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June 3rd, 2020
Erster Schritt zur EU-Pharmastrategie
03.06.20
von
Klaus Fischer
Die EU-Kommission veröffentlichte Anfang Juni die Roadmap zu dem Dokument, das Ende des heurigen Jahres veröffentlicht werden soll.
Bis Jahresende will EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides den Entwurf für die Pharmastrategie der Union präsentieren. Als ersten Schritt veröffentlichte Kyriakides Anfang Juni eine „Roadmap“, zur der Interessierte noch bis 7. Juli Stellung nehmen können. Der Kommissarin zufolge soll die Strategie die erschwingliche, nachhaltige und sichere Versorgung Europas mit Arzneimitteln gewährleisten. „Die COVID-19-Pandemie hat uns deutlicher als je zuvor gezeigt, dass wir ein krisenresistentes System und die Mittel brauchen, um Medikamente in der EU zu erzeugen und so den Patienten und den Krankenhäusern den zeitgerechten Zugang zu wichtigen Arzneimitteln unter allen Umständen garantieren zu können“, betonte Kyriakides.
Insbesondere werden mit der Strategie vier Ziele angestrebt:
Erstens sollen die Patienten in ganz Europa Zugang zu neuen Arzeimitteln erhalten und Arzneimittelknappheiten verhindert werden. Zweitens will die EU-Kommission Medikamente leichter erschwinglich machen und den oft beschworenen Gegenwert für die Gesundheitsausgaben steigern. Drittens wird angestrebt, die Möglichkeiten der Digitalisierung noch umfassender als bisher zu nutzen und zu gewährleisten, dass Innovation, wissenschaftlicher Fortschritt und Technologie den therapeutischen Bedürfnissen der Patienten dienen, und dies mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt. Viertens schließlich soll die Strategie die Abhängigkeit der Europäischen Union von Rohmaterial aus Drittstaaten vermindern und andere Länder dazu veranlassen, die europäischen Qualitäts- sowie Sicherheitsstandards bei der Medikamentenproduktion zu übernehmen, was überdies die Wettbewerbsfähigkeit in der EU beheimateter Pharmakonzerne stärken würde.
Etliche Herausforderungen
Wie es in der Roadmap heißt, erwirtschaftet die europäische Pharmaindustrie mit ihren etwa 842.000 Beschäftigten einen Außenhandelsüberschuss von rund 91 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Überdies nimmt die Bedeutung von Technologien wie Artificial Intelligence stark zu. Gleichzeitig sieht sich die EU mit einer alternden Bevölkerung, dem vermehrten Auftreten von Krankheiten sowie globalen Gesundheitsgefahren wie COVID-19 konfrontiert. Hinzu kommen Debatten über Arzneimittelknappheiten und die Erschwinglichkeit von Medikamenten: „Deshalb benötigen wir eine holistische, patientenzentrierte und vorwärtsgerichtete gesamteuropäische Pharmastrategie, die den gesamten Lebenszyklus von Arzneien von der wissenschaftlichen Forschung über die Zulassung bis zur Verabreichung an die Patienten abdeckt.“ Die Kommission sieht etliche Herausforderungen für die Gesundheitspolitik der EU. So wandle sich das globale Umfeld der EU rasch, was gravierende Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Medikamenten haben können. Ein „strukturelles“ Risiko sei die wachsende Abhängigkeit Europas vom Import von Arzneimitteln und deren Bestandteilen. Daher gelte es nicht zuletzt, die Lieferketten ausreichend zu diversifizieren.
Ferner bieten nicht alle EU-Mitgliedsstaaten ihren Bürgern denselben Zugang zu Medikamenten. Probleme dabei sind unter anderem die Arzneimittelkosten, Preismechanismen und die Vermarktungsstrategien der Hersteller. Auch finden Innovationen nicht immer in jenen Bereichen statt, in denen sie von den Patienten und Gesundheitssystemen benötigt werden. Das betrifft etwa neue Antibiotika sowie Mittel gegen Demenz. Dazu kommen Schwierigkeiten, neue Forschungsergebnisse mit geeigneten Förderungen in marktreife Produkte umzusetzen. „Daher wird der ökonomische Wert europäischer Forschung oft in anderen Ländern realisiert“, bedauert die EU-Kommission. Probleme gebe es auch mit regulatorischen Barrieren: Oft genug halte das Recht nicht mit der wissenschaftlichen Entwicklung Schritt. Für all diese Herausforderungen werde die Pharmastrategie Lösungsansätze zu entwickeln haben.
Apeiron lukriert 17,5 Millionen Euro
03.06.20
von
Klaus Fischer
Mit dem Geld will das Biotechnologieunternehmen seinen Wirkstoffkandidaten APN01 (rhACE2) weiterentwickeln, der gegen SARS-CoV-2 eingesetzt werden könnte.
Rund 17,5 Millionen Euro erzielte die Wiener Apeiron Biologics AG kürzlich im Zuge einer Finanzierungsrunde. Davon kamen 11,9 Millionen von bestehenden und neuen Investoren, den Löwenanteil machten rund sieben Millionen Euro von der Vienna Insurance Group (VIG) aus. Ihr gehören nunmehr rund 3,26 Prozent der Apeiron-Anteile. Weiters haben die FFG, die Wirtschaftsagentur Wien (WAW), die AWS sowie die Erste Bank öffentliche Fördergelder und Garantien von rund 5,6 Millionen Euro zugesagt. Das Biotechnologieunternehmen will die zusätzlichen Mittel nutzen, um seinen Wirkstoffkandidaten APN01 (rhACE2) weiterzuentwickeln. Von Apeiron wird dieser als einer von „ wenigen spezifisch gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2, Anm.) gerichteten Therapieansätzen“ bezeichnet.
Zurzeit läuft in Kliniken in Österreich, Deutschland, Dänemark und Großbritannien eine Phase-II-Studie mit dem Mittel. Dabei sollen 200 schwer an COVID-19 erkrankte Patienten behandelt werden. „Das primäre Ziel der Studie ist die Bewertung der klinischen Wirksamkeit von APN01 sowie die Bewertung von Sicherheit und Verträglichkeit von APN01 bei COVID-19-Patienten“, hieß es in einer Aussendung. Bei positivem Verlauf der Studie sei „nach Ansicht von Experten“ eine beschleunigte Marktzulassung denkbar. Laut Apeiron-Vorstandschef Peter Llewellyn-Davies war die Finanzierungsrunde überzeichnet. Sein Unternehmen habe „ namhafte und zukunftsorientierte Investoren als neue Aktionäre gewinnen“ können.
Plastikflaschen: Weiter Debatten um Pfandsystem
03.06.20
von
Klaus Fischer
Auch nach dem „Runden Tisch“ sind die Positionen weitgehend unverändert. Immerhin wird weiter verhandelt. Eine Lösung soll es im Herbst geben, spätestens aber zu Jahresende.
Spätestens zu Jahresende soll feststehen, ob und allenfalls in welcher Form Österreich ein Pfandsystem für Plastikflaschen einführt. Das sagte Energie-, Klima- und Umweltministerin Leonore Gewessler bei einer Pressekonferenz anlässlich des „Runden Tischs“ zu Kunststoffverpackungen, zu dem ihr Ministerium (BMK) am 2. Juni eingeladen hatte. Bei dem Gespräch mit rund 40 Interessenvertretern, Wissenschaftlern und Parlamentariern wurde vereinbart, bis Herbst „Handlungsoptionen zur Erfüllung der EU-Ziele im Rahmen der Kreislaufwirtschaft“ erarbeiten. Noch im Juni werden weitere Gespräche zu diesem Thema stattfinden. „Für alle Beteiligten am Runden Tisch war es wichtig, rasch Klarheit zu haben. Das ist auch mein Interesse. Wir müssen das Problem des ständig steigenden Plastikmülls in unserer Natur lösen und sicherstellen, dass wir die EU-rechtlich verbindlichen Sammelziele für Kunststoffgetränkeflaschen erreichen. Dazu werden wir jetzt konkrete Details eines möglichen Einwegpfandsystems für Österreich entwickeln. Auch den Stakeholder-Dialog zu Plastik-Verpackungen werden wir wieder aufnehmen um Kreislaufwirtschaft als Ganzes zu betrachten. Schon im Juni wird es dazu weitere Gespräche geben. Wir wollen rasch alle Entscheidungsgrundlagen vorliegen haben“, konstatierte Gewessler.
Als Grundlagen für die Debatten betrachtet die Ministerin die Studie „Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkegebinde, Pfandsysteme und Mehrweg“, die ihre Vorgängerin Elisabeth Köstinger vom Umweltbundesamt, der Montanuniversität Leoben und dem Technischen Büro Hauer erstellen ließ. Laut dieser ist „ein Pfand auf Einweg-Kunststoff-Getränkeflaschen eine kostengünstige Maßnahme, getrennte Sammelquoten von 90 Prozent zu erreichen“. Zum Erreichen der 90-Prozent-Quote ist Österreich aufgrund der Kunststoffrichtlinie der Europäischen Union verpflichtet. Die Richtlinie sieht vor, dass ab 2025 mindestens 77 Prozent der in Verkehr gebrachten Getränkeflaschen aus Kunststoff getrennt gesammelt und recycelt werden müssen, ab 2029 sind es die bereits genannten 90 Prozent. Nach Angaben des Ministeriums fallen in Österreich jährlich etwa 1,6 Milliarden Plastik-Getränkeflaschen an.
Wie Gewessler bei der Pressekonferenz betonte, wird die unsachgemäße Entsorgung (Littering) von Einweg-Plastikflaschen zu einem immer größer werdenden Problem. Rund ein Viertel der Entsorgungskosten der Asfinag entfalle bereits auf das Sammeln der Gebinde.
Widerstand ungebrochen
Widerstand gegen ein Pfandsystem kommt vor allem aus der Wirtschaftskammer und deren Corona. WKÖ-Generalsekretär und Langzeit-ÖVP-Nationalrat Karlheinz Kopf machte mehrfach vehement gegen eine solche Lösung mobil. Und auch nach dem Runden Tisch ist die Position der Kämmerer offenbar unverändert. In einer Aussendung der Bundessparte Handel verlautete deren Obmann Peter Buchmüller, die Einführung eines Einwegpfandes „würde bedeuten, dass Händler für jede Getränkeflasche - egal, ob Einweg oder Mehrweg - ein Pfand einheben müssen. Die Ausgaben dafür wären einfach zu hoch. Einerseits ist der technische Aufwand für die Händlerinnen und Händler immens, andererseits steigen dadurch die Personalkosten für die Abwicklung“. Im einem gerierte sich Buchmüller als Verfechter der Interessen der Konsumenten: Diese könnten im Fall eines Pfandsystems die „Gelbe Tonne“ nicht mehr nützen, sondern müssten die Gebinde in den Geschäften abliefern: „Das geht zu Lasten der Convenience, also des Komforts für Verbraucher.“
Magnus Brunner, der Staatssekretär der ÖVP im BMK, gab sich bei der Pressekonferenz pragmatisch. Zur Frage, ob es möglich sei, ein Pfandsystem gegen den Willen der Wirtschaftskammer durchzusetzen, sagte Brunner, entscheidend für eine tragfähige Lösung sei eine „Gesamtsicht. Wir müssen uns faktenbasiert anschauen, was sinnvoll ist“.
ARA warnt
Ihre Bedenken gegen ein Pfandsystem hat auch die Altstoff Recycling Austria AG (ARA). Vorstand Werner Knausz sagte auf Anfrage des Chemiereports, das Problem sei, die EU-Recyclingziele zu erreichen. Dafür würden 2025 rund 70.000 Tonnen mehr Material als derzeit benötigt, 2030 sogar 90.000 Tonnen. „Ein Pfandsystem würde aber nur etwa 8.000 Tonnen bringen, also knapp ein Zehntel dieser Menge“, warnte Knausz. Dringend notwendig sei auch, Abnehmer für das Recyclingmaterial zu finden. Derzeit sitze die Abfallwirtschaft auf rund 50.000 Tonnen, die wegen des verfallenen Ölpreises und der damit verbundenen niedrigen Kosten für Primärkunststoff niemand wolle. Nicht richtig ist laut Knausz, dass allein der ARA durch die Einführung eines Pfandsystems Einnahmen von rund 24 bis 25 Millionen Euro pro Jahr entgehen würden: „Tatsächlich geht es um etwa 35 Millionen Euro für die gesamte Branche.“ Aber das sei nicht das Entscheidende. Ein Pfandsystem verursache Kosten von vielen Millionen Euro für neue Sortieranlagen, bringe aber so gut wie nichts: „Dass wir ein bisschen Geld verlieren würden, ist nicht so wichtig.“
Brief von der Wissenschaft
Für ein Pfandsystem plädiert dagegen einer der Konkurrenten der ARA, die Reclay UFH. Geschäftsführer Christian Abl sagte anlässlich des „Runden Tisches“, nur mit einem solchen System könne Österreich „die Kapazitätsengpässe der bestehenden Recyclingsysteme überwinden und die definierten EU-Sammel- und Recyclingquoten erreichen“. Für notwendig hält Abl neben der Einführung eines modernen Einweg-Pfandsystems „die Verbesserung der Recyclingfähigkeit mittels Optimierung aller Verpackungen“.
Und auch andere Befürworter einer Pfandlösung sind nicht untätig. In einem offenen Brief fordern Umweltorganisationen und Wissenschaftler die Bundesregierung auf, insbesondere drei Maßnahmen zu setzen:
„1. Verbindliche, sanktionierbare Reduktion von Einweg-Kunststoffverpackungen um mindestens 20 bis 25 Prozent bis 2025
2. Förderung und Ausbau von Mehrwegsystemen durch starke Anreizmaßnahmen für den Lebensmittelhandel (mittels Bonus-Malus-Systemen oder vergleichbaren rechtlich verbindlichen Maßnahmen mit konkreten und sanktionierbaren Zielen)
3. Einführung eines Pfands auf alle Getränkeverpackungen zur Reduktion von Littering“.
Laut den Unterzeichnern, darunter der bekannten Ökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien, ihrem Kollegen Stefan Giljum und dem auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisierten Wiener Politikwissenschaftler Ulrich Brand, kann Österreich „ein europäischer Vorreiter werden und mit derselben Entschlossenheit gegen die Plastikkrise vorgehen wie gegen die Coronakrise“. Vielerorts gebe es bereits einschlägige Initiativen. China etwa werde ab 2022 „eine Reihe von Einweg-Kunststoffartikeln verbieten und wiederverwendbare Verpackungen fördern“. Und die Umweltminister der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) hätten beschlossen, „den Import, die Produktion und die Vermarktung von einigen Einweg-Kunststoffverpackungen in der Region ab 2025 zu verbieten“.
Die Bundesregierung müsse daher das Kapitel Kreislaufwirtschaft ihres Programms rasch und konsequent umsetzen: „Nur dann kann der Abfallvermeidung – dem obersten Grundsatz im europäischen Abfallrecht – tatsächlich Rechnung getragen werden.“
May 27th
Deutschland: Chemieindustrie gut unterwegs
27.05.20
von
Klaus Fischer
Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie waren für die Branche bisher unangenehm, aber nicht problematisch. Und bereits im dritten Quartal soll es wieder aufwärts gehen, heißt es im Quartalsbericht des VCI.
„Robust ins Krisenjahr 2020 gestartet“ ist die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie, meldet der Branchenverband VCI in seinem aktuellen Quartalsbericht. Der Umsatz war im ersten Quartal 2020 mit 49,5 Milliarden Euro um 0,6 Prozent höher als im vierten Quartal 2019. Zwar sank der Auslandsumsatz um knapp ein Prozent, doch legte der Inlandsumsatz um 3,3 Prozent „kräftig“ zu. Mit 18,2 Milliarden Euro sei auch der Vergleichszeitraum des Jahres 2019 erstmals seit fünf Quartalen wieder übertroffen worden - wenn auch nur um 0,2 Prozent. Gut lief das Geschäft im ersten Quartal in der EU, dem wichtigsten Markt der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie, sowie in Nordamerika. In Lateinamerika und Asien wurden dagegen bereits Rückgange verzeichnet.
Ferner war die Produktion um 3,2 Prozent höher als im vierten Quartal 2019 und um 0,9 Prozent höher als im ersten Quartal des Vorjahres. Überdies blieben die Erzeugerpreise nach Angaben des VCI stabil - und zwar sowohl im Vergleich zum ersten als auch zum vierten Quartal 2019. Verglichen mit diesem war im ersten Quartal 2020 allerdings ein Rückgang des Naphta-Preises um 18 Prozent auf 381 Euro je Tonne zu verzeichnen. Und der VCI warnt: „Im April sind die Preise für Rohöl und Naphtha weiter gefallen. Ein Blick auf bereits vorliegende Kontraktpreise für Primärchemikalien zeigt nun auch hier einen erheblichen Preisverfall.“
„Nur leicht eingeschränkt“
Laut einer Umfrage unter den Verbandsmitgliedern zufolge sind die Aussichten für die nähere Zukunft indessen nicht allzu düster. Zwar melden etwa 40 Prozent der Unternehmen laut VCI einen „schweren bis sehr schweren Rückgang der Bestellungen“. Überdies komme es zu Problemen mit der Verfügbarkeit von Vorprodukten, Personalengpässen infolge von Reisebeschränkungen und Herausforderungen im Vertrieb und in der Logistik. Von Katastrophenstimmung ist indessen keine Rede. Durch die genannten Probleme sei „die Geschäftstätigkeit nach Einschätzung der Unternehmen nur leicht eingeschränkt. Die Unternehmen haben sich insgesamt gut auf die Herausforderungen eingestellt. Wegen der fehlenden Nachfrage sinkt die Kapazitätsauslastung zwar kräftig, aber von umfangreichen Produktionsstillständen wie in der Automobilindustrie dürfte unsere Branche verschont bleiben“.
Kurz und gut: Das zweite Quartal werde voraussichtlich einigermaßen unterhaltsam. Schon für das dritte Quartal seien die Perspektiven indessen wieder besser. „Es gibt bereits Licht am Ende des Tunnels: Die Ausbreitung des Virus ist eingedämmt. Die Lockerung des Shutdown und die Öffnung der Grenzen sind eingeleitet. Der Normalisierungsprozess hat begonnen. Wenn dann im In- und Ausland der Shutdown ein Ende gefunden hat und die Grenzen wieder geöffnet worden sind, könnte im dritten Quartal die Industrieproduktion und mit ihr die Chemienachfrage wieder anziehen. Die Erholung wird jedoch wenig dynamisch verlaufen und bedarf zusätzlicher wirtschaftspolitischer Impulse“, heißt es im Quartalsbericht.
Zu optimistisch will sich der VCI indessen auch wieder nicht geben. Trotz der voraussichtlichen Trendwende im zweiten Halbjahr „wird die Branche in diesem Jahr einen deutlichen Produktions- und Umsatzrückgang verbuchen müssen“. Eine genaue Prognose legte der VCI im Quartalsbericht noch nicht vor. Diese wird erst Ende des zweiten Quartals präsentiert.
Cyberattacken: Anleitung zum Selbstschutz
27.05.20
von
Klaus Fischer
Wie Unternehmen mit dem Thema Cybersicherheit umgehen können, war Thema der ecoplus-Business Lounge, die angesichts der COVID-19-Pandemie erstmals online stattfand.
„Cyber Attack – Anleitung zum Selbstschutz“ war kürzlich das Thema der Business Lounge der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus. Wegen der COVID-19-Pandemie fand diese erstmals online statt. Nicht unpassend, konstatierte Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger in seiner Einleitung: Gerade im Zuge der Pandemie habe sich die Digitalisierung als „das Thema der Stunde“ erwiesen. Für Unternehmen könne diese unter den gegenwärtigen Umständen lebenswichtig sein. Online-Angebote müssten professionalisiert und ausgeweitet werden, und dabei wolle das Land Niederösterreich über die ecoplus die Betriebe unterstützen: „Und wir wollen Ihnen helfen, das wichtige Thema Cybersecutity stärker in den Fokus rücken.“ Geschäftsführer Helmut Miernicki warnte, die Cyberkriminalität sei extrem angewachsen: „Daher haben wir die Business Louge der Cybersecurity gewidmet.“ Auch in Zeiten der Pandemie wolle die ecoplus in gewohnter Servicequalität der Partner der Unternehmen auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft sein.
Moderiert von ecoplus-Bereichsleiter Unternehmen & Technologie Claus Zeppelzauer erläuterten hochrangige Fachleute die Situation und gaben Ratschläge, wie mit Cyberattacken umzugehen ist. Oberst d. G. Walter Unger, der Leiter der Abteilung Cyber Defence und IKT-Sicherheit im Abwehramt des Österreichischen Bundesheeres, erläuterte, in den vergangenen zwölf Monaten seien 342 österreichische Unternehmen Opfer von Angriffen aus dem Cyberspace gewesen, 41 Prozent davon hätten finanzielle Schäden erlitten. Bedroht sind laut Unger Grundwerte wie Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität in den IKT-Systemen. Pro Tag wurden drei bis fünf schwere Schwachstellen in der gängigen Software entdeckt: „Wer seine Systeme nicht updatet, lässt Scheunentore offen.“ Schadprogramme werden laut Unger heutzutage industriell gefertigt. In „dunklen Ecken des Internets“ könnten Interessierte Cyberangriffe bei organisierten Verbrecherbanden kaufen. Unternehmen seien gut beraten, „vom Internet zu trennen, was nicht vernetzt sein muss“. Überdies empfehle sich der Aufbau eines „Incident Managements“, um rasch und professionell auf Angriffe reagieren zu können. Als sinnvoll erachtet Unger Systeme zur automatisierten „Cyber-Verteidigung“, die mittlerweile auf dem Markt erhältlich sind.
Bitte keinen „Superuser“
Aron Molnar, Head of Professional Security Services bei A1 Digital International, riet unter anderem zur Verwendung von Passwortmanagern, die lange und sehr komplizierte Passwörter verwenden und damit einen guten Schutz vor Hackerangriffen bieten.
Marion Marschalek, die für Intel als „Offender“ (Angreifer) Produkte auf Schwachstellen untersucht, empfahl, keinen „Superuser“ im Firmennetzwerk zu definieren, der auf alle darin vorhandenen Daten zugreifen kann. Statt dessen sollten Rollen definiert und für jede Rolle Zugriffsrechte festgelegt werden.
Joe Pichlmayr, CEO bei der IKARUS Security Software GmbH, warnte, Hacker nutzten den Umstand, dass viele Personen wegen der COVID-19-Pandemie verunsichert sind. Die Arbeit im Home-office sei für etliche Beschäftigte neu und ungewohnt. Umso leichter passierten Fehler im Umgang mit Softwareprogrammen. Auch komme es vor, dass sich Hacker als Vertreter von Behörden tarnen und unter Hinweis auf Hilfszahlungen die Herausgabe von Daten verlangen.
Philipp Blauensteiner, der Leiter des Cyber Security Centers im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), riet zu „gesundem Misstrauen“ im Umgang mit E-Mails: „Sachen, die einem komisch vorkommen, sollte man sich lieber noch einmal durchlesen, bevor man darauf reagiert.“ Hilfreich sei „eine Art digitaler Hausverstand“. Beispielsweise lasse sich eher ausschließen, dass Heidi Horten beabsichtige, Otto Normalverbraucher 20 Millionen Euro zu überweisen, und das per E-Mail kundtue.
Die ecoplus Business Lounge zum Nachsehen gibt es unter www.ecoplus.at/cyberattack .
May 26th
MSD will Themis Biosciences übernehmen
26.05.20
von
Klaus Fischer
Der US-amerikanische Pharmakonzern interessiert sich nicht zuletzt für einen SARS-CoV-2-Impfstoffkandidaten, den das Wiener Unternehmen im Rahmen eines internationalen Konsortiums entwickelt.
Um eine nicht genannte Summe will der US-amerikanische Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme (MSD) die Wiener Themis Bioscience übernehmen. Eine entsprechende Einigung sei vor kurzem erfolgt, berichteten die beiden Unternehmen in einer gemeinsamen Aussendung. Formell wickelt den Kauf die MSD International Finance ab, eine europäische Tochterfirma von MSD. Den US-Amerikanern geht es nicht zuletzt um einen Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, den Themis Biosciences im Rahmen eines im März gegründeten internationalen Konsortiums entwickelt. Diesem gehören das französische Institut Pasteur und das Center for Vaccine Research der Universität Pittsburgh an. Finanzielle Unterstützung für das Konsortium kommt von der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI). Gegründet wurde diese von den Regierungen Norwegens und Indiens, der Bill & Melinda Gates Foundation, dem Davoser World Economic Forum und dem britischen Wellcome Trust. Über die CEPI fließen auch erhebliche Summen seitens der Europäischen Kommission in ausgewählte Projekte.
Erich Tauber, der Gründer und CEO von Themis, verwies auf dessen „vielseitige Immunmodulationsplattform, die auf initialen Entdeckungen des Institut Pasteur aufbaut“. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern: „In naher Zukunft werden wir unsere gemeinsamen Ressourcen auf die Entwicklung und den weltweiten Ausbau der Produktionskapazitäten für unseren SARS-CoV-2-Impfstoffkandidaten fokussieren.“ Roger M. Perlmutter, der Forschungschef von MSD, konstatierte, er freue sich darauf, „unsere Stärken zu vereinen, um in naher Zukunft sowohl einen wirksamen Impfstoff gegen COVID-19 zu entwickeln als auch einen Pandemieplan für andere aufkommende Krankheitserreger, die eine zukünftige epidemische Bedrohung darstellen, aufzubauen“.
Die Transaktion bedarf der Genehmigung durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden und unterliegt einer Wartefrist nach US-amerikanischem Recht sowie weiteren Bedingungen. Einen Zeitplan für die Übernahme nannten MSD und Themis nicht. Sie sicherten zu, einen allfälligen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zu einem Preis anzubieten, der es möglich macht, „ihn allen zugänglich zu machen, die ihn benötigen, einschließlich Ländern mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen“.
An Themis beteiligt ist bis dato der AWS-Gründerfonds. Von dessen Seite hieß es, es sei aus österreichischer Sicht besonders erfreulich, dass „die Forschung und Entwicklung von Themis Bioscience weiterhin aus Wien betrieben“ wird. Gründerfonds-Geschäftsführer Ralf Kunzmann verlautete, die Themis habe nun offenbar „einen strategischen Partner von seiner Technologie überzeugen können und hat so die Möglichkeit zur internationalen Kommerzialisierung ihrer Impfstofffamilie. Durch den erfolgreichen Exit mit hoher Rendite fließt nicht nur Kapital zurück in den Standort, sondern Wien kann sich erneut als internationaler Hotspot im Biotech-Bereich zeigen“.
BIT-Pharma testet Arzneimittel-Implantat
Das Grazer Unternehmen BIT Pharma hat ein Implantat entwickelt, dass Arzneimittelwirkstoffe gezielt im Gehirn freisetzen kann. Derzeit läuft eine Phase-IIb-Studie mit Patienten nach einer Aneurysma-Operation.
Wenn ein Aneurysma (die lokale Erweiterung eines Blutgefäßes) im Gehirn platzt und eine Blutung verursacht, muss schnell reagiert werden. Meist wird die Stelle in einem minimalinvasiven Eingriff mit einem Clip abgetrennt und das Gefäß verschlossen. In mehr als 40 Prozent der Fälle tritt danach aber eine schwere Komplikation auf: ein Gefäßspasmus (die plötzliche Verengung eines Versorgungsgefäßes) führt zu einer Durchblutungsstörung im Gehirn, was zu schweren neurologischen Folgeschäden führen kann. Bislang wurde versucht, einen solchen Gefäßverschluss medikamentös zu verhindern, doch die Blut-Hirn-Schranke verhindert, dass ausreichend Wirkstoff an den Ort des Geschehens gelangt, ohne dass schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten.
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat das Grazer Unternehmen BIT Pharma ein Implantat („NicaPlant“) entwickelt, das während der Operation an der gewünschten Stellen platziert wird und den Wirkstoff gezielt und über einen längeren Zeitraum freisetzen soll. Als Trägermaterial kommt dabei ein biologisch abbaubares Polymer zur Anwendung, sodass das Implantat nicht wieder entfernt werden muss. Zudem wurde der Wirkstoff nach Aussage von Jörg Breitenbach, Geschäftsführer und Miteigentümer von BIT Pharma, in einer speziellen Zubereitung auf molekularer Ebene gelöst, so dass er besser von den Gefäßen im Gehirn aufgenommen werden kann.
In einer abgeschlossenen klinischen Phase IIa-Studie konnten erste Hinweise gewonnen werden, dass „NicaPLant“ tatsächlich in der Lage ist, Blutgefäße nach einer Aneurysma-Ruptur weitzustellen. Der aktive Wirkstoff ist zudem im Blutkreislauf kaum nachweisbar ist, sodass systemische Nebenwirkungen verhindert werden können. Anfang April 2020 startete eine Phase-IIb-Studie an Kliniken in Innsbruck, Linz, Wien, Berlin, München und Göttingen, deren Abschluss ist für Sommer 2021 geplant ist. Dem Arzneimittel-Implantat wurde von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA der Status „Orphan Medicinal Product“ verliehen.
May 18th
COVID-19: Österreich an weltweitem Arzneimittel-Test beteiligt
18.05.20
von
Klaus Fischer
Die „Solidarity“-Studie der WHO soll möglichst rasch zu einem Medikament gegen SARS-CoV-2 führen. Initiiert wurde sie vom französischen Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM).
Österreich beteiligt sich an der weltweiten Studie „Solidarity“ zur Entwicklung von Medikamenten gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die die Weltgesundheitsorganisation WHO am 18. März gestartet hatte. Das meldete der Pharmaindustrieverband Pharmig. Ihm zufolge beteiligen sich zwei Zentren in Innsbruck sowie in je eines in Linz und Salzburg. Getestet wird die Behandlung von Patienten mit Remdesivir, Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir und Lopinavir/Ritonavir/Interferon beta-1a. Die Pharmafirmen, die die Mittel erzeugen, stellen diese laut Pharmig kostenlos zur Verfügung. Überwacht wird die Studie vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG). Dessen Leiterin, Christa Wirthumer-Hoche, konstatierte, das BASG habe die Aufgabe, „das uns vorliegende Studienprotokoll zu prüfen und freizugeben. Wir sind sehr erfreut darüber, dass wir mit den Studienaktivitäten in Österreich einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, diese weltweite Krise zu bewältigen“. Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog ergänzte, der Vorteil der Studie bestehe darin, „dass durch die europaweite Vernetzung sehr schnell auf neue Daten reagiert und die Behandlung der Patienten entsprechend optimiert werden kann“.
Die Initative zu „Solidarity“ ging vom französischen Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) aus. In Europa läuft die Studie unter der Bezeichnung „Discovery“ und wird vom INSERM koordiniert. Zur Leiterin wurde die international hoch angesehene Epidemologin Florence Ader vom Croix-Rousse-Hospital der Universitätsklinik Lyon berufen. Laut Ader verfolgt „Solidarity“ bzw. „Discovery“ einen „adaptiven“ Ansatz: Medikamente, die sich als unwirksam erweisen, werden durch andere ersetzt, die im Zuge der weltweiten Anstrengungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zum Einsatz kommen. „So können wir Veränderungen im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Daten ‚real-time‘ vornehmen, um die besten Behandlungsmöglichkeiten für unsere Patienten zu finden“, erläuterte Ader.
Vor dem Einstieg Österreichs waren an „Discovery“ neben Frankreich auch Belgien, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Schweden, Spanien und Großbritannien mit insgesamt rund 3.200 Patienten beteiligt. Für Frankreich selbst wurde die Zahl der teilnehmenden Patienten mit 800 veranschlagt. Beteiligt sind fünf Spitäler in Paris, Lille, Lyon, Nantes und Straßburg, europaweit sollen es letztlich mindestens 20 werden. Welches Medikament ein Patient erhält, entscheidet der Zufall. Dem Patienten wird das Arzneimittel jedoch bekannt gegen. Nach 15 Tagen wird der Erfolg der Behandlung evaluiert.
May 14th
VCI fordert „echte Nachhaltigkeitsstrategien“
14.05.20
von
Klaus Fischer
Mit einem Fünf-Punkte-Programm will der deutsche Chemie- und Pharmaverband den „Neustart nach Corona“ ermöglichen. „Investive Ausgaben“ der öffentlichen Hand spielen dabei eine nicht ganz unwesentliche Rolle.
Sein Programm für den „Neustart nach Corona“ präsentiert der deutsche Chemie- und Pharmaindustrieverband VCI in seinem aktuellen Politikbrief. Und VCI-Präsident Christian Kullmann stellt in seinem Vorwort klar: Die viel beschworene „neue Normalität“ soll sich nicht allzu sehr von der bisherigen unterscheiden. Im Wesentlichen erheben Kullmann und der VCI in dem Papier eine Reihe seit langem bekannter Forderungen. Der Präsident selbst etwa betont in seinem Vorwort einmal mehr: „Zusätzliche Gängelung darf es nicht geben. In dieser schweren Krise dürfen uns nicht noch mehr Lasten aufgebürdet oder neue unrealistische Ziele verkündet werden.“ Das ist nicht zuletzt ein Wink in Richtung der EU-Kommission, die bekanntlich an einer Überarbeitung ihrer Klima- und Energieziele für 2030 arbeitet und ihren „Green Deal“ entsprechend adaptieren möchte. Dass er unter anderem auf die Entschärfung der diesbezüglichen Überlegungen abzielt, macht Kullmann klar, wenn er schreibt: „Am Klimaschutz ausgerichtete Post-Corona-Konjunktur- und Investitionsprogramme, die längerfristig ausgelegt sind, wären auch für die chemische Industrie hilfreich. Diese müssen nun intelligent mit den Maßnahmen für eine kurzfristig wirtschaftliche Erholung verknüpft werden. Was wir brauchen, sind echte Nachhaltigkeitsstrategien – und keine Projekte, die sich rein an der ökologischen Komponente orientieren.“
Nachfolgend formuliert der VCI fünf Empfehlungen, mit denen seiner Ansicht nach der „Neustart nach Corona gelingt und Deutschland und Europa sogar gestärkt aus dieser Krise hervorgehen können“.
Erstens fordert der Verband, den „Normalbetrieb wieder(zu)herstellen“ und den Lock-down „zügig, aber mit Augenmaß“ zu beenden. Das bedeutet unter anderem die „Verlängerung von amtlichen Fristen sowie Flexibilität und Pragmatismus bei der Umsetzung von Regeln aus Deutschland und der EU. Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sind das Gebot der Stunde“.
Zweitens ist der freie Güterverkehr zu fördern, wobei vor allem „der Abbau von Handelsbarrieren und die Vereinfachung von Zollverfahren“ auf der Wunschliste des VCI stehen. Und weil die Industrie zumindest bis auf Weiteres ohne menschliche Arbeitskräfte nicht auskommt, ist auch der „barrierefreie Grenzübertritt für Pendler rasch und vollkommen“ wieder herzustellen.
Drittens gilt es, die Liquidität der Unternehmen zu stärken, nicht zuletzt mit „Fälligkeitsverschiebungen bei Lohnsteuer, Steuernachzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen sowie bei der Rückzahlung von Überbrückungskrediten“. Auch die Stundung bzw. „gar ein Teilerlass“ von Krediten wäre laut VCI ratsam. Notwendig ist dem Verband zufolge selbstverständlich auch ein „wettbewerbsfähiges Steuersystem für Unternehmen“. Und der VCI warnt, vielleicht nicht ganz ohne Pathos: „Steuererhöhungen und Vermögensteuern wirken wie pures Gift und sind unbedingt zu verhindern.“
„Wachstumskräfte entfesseln“
Der Wunschzettel wäre freilich unvollständig, forderte der VCI nicht viertens, die „Wachstumskräfte (zu) entfesseln“. Und dazu soll die öffentliche Hand einigermaßen tief in die Tasche greifen: Um nicht weniger als 50 Milliarden Euro pro Jahr sollen, nein, „müssen“ die „investiven Ausgaben der öffentlichen Hand für ein Jahrzehnt ausgeweitet werden“, was summa summarum immerhin 500 Milliarden Euro an (indirekter) Wirtschaftsförderung ergeben würde. Hinzu kommen nicht näher definierte „Anreize für private Investitionen“ sowie zusätzlich „steuerliche Investitionsanreize und der Ausbau von innovationsfördernden Programmen wie die steuerliche Forschungsförderung“ und, wie könnte es anders sei, das Heischen um den „Abbau von Bürokratie und Belastungen aus deutschen und EU-Regulationen“.
Fünftens sind ferner die „Potenziale des Binnenmarktes“ zu heben, vor allem seine Fähigkeiten „als großer Absatz- und Investitionsmarkt“. Und weil infolge der COVID-19-Pandemie „einigen EU-Ländern der Staatsbankrott droht“, muss der Europäische Stabilitätsmechanismus „weiterentwickelt“ werden. Mit anderen Worten: Das immer wieder beschworene Disziplinierungsinstrument für die öffentlichen Haushalte sollte nicht ganz so streng angewandt werden, wenn es darum geht, die EU aus der Krise „herauszuinvestieren“, wie gelegentlich von Wirtschaftsvertretern verlautet.
Letzten Endes aber gilt jene Devise, die immer gilt, in guten wie in schlechten Zeiten: „Unternehmertum und Anreize statt Dirigismus und Verbote“. Damit kommt die Wirtschaft Deutschlands und der EU nach Ansicht des VCI aus der Corona-Krise - ein wenig vielleicht auch auf Staatskosten.
WHO: „Auf höchster Alarmstufe bleiben“
14.05.20
von
Klaus Fischer
Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus rät zu einer „phasenweisen“ Lockerung der COVID-19-Eindämmungsmaßnahmen. Laut Exekutivdirektor Michael Ryan könnte SARS-CoV-2 zu einem „endemischen Virus“ werden.
Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie sollte jeder Staat weiterhin „auf der höchsten Alarmstufe bleiben“. Das empfahl der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, bei einer Pressekonferenz in Genf. Die Lockerung von Eindämmungsmaßnahmen dürfe nur phasenweise erfolgen und müsse die Situation im jeweiligen Land berücksichtigen.
Der für Epidemien und Pandemien zuständige WHO-Exekutivdirektor Michael Ryan ergänzte, wenn das Virus in einem Land nach wie vor existiere und infolge von Lockerungsmaßnahmen mehr Menschen enger zusammenkämen, „dann muss man kein Astrophysiker sein, um vorherzusagen, dass sich die Krankheit leichter von einer Person zur nächsten verbreiten wird“. Falls jedoch ein Land nicht über die Mittel verfüge, eine neue Ausbreitungswelle rechtzeitig zu erkennen, bleibe keine andere Möglichkeit als ein neuerlicher Lock-down: „Und was wir alle fürchten, ist ein Teufelskreis aus einer Gesundheitskrise gefolgt von einer Wirtschaftskrise gefolgt von einer Gesundheitskrise und so weiter.“ Nötig seien deshalb öffentliche Überwachungs- und Testungssysteme, um die erneute Ausbreitung der Seuche erkennen und entsprechend gegensteuern zu können.
Ryan zufolge könnte der COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 ähnlich wie das AIDS-Virus zu einem weiteren „endemischen Virus“ werden, das in der Gesellschaft vorkommt „und nie mehr verschwindet“. Mit AIDS habe die Gesellschaft umzugehen gelernt. Freilich lasse sich diese Krankheit nicht mit COVID-19 vergleichen: „Aber wir müssen realistisch sein. Ich glaube nicht, dass irgendjemand vorhersagen kann, wann und ob COVID-19 verschwindet.“
Sollte ein Impfstoff entdeckt werden, müsse dieser höchst wirksam und insbesondere auch für jede Person verfügbar sein, die ihn benötige. „Wir haben Impfstoffe gegen Krankheiten wie die Masern, die wir aber nicht allen Patienten zur Verfügung stellen“, kritisierte Ryan. Damit ein Impfstoff Nutzen bringe, sei es erforderlich, ihn in ausreichenden Mengen zu erzeugen und zu verteilen: „Und die Patienten müssen ihn auch anwenden wollen.“
Laut Ryan herrscht in der WHO die Überzeugung, dass es möglich ist, COVID-19 in den Griff zu bekommen: „Aber dafür brauchen wir politische, finanzielle, operationelle, technische und gesellschaftliche Unterstützung.“
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