Archive - Feb 13, 2020

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Weiter Krach um Mehrwegflaschen

Arbeiterkammer und Ökologieinstitut fordern den verstärkten Einsatz der Gebinde. Der Fachverband der Chemieindustrie warnt vor Schnellschüssen.

 

Die Auseinandersetzungen um den verstärkten Einsatz von Mehrwegflaschen für Getränke gehen weiter. Am 13. Februar präsentierten die Arbeiterkammer Wien (AK Wien) und das Österreichische Ökologieinstitut ihre diesbezüglichen Vorschläge. Sie stützten sich dabei auf eine 44-seitige Kurzstudie, die das Ökologieinstitut gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter des Instituts für Technologie und nachhaltiges Produktmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien, Gerhard Vogel, im Auftrag von Greenpeace Österreich erstellte. Empfehlen würden sich demnach gesetzliche und mit Sanktionen versehene Mehrwegquoten für Lebensmittel-Einzelhändler mit mehr als fünf Prozent Marktanteil. Wer seine Quote verfehlt, müsste eine Ausgleichszahlung an eine unabhängige Clearingstelle leisten. Diese würde mit dem eingenommenen Geld andere Unternehmen belohnen, die ihre Quoten überschreiten. Supermärkte mit mehr als 200 Quadratmetern Verkaufsfläche wären verpflichtet, sämtliche Mehrwegflaschen zurückzunehmen. Kleinere Geschäfte müssten nur Flaschen jener Marken übernehmen, die sie selbst im Angebot haben. Für eine verbesserte Lagerlogistik sorgen sollen elektronische Datenbanken und RFID-Chips auf den Flaschen. Einzuführen wäre laut AK und Ökologieinstitut auch eine Pfandsystem für Einwegflaschen. Dies würde ihnen zufolge das Littering vermindern, also das achtlose Wegwerfen solcher Gebinde.

 

Werner Hochreiter, der Umweltreferent der AK Wien, betonte es sei „ein Märchen“, dass die Konsumenten Einwegflaschen gegenüber Mehrweggebinden bevorzugten: „Sie haben schlicht und einfach keine Wahl.“ Immerhin habe sich die Mehrwegquote seit 2011 bei rund 22,1 Prozent stabilisiert. Dies ist ihm zufolge einer seinerzeitigen parlamentarischen Initative sowie einer darauf beruhenden Einigung der Sozialpartner geschuldet. Und Hochreiter bekannte: „Der Handel hat sein damals gegebenes Wort gehalten.“ Allerdings handelte es sich bei den 22,1 Prozent um einen sachlich letzten Endes nicht begründbaren Kompromiss. Es empfehle sich daher, nun in Richtung gesetzlich verbindlicher Vorgaben voranzuschreiten. Christian Pladerer, der Vorstand des Ökologieinstituts, ergänzte, hinsichtlich der Vorschläge seiner Einrichtung und der AK seien noch viele Details zu klären. Und ein wie auch immer geartetets Mehrwegsystem könne nur funktionieren, „wenn alle Betroffenen mitspielen“.

 

Auf Anfrage des Chemiereports räumte Pladerer ein, dass die offenen Fragen beispielsweise den Einsatz von RFID-Chips betreffen. Geklärt werden müsse unter anderem, wie viele solcher Geräte benötigt werden und wie deren allfällige Umweltauswirkungen minimiert werden können. Auf die Frage des Chemiereports, wo die Clearingstelle angesiedelt werden sollte, nannte Hochreiter als eine Möglichkeit das Umweltbundesamt (UBA). Auch die Kompentenzen der vom UBA betriebenen Verpackungskoordinierungsstelle ließen sich möglicherweise zweckdienlich erweitern. Dass die Etablierung einer solchen Stelle eventuell dem Bestreben der Bundesregierung nach „Bürokratieabbau“ zuwiderlaufen könnte, kommentierte Hochreiter gelassen: „Die immer wieder beschworene Überbürokratisierung sehe ich nicht.“

 

Konter vom FCIO

 

Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) verlautete zu den Vorschlägen, Mehrweggebinde seien „im Sinne der Abfallvermeidung zwar begrüßenswert, jedoch nur dort, wo sie auch ökologisch Sinn haben. Insbesondere die Klimabelastung darf man bei der Entscheidung, welches Verpackungsmaterial verwendet werden soll, nicht außer Acht lassen. Betrachtet man die Ökobilanzen von Kunststoff- und Glasflaschen, so zeigt sich, dass Glas nur bei einem regionalen Vertrieb unterhalb von 60 Kilometern umweltfreundlicher ist, wie eine Studie im Auftrag des Umweltministeriums belegt. Grund dafür ist das höhere Gewicht, welches beim Transport zu höheren Treibhausgasbelastungen führt“.

 

Die insgesamt beste Ökobilanz haben dem FCIO zufolge PET-Mehrweg-Flaschen, durch deren Verwendung die Abfallmenge minimiert wird. FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger forderte „eine faktenbasierte Diskussion ohne ideologische Scheuklappen. Ökobilanzen sind eine gute Entscheidungsgrundlage für den Einsatz von Verpackungsarten. Letztendlich wird eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen am zielführendsten sein. Mehrweg ist in bestimmten Fällen sinnvoll, darf aber kein Selbstzweck sein, wenn andere Alternativen nachhaltiger sind“. Der beste Weg, das Aufkommen an Kunststoffabfälle zu verringern, bestehe im Auf- und Ausbau einer Kreislaufwirtschaft und in der Optimierung von Kunststoffverpackungen.

 

 

Die Kurzstudie ist unter http://bit.ly/Mehrwegstudie verfügbar.