Archive - Mär 5, 2018

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REACH: Ernüchternder Befund

Das europäische Chemikalienmanagementsystem hat nach wie vor erhebliche Schwächen. Das konstatiert die EU-Kommission in ihrem Evaluierungsbericht und drängt auf Verbesserungen.

 

Der Befund ist ernüchternd: Auch zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten funktioniert das europäische Chemikalienmanagementsystem REACH noch immer nicht zur vollen Zufriedenheit. Das konstatiert die Europäische Kommission in ihrem am 5. März veröffentlichten Evaluierungsbericht. Die wichtigsten Schwachpunkte von REACH sind demnach:

- Immer wieder entsprechen Registrierungsdossiers der Unternehmen für die unter REACH zu erfassenden Stoffe nicht den diesbezüglichen Vorgaben. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der Aktualisierung der Dossiers.

- Die Autorisierungsprozesse bezüglich des weiteren Einsatzes als besonders gefährlich betrachteter Stoffe (SVHCs) werden als zu kompliziert empfunden.

- Stoffe in Produkten, die in die EU importiert werden, fallen nicht unter das REACH-Regime. Das benachteiligt heimische Hersteller gegenüber der Konkurrenz aus Drittstaaten.

- Unklarheiten bestehen hinsichtlich des Verhältnisses von REACH zu anderen Rechtsmaterien, insbesondere zum Arbeitsrecht und zum Abfallrecht.

 

Was die bisherigen Kosten von REACH betrifft, nennt die Kommission eine Summe von 2,3 bis 2,6 Milliarden Euro. Dies liegt um 600 bis 900 Millionen Euro über dem ursprünglich erwarteten Betrag von 1,7 Milliarden Euro. Den voraussichtlichen Nutzen beziffert die Kommission mit rund 100 Milliarden Euro für 25 bis 30 Jahre: „Die Kosten erscheinen gerechtfertigt angesichts der bisher erzielten und noch zu erwartenden Resultate.“ Laut einer Presseaussendung zum Evaluierungsbericht wurden im Rahmen von REACH bisher „Informationen über mehr als 17.000 Stoffe in 65.000 Registrierungsdossiers zu den wichtigsten in der EU hergestellten und verwendeten Chemikalien erfasst. Dadurch hat sich die Kommunikation und Transparenz in der Lieferkette verbessert, und Europa wurde in die Lage versetzt, besser auf die Risiken im Zusammenhang mit Chemikalien einzugehen und den Binnenmarkt für Chemikalien weiter zu harmonisieren“.

 

Umfassendes Programm

 

Im Evaluierungsbericht selbst räumt die Kommission allerdings ein, dass insbesondere die fehlerhaften Registierungsdossiers „das Funktionieren von REACH behindern und das Erreichen der Ziele für die menschliche Gesundheit und die Umwelt verlangsamen“. Und dieser Befund kann knapp zwei Monate vor Ablauf der letzten REACH-Registrierungsfrist am 31. Mai schwerlich willkommen sein. Die Kommission schlägt im Evaluierungsbericht deshalb ein 16-Punkte-Programm vor, um die Fehler zu beseitigen. Unter anderem sollen die Unternehmen dazu veranlasst werden, die Registrierungsdossiers aktuell zu halten. Welche Mittel dabei anzuwenden sind, will die Kommission gemeinsam mit der für REACH zuständigen Europäischen Chemikalienagentur ECHA, den Mitgliedsstaaten und den Interessenvertretungen der Unternehmen im ersten Quartal 2019 bekannt geben.

Ferner schlägt die Kommission vor, den Ersatz von SVCHs zu fördern, etwa durch entsprechende Forschung und Entwicklung. Für diese könnten sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten Geld bereitstellen.

Dem Problem der Überschneidung zwischen REACH und dem Arbeitsrecht gedenkt die Kommission durch die verbesserte Zusammenarbeit der jeweils zuständigen Behörden auf nationalstaatlicher Ebene zu begegnen. Weiters empfiehlt sie die Harmonisierung der Methoden, mit denen festgelegt wird, in welchem Ausmaß Arbeitnehmer bedenklichen Stoffen ausgesetzt sein dürfen.

Zur Lösung der Importpoblematik macht die Kommission dagegen keinen Vorschlag. Auch zum Verhältnis zwischen REACH und dem Abfallrecht äußert sie sich nicht weiter.

 

Finanzierung offen

 

Was die Rolle der ECHA nach Abschluss der Registrierungen anbelangt, weist die Kommission das Management der Agentur an, Personal umzuschichten und sich verstärkt um die Chemikaliensicherheit im Allgemeinen sowie um Methoden zu deren Bewertung zu kümmern. Wie die Finanzierung der Agentur nach Wegfall der Registrierungsgebühren erfolgen wird, lässt die Kommission vorläufig offen. Es würden alle diesbezüglich denkbaren Optionen geprüft, inklusive einer Einschränkung der Ausgaben.

 

Seitens der ECHA konstatierte der neue Exekutivdirektor Björn Hansen, die Agentur „begrüße“ das Ergebnis der Evaluierung und freue sich auf ihre künftige Rolle im Chemikalienmanagement. Die ECHA arbeite bereits an vielen der im Bericht aufgeworfenen Themen. Den Zeitpunkt der Evaluierung hält Hansen für gut gewählt, „weil wir derzeit unsere Strategie überarbeiten“. Hansen zufolge wünscht die Kommission, dass sich die ECHA „zu einem globalen Kompetenzzentrum für nachhaltiges Chemikalienmanagement entwickelt, das in der Lage ist, auch andere Teile des EU-Rechts umzusetzen“.

 

„Inspirierendes“ System

 

In ihrer Stellungnahme zum REACH-Evaluierungsbericht äußerte sich EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska nicht zu den darin festgestellten Mängeln. Sie verlautete lediglich, die Union und ihre Mitglieder müssten „dafür sorgen, dass die Hersteller in der EU nicht gegenüber ihren Wettbewerbern außerhalb der EU benachteiligt werden, insbesondere indem sichergestellt wird, dass auch eingeführte Waren den EU-Vorschriften für Chemikalien entsprechen“.

 

Und Umweltkommissar Karmenu Vella ließ wissen, „die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer ist besorgt, dass sie gefährlichen Chemikalien ausgesetzt ist. Im Rahmen von REACH geht die EU erfolgreich auf ihre Sorgen ein, indem sie Wissen über Chemikalien aufbaut und schädliche Chemikalien auf dem EU-Markt verbietet. REACH inspiriert bereits das Chemikalienrecht in anderen Ländern, und mit weiteren Verbesserungen können wir die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger und die Umwelt noch besser schützen“.