Branche steht bereit, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten und eine wesentliche Rolle bei der Transformation des Energiesystems im Gasbereich einzunehmen“. Allerdings räumte der Verband ein, dass die derzeitige Produktion von Biogas eher bescheiden ausfällt: Gerade einmal 15 Anlagen im gesamten Bundesgebiet speisen den Stoff, aus dem Gewesslers Unabhängigkeitsträume sind, in die öffentlichen Gasnetze ein. 


Den Branchenverband ficht das indessen nicht an. Ihm zufolge sollte „die Umstellung bestehender Biogasanlagen auf die Gasnetzeinspeisung der nächste Schritt sein und sicherstellen, dass die Quotenverpflichtung von Beginn an erzielbar ist. In weiterer Folge sollen auch Anlagen aus fester Biomasse Biomethan und Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff dazu kommen und erneuerbare Gase in Österreich erzeugen“. Verbandsobmann Norbert Hummel verwies auf die Ankündigung der Regierung bei ihrer Klausur in Mauerbach zu Jahresbeginn, das EGG ehestmöglich auf den Tisch zu legen: „Dass das Gesetz nun, innerhalb kurzer Zeit nach der Regierungsklausur im Jänner, in Begutachtung geht, zeigt, dass die Regierung es ernst meint. Jetzt gilt es, dieses Tempo beizubehalten und das Gesetz rasch zur Beschlussfassung im Parlament zu bringen. Dann kann der Markthochlauf endlich beginnen.“


Ähnlich äußerte sich die Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), Martina Prechtl-Grundnig. Ihr zufolge sind „grüne“ respektive „erneuerbare“ Gase „ein gewichtiger Faktor für Österreichs Energiewende und die Energiesicherheit hierzulande. Sie können die Abhängigkeit Österreichs von fossilen Gasimporten massiv reduzieren“. Prechtl-Grundnig ergänzte, allein Biomethan könne mittelfristig bis zu 20 Prozent des österreichischen Jahreabedarfs an Erdgas decken. Daher „müssen wir alles daransetzen, die heimischen Potenziale an erneuerbarer Energie, und damit auch an erneuerbaren Gasen, zu realisieren“. Und dafür seien selbstverständlich entsprechende Rahmenbedingungen notwendig. 

 

Quotenmodell „schade“ 

 

Stichwort Rahmenbedingungen: Diese urgierte auch Peter Weinelt, der Obmann des Fachverbands Gas Wärme (FGW). Und er ließ Kritik an dem Entwurf anklingen. Es sei „schade, dass die Regierung beim Heben der Grün-Gas-Potentiale auf ein Quotenmodell mit einer Lieferantenverpflichtung setzt, anstatt auf ein kostengünstigeres Marktprämienmodell, wie es auch beim Ausbau von Ökostrom angewendet wird“. Jedenfalls müsse die Regierung den EGG-Entwurf in einigen wesentlichen Punkten noch nachbessern. Die Ausgleichszahlung von 20 Cent/kWh sei „überhöht“ und „nicht sachgerecht“. Ferner plädierte Weinelt im Namen des FGW „dafür, sich bei der Zielsetzung an das Regierungsprogramm zu halten und spätestens ab 2030 Grüne Gase aus dem In- und Ausland für die Quotenerfüllung zuzulassen. Nur so ist sicherzustellen, dass die heimische Industrie und unsere Haushalte mit leistbarem klimaneutralem Gas versorgt werden können“. Zu guter Letzt verlangte der FGW-Obmann, „die im Erdgasabgabengesetz vorgesehene Befreiung für Biogas von der Erdgasabgabe und der CO2-Steuer“ endlich umzusetzen. Grundsätzlich sieht die Gasbranche den EGG-Entwurf aber positiv, stellte Weinelt klar: „Als FGW begrüßen wir den Vorstoß der Politik, den im Regierungsprogramm angekündigten Ausbau von grünem Gas voranzutreiben.“

 


Auch die Industriellenvereinigung (IV) begrüßte den Entwurf. „Nun ist es aber wesentlich, dass Verfügbarkeit und Leistbarkeit von grünen Gasen langfristig gewährleistet werden“, betonte Generalsekretär Christoph Neumayer. 

 

February 9th

Bayer: Anderson folgt Baumann

Ein US-amerikanischer Chemieingenieur übernimmt per 1. Juni den Vorstandsvorsitz des deutschen Pharma- und Argochemiekonzerns. 

 

Der US-Amerikaner Bill Anderson wird mit 1. Juni Vorstandschef des deutschen Pharma- und Argochemiekonzerns Bayer. Per 1. April tritt er in den Vorstand ein. Sein Vorgänger Werner Baumann geht im Alter von 60 Jahren in Pension. Er hatte 35 Jahre bei Bayer gearbeitet, davon sieben Jahre als Vorstandschef. Umstritten war Baumann in den vergangenen Jahren wegen der Übernahme des US-amerikanischen Agrobusiness-Konzerns Monsanto, des Herstellers  des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. In den USA sind tausende Gerichtsverfahren wegen angeblicher Schädigungen durch das Präparat anhängig. Ihr Ausgang ist ungewiss. Die Bereinigung der Misere hatte Baumann mehrfach vergeblich versucht. Immerhin streute ihm Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann zum Abschied Rosen: „Im Namen des gesamten Aufsichtsrats möchte ich Werner Baumann herzlich danken. Bayer ist heute ein führendes Life-Science-Unternehmen mit herausragenden Innovationsfähigkeiten in den Bereichen Gesundheit und Ernährung. Das Unternehmen ist in hochattraktiven Wachstumsmärkten sehr gut positioniert. Und die jüngst erfolgreiche operative Performance ist ein klarer Beleg, dass Bayer auf einem extrem starken Fundament steht. Wir wünschen Werner Baumann für die Zukunft alles erdenklich Gute.“

25 Jahre Erfahrung 


Baumanns Nachfolger Anderson ist Chemieingenieur mit 25 Jahren Berufserfahrung. Seine Ausbildung absolvierte er unter anderem am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Zuletzt leitete er das Pharmageschäft des Schweizer Roche-Konzerns und baute dieses um – erfolgreich, wie seine neuen Arbeitgeber bei Bayer betonten. Zuvor hatte Anderson die Geschäfte des US-amerikanischen Biotech-Unternehmens Genentech geführt. Im Verlauf seiner Karriere war er unter anderem beim Biotechunternehmen Biogen sowie bei der Technologie- und Elektronikfirma Raychem tätig. In Europa arbeitete er in Belgien, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz.

 

Bayer-Aufsichtsratschef Winkeljohann bezeichnete ihn als „idealen Kandidaten, um Bayer zusammen mit dem Team in ein neues, erfolgreiches Kapitel zu führen – in einer Zeit, in der wir bemerkenswerte Innovationszyklen in der Biologie, Chemie und künstlichen Intelligenz sehen“. Anderson verfüge über eine „hervorragende Erfolgsbilanz bei der Entwicklung starker Produkt-Pipelines und ist sehr erfahren darin, bahnbrechende biotechnologische Innovationen zur Marktreife zu bringen“. Ferner habe er „außergewöhnliche Führungsqualitäten. Er schafft eine Kultur, die Innovationen fördert, Produktivität und Performance steigert und in der sich Mitarbeiter weiterentwickeln können“. Nun solle er „sein ganzes Potenzial entfalten und nachhaltigen Wert für unsere Aktionäre, Landwirte, Patienten, Verbraucher, Beschäftigte und alle Stakeholder des Unternehmens schaffen“.

February 6th

Montavit beantragt Sanierungsverfahren

Laut dem KSV1870 Tirol wird eine Entschuldung binnen 90 Tagen nach Antragstellung angestrebt. Herausforderungen bestanden bereits seit Jahren, nicht zuletzt wegen COVID-19 und des Krieges in der Ukraine. 

 

Die Tiroler Montavit beantragt beim Landesgericht Innsbruck die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung. Das berichtete der Kreditschutzverband 1870 Tirol (KSV1870 Tirol). Ihm zufolge ist dies „für das wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen bei Einbindung der Gläubiger eine Möglichkeit, binnen eines Zeitraums von 90 Tagen eine Entschuldung zu erreichen“. Nach Angaben des KSV bietet die Montavit ihren Gläubigern eine Quote von 30 Prozent, zahlbar in den nächsten zwei Jahren. Dem Verband zufolge hatte die Montavit zuletzt 2019 „ein leicht positives Ergebnis erzielt. Die beiden Folgejahre weisen bereits deutliche Jahresfehlbeträge aus. Die Jahresabschlüsse zeigen eine Reduktion der Betriebsleistung, wobei sich die Kosten nicht in entsprechendem Maß vermindert haben. Im Rahmen einer Ursachenanalyse wird man sich die Kosten-Erlös-Struktur im Unternehmen detailliert ansehen müssen“.

 

Die Passiva des Unternehmens schätzt der KSV1870 Tirol auf mehr als 45 Millionen Euro. Davon sei „ein wesentlicher Teil pfandrechtlich besichert“. Rund 20 Millionen Euro dürften indessen nicht besichert sein. Sie betreffen „beträchtliche Lieferantenforderungen“ sowie die Löhne und Gehälter der etwa 180 Beschäftigten für Jänner 2023. „Inwieweit Forderungen der Dienstnehmer aus Beendigungsansprüchen letztlich schlagend werden, wird sich zeigen. Diese Zahlen konnten vom KSV1870 bisher nicht verifiziert werden“, hieß es in einer Aussendung. Laut dem KSV könnte die angestrebte Weiterführung des Unternehmens möglich sein, wenn die „die kurzfristige Schaffung einer ausreichenden Liquiditätsreserve, welche nur von dritter Seite kommen kann“ gelingt. Dies wäre die Voraussetzung, um „ein Sanierungskonzept zum Erhalt des Standortes in Absam umzusetzen“. KSV1870-Tirol-Geschäftsführer Klaus Schaller konstatierte, bei den bereits laufenden Gesprächen mit dem Ziel, zusätzliches Kapital ins Unternehmen zu bringen, es gehe darum, „dass es zu einem Erhalt der betrieblichen Struktur in Absam kommt. Eine Schließung des Betriebes mit anschließender Zerschlagung des Unternehmens und einem Abverkauf der Vermögensteile zu Liquidationswerten stellt in der Regel ein wenig attraktives Szenario für die Gläubiger dar. Eine gelungene Sanierung des Unternehmens hätte auch zur Folge, dass zumindest eine ansprechende Anzahl der vorhandenen Dienstnehmer weiterbeschäftigt werden könnte“. Die Geschäftsführung der Montavit sei hinsichtlich der „Fortführung des Betriebes ohne weitere Nachteile für die Gläubiger optimistisch“. 

 

Schwieriges Marktumfeld 

Bezüglich der Ursachen der Insolvenz erläuterte Schaller, das Marktumfeld für die Montavit sei „in letzter Zeit schwierig“ gewesen: „Aufgrund der staatlichen Corona-Maßnahmen war auch die Zahl von Erkältungs- und leichten Infektionskrankheiten stark rückläufig. Folglich war die Nachfrage an Produkten der Gläubigerin gesunken. Vom Unternehmen neu angeschaffte Maschinen bereiteten ebenfalls Probleme und so waren die Produktionsabläufe am Standort in Absam über einen längeren Zeitraum nachhaltig gestört.“ 


 
Dass die Lage für die Montavit zuletzt nicht einfach war, hatte Geschäftsführerin Katherina Schmidt bereits Ende Oktober vergangenen Jahres eingeräumt. Bei einem Pressegespräch des Pharmaindustrieverbands Pharmig konstatierte sie, zurzeit jage „eine Herausforderung die nächste“. Unter anderem hätten sich die Strompreise seit Beginn des Kriegs in der Ukraine vervierfacht und die Transportkosten verdoppelt. Ferner seien die Kosten für Verpackungsmaterial um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen sei es unmöglich, höhere Produktionskosten weiterzugeben. Wie die gesamte Pharmabranche forderte Schmidt daher eine  Inflationsabgeltung bei den Arzneimittelpreisen sowie die Überführung des Generika-Preisbands in Dauerrecht. „Wir wollen nichts geschenkt haben, sondern nur gut wirtschaften können“, verlautete Schmidt damals. 

 

February 3rd

Endress+Hauser blickt auf sieben bewegte Jahrzehnte zurück

Am 1. Fabruar 1953 gründeten Georg H. Endress und Ludwig Hauser das nach den beiden Familiennamen benannte Unternehmen. Aus bescheidenen Anfängen hat sich Endress+Hauser in den vergangenen 70 Jahren zu einem weltweit führenden Anbieter von Prozessmesstechnik und Automatisierung entwickelt.

Es ist ein ungleiches Gespann, das 1953 zusammenfindet, um ein Unternehmen zu gründen: Auf der einen Seite der Schweizer Ingenieur Georg H. Endress, gerade 29, auf der andern der Deutsche Ludwig Hauser, 58 Jahre alt, Leiter einer Genossenschaftsbank. Doch die beiden ergänzen sich bestens. Der Weitblick und der Vorwärtsdrang des einen sind für den Erfolg so wichtig wie die Umsicht und die Erfahrung des andern.

Am 1. Februar nimmt die L. Hauser KG ihre Tätigkeit auf; Firmensitz ist Hausers Wohnung im badischen Lörrach. Das Grundkapital des jungen Unternehmens beträgt gerade einmal 2.000 D-Mark. Namensgeberin ist Hausers Ehefrau Luise. Der Handelsregistereintrag weist sie als Gesellschafterin aus. Die junge Firma vertreibt neuartige elektronische Füllstandmessgeräte und stößt damit in eine Marktlücke vor. Bald schon beginnt Endress, eigene Instrumente zu entwickeln. 1955 lässt er beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum sein erstes Patent registrieren. Produziert wird in angemieteten Räumen. Die Mitarbeiter arbeiten über mehrere Gebäude verteilt – sie sprechen liebevoll-spöttisch von den „Vereinigten Hüttenwerken“.

Zug um Zug neue Märkte erschlossen

Ab 1957 firmiert das Unternehmen als Endress+Hauser. Die Geschäfte entwickeln sich prächtig. Das Unternehmen besetzt immer neue Nischen. Weitere Messverfahren kommen dazu – Georg H. Endress spricht vom „Teigausrollverfahren“. Nach ähnlichem Muster dehnt sich das Vertriebsnetz aus. 1960 wird in den Niederlanden die erste Auslandsgesellschaft gegründet; weitere Sales Center folgen im Jahrestakt.

Firmenzukäufe und Neugründungen erweitern das Angebot. Messwertregistrierung, Flüssigkeitsanalyse und Durchflussmessung kommen als neue Arbeitsgebiete hinzu, später folgen Druck und Temperatur: Endress+Hauser wird zum Komplettanbieter für die verfahrenstechnischen Industrien. Zu diesem Zeitpunkt ist die Ära Hauser bereits Vergangenheit. Seit 1975 ist die Familie Endress alleinige Gesellschafterin.

Globale Strukturen, universelle Kultur

Klaus Endress übernimmt 1995 die Führung der Firmengruppe von seinem Vater. Er weitet das Geschäft in den folgenden Jahren über die eigentliche Prozessmesstechnik auf Dienstleistungen und Automatisierungslösungen aus. Und er stellt sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt. Nach dem Vertrieb wird auch die Fertigung weltumspannend; moderne IT sorgt für Vernetzung.

Über 19 Jahre hinweg prägt Klaus Endress das Unternehmen und die Firmenkultur. Loyalität und Verantwortung versteht er als zentrale Werte im Miteinander von Kunden, Mitarbeitenden und Gesellschaftern. Nicht zuletzt liegt ihm die Zukunft des Familienunternehmens am Herzen. Er treibt die Arbeit an einer Familiencharta voran. Darin hält die Gesellschafterfamilie fest: Endress+Hauser soll ein erfolgreiches Unternehmen im Familienbesitz bleiben. Mit dem Tod von Georg H. Endress 2008 wird dieser Satz zum Vermächtnis.

2014 übernimmt Matthias Altendorf als CEO. Er gehört nicht zur Familie, aber arbeitet schon über 25 Jahre im Unternehmen. Laboranalyse-Spezialist Analytik Jena ist zu diesem Zeitpunkt bereits Teil der Firmengruppe. Weitere Zukäufe stärken die Prozessanalyse und die Messung von Qualitätsparametern. Daneben treibt Matthias Altendorf das Thema Digitalisierung voran: in den Produkten, in der Interaktion mit Kunden und in den Geschäftsprozessen.

In der Coronavirus-Pandemie bewährt sich der hohe Grad an Digitalisierung. Endress+Hauser kann Kunden auch aus der Ferne unterstützen und bewältigt die Krise gut. Doch die Herausforderungen reißen nicht ab. Der russische Angriff auf die Ukraine hat harte Sanktionen zur Folge – Endress+Hauser muss die Arbeit in Russland einstellen. Zudem trübt der Konflikt die wirtschaftlichen Aussichten ein.

Mit Zuversicht ins Jubiläumsjahr

Dennoch geht Endress+Hauser zuversichtlich ins Jubiläumsjahr. Die Firmengruppe unterstützt Kunden bei Zukunftsaufgaben wie der Digitalisierung und der Dekarbonisierung. Endress+Hauser trägt zu Versorgung, Ernährung und Gesundheit der Menschen bei. Das Unternehmen steht auf gesunden Füßen; der globale Fußabdruck sorgt für Stabilität. Und die Gesellschafterfamilie hat alles geregelt, um die Verantwortung gut in die dritte Generation zu übergeben.

January 31st

Cefic begrüßt „Transition Pathway for the Chemical Industry“

Das Dokument, das den Weg der Branche zu den Zielen des „European Green Deal“ umreißt, wurde unter deren Einbindung erarbeitet und stößt auf weitgehende Zustimmung. Die Herausforderungen sind dennoch nicht zu unterschätzen. 


Der europäische Chemieindustrieverband Cefic (Conseil Européen des Fédérations de l’Industrie Chimique) begrüßt den „Transition Pathway for the Chemical Industry“, den die EU-Kommission vor wenigen Tagen präsentierte. Das 75 Seiten umfassende Dokument umreißt anhand von etwa 200 Maßnahmen den Weg zu einer stärker an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ausgerichteten, klimaverträglicheren Chemiebranche, die den Zielen des „European Green Deal“ entspricht. Erarbeitet wurde es von Fachleuten der Kommission in Zusammenarbeit mit dem Cefic und dessen Mitgliedern. Der Präsident des Verbands und BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller sprach von einem „wichtigen Meilenstein“. Ihm zufolge „arbeitet die Chemieindustrie bereits an ihrer Transformation. Wir brauchen aber Klarheit, Perspektiven und Vorgaben, wie wir zu den Zielen gelangen. Der Transition Pathway bietet uns mehr solche Klarheit, was das Wie und das Wann betrifft“. 
 

Vier Dimensionen


Dem Cefic zufolge hat die „Transition“ vier Dimensionen.

  • „Going climate neutral“ bedeutet, die Chemieindustrie möchte bis 2050 CO2-neutral werden. Bereits in den vergangenen 30 Jahren habe sie ihre Emissionen um mehr als 60 Prozent verringert. Für eine vollständige „Klimaneutralität“ benötige sie jedoch große Mengen an erschwinglichem Ökostrom sowie die notwendige Infrastruktur zur Versorgung mit „grüner“ Energie, auch über die Elektrizität hinaus.
  • „Going digital“ umfasst die Nutzung von Technologien wie Big Data, Künstlicher Intelligenz und Blockchain. Derartiges werde bereits genutzt, betont das Cefic. Allerdings bleibe noch viel zu tun, von der Entwicklung gemeinsamer Standards für die Datennutzung bis zur Ausbildung der derzeitigen und künftigen Beschäftigten.
  • Mit „Transition to safe and sustainable chemicals“ ist das Bestreben gemeint, die gesellschaftliche Forderung nach einem Ende der Nutzung gefährlicher Chemikalien zu erfüllen. Laut dem Cefic ist es dazu notwendig, Forschung und Innovation massiv voranzutreiben. Der Verband warnt vor dem Problem, dass der Markt neue Produkte eventuell nicht akzeptiert. Außerdem fordert er Unterstützungen für Klein- und Mittelbetriebe, die oft keine Möglichkeit zu einschlägiger Entwicklungstätigkeit haben.
  • „Going circular“ schließlich beschreibt den Komplex der Kreislaufwirtschaft und des Recyclings, aber auch die Notwendigkeit, CO2 und CO sowie Biomasse-Abfälle als Grundlage einer fortgeschrittenen „biobasierten“ Chemie zu nutzen. 
     

Eine zentrale Rolle bei der Transition spielt laut dem Cefic die Regulierung. „Verbesserte Konsistenz und Vorhersehbarkeit des Rechtsrahmens werden entscheidend sein, um Investitionen in Europa abzusichern und anzuziehen“, stellt der Verband fest. 
 

„Beispiellose“ Herausforderungen


Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) verlautete, die Branche stehe „vor der größten Transformation in ihrer Geschichte: sie muss klimaneutral, zirkulär und digital werden und gleichzeitig auf sichere und nachhaltige Chemikalien umsteigen. Gleichzeitig muss sie international wettbewerbsfähig bleiben, damit sie weiterhin wichtige EU-Wertschöpfungsketten, einschließlich sauberer Technologien, beliefern und somit einen wichtigen Beitrag zum Green Deal leisten kann. Die Herausforderungen, die damit einhergehen, sind beispiellos und erfordern Investitionen in Milliardenhöhe“.

 

January 23rd

Pharmaindustrie: Rahmenbedingungen in Österreich „eher mittelprächtig“

Weitgehend zufrieden sind die Unternehmensvertreter mit dem stabilen Umfeld. Änderungsbedarf sehen sie vor allem bei der Gestaltung der Arzneimittelpreise. 


Differenziert fällt das Urteil der Pharmaindustrie über den Standort Österreich aus. Das zeigt das aktuelle „Pharma-Branchenbarometer“, das der Marktforscher Peter Hajek im Auftrag des Interessenverbands Pharmig erstellte. Er führte für das „Barometer“ von Anfang bis Mitte November 2022 eine Online-Umfrage unter den Mitgliedern der Pharmig durch. Von 336 in deren Datenbank aufgelisteten Personen antworteten 121. Dieser Rücklauf von 36 Prozent sei „gut“, konstatierte Hajek bei der Präsentation des „Barometers“ am 23. Jänner. Etwas weniger als die Hälfte der antwortenden Befragten beurteilt die Rahmenbedingungen für die eigene Branchen anhand einer fünfteiligen Skala als „zufriedenstellend“. Hajek zufolge ist dieses Urteil „insgesamt verhalten und als eher mittelprächtig“. 
 

Knapp ein Viertel der Befragten wünscht sich „faire Preise“ für Arzneimittel sowie – auch indexbasierte - Möglichkeiten zur Anpassung der Preise an die Inflation. Etwa ein Fünftel fordert Änderungen bei der Erstattung und beim Erstattungsprozess sowie eine Überarbeitung des Erstattungskodex. Überdies sollte die (Gesundheits-)Politik den Wert innovativer Medikamente besser anerkennen und die Finanzierung von Forschung sowie Innovation verstärken. 
 

Als „sehr zufriedenstellend“ respektive „zufriedenstellend“ bezeichnet rund die Hälfte der Befragten die „Stabilität und Verlässlichkeit des wirtschaftlichen Umfelds in Österreich“. Ebenso geschätzt werden die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte sowie die Verfügbarkeit qualifizierten Personals. Mit dem „Ablauf behördlicher Prozesse im Zusammenhang mit der pharmazeutischen Branche“ ist dagegen weniger als ein Viertel zufrieden. Der größte Schwachpunkt sind die „Möglichkeiten zur Preisgestaltung bzw. Inflationsanpassung von Arzneimitteln im patentfreien Markt“. Sie werden von etwa 60 Prozent der Befragten als „gar nicht“ oder nur wenig zufriedenstellend bezeichnet. Auch die „Einbindung der pharmazeutischen Industrie in den gesundheitspolitischen Entscheidungsfindungsprozess“ erachtet mehr als die Hälfte der Befragten als „gar nicht“ oder nur wenig zufriedenstellend. 
 

Seit 20 Jahren unverändert 


Pharmig-Vizepräsident Peter Wittmann erläuterte, das „Branchenbarometer“ behandle Themen, die die Pharmaindustrie seit langem beschäftigten. Nun erfolge die Darstellung ihrer Positionen auf einem neuen Niveau und abgesichert durch mittels professioneller Marktforschung abgesicherter Daten. In den vergangenen zehn bis 20 Jahren habe die Branche hohe Summen in Österreich investiert, von der Produktion bis zur Qualitätssicherung und zur Arzneimittelsicherheit, Stichwort Serialisierung: „Bei den Arzneimittelpreisen hat sich das aber leider nicht niedergeschlagen.“ Etwa 50 Prozent der Präparate in der „Grünen Box“ des Erstattungskodex kosten laut Wittman weniger als die Rezeptgebühr. Im Wesentlichen hätten sich die Preise seit rund zwei Jahrzehnten nicht verändert: „Das geht sich einfach nicht aus.“ Und das sei einer der strukturellen Gründe für die in letzter Zeit einmal mehr ins Gerede gekommenen zeitweiligen Verknappungen bei der Verfügbarkeit von Arzneimitteln. 
 

„Marktzugang neu denken“ 


Ina Herzer, Vizepräsidentin der Pharmig und Geschäftsführerin der österreichischen Niederlassung des US-amerikanischen Pharmakonzerns Merck Sharp Dohme, ergänzte, die Politik sei gut beraten, den Marktzugang für innovative Medikamente neu zu denken. Im Spitalsbereich funktioniere deren Einführung weitgehend zufriedenstellend. Schwächen gebe es dagegen im niedergelassenen Sektor: „Manche unserer Erzeugnisse finden dort mit unglaublichen Verzögerungen oder gar nicht Verwendung, obwohl sie die Überlebensraten etwa bei Krebserkrankungen erheblich steigern würden.“ Bei Antibiotika wiederum finde sich die Pharmaindustrie in einer Zwickmühle: Angesichts der zunehmenden Resistenzen forderten Politik und Gesellschaft die Entwicklung immer neuer Präparate. Diese dürften dann aber nur so begrenzt wie irgend möglich eingesetzt werden, um die besagten Resistenzen nicht auszuweiten. Wie das wirtschschaftlich funktionieren solle, müsse ihr erst noch jemand erklären. 
 

„Restriktive Preispolitik“ 


Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog resümierte, die Pharmaindustrie wisse um ihre gesellschaftliche Verantwortung und bemühe sich, diese wahrzunehmen. Angesichts der insgesamt leider nur mittelmäßigen Rahmenbedingungen werde es für manche, vor allem produzierende, Unternehmen indessen bereits „sehr eng“. Österreich betreibe im internationalen Vergleich eine sehr restriktive Preispolitik. Die Unternehmen müssten Preiserhöhungen bei der Sozialversicherung beantragen. Und diese lehne die Anträge üblicherweise ab: „Argumentieren muss sie nicht. Sie kann einfach sagen ‚Ja‘ oder ‚Nein‘.“ 
 

Grundsätzlich habe Österreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Es gelte, den Nutzen innovativer Therapien für die Gesellschaft besser zu beachten und angemessene Preise für Arzneimittel möglich zu machen, empfahl Herzog. 

     

 

January 20th

Neonicotinoide: Krach um Gerichtsurteil

Neonic-Befürworter und -Gegner legen eine Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union unterschiedlich aus. Den Gegnern zufolge sind die Notfallzulassungen in Österreich rechtswidrig. Den Befürwortern dagegen ist das Urteil für den heimischen Markt bedeutungslos.
 

Ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union sorgt für Streit. Hinsichtlich einer Notfallzulassung neonicotinoidhaltiger Pflanzenschutzmittel in Belgien stellte das Gericht fest, die Mitgliedsstaaten der EU dürften grundsätzlich nicht vom geltenden Verbot der „Neonics“ abweichen. Aufgrund der geltenden Rechtslage müsse der Einsatz von Pflanzenschutzmethoden, die ohne chemische Substanzen auskommen, Vorrang vor der Nutzung von Pestiziden haben. Ferner sei auf möglichst geringe Risiken für Mensch und Umwelt zu achten. Zwar sehe der Gesetzgeber der EU für den Fall außerordentlicher Umstände, wie etwa die Gefährdung der landwirtschaftlichen Produktion, die Möglichkeit vor, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Das bedeute aber nicht das Recht, von ausdrücklichen Verboten bestimmter Substanzen abzugehen, im konkreten Fall also Zuckerrübensamen einzusetzen, die mit neonic-haltigen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden. 
 

„Schluss mit den Notfallzulassungen“ 


Aufgrund dessen behauptet die staatlich anerkannte Umweltorganisation Global 2000, auch die österreichischen Notfallzulassungen für die Neonics widersprächen dem EU-Recht. „Aktuell liegt in Österreich laut Auskunft der Zulassungsbehörde Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) ein Antrag auf eine neuerliche Notfallzulassung von Neonicotinoiden zur Beizung von Zuckerrüben auf. Mit der EuGH-Entscheidung ist allerdings klar, dass eine Bewilligung dieses Antrags durch die dem Landwirtschaftsminister unterstellte Behörde BAES klar rechtswidrig wäre“, heißt es in einer Aussendung. 

Ähnlich argumentiert Günther Sidl, ein Abgeordneter der SPÖ zum EU-Parlament und Mitglied des dortigen Umweltausschusses. „Mit der bisher viel zu lax gehandhabten Praxis, eigentlich bereits als gefährlich verbotene Substanzen jedes Jahr aufs Neue per Notfallzulassung wieder auf den Markt zu bringen, muss nach der juristischen Klarstellung durch den EuGH jetzt endgültig Schluss sein“, fordert Sidl. 
 

„Keine Auswirkungen“ 


Gegenteiliger Ansicht ist der Niederösterreichische Bauernbund. Dessen Direktor Paul Nemecek ließ wissen, das Urteil beziehe sich ausschließlich auf einen Fall in Belgien „und hat somit keine direkten Auswirkungen auf Österreich“. Überdies stehe die Sicherheit der Versorgung mit Lebensmitteln im Verfassungsrang: „Daher muss der österreichische Gesetzgeber alles dafür tun, dass diese, im konkreten Fall mit heimischem Zucker, nicht verloren geht und weiterhin gewährleistet bleibt.“ Laut Nemecek ist der Fall in Belgien ohnehin nicht mit der Lage in Österreich vergleichbar: Hierzulande „herrschen strengere Vorschriften, sowie ein begleitendes wissenschaftliches Monitoring, welches bis dato auch die Unbedenklichkeit dieser Notfallzulassung in Österreich attestiert“. Zu guter Letzt dürfe die grundsätzliche Bedeutung des Urteils des Gerichts nicht überschätzt werden. Denn das letzte Wort bei Zulassungen habe die EU-Kommission. 

 

Arzneimittel: Schluss mit den Billigpreisen 

Angesichts von Versorgungsengpässen will der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelabgeltung ändern. Österreichische Vertreter der Pharmabranche halten das auch hierzulande für empfehlenswert. 

 

„Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben“, konstatiert der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Deshalb will er die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelabgeltung ändern, bei Präparaten für Kinder sogar „radikal“. Laut einem dreiseitigen Eckpunktepapier, das Lauterbach am 20. Dezember präsentierte, wird das Preismoratorium für Arzneimittel für Kinder geändert. „Als neue Preisobergrenze wird das 1,5-fache eines aktuell bestehenden Festbetrags oder, sofern kein Festbetrag besteht, das 1,5-fache des Preismoratoriums-Preises festgelegt“, heißt es in dem Papier. Ferner will Lauterbach die Krankenkassen gesetzlich verpflichten, bei jeder Ausschreibung für patentfreie Arzneimittel eine verbindliche Ausschreibung eines zusätzlichen Loses  vorzunehmen. Dabei ist der „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“ als ergänzendes Vergabekriterium zum Preis zu berücksichtigen. Vorerst gilt dies nur für Arzneimittel gegen Krebs und für Antibiotika. Die Ausweitung auf andere „Wirkstoffe und Indikationen“ ist aber möglich, wenn der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das empfiehlt. Die Apotheken wiederum bekommen das Recht, den Patienten wirkungsgleiche alternative Präparate anzubieten, wenn das ihnen verschriebene Medikament nicht verfügbar ist. Müssen die Apotheken, um sicherzugehen, einen Arzt konsultieren, wird ihnen dies vergütet. 

 

Überdies soll der Beirat „Kriterien für einen sich abzeichnenden Versorgungsengpass und eine drohende Marktverengung auf der Grundlage einer kontinuierlichen Marktbeobachtung bei versorgungskritischen Arzneimitteln“ entwickeln. Das Gesundheitsministerium „kann auf dieser Grundlage der Empfehlung des Beirats weitere Wirkstoffe bzw. Indikationen den neuen Ausnahmeregelungen bei Festbeträgen, Rabattverträgen und bei der Apothekenabgabe unterstellen“. Um die Marktbeobachtung durch den Beirat zu erleichtern, erhält das BfArM laut dem Eckpunktepapier „zusätzliche Informationsrechte gegenüber pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern, insbesondere bezogen auf die aktuellen Produktionsmengen nach Produktionsstandort und auf die Lagerhaltung von Wirkstoffen, Zwischenprodukten und Fertigarzneimitteln“. Einen Zeitplan für die Umsetzung der Maßnahmen nannte Lauterbach nicht. 

 

Höhere Preise notwendig 

 

Für Österreich wäre ein derartiges Abgehen „von der Billigstpreispolitik bei der Erstattung von lebenswichtigen Arzneimitteln“ ebenfalls zu empfehlen, betont der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Nur so könnten Lieferengpässe vermieden werden. Dem Verband zufolge sind die Pharmaunternehmen „mit enormen Kostensteigerungen auf Grund der Energiekrise und Teuerungen bei den Produktionsmitteln konfrontiert“. Daher müsse das Gesundheitsministerium die Möglichkeit schaffen, „Medikamente im Sinne der Versorgungssicherheit zu höheren Preisen anbieten zu können“. FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger forderte „einen Bonus für in Österreich und in der EU hergestellte Arzneimittel. Nur wenn wir rasch und entschieden handeln, können wir verhindern, dass Versorgungsprobleme in den kommenden Jahren noch schlimmer werden“. 

 

Lösungs- statt Kostenfaktor 

 

Seitens des Pharmaindustrieverbands Pharmig und des Österreichischen Generikaverbands hieß es, wegen des „sprunghaft angestiegenen Infektionsgeschehen bei Erkältungs- und Atemwegskrankheiten“ fehle den Pharmafirmen die nötige Vorlaufzeit für die Steigerung der Produktion. Und aufgrund des Kriegs in der Ukraine seien die Lieferketten „ohnehin bereits stark belastet“. Die Lieferzeiten für Verpackungsmaterialien, etliche Inhaltsstoffe sowie Lösungsmittel und Beschichtungen hätten sich teils erheblich verlängert, konstatierte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Wolfgang Andiel, der Präsident des Generikaverbandes, ergänzte, zurzeit müssten Unternehmen „mehrere Monate auf einzelne Komponenten warten, die vor der Pandemie binnen kürzester Zeit verfügbar waren. Das verlangt eine längerfristige Planung und erhöht gleichzeitig die Gefahr, dass es im Zuge der sehr komplexen Produktion von Arzneimitteln zu Zwischenfällen kommen kann“. 

 

Herzog kritisierte, die Branche sei „seit Langem schon mit einer Preisspirale konfrontiert, die sich beständig nach unten bewegt“. Deshalb habe die Pharmaindustrie ihre Erzeugungskapazitäten „zunehmend in Regionen verlagert, wo eine günstigere Produktion möglich ist. Die Auswirkungen sehen wir vor allem in diesen Tagen“. Es sei an der Zeit, „Arzneimittel nicht nur als Kostenfaktor zu betrachten, sondern vor allem als Lösung essenzieller Probleme. Anstatt immer nur auf Einsparpotenziale im Gesundheitssektor zu schielen, sollte der gesamte Sektor als Chance für zukunftsgerichtete Investitionen angesehen werden“.

 

Dezember 16th

„Niederösterreichischer JungforscherInnenkalender 2023“ erschienen

In den Räumen der Landesbibliothek in St. Pölten wurde am 29. November ein Kalender präsentiert, für den zwölf an den niederösterreichischen Technopolen forschende Damen und Herren vor Kamera und Mikrofon gebeten wurden.

Florian Pfaffeneder-Mantei ist ein vielseitiger Mensch. Er hat ein Studium der Zahnmedizin absolviert, ist Oberarzt im Zentrum für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Danube Private University und Senior Researcher in der Abteilung Chemie und Physik der Materialien an dieser Einrichtung. Dort beschäftigte er sich mit der Verbesserung der Materialeigenschaften von Dental-Bohrern, mit Zahnimplantate, die sich besser in den Knochen integrieren oder Osteosynthese-Schrauben, die wieder leicht aus diesem zu entfernen sind. In seiner Freizeit widmet er sich liebevoll seinem Garten. Als Pfaffeneder-Mantei bei der Präsentation des „Niederösterreichischen JungforscherInnenkalenders 2023“ auf die Bühne gebeten wurde, wusste er im Detail über die Technik der Silberplattenfotografie Bescheid, mit der er für den Kalender abgelichtet wurde und konnte sie bis zu ihren historischen Wurzeln zurückverfolgen.

Menschen wie Pfaffeneder-Mantei sind in der Neuausgabe des Kalenders vorgestellt: junge Forscher, die an einem der niederösterreichischen Technopol-Standorte Krems, Tulln, Wiener Neustadt und Wieselburg mit Neugier und Herzblut einem Forschungsthema nachgehen – und sich dennoch nicht im Elfenbeinturm verkriechen, sondern gesellschaftliches Engagement zeigen. Auf die im Steckbrief des Kalenders gestellte Frage, in welchen Bereichen das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft verbessert werden sollte, antworteten fast alle Befragten, dass wissenschaftliche Vorgehensweise und Ergebnisse besser in die Gesellschaft hinein kommuniziert werden müssen.

 

Ehrliche Form der Fotografie

Ein Stück davon will auch der „Niederösterreichischen JungforscherInnenkalenders 2023“ leisten. Das Team um Claus Zeppelzauer, Bereichsleiter Unternehmen und Technologie der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus, hat sich dafür diesmal etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Die zwölf Forscher und Forscherinnen, die im Kalender präsentiert werden, wurden mittels eines in den Jahren 1850/1851 entwickelten Kollodium-Nassplattenverfahrens und einer Holzkamera aus dem Jahre 1894 von Fotokünstler B.M. Kowalsky abgelichtet. „Diese Form der Fotografie hat eine gewisse Ehrlichkeit“, meinte Pfaffeneder-Mantei, als ihn Zeppelzauer im Rahmen der Präsentation interviewte. Jedes Bild ist mit viel handwerklicher Arbeit verbunden, es wird gleichsam für die Ewigkeit festhalten, was den flüchtigen Augenblick überdauert, „nicht wie eines von 100 Handy-Fotos“, so Pfaffeneder-Mantei.

Begleitend dazu hat Jürgen Adelmann die wissenschaftlichen Zukunftshoffnungen zu Interviews gebeten, die als Podcast-Serie online verfügbar ist. Die Forscher sprechen dabei über ihren Werdegang und ihre Forschung und verraten, was ihnen abseits des Berufs zu Kraft und Entspannung verhilft. Das Projekt verbindet damit gezielt die analoge Fototechnologie mit digitalen Podcast-Interviews, um zu zeigen, wie Forschung und Entwicklung in kurzer Zeit den Alltag verändert haben.

„Ein erfolgreicher Forschungsstandort kann nur gesichert werden, wenn der Nachwuchs an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht ausgeht“, sagte Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger im Rahmen der Präsentation in den Räumen der Niederösterreichischen Landesbibliothek in St. Pölten. Es müsse daher gelingen, auch weiterhin zahlreiche junge Menschen für einen Beruf in der Wissenschaft zu begeistern. „Die Landesbibliothek ist nicht zufällig als Ort ausgewählt worden“, ergänzte ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki, „sie ist eine öffentlich zugängliche Einrichtung, die allen Menschen offensteht.“

Der „JungforscherInnen-Kalender 2023“ hat eine Auflage von 500 Stück und wird exklusiv an Universitäten, Fachhochschulen, Forschungsinstitute, Technopolpartnerbetriebe und wissenschafts-interessierte Personen verteilt. Auf dem Titelblatt ist Laura Bettiol zu sehen, die in der Abteilung Aerospace Engineering der Fotec Forschungs- und Technologietransfer GmbH im Bereich der Satellitenantriebstechnik forscht.

Die Podcastserie ist unter https://noe-jungforscherinnen-kalender-2023.stationista.com/ zu finden.

Dezember 14th

Amgen plant Mega-Fusion

Der US-amerikanische Pharmakonzern bietet 27,8 Milliarden Euro für die irische Horizon Therapeutics, die auf Arzneimittel gegen „seltene Erkrankungen“ spezialisiert ist.

 

Der US-amerikanische Pharmakonzern Amgen plant, die irische Horizon Therapeutics zu übernehmen. Das teilten die beiden Unternehmen in einer Aussendung mit. Amgen bietet für die auf Arzneimittel gegen „seltene Erkrankungen“ spezialisierte Firma 27,8 Milliarden US-Dollar (26,14 Milliarden Euro). Das wäre mehr als der Umsatz von Amgen im Jahr 2021, der mit rund 24,43 Milliarden Euro angegeben wird. Zum Vergleich: Horizon Therapeutics beziffert seinen Umsatz für 2021 mit rund 3,03 Milliarden Euro. Geplant ist, die Transaktion im ersten Halbjahr 2023 abzuschließen. Amgen benötigt dafür die Zustimmung der Behörden Irlands, der USA, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Österreichs. Das Horizon-Management befürwortet die Übernahme. Zu deren Finanzierung nutzt Amgen eine Zwischenfinanzierung in der Höhe von 26,8 Milliarden Euro, die die Citibank, die Bank of America und andere Banken bereitstellen, sowie Eigenmittel.

 

Horizon vertreibt unter anderem Tepezza, ein Medikament gegen endokrine Ophthalmopathie („Basedow-Krankheit“), Krystexxa zur Bekämpfung von chronischer therapierefraktärer Gicht sowie Uplizna, ein Arzneimittel gegen Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD), die das Zentralnevensystem beeinträchtigen. Diese Präparate gelten als wirtschaftlich besonders attraktiv. Mit Terpezza erzielte Horizon 2021 weltweit einen Umsatz von rund 1,59 Milliarden Euro, mit Krystexxa etwa 532 Millionen Euro, mit Ulpizna 71 Millionen Euro. Dem letzteren Mittel wird für heuer ein Umsatzsprung auf rund 106 Millionen Euro prognostiziert.

 

Amgen-Chef Robert A. Bradway geht davon aus, durch die Übernahme von Horizon ab 2024 Ergebniszuwächse erzielen zu können. Er sprach von einer Gelegenheit, die nicht versäumt werden dürfe („compelling opportunity“), die bestens mit der Strategie seines Konzerns zusammenpasse. Amgen könne mit „erstklassigen Medikamenten“ wie Tepezza, Krystexxa und Uplizna erheblich mehr Patienten versorgen als bisher. Überdies verspricht sich Bradway die Verstärkung und Ergänzung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit seines Unternehmens. Ähnlich äußerte sich Horizon-Chef Tim Walbert. Amgen werde den Wert der Produktpalette und der Pipeline seines Unternehmens maximieren und die Fähigkeit, mehr Patienten zu bedienen, verstärken.

 

 

 

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