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WKÖ kritisiert Maßnahmen gegen Ukraine-Krise

Die Sicherung der Gasversorgung habe gut funktioniert, vieles Andere dagegen nicht. Und an Baustellen sei kein Mangel, hieß es kürzlich seitens der Bundessparte Industrie. Gefordert wurde unter anderem ein „Masterplan für die Energieversorgung“ Österreichs.

 

Als „unzureichend“ erachten die Mitglieder der Wirtschaftskammer (WKÖ) die Maßnahmen der EU und Österreichs gegen die Auswirkungen des Kriegs in der und um die Ukraine. Das konstatierten der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie der WKÖ, Andreas Mörk, sowie ihr Umweltsprecher, Baumit-Chef Robert Schmidt, bei einer Pressekonferenz in Wien. Sie stützten sich dabei auf eine Umfrage unter 105 Firmen, darunter 62 Prozent Großunternehmen. Schmid räumte ein, hinsichtlich der Gasversorgung habe die Bundesregierung eine „Meisterleistung“ vollbracht. Es habe einen klaren Plan gegeben, der konsequent umgesetzt worden sei. Mittlerweile verliere sich die österreichische und europäische Politik jedoch bedauerlicherweise wieder im Nebel: „Es gibt keine klaren Ziele, sondern nur Wünsche.“ Und wie diese erfüllt werden könnten, sage die Regierung nicht. Kritik übten Schmid und Mörk nicht zuletzt daran, dass Unternehmen, die den Energiekostenzuschuss in Anspruch nehmen, die Kurzarbeit nicht einführen dürfen. „Es gibt zwischen diesen beiden Unterstützungsmaßnahmen keinen Zusammenhang. Daher müssen die Unternehmen das Recht auf beide haben“, forderte Schmid.

 

Breiten Raum nahm bei der Presskonferenz der Themenkomplex Energie ein. Laut Mörk kommen die Unternehmen mit ihrer Versorgung gut zurecht. Die überwiegende Mehrheit von 84 Prozent der Befragten gab an, ihren Bedarf um bis zu zehn Prozent verringert zu haben. Der Wermutstropfen: Teilweise war dies durch Auslagerungen von Produktionskapazität ins Ausland bedingt. Und dass es gelingt, diese wieder zurückzuholen, ist laut Schmid eher nicht zu erwarten: „Wenn etwas weg ist, kommt es nicht mehr.“ Zwar habe die EU beispielsweise davon gesprochen, Erzeugungskapazitäten für Antibiotika wieder nach Europa bringen zu wollen. Die diesbezüglichen Maßnahmen hielten sich laut Schmid indessen in engen Grenzen: „Da ist nichts oder jedenfalls zu wenig passiert.“ Die Produktion der Antibiotika sei wegen der niedrigeren Herstellungskosten sowie des Fehlens von Umweltauflagen nach Asien verlagert worden: „Wir sollten solche Präparate aber zu einem gewissen Teil in Europa erzeugen.“ Ein „gewisses Maß an Unabhängigkeit“ von globalen Lieferketten sei bei Arzneimitteln ebenso wünschenswert wie bei Lebensmitteln, Zement, Stahl und Holz.

 

Nicht ohne Erdgas

 

Mörk zufolge könnte der Winter 2023/24 hinsichtlich der Gasversorgung herausfordernder werden als der zu Ende gehende. Daher benötige die Wirtschaft Rechtssicherheit, was die Umstellung auf andere Brennstoffe betrifft. Notwendig sei eine verfassungsgesetzliche Regelung, die den Betrieb umgestellter Anlagen ermöglicht. Eine solche habe die WKÖ schon vor rund einem Jahr gefordert. Anders als in Deutschland sei der Gesetzgeber nach wie vor leider säumig. Dazu kommt laut Mörk, dass es „für einen Teil der Betriebe faktisch unmöglich“ ist, auf Erdgas zu verzichten: „Erdgas ist weiterhin Stand der Technik.“ Die vielbeschworene Wasserstoffwirtschaft gebe es zumindest derzeit noch nicht. Skeptisch zeigten sich Mörk und Schmid ferner, was die Nutzung „grüner“ Gase wie Biogas betrifft. Um diese zu erzeugen, „braucht man Rohstoffe. Und ich weiß nicht, wo diese herkommen sollen“, konstatierte Schmid.

 

„Masterplan“ für Energieversorgung

 

Notwendig wäre Schmid zufolge letzten Endes ein „Masterplan für die Energieversorgung“ Österreichs. Auch dürften die Themen Klima und Energie „nicht zu sehr vermischt“ werden. Es gelte, die Energiefrage „nicht nur aus der Klimaperspektive“ zu betrachten, sondern auch aus dem Blickwinkel der Versorgungssicherheit. Mörk erläuterte, die politischen Ziele und die diesbezüglichen Maßnahmen seien „untereinander nach wie vor kaum abgestimmt“. Beispielsweise solle die Versorgung Österreichs mit elektrischer Energie ab 2030 bilanziell vollständig mit Ökostrom erfolgen: „Aber das ist mit den aktuellen Maßnahmen nicht realisierbar.“ Der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse deutlich schneller vonstatten gehen, ebenso wie die Erweiterung und Ertüchtigung der Netzinfrastruktur.


Auf die Tatsache, dass kürzlich eine Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) beschlossen wurde, die nach einhelliger Auffassung führender Verfahrensjuristen erhebliche Erleichterungen für den Ökostrom- sowie den Netzausbau mit sich bringt, gingen Mörk und Schmid nicht ein. Zum Hinweis des Chemiereports, dass sich die WKÖ Kritikern zufolge in den vergangenen beiden Jahrzehnten gegen den Ökostromausbau ebenso wie gegen die Verpflichtung zu Energieeffizienzmaßnahmen sträubte und sich das Image eines „Blockierers“ erarbeitete, stellte Schmid fest: „Wir sind keine Blockierer. Wir haben allergrößtes Interesse, die Probleme zu lösen.“

 

 

 

 

FWF benennt erste Exzellenzcluster

Von der Mikrobiomforschung über die Quantenphysik und die Materialentwicklung für die Energiewende bis zur Aufarbeitung des kulturellen Erbes antiker eurasischer Reiche und zur Wissenschaftstheorie spannt sich der Bogen der geförderten Projekte. 

 

Mit insgesamt rund 80,7 Millionen Euro unterstützt der Forschungsförderungsfonds (FWF) bis 2028 die ersten fünf „Exzellenzcluster“ im Rahmen des Programms „Excellent Austria“. Das berichteten FWF-Geschäftsführer Christof Gattringer und Wissenschaftsminister Martin Polaschek am 13. März bei einer Pressekonferenz in Wien. Gattringer zufolge handelt es sich um ein neues Förderformat, mit dem der FWF in eine „neue Größenordnung“ vorstößt. An den Clustern beteiligt sind jeweils mehrere Forschungseinrichtungen. Nach fünf Jahren erfolgt eine Evaluierung der Cluster. Nach den bisherigen Erfahrungen seiner Institution mit mehrstufigen Förderungen gab es laut Gattringer bisher kaum jemals Probleme mit deren Verlängerung: „Aber natürlich muss die Performance stimmen.“ Angesichts der hohen Inflation werde sich der FWF bemühen, den Betrag für die Jahre nach 2028 angemessen aufzustocken, versicherte Gattringer. Ihm zufolge waren sämtliche Einreichungen von hoher Qualität. Der internationalen Jury um Stephen Curry vom Imperial College London sei die Entscheidung nicht leicht gefallen.

 

Rund 21 Millionen Euro gehen an den Cluster „Microbiomes Drive Planetary Health“, den Michael Wagner, der Forschungsdirektor der Universität Wien, leitet. Beteiligt ist unter anderem das Zentrum für molekulare Medizin (CEMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter Andreas Bergthaler, das einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Sequenzierungsarbeiten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bekannt wurde. Ferner arbeitet Angela Sessitsch vom Austrian Institute of Technology (AIT) an dem Cluster mit. Laut Wagner geht es darum, „gemeinsame Grundprinzipien von Umweltminkrobiomen und menschlichen Mikrobiomen herauszufinden“. Das soll ermöglichen, die „rote“ und die „grüne“ Mikrobiomfoschung und damit letztlich „Medizin mit Umweltforschung“ zu verknüpfen. Wagner räumte auf Anfrage des Chemiereports ein, dass der Ausdruck „planetarische Gesundheit“ dazu verleiten könnte, an umstrittene Ansätze wie die „Gaia-Hypothese“ des 2022 im Alter von 103 Jahren verstorbenen britischen Ökologen James Lovelock zu denken. Lovelock zufolge kann die gesamte Erde als zusammenhängender Organismus betrachtet werden. Ausdruck dessen war unter anderem sein 2006 erschienenes Buch „Gaias Rache – Warum die Erde sich wehrt“, in dem er den Klimawandel thematisierte. Wagner zufolge hat die Arbeit des Clusters mit dergleichen Ansichten aber nichts zu tun. Vielmehr gehe es um Komplexitätsforschung. Die Gesundheit der Menschen hänge nicht zuletzt vom Funktionieren einer Vielzahl mikrobieller Systeme ab. Umso wichtiger sei es, die diesbezüglichen Funktionsweisen und Zusammehänge zu kennen, um erforderlichenfalls gezielt eingreifen zu können. 

 

Mit weitere 21 Millionen Euro fördert der FWF den Cluster „Quantum Sciences Austria“ unter Gregor Weihs von der Universität Innsbruck. Dieser Cluster befasst sich mit der Weiterentwicklung des Verständnisses physikalischer Grundgrößen wie Raum, Zeit und Schwerkraft. Praktische Auswirkungen könnten diese Arbeiten unter anderem für die Entwicklung von Technologien „nach dem Quantencomputer“ haben. 

 

Nanokatalysatoren für die Energiewende 

 

Etwa 20,6 Millionen Euro fließen dem Cluster „Materials for Energy Conversion and Storage“ zu. Dieser steht unter der Leitung von Günther Rupprechter von der Technischen Universität Wien. Nicht zuletzt behandelt er Nanomaterialien zur Umsetzung von Technologien wie Power-to-Gas (P-t-G) und Power-to-Liquids (P-t-L). Gemeint ist damit Folgendes: Wasser wird mit Ökostrom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Der Wasserstoff kann entweder in reiner Form oder nach Reaktion mit CO2 als künstliches Methan langfristig gespeichert werden. Ferner ist es möglich, daraus synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) zu erzeugen. Dafür sollen im Rahmen des Clusters Nanokatalysatoren entwickelt werden. Rupprechter betonte, die Energiewende sei „nur zu schaffen, wenn die besten Köpfe in der Materialforschung gemeinsam innovative Wege entwickeln, damit erneuerbare Energien klimaneutral gespeichert werden können“. Genau das solle der Cluster ermöglichen. 

 

Rund 9,2 Millionen Euro erhält der Cluster „Eurasian Transformations“, dessen Leitung Claudia Rapp von der ÖAW obliegt. Rapp verwies auf die These des britischen Ethnologen und Anthropologen Sir John Rankine („Jack“) Goody vom „Eurasischen Wunder“. Diese bezieht sich auf den Aufstieg und den Verfall einer Vielzahl von (Groß-)Reichen im Zusammenhang mit ökonomischen sowie ökologischen Entwicklungen, die bis heute nachwirken. Laut einer Kurzbeschreibung des Clusters harrt „das kulturelle Erbe dieser Großregion vielfach noch der Aufarbeitung und Analyse“. Das könnte unter anderem auch für das Verständnis aktueller Konflikte wie des Kriegs in der und um die Ukraine von Bedeutung sein. 

 

Die verbleibenden 8,9 Millionen dienen dazu, im Rahmen des Clusters „Knowledge in Crisis“ Mittel und Wege zu finden, um der zunehmenden Wissenschaftsskepsis entgegenzuwirken. Geleitet wird der Cluster von Tim Crane, dem Forschungschef des Central European University (CEU), die nach massiver Kritik des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban nach Wien übersiedelte. 

 

Zweite Säule 

 

Gattringer zufolge ist geplant, mit den Clustern „langfristige Strukturen“ für hochwertige Forschung in den jeweiligen Themengebieten zu etablieren. Außerdem arbeiten er und sein Team bereits an der Umsetzung der zweiten Säule von Excellence Austria, dem Programm „Emerging Fields“. Eingereicht wurden 45 Projekte. Über die Vergabe der Mittel von maximal sechs Millionen Euro pro Vorhaben wird im März 2024 entschieden.