Archive - Nov 26, 2015

Weltklimagipfel: Industrie will „Chancengleichheit“

Chancengleichheit für die europäische Industrie“ forderte der Sprecher der Energieintensiven Industrien Deutschlands (EID), Utz Tillmann, am Vorabend des Weltklimagipfels in Paris (COP 21), der am kommenden Montag beginnt und bis einschließlich 11. Dezember dauert. Tillmann, seines Zeichens auch Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), erläuterte, die energieintensiven Industriesektoren Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisenmetalle, Papier und Stahl hätten ihre CO2-Emissionen im Vergleich zu den Werten des Jahres 1990 „um mehr als 30 Prozent reduziert“. Dem gegenüber müsse die Konkurrenz in den meisten anderen Wirtschaftsräumen der Welt keine klimapolitischen Auflagen erfüllen: „Dadurch kommt es zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen.“ Um dem entgegenzuwirken, solle die „europäische Politik“ das Emissionshandelssystem ETS reformieren und dadurch „sicherstellen, dass Produktion nicht abwandert.“

 

Hinsichtlich des neuen Weltklimaabkommens, das in Paris geschlossen werden soll, erhob Tillmann drei Forderungen:

Erstens müssten sich „alle entscheidenden Emittenten zu vergleichbaren Minderungsbeiträgen verpflichten“, vor allem die G20-Staaten.

Zweitens seien weltweit „einheitliche Berichtstandards für Treibhausgasemissionen“ einzuführen.

Drittens sind laut Tillmann „internationale Marktmechanismen anzustreben, damit der europäische Emissionshandel international anschlussfähig wird.“

 

Die Aussichten, dass diese Forderungen erfüllt werden, sind nach Aussagen Tillmanns jedoch schlecht: „In Europa gibt es bereits ein funktionierendes System für den Klimaschutz. Wir hoffen auf Nachahmer in anderen Regionen. Aber es gibt zu wenige Signale dafür, dass die Klimakonferenz Paris die EU aus ihrer klimapolitischen Isolation führen kann.“

Ausdrücklich verwies der VCI in seinem „Politikbrief“ zur COP 21 darauf, dass „Deutschland und die EU lediglich für rund zehn Prozent der (globalen) Emissionen verantwortlich“ sind. Kritiker dieser Argumentation halten allerdings fest, dass die EU damit der drittgrößte Emittent der Welt nach China (Anteil am globalen CO2-Ausstoß rund 29,1 Prozent) und den USA (15,0 Prozent) sind.

 

Knackpunkt Geld

 

Skeptisch bezüglich der Aussichten für den Pariser Klimagipfel äußern sich unterdessen die österreichische Ökonomin Angela Köppl (Wirtschaftsforschungsinstitut) und ihr Kollege Stefan Schleicher (Wegener Center an der Karl-Franzens-Universität Graz), die zu den renommiertesten heimischen Fachleuten für Klimapolitik gehören. Sie gehen in ihrem aktuellen „Policy Brief“ zur COP 21 davon aus, dass die Konsensfindung in Paris „sehr aufwendig“ sein wird - nicht zuletzt, weil jeder der teilnehmenden Staaten ein Vetorecht besitzt.

 

Einer der schwierigsten Punkte ist ihnen zufolge eine Einigung über die Dotierung des sogenannten „Green Climate Fund“ (GCF). Dieser soll ab 2020 jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar für den Technologietransfer in die Entwicklungs- und Schwellenländer bereitstellen. So soll diesen ermöglicht werden, mit allfälligen Auswirkungen des Klimawandels besser zurande zu kommen. Köppl und Schleicher zufolge zeichnet sich allerdings „noch keine Erreichung dieses Finanzierungsziels ab.“ Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Ergebnisse des Ecofin-Treffens vor wenigen Wochen. Dort bekundeten die Finanzminister der EU-Mitgliedsstaaten zwar ihre prinzipielle Unterstützung für den Fonds. Gleichzeitig machten sie jedoch klar, dass von ihnen kaum zusätzliche Mittel zu erwarten sind. Statt dessen sollten sich die Schwellenländer stärker engagieren - ein unmissverständlicher Appell nicht zuletzt an China, das derlei allerdings bisher stets mit aller Entschiedenheit ablehnte.

 

Laut Köppl und Schleicher ist angesichts dessen folgendes „Worst-Case-Szenario“ für Paris denkbar: Eine „Minderheit von Entwicklungsländern“ könnte mit ihrem Veto den Beschluss des angestrebten Abkommens verhindern: „Dies könnte etwa der Fall sein, wenn es zu keiner Übereinstimmung bei den Schlüsselfragen kommt, insbesondere in Hinblick auf die Bereitstellung von Finanzmitteln durch die Industrieländer.“