Archive

June 23rd, 2022

Wittgensteinpreis für Christa Schleper

Die Wiener Mikrobiologin und Archaeen-Spezialistin erhielt den mit 1,5 Millionen Euro höchstdotierten österreichischen Wissenschaftspreis. Ferner vergab der FWF sechs START-Preise über je 1,2 Millionen Euro.

 

Die Wiener Mikrobiologin Christa Schleper ist Trägerin des Wittgenstein-Preises 2022, meldete der Wissenschaftsfonds FWF. Mit 1,5 Millionen Euro ist dieser der höchstdotierte österreichische Wissenschaftspreis. Schleper leitet an der Universität Wien das Institut für funktionelle und evolutionäre Biologie. Sie ist Spezialistin für Archaeen, die gemeinsam mit den Bakterien zu den ältesten Lebensformen auf der Erde gehören. Weiters befasst sie sich laut dem FWF mit Virus-Wirt-Interaktionen und der „Erforschung nicht kultivierbarer Mikroorganismen mithilfe der Metagenomik“. Mit den Mitteln des Wittgensteinpreises möchte Schleper außer der evolutionären Bedeutung der Archaeen nach Angaben des FWF „auch deren Rolle im Ökosystem untersuchen. Ihre Erkenntnisse helfen, die Rolle der Mikroorganismen im Boden besser verstehen und künftig beispielsweise für eine nachhaltigere Landwirtschaft nutzen zu können“. Schleper studierte Biologie an den Universitäten Aachen und Konstanz Biologie. Sie promovierte am Max-Planck-Institut in München in Biochemie und war in Deutschland, Norwegen sowie den USA wissenschaftlich tätig. Der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gehört sie ebenso an wie der Amerikanischen Akademie für Mikrobiologie.

 

Schleper konstatierte, sie freue sich „riesig über die Auszeichnung durch die internationale Jury des Wissenschaftsfonds FWF. Der Wittgenstein-Preis gibt mir und meinem ganzen Team viel Freiraum, uns noch an einige der unbeantworteten Fragen der Biologie zu wagen“. Ein Anliegen sei ihr, sich „nicht nur an die Fersen der Evolution zu heften, sondern auch einen Beitrag für die Biodiversität und den Klimaschutz von morgen zu leisten“.

 

FWF-Präsident Christof Gattringer zufolge handelt es sich bei der Preiverleihung an Schleper um „die Bestätigung eines herausragenden wissenschaftlichen Lebenswerks, das im Falle von Christa Schleper noch viele weitere Entdeckungen in ihrem Forschungsfeld erwarten lässt. Christa Schleper arbeitet daran, bisher unerforschten Bereichen in der Biologie auf den Grund zu gehen. Ihre Erkenntnisse helfen, die Rolle der Mikroorganismen im Boden und ihren Einfluss auf das Klima besser zu verstehen“.
 

Sechs mal START

 

Ferner vergab der FWF sechs START-Exzellenzförderungen von jeweils Je 1,2 Millionen Euro „für aufstrebende Spitzenforscher“. Sie gingen an Elfriede Dall vom Fachbereich für Biowissenschaften und Medizinische Biologie der Universität Salzburg, Sandra Müller vom Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der Technischen Universität (TU) Wien, Petra Sumasgutner von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle der Universität Wien, William Barton vom Institut für Neulateinische Studien der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft Innsbruck, Marcus Ossiander vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz sowie Stefan Pflügl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien.

 

 

June 22nd

Lackindustrie: „Realistischer Optimismus“ angesagt

Im „Rekordjahr“ 2021 war die Branche mit etlichen Herausforderungen konfrontiert, wie steigenden Rohstoffpreisen und Lieferkettenproblemen. Für heuer sind die Aussichten aber nicht dramatisch, hieß es bei der Jahrespressekonferenz.

 

 

Glänzend sind die wirtschaftlichen Aussichten der österreichischen Lack- und Anstrichmittelindustrie für die nächste Zeit nicht, aber für Panik besteht ebenfalls kein Grund. Das betonten Branchenobmann Hubert Culik und der Geschäftsführer der Fachgruppe Lackindustrie im Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Klaus Schaubmayr, bei ihrer Jahrespressekonferenz. Culik zufolge war 2021 zwar ein „Rekordjahr“ mit einem um 16,3 Prozent auf rund 551 Millionen Euro gewachsenen Produktionswert und gegenüber 2020 um 7,4 Prozent gestiegenen Exporten. Zu schaffen machten den Unternehmen indessen die deutlich erhöhten Preise für ihre Rohstoffe sowie deren teils eingeschränkte Verfügbarkeit. Für zusätzliche Probleme sorgten die höheren Kosten für Stahl und Kunststoffe, die den Aufwand der Branche für Verpackungen in die Höhe trieben. Eine schon „traditionelle“ Herausforderung ist der Fachkräftemangel, mit dem laut Culik etwa 88 Prozent der Unternehmen konfrontiert sind.

 

Und Culik fügte hinzu: Noch sei der Auftragsstand zufriedenstellend, die Kunden der Lackindustrie investierten weiterhin. Auch der Preisanstieg bei den Rohstoffen habe sich abgeflacht, wenngleich keine Rückgänge in Sicht seien. Aber nach dem Sommer müsse mit einem „Knick“ bei den Aufträgen gerechnet werden, nicht zuletzt wegen des Kriegs in der Ukraine, der sich in den Lieferketten bemerkbar mache. Dort seien seit der russischen Invasion vom 24. Feber „Zulieferer ausgefallen oder nur beschränkt lieferfähig.“ Auch ein Lockdown in Shanghai infolge der COVID-19-Pandemie verschärfe die Problematik. Hinzu kämen monatelange pandemiebedingte Produktionsausfälle in China. Ferner könne niemand sagen, wie sich die Lage in der Ukraine entwickeln wird. Nicht zuletzt deshalb seien Prognosen hinsichtlích des Produktionswerts im heurigen Jahr schwierig.

 

Auf Anfrage des Chemiereports erläuterte Culik, er glaube nicht, „dass der derzeitige gute Wind in den Segeln anhält“. Angesagt ist ihm zufolge deshalb ein „realistischer Optimismus“. Den Produktionswert von 2021 zu erreichen, liege durchaus im Bereich des Möglichen.

 

Längerfristige Herausforderungen

 

Als längerfristige Herausforderung erachtet die Lackindustrie den „Green Deal“ der EU-Kommission, ergänzte Schaubmayr: „Jetzt zeigt sich, was das wirklich heißt.“ Mit den Zielen könne sich die Branche durchaus identifizieren. Und der Deal biete auch große Chancen, „denn ohne uns gibt es keinen Klimaschutz“. Dem steht laut Schaubmayr indessen ein „großes Aber“ gegenüber. Insbesondere die neue Chemikalienstrategie bringe die Lackindustrie kräftig unter Druck. Der Grund: Die EU-Kommission richte das Chemikalienrecht auf die prinzipielle Gefährlichkeit von Stoffen aus, nicht jedoch auf das tatsächliche Risiko bei deren Anwendung. Das aber führe zu erheblichen Kosten für die Unternehmen, weil viele Substanzen möglicherweise strenger eingestuft würden als bisher: „Etwa 15 Prozent der Chemikalien, die wir derzeit verwenden, könnten künftig unzulässig sein.“ Culik zufolge besteht das Problem weniger in den Vorgaben als solchen als in der mangelnden Planungssicherheit. Es habe keinen Sinn, wenn die Branche ein Lösungsmittel austausche und der Ersatzstoff nach wenigen Jahren neuerlich verboten werde: „Das ist nicht mehr beherrschbar.“ Dies gelte insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen.

 

Ein weiteres Thema ist laut Schaubmayr das geplante EU-Lieferkettengesetz. Selbstverständlich bekenne sich die Lackindustrie zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards: „Aber was die EU-Kommission vorschlägt, ist wirklichkeitsfremd und nicht umsetzbar.“ Die Problematik bestehe vor allem in der Verwendung unklarer Begriffe sowie in seitenlangen Hinweisen auf internationale Abkommen bei gleichzeitigem Mangel an der Festschreibung konkreter Pflichten für die Unternehmen. Überdies werde einzelnen Betroffenen sowie NGOs die Möglichkeit eingeräumt, behauptete Verstöße gegen Vorgaben zivilrechtlich zu bekämpfen. „Das heißt, irgendjemand könnte ein österreichisches KMU klagen, das den angeblichen Missstand gar nicht beeinflussen kann. Da droht eine Klagslawine“, warnte Schaubmayr.

 

 

June 8th

Apeptico: Wirkmechanismus von therapeutischem Peptid aufgeklärt

Forscher aus dem Netzwerk des Wiener Unternehmen Apeptico haben die Struktur und den molekularen Wirkmechanismus von Solnatide aufgeklärt. Das therapeutische Peptid wird gegen Erkrankungen entwickelt, bei denen Lungenödeme auftreten.

Entdeckt und in seiner Wirkung gegen die Ansammlung von Flüssigkeit bei Lungenödemen charakterisiert wurde Solnatide von Rudolf Lucas, Forscher vom Medical College of Georgia an der Augusta University (USA). Eine solche Flüssigkeitsakkumulation ist physiologisch mit Fehlfunktionen des epithelialen Natrium-Kanals (ENaC) verknüpft, die auch durch bakterielle oder virale Erreger wie SARS-CoV-2 ausgelöst werden können. Der Wirkstoff wurde vom Wiener Life-Sciences-Unternehmen Apeptico erworben und seit vielen Jahren für den klinischen Einsatz weiterentwickelt. Derzeit wird das Präparat in klinischen Studien gegen akutes Lungenversagen (ARDS) und Covid-19 getestet.

Nun haben Wissenschaftler unter Federführung von Maria Macias vom IRB Barcelona gemeinsam mit dem Forschungsteam von Apeptico die dreidimensionale Struktur von Solnatide aufgeklärt und die Ladungsverteilung an der Oberfläche des Peptids analysiert. Darauf aufbauend konnte ein Modell erstellt werden, das beschreibt, wie die Verbindung via elektrostatische Komplementarität mit der cytoplasmatischen C-terminalen Domäne der ENaC-α-Untereinheit in Wechselwirkung treten könnte.

Die Ergebnisse wurden im Computational and Structural Biotechnology Journal veröffentlicht.

June 7th

BASF schreibt Innovationswettbewerb zu „grünen Themen“ aus

Nach der Premiere im vergangenen Jahr schreibt BASF 2022 zum zweiten Mal den Wettbewerb „BASF Innovation Hub 2022“ aus. Der Wettbewerb richtet sich an Startups und innovative junge Menschen, die sich mit nachhaltigen Ideen beschäftigen.

Die Idee des BASF Innovation Hub ist, Innovatoren zu unterstützen, die sich den gegenwärtigen ökologischen und klimatischen Herausforderungen stellen und frische Ideen zu deren Lösung einbringen. In diesem Jahr stehen die Themen „Clean Energy“, „Smart Transportation“ und „Farm to Fork“ im Zentrum. Sieger des österreichischen Wettbewerbs können 2.500 Euro gewinnen, für die beste internationale Idee winken 5.000 Euro

Teilnahmeberechtigt sind sowohl Individuen als auch Startup-Unternehmen (ob schon gegründet oder in der Konzeptphase) aus Österreich, Bosnien and Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Serbien, der Slowakei and Slowenien.

Näher Informationen unter: https://join-innovationhub.com/

 

 

OMV: Krach um Rainer Seele

Die Hauptversammlung verweigerte dem ehemaligen Generaldirektor die Entlastung für seine Tätigkeit im Geschäftsjahr 2021. Einige der Vorwürfe gegen ihn dürften indessen wenig substanziell sein.

 

Bereits im Vorfeld der heurigen OMV-Hauptversammlung hatten sich Unannehmlichkeiten für den Konzern im Allgemeinen und den vormaligen Generaldirektor Rainer Seele im Besonderen abgezeichnet. Seit Monaten trommelten unter anderem die Grünen, die jahrzehntelang bestens bewährte Partnerschaft mit dem russischen Gaskonzern Gazprom und dessen Vorgängerinstitution, dem sowjetischen Erdölministerium, sei ein schwerer Fehler gewesen und habe die Republik in eine angebliche „Abhängigkeit“ Österreichs vom „Russengas“ geführt. Ähnlich tönten sie wenige Tage vor der HV, als sie von einer „wirtschaftspolitische Katastrophe“ sprachen, die nicht zuletzt „der als besonders russlandaffin geltende frühere OMV-Chef, Rainer Seele“, zu verantworten habe. Ähnliche Äußerungen waren von anderen politischen Parteien zu vernehmen, darunter den Neos und der SPÖ. Der Interessenverband für Anleger (IVA) schließlich avisierte, bei der HV gegen die Entlastung Seeles zu stimmen.

 

Das Ergebnis der HV ist bekannt: Mit einer Mehrheit von 70 Prozent verweigerten die Aktionäre Seele die Entlastung „für die Dauer seiner Funktionsperiode im Geschäftsjahr 2021“. Schon seit Mai läuft laut Aufsichtsratschef Mark Garrett „eine erweiterte Prüfung, die sich mit der Einhaltung von Governanceregelungen durch den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden befasst. Im Fokus des Audits stehen bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen in der Funktionsperiode von Herrn Seele, darunter insbesondere der Sponsoringvertrag mit Zenit St. Petersburg (einem Fußballklub, dem ein Naheverhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellt wird, Anm.) und die Gaslieferverträge mit Gazprom Export“. Garrett ergänzte: „Der Vorstand und der Aufsichtsrat möchten allerdings ausdrücklich betonen, dass diese Entscheidung auf Basis des derzeitigen Informationsstands getroffen wurde, das Ergebnis laufender Untersuchungen selbstverständlich nicht vorwegnimmt und daher auch eine nochmalige Befassung der Hauptversammlung zu diesem Thema naturgemäß möglich bleibt.“

 

Mutmaßlich haltlos 

 

Schon im Zuge der HV stellte sich jedoch heraus, dass einige, darunter schwerwiegende, Vorwürfe gegen Seele mutmaßlich haltlos sind. Der stellvertretende Generaldirektor der OMV, Johann Pleininger, machte klar, dass die 2018 vorzeitig verlängerten Gaslieferverträge entgegen anderer Behauptungen sämtliche branchenüblichen Klauseln enthalten. Darunter ist eine Bestimmung, die das Unternehmen für den Fall von höherer Gewalt (Force Majeure) von der Pflicht befreit, Gas abzunehmen und zu bezahlen. Und: „Grundsätzlich kann ein Gasembargo in Form eines gesetzlichen Verbots Force Majeure auslösen.“ In diesem Fall wäre auch die vielkritisierte, aber ebenfalls branchenübliche, Pflicht, vereinbarungsgemäß geliefertes Gas auch bei Nichtabnahme zu bezahlen (Take or pay) hinfällig. Zur vorzeitigen Vertragsverlängerung verwies Pleininger auf die seinerzeitige Aussendung der OMV, in der es heißt: „Die OMV ist überzeugt, dass Europas Gasbedarf vor allem durch den sukzessiven Ersatz der Kohleverstromung durch hocheffiziente Gaskraftwerke steigen wird. Zugleich wird die europäische Eigenproduktion abnehmen, wie man zuletzt auch in den Niederlanden gesehen hat. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) wird die Nachfrage nach Erdgas in Europa bis 2030 um mehr als 20 Prozent zunehmen.“ Darauf habe die OMV, wie viele andere Gasversorger, mit vorzeitigen Vertragsverlängerungen reagiert. Unsinn ist laut Garrett übrigens die Behauptung, Seele habe Privatjet-Flüge missbräuchlich getätigt. Ihm zufolge hatten die Flüge berufliche Gründe und waren somit gerechtfertigt.

 

Wie es nun weitergeht, ist offen. Nach Einschätzung von Juristen macht die verweigerte Entlastung es leichter, von Seele Schadenersatz zu fordern. Ob die OMV zu einer entsprechenden Entscheidung kommt, dürfte nicht zuletzt vom Ergebnis der „erweiterten Prüfung“ abhängen.

Borealis: Verkauf mit „Oligarchie“-Hintergrund

Die Düngersparte geht an einen Mischkonzern, den seinerzeit der umstrittene tschechische Geschäftsmann und Politiker Andrej Babiš gründete.

 

Um 810 Millionen Euro will der tschechische Mischkonzern Agrofert das Stickstoffgeschäft der OMV-Tochter Borealis übernehmen. Geplant ist, die Transaktion im zweiten Halbjahr 2022 abzuschließen, teilten die Borealis und die Agrofert in einer Aussendung mit. Wie berichtet, war im März der geplante Kauf der Sparte durch den Chemieriesen Eurochem geplatzt. Der Hintergrund war, dass dieser mehrheitlich dem russischen „Bisnismen“ Andrej Melnicenko gehört bzw. gehörte. Diesen setzte die EU im Zusammenhang mit der Invasion russischer Truppen in der Ukraine vom 24. Feber am 9. März auf ihre Sanktionsliste. Borealis-Vorstandschef Thomas Gangl verlautete damals, sein Unternehmen habe „die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und den verhängten Sanktionen eingehend geprüft. Infolgedessen haben wir beschlossen, das Angebot von Eurochem für den Erwerb des Stickstoffgeschäfts von Borealis, welches Pflanzennährstoffe, Melamin und technische Stickstoffprodukte umfasst, abzulehnen“.

 

Ganz ohne „Oligarchie“-Hintergrund geht es allerdings auch diesmal nicht ab: Die Agrofert wurde 1993 von dem tschechischen Unternehmer Andrej Babiš gegründet, der von Dezember 2017 bis Dezember 2021 Ministerpräsident seines Landes war und im Zusammenhang mit Steuerbetrugsvorwürfen gehen musste. Gegen die Agrofert laufen Ermittlungen der EU-Kommission wegen des Verdachts, sie habe sich Agrarsubventionen in der Höhe von rund zwei Millionen Euro erschlichen. Auf ihrer Website betont die Agrofert, die Vorwürfe seien haltlos. Mit Babiš habe sie seit längerer Zeit nichts mehr zu tun. Gegen Babiš selbst wird ebenfalls ermittelt. Auch er bestreitet sämtliche Vorwürfe.

 

Auf diese Angelegenheiten gingen die Borealis und die Agrofert in ihrer Aussendung zur geplanten Transaktion nicht ein. Bekannt gegeben wurde lediglich, der tschechische Konzern habe 2021 rund 7,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Er umfasse „mehr als 200 Unternehmen und beschäftigt rund 31.000 Mitarbeiter“. Düngerfabriken besitze er in Deutschland, der Tschechischen Republik und der Slowakei.

 

 

 

 

May 24th

VCI: Gutes Quartal, düstere Aussichten

Im ersten Quartal 2022 waren die Produktion und der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie deutlich höher als vor einem Jahr. Für Optimismus sieht der Branchenverband VCI aber keinen Grund.

 

So richtig zufrieden ist Christian Kullmann, der Präsident des deutschen Chemie- und Pharmaindustrieverbands VCI, nicht. „Vom erhofften Aufschwung nach dem Coronawinter ist nichts mehr übriggeblieben. Die Perspektiven unserer Branche sind wegen steigender Energie- und Rohstoffkosten zunehmend düster. Außerdem drosseln industrielle Kunden wegen gestörter Lieferketten ihre Produktion und bestellen weniger Chemikalien. Ein Gasembargo oder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätte zusätzliche verheerende Auswirkungen“, beschrieb Kullmann bei der Präsentation des VCI-Quartalsberichts die Situation der Branche.

 

Dabei sehen die Zahlen auf den ersten Blick alles andere als schlecht aus. Dem Bericht zufolge wuchs die Produktion der Branche im ersten Quartal 2022 gegenüber dem vierten Quartal 2021 um 1,3 Prozent. Im Vergleich zum ersten Quartal 2021 war ein Zuwachs um 2,8 Prozent zu verzeichnen. Die Preise für Chemikalien wiederum waren um 1,1 Prozent höher als im Vorquartal und sogar um 21,6 Prozent höher als vor einem Jahr. Diese Entwicklungen machten sich auch im Umsatz bemerkbar: Mit 66,3 Milliarden Euro war dieser um 7,8 Prozent höher als im vierten Quartal 2021 und um 28,4 Prozent höher als im ersten Quartal 2021. Im Inland verzeichnete die Branche im Vergleich zum vorigen Quartal ein Umsatzplus von 9,8 Prozent, im Jahresvergleich sogar einen Anstieg um 36,2 Prozent.

 

Auch das Auslandsgeschäft lief keineswegs schlecht: Verglichen mit dem vierten Quartal 2021 wurden um 6,6 Prozent mehr Umsatz erzielt, verglichen mit dem ersten Quartal 2021 um 23,7 Prozent mehr. Regional betrachtet, wuchsen sämtliche Märkte, vom dominierenden Europa über Nord- und Lateinamerika bis Asien. Einen Dämpfer hatte die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie nur in Osteuropa zu verkraften, was zumindest teilweise der russländischen Invasion in der Ukraine geschuldet war. „Der Handel mit Russland ist im März um die Hälfte eingebrochen“, heißt es im Quartalsbericht.

 

Immerhin stabil war der Beschäftigungsstand, der bei rund 473.200 Personen lag. Weniger erfreulich war die Kapazitätsauslastung der Fabriken: Mit 80,9 Prozent lag sie unter dem langjährigen Durchschnitt. Niedriger war sie zuletzt im ersten Quartal des „Coronajahres“ 2020, wo sie bei rund 77 Prozent gelegen war.

 

Warnend heißt es im Quartalsbericht, es falle der Chemie- und Pharmaindustrie „zunehmend schwerer“, die Kostensteigerungen bei Rohstoffen und Energie „in der Wertschöpfungskette weiterzugeben. Eine Entspannung auf den Energie- und Rohstoffmärkten ist nicht in Sicht. Zwar gingen die Preise für Öl, Gas und Strom nach den Höchstständen im März wieder etwas zurück. Insgesamt dürfte das Niveau und auch die Volatilität – als Ausdruck der großen Unsicherheiten – hoch bleiben“. Zusätzlich belastend wirkt sich die Entwicklung der COVID-19-Pandemie in China aus. Die „Null-COVID-Strategie“ der Pekinger Führung sei dem Wirtschaftswachstum alles andere als förderlich. Und so sind die deutschen Chemie- und Pharmabosse nicht allzu optimistisch. Laut dem VCI-Quartalsbericht hat sich „die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage in den letzten Monaten eingetrübt. Der Stimmungsumschwung zeigt sich vor allem bei den Geschäftserwartungen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine herrscht in vielen Unternehmen Rezessionsstimmung. Noch ist die Auftragslage zufriedenstellend. Für die kommenden Monate rechnet aber der überwiegende Teil der Branche mit einem Rückschlag im Chemiegeschäft“.

 

Angesichts dessen „verzichtet der VCI weiterhin auf eine quantitative Vorhersage für die Entwicklung der Branche im Gesamtjahr 2022“. Klar sei nur, dass „das Produktionsniveau des Vorjahres kaum zu erreichen sein“ dürfte.

 

 

May 16th

Agrana: Ukraine-Krieg sorgt für Jahresverlust

Operativ verlief das Geschäftsjahr 2021/22 des Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzerns zufriedenstellend. Aufgrund von Wertberichtigungen ergaben sich Einbrüche beim EBIT und beim Konzernergebnis. Für die Zukunft ist der Vorstand optimistisch.

 

„In normalen Zeiten wäre 2021/22 ein gutes Jahr gewesen. Aber die Zeiten sind nicht normal“, konstatierte Agrana-Generaldirektor Markus Mühleisen anlässlich der Bilanzpressekonferenz des Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzerns. Zwar verzeichnete die Agrana ein Umsatzplus von 13,9 Prozent auf 2,90 Milliarden Euro, das EBITDA erhöhte sich um 8,1 Prozent auf 206,7 Millionen Euro. Doch das Ergebnis der Betriebstätigkeit (EBIT) brach um 68,6 Prozent auf 24,7 Millionen Euro ein. Und hatte der Konzern 2020/21 einen Gewinn von rund 55,0 Millionen Euro erwirtschaftet, so musste er 2021/22 einen Verlust von 12,2 Millionen Euro verkraften. Schuld waren Wertberichtigungen vo rund -69,8 Millionen Euro, die die Agrana aufgrund des Kriegs in der Ukraine vorzunehmen hatte. Laut Mühleisen war der Konzern „bis zum Kriegsausbruch voll auf Kurs und hätte ohne negatives Ergebnis aus Kriegssondereinflüssen einen deutlichen EBIT-Anstieg erreicht“. Operativ sei 2021/22 „sehr zufriedenstellend“ verlaufen, nicht zuletzt dank „sehr guter“ Apfel- und Zuckerrübenernten, die sich auf die Segmente Frucht und Zucker positiv auswirkten, sowie „historisch hoher“ Ethanolnotierungen, die sich im Segment Stärke erfreulich bemerktbar machten.

 

In der Ukraine stellte die Agrana ihre Tätigkeit nach der Invasion der Russländischen Föderation (RF) am 24. Feber ein. Inzwischen produzieren die beiden Werke für Fruchtzubereitungen und Fruchtsaftkonzentrate wieder mit etwa einem Drittel ihrer Leistung, wobei die Sicherheit der Belegschaften selbstverständlich Priorität hat. Die rund 800 Beschäftigten im Lande werden regulär entlohnt. In der RF ist das Werk in Serpuchow etwa 100 Kilometer südlich von Moskau mit seinen 300 Mitarbeitern faktisch „auf sich allein gestellt“, erläuterte Finanzvorstand Stephan Büttner. Die Produktion von Fruchtzubereitungen für Joghurts wird bis auf Weiteres aufrecht erhalten. Mühleisen ergänzte, ein Rückzug aus der RF sei vorläufig nicht geplant. Allerdings beobachte die Agrana die Lage sehr genau und bewerte diese kontinuierlich neu. Zurzeit sei es indessen „richtig, dass wir dort sind“. Der operative Betrieb werde schwieriger, unter anderem, was die Versorgung des Werks mit Ersatzteilen betreffe. Auch die politische Lage könne sich jederzeit ändern. Jedenfalls aber bekenne sich die Agrana zu den Sanktionen der Westmächte gegen die RF und sei „entsetzt über die Kriegshandlungen“.

 

Auswirkungen zeitigt der Krieg auch auf die Energieversorgung der Agrana-Standorte in Österreich, berichtete Technikvorstand Norbert Harringer. In Hinblick auf ein mögliches Erdgas-Embargo der EU gegen die RF laufen die Vorbereitungen, die Fabriken auf den Betrieb mit Heizöl extra leicht (HEL) umzurüsten. Ab Oktober soll dieser möglich sein. Ob der Umstieg tatsächlich erfolgt, hängt von den weiteren Entwicklungen ab.

 

„Starkes Fundament“

 

Für das angelaufene Geschäftsjahr 2022/23 gab sich Mühleisen grundsätzlich optimistisch. Die Agrana „hat ein starkes Fundament und ist gut aufgestellt“. Zu rechnen sei mit einem „sehr deutlichen“ Anstieg des EBIT und einem „deutlichen“ Wachstum des Konzernergebnisses. Allerdings liegt dieser Erwartung dem Konzern zufolge „die Annahme zugrunde, dass der Krieg in der Ukraine temporär und regional begrenzt bleibt, die physische Versorgung mit Energie und Rohstoffen gewährleistet ist und sich im neuen Geschäftsjahr die Absatz- und Beschaffungsmärkte wieder teilweise normalisieren können“. Ferner werde davon ausgegangen, „die insbesondere im Rohstoff- und Energiebereich deutlich gestiegenen Preise in angepassten Kundenkontrakten weitergeben zu können“.

 

 

May 11th

Glyphosat: Entscheidung verzögert sich

Statt noch im Herbst 2022 schließt die Lebensmittelsicherheitsagentur EFSA ihre Neubewertung erst im Juli 2023 ab. Wann die EU-Kommission über die weitere Zulassung des Mittels befindet, ist offen.

 

Die Europäische Lebensmittelsicherheitsagentur EFSA und die Chemikalienagentur ECHA veröffentlichten einen aktualisierten Zeitplan hinsichtlich der Bewertung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Bisher war vorgesehen, seitens der EU-Kommission bis Jahresende über die weitere Zulassung des Mittels zu befinden. Nun verzögert sich dies voraussichtlich bis in die zweite Jahreshälfte 2023. Als Grund dafür geben die EFSA und die ECHA die Vielzahl an Stellungnahmen zu ihrer öffentlichen Konsultation im vergangenen Jahr an. Ihnen zufolge langten im Rahmen der Konsultation „368 Antworten ein, von denen viele mehrere Kommentare enthielten. Darüber hinaus erhielt die EFSA rund 2.400 Kommentare von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten sowie der Gruppe für die erneute Zulassung von Glyphosat (GRG)“. Daraus erstellten die Behörden ein rund 3.000 Seiten umfassendes Dossier. Dieses wird nun von der GRG und in der Folge von der Bewertungsgruppe für Glyphosat (AGG) geprüft, der Frankreich, die Niederlande, Schweden und Ungarn angehören. Laut der AGG wird die Prüfung bis etwa Ende September dauern. Ihr Resultat ergeht an die EFSA.

 

Bereits am 30. und 31. Mai befasst sich der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA mit der Gefahreneinstufung von Glyphosat. Er prüft das Mittel hinsichtlich seiner Karzinogenität, Genotoxizität, Reproduktions- und Entwicklungstoxizität und analysiert dessen Umwelteinstufung. Seine Erkenntnisse übermittelt der RAC der EFSA voraussichtlich Ende Juli/Mitte August. „Somit wird die EFSA im November und Dezember 2022 die Peer-Review-Sitzungen zu Pestiziden mit Sachverständigen der Mitgliedstaaten abhalten und im Juli 2023 die Schlussfolgerungen fertigstellen können. In ihren Schlussfolgerungen wird die EFSA alle möglichen Risiken bewerten, die eine Exposition gegenüber Glyphosat für Menschen, Tiere und die Umwelt mit sich bringen könnte“, konstatierte die Lebensmittelsicherheitsagentur. Bis wann mit einer Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat zu rechnen ist, teilte sie nicht mit.

 

Kritik kam von Gegnern der Nutzung von Glyphosat. Sarah Wiener, eine der Abgeordneten der Grünen zum EU-Parlament, bemängelte, „das Ende des Einsatzes von Glyphosat rückt damit wieder in die Ferne“. Sie forderte „ein EU-weites Verbot von Glyphosat – und zwar so schnell wie möglich“. Der Europasprecher der SPÖ im Nationalrat, Jörg Leichtfried, stellte fest, dass Glyphosat voraussichtlich „ein weiteres Jahr am Markt sein wird. Hier gibt die EU-Behörde kein gutes Bild ab, wenn sie es innerhalb von drei Jahren nicht schafft, so ein Zulassungsverfahren abzuwickeln“. Landwirtschaftssprecherin Cornelia Ecker forderte den designierten Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig auf, „dass er auf europäischer Ebene Druck macht, dass die Arbeit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit höchste Priorität bekommt und die Entscheidung noch in diesem Jahr getroffen werden kann“.

 

April 20th

Henkel: Raus aus der Russländischen Föderation

Noch Anfang April hatte Vorstandschef Carsten Knobel die vorläufige Fortsetzung der Geschäftstätigkeit angekündigt. Nun will er doch aussteigen, angeblich unter dem wachsenden Druck von Aktionären.

 

Der deutsche Chemiekonzern Henkel will seine Geschäftstätigkeit in der Russländischen Föderation (RF) beenden. Begründet wurde dies in einer Aussendung mit den „aktuellen Entwicklungen des Krieges in der Ukraine“. Henkel versicherte darin, zu versuchen, einen „geordneten Ablauf“ des Ausstiegs zu gewährleisten. Die etwa 2.500 Beschäftigten in der RF würden vorläufig „weiterbeschäftigt und -bezahlt. Die mit der Entscheidung verbundenen finanziellen Auswirkungen des geplanten Ausstiegs für Henkel können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher quantifiziert werden“. Vorstandschef Carsten Knobel wurde in einer Aussendung mit den Worten zitiert, „Henkel verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Gewalt gegen unschuldige Zivilisten. Unsere Priorität ist weiterhin, alles zu tun, um unsere Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine zu unterstützen. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter:innen und die Menschen in der Ukraine und in den Nachbarländern umfassend mit finanziellen Spenden sowie Lebensmittel- und Sachspenden. Viele Henkel-Mitarbeiter:innen helfen zudem an den Grenzen, indem sie dringend benötigte Güter verteilen oder den Menschen aus der Ukraine eine Bleibe bieten.“

 

Wie berichtet, hatte Knobel bei der Hauptversammlung Anfang April noch anders geklungen. Damals argumentierte er, ein Stopp des Geschäfts in der RF könne „weitreichende Konsequenzen haben, auch für unsere Mitarbeiter vor Ort. In Russland besteht die Gefahr, dass ausländische Unternehmen von der Regierung in Zukunft enteignet werden können und ihre lokalen Manager haftbar gemacht werden, wenn sie die Geschäfte einstellen“. Ohnehin habe Henkel in der RF „die gesamte Werbung eingestellt. Wir haben alle Sponsoringaktivitäten beendet und alle geplanten Investitionen in Russland gestoppt“. Somit setze der Konzern die seitens der EU und der USA verhängen Sanktionen gegen die RF „konsequent“ um und gehe sogar über diese hinaus. Allerdings hatte Knobel schon damals „weitere Schritte“ hinsichtlich der Tätigkeit Henkels in der RF nicht ausgeschlossen. Gerüchten zufolge soll sich der Druck aus Aktionärskreisen, diese einzustellen, in den vergangenen Wochen verstärkt haben, nicht zuletzt unter dem Eindruck von Berichten über mutmaßliche Kriegsverbrechen russländischer Truppen. Moskau spricht diesbezüglich bekanntlich von „Provokationen“, die seitens ukrainischer Einheiten verübt worden seien. Abschließende Ergebnisse unabhängiger Untersuchungen der fraglichen Ereignisse gibt es bis dato nicht.

 

 

 

Seiten