Archive - Nov 11, 2015

„Historisches Ereignis“

 

Sie verlauteten kürzlich, in den kommenden Monaten würden die USA beginnen, verflüssigtes Erdgas (LNG) zu exportieren. Das werde den weltweiten Gasmarkt verändern. Wie hoch werden die Exporte sein, wo hin werden sie gehen?

Ab Jänner kommenden Jahres werden vom Cheniere/Sabine Pass-Terminal im Golf von Texas rund 28 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag exportiert. Das entspricht einer Jahresmenge von etwa zehn Milliarden Kubikmetern. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, weil erstmals Gas aus den USA auf den Weltmarkt kommt. Im Lauf des Jahres 2017 gehen fünf weitere Terminals in Betrieb. Die USA werden dann rund 80 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr exportieren. Das entspricht etwa der Menge, die Katar ausführt, zurzeit der größte LNG-Produzent der Welt.

 

Japan nimmt nach dem Reaktorunfall in Fukushima vor vier Jahren seine Kernkraftwerke wieder in Betrieb. China braucht kein amerikanisches Gas, weil es seine eigenen Vorkommen erschließt und Gas aus der Russländischen Föderation sowie aus Turkmenistan importieren wird. In Europa geht der Gasbedarf zurück. Zusätzlich beginnt auch Australien, LNG zu exportieren, vor allem in den asiatischen Raum. Wo ist der Markt für Gas aus den USA?

Zurzeit ist die Situation zweifellos herausfordernd. Aber all diese LNG-Projekte wurden und werden auf Basis langfristiger Lieferverträge errichtet, die Laufzeiten von etwa 25 bis 30 Jahren haben. Wir selbst beraten die Betreiber eines kanadischen Projekts, bei dem die Lieferverträge 40 Jahre lang laufen.

 

Der russländische Gaskonzern Gasprom kündigte kürzlich an, er könne und wolle Gas nach Europa auch ungefähr zur Hälfte des derzeitigen Preises liefern. Ist US-Gas dem gegenüber konkurrenzfähig?

Ich denke, ja. Mit dem technischen Wandel durch die Schiefergasförderung - Stichwort Fracking und Horizontalbohrungen - sind die Vorkommen und die Produktion förmlich explodiert. In einem funktionierenden Markt sinkt der Preis, wenn zusätzliches Angebot auf den Markt kommt. Daher erwarte ich auf lange Sicht ein niedriges Preisniveau.

 

Reichen die Preise aus, um die Produktionskosten für Schiefergas zu decken?

Die Kosten sind sehr niedrig. Außerdem sind sie nicht das Entscheidende. Der US-amerikanische Gasmarkt basiert auf dem Wettbewerb der Gasförderer. Und es gilt, die Auswirkungen des technischens Wandels zu verstehen. Es gab eine Reihe technologischer Durchbrüche, die unter anderem zu einem besseren Verständnis der geologischen Struktur der Lagerstätten geführt haben.

 

Selbst wenn US-amerikanisches Gas wirtschaftlich konkurrenzfähig ist, liegt es doch nicht im Interesse der dortigen Industrie, dass billiges Gas nach Europa oder Asien gelangt. Es bestehen ja rechtliche Hindernisse für Exporte, um genau das zu verhindern.

Das ist schon richtig. Dow Chemical beispielsweise hat sich mit den Ökoenergieproduzenten und lokalen Interessengruppen verbündet, die die Schiefergasnutzung verhindern wollen. Außerdem hat das Unternehmen gegen fast alle bisherigen Exportgenehmigungen Einsprüche erhoben. Diesen wurde vom Energieministerium aber nicht stattgegeben. Meiner Ansicht nach werden die Vorteile der Exporte anerkannt, die unter anderem in der Versorgungssicherheit und in wirtschaftlichen Gewinnen liegen.

 

Wie steht es um die Aussichten der Schiefergasförderung in Europa? Sogar in Großbritannien, wo die Regierung diese massiv unterstützt, verläuft die Entwicklung eher zurückhaltend. Im Sommer beispielsweise stoppte das County Council von Lancashire ein Projekt des Cuadrilla-Konzerns, obwohl dieser versprochen hatte, rund 100 Millionen Pfund in die Region zu investieren.

Das ist ein regionales Problem, bei dem es nicht um Schiefergas an sich geht. Letzten Endes muss sich Cuadrilla mit den Behörden einigen. Auch in den USA und in Kanada laufen intensive Diskussionen hinsichtlich der Umweltauswirkungen der Schiefergasförderung. Was die Menschen in den Regionen aber am meisten stört, ist der LKW-Verkehr, den die Förderung mit sich bringt. Die Leute interessieren sich nicht so sehr für das Schiefergas. Aber sie mögen die Lastwagen vor ihrer Haustür nicht. Mit diesem Problem müssen die Unternehmen fertig werden. Klar ist natürlich: Ohne Zugang zur Förderstätte gibt es keine Förderung. Ich gehe daher davon aus, dass es in manchen Regionen Projekte geben wird, in anderen dagegen nicht. Frankreich beispielsweise hat ja die Schiefergasförderung verboten. In den USA hat der Staat New York ein Moratorium verhängt. Es beginnt allerdings ein Umdenken, weil die wirtschaftlichen Vorteile benachbarter Bundesstaaten wie Pennsylvania und Ohio, in denen Schiefergas gefördert wird, erkannt werden.

 

Es heißt, die Schiefergasförderung in den USA werde durch Erträge aus der Schieferölförderung subventioniert. Wie kann das angesichts der verfallenen Ölpreise funktionieren? Der Internationale Währungsfonds verlautete vor kurzem, selbst die Saudis bekämen mit diesen Preisen bald Probleme.

Es läuft eine Art Pokerpartie zwischen den Amerikanern und den Saudis, und die US-Regierung ist bereit, das Spiel mitzumachen. Die amerikanischen Produzenten sagen, sie könnten Öl billiger fördern als die Saudis. Tatsache ist: In etwa 15 Prozent der Fälle werden Öl und Gas gemeinsam gefördert. Und die Produktivität der Förderung nimmt zu. Das sollte auch bei den derzeitigen Ölpreisen eine dauerhafte Schiefergasproduktion sicherstellen.

 

 

Zur Person:

Gordon Pickering ist beim US-amerikanischen Beratungsunternehmen Navigant für Erdgas und LNG in Nordamerika zuständig. Er gilt als einer der weltweit gefragtesten Spezialisten hinsichtlich des Themas Schiefergas. Kürzlich weilte Pickering auf Einladung des Fachverbandes der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen (FVGW) in Wien und hielt einen in Expertenkreisen viel beachteten Vortrag zur Schiefergasproduktion in den USA.

 

Rahmen-Pharmavertrag wird verlängert

Die Pharmaindustrie und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) haben sich grundsätzlich auf die Verlängerung des Rahmen-Pharmavertrags geeinigt. Das teilte der Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) per Aussendung mit. Laut FCIO soll der noch bis Ende 2015 geltende Vertrag um drei Jahre verlängert werden. Im kommenden Jahr leistet die Pharmabranche einen „hohen Fixbetrag“ zur Abgeltung der Medikamentenkosten. Ab 2017 orientiert sich ihr Beitrag am „tatsächlichen Wachstum“ dieser Kosten. Laut FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger wird damit „die Forderung der Pharmawirtschaft nach einem dynamischen, faktenbasierten Modell ab 2017 verankert. Damit sollte für die Zukunft sichergestellt werden, dass es zu keinen Quersubventionierungen anderer defizitärer Bereiche kommt.“

 

Vom Tisch ist damit der Entwurf des Gesundheitsministeriums für eine ASVG-Novelle, der zufolge die Pharmaindustrie den Krankenkassen für die Jahre 2016 bis 2018 einen Rabatt in der Höhe von 125 Millionen Euro auf die Arzneimittelkosten gewähren sollte. Der Branchenverband Pharmig und der FCIO waren in den vergangenen Wochen gegen die Novelle Sturm gelaufen. Ihnen zufolge hätten die vorgesehenen „Zwangsrabatte“ über kurz oder lang zu sinkenden Investitionen und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt. Laut einem Gutachten im Auftrag des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI) wäre die Novelle vermutlich verfassungswidrig gewesen und hätte gegen EU-Recht verstoßen.

 

Den ersten Rahmen-Pharmavertrag schlossen die Pharmaindustrie und der HV im Jahr 2008, die Verlängerung erfolgte 2011. Unter Berücksichtigung des heurigen Jahres bezahlte die Branche seit der Verlängerung insgesamt 82 Millionen Euro an den HV, um damit zur Deckung der Arzneimittelkosten beizutragen. In diesem Betrag inkludiert waren 6,7 Millionen Euro für Projekte in den Bereichen Kindergesundheit und Prävention, die die Pharmaindustrie und der HV gemeinsam durchführten.