Archive - Nov 14, 2014

„Nie gekannte Herausforderungen“

Wir müssen die Energiepolitik unserer Mitgliedsstaaten besser koordinieren“, betonte der Generaldirektor für Energie der EU-Kommission, Dominique Ristori, bei der Präsentation des World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur (IEA) in Wien. Ristori erläuterte, Europas Energiepolitik stehe vor „nie gekannten Herausforderungen.“ Mit dem Beschluss, bis 2030 die CO2-Emissionen um 40 Prozent zu senken, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Deckung des Brutto-Endenergiebedarfs auf 27 Prozent zu steigern und die Energieeffizienz um 27 Prozent zu verbessern, habe der Europäische Rat Ende Oktober klare Rahmenbedingungen für die Wirtschaft geschaffen. Auch das Aushandeln des Abkommens zwischen Russland und der Ukraine über die Wiederaufnahme der Gaslieferungen sei positiv zu sehen. Die neue „Energievision Europas“ beruhe auf wechselseitiger Solidarität, um eine sichere Versorgung mit allen notwendigen Energieträgern zu gewährleisten. Dabei spiele auch das Thema Energieeffizienz eine zentrale Rolle.

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner betonte, neben den Energie- und Klimazielen für 2030 müsse die EU „auch auf die Wettbewerbsfähigkeit und das Witschaftswachstum achten. Wir müssen die erneuerbaren Energien an den Markt heranführen, die Versorgungssicherheit gewährleisten und den Energiebedarf durch intelligente und wirtschaftliche Effizienzmaßnahmen weiter reduzieren.“

 

Investitionen überdenken

Wie der Chefökonom der IEA, Fatih Birol, erläuterte, wird die Versorgungssicherheit in den kommenden Jahren eines der beherrschenden energiepolitischen Themen sein. Der weltweite Energiebedarf werde bis 2040 um rund 37 Prozent steigen, wobei der Großteil des Bedarfswachstums außerhalb der Industriestaaten stattfinde. Und gut drei Viertel des Energiebedarfs entfielen auch weiterhin auf fossile Energieträger wie Öl, Erdgas sowie Kohle. Langfristig werde der Mittlere Osten die dominierende Rolle für die Ölversorgung spielen und etwa zwei Drittel der Nachfrage decken. Gerade im Irak müsse massiv investiert werden. Die derzeitige dortige Lage dürfe als bekannt vorausgesetzt werden. Hinzu komme: Der niedrige Ölpreis von rund 80 US-Dollar pro Fass (USD/b) veranlasse die Unternehmen, ihre Investitionen zu überdenken. Bis zu Beginn der 2030er Jahre werde es indessen notwendig sein, jährlich etwa 900 Milliarden US-Dollar in die Öl- und Gasförderung zu stecken, um die erwartete Nachfrage zu decken. Manche Öl- und Gaskonzerne finanzierten derzeit ihre Investitionen aus dem Cashflow. Mit dem Sinken der Ölpreise werde das aber immer schwieriger. Die Schieferölproduktion in den USA werde gegen Ende der 2020er Jahre zurückgehen, die Perspektiven der Ausbeutung der kanadischen Ölsande seien völlig ungeklärt. „Einerseits gehen die Investitionen zurück, andererseits steigt der Bedarf. Und bei einem Ölpreis von 80 USD/b sind Investitionen kaum noch zu finanzieren. Das heißt, wir könnten ein Problem bekommen“, warnte Birol.

 

Neue Technologien

Hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Ölpreises gilt es laut OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss, die Ergebnisse des OPEC-Gipfels abzuwarten, der Ende November in Wien stattfindet: „Wir planen gerade unsere Investitionen für die nächsten Jahre. Wenn der Ölpreis so niedrig ist wie derzeit, hat das natürlich seine Auswirkungen.“

Roiss warnte davor, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der viel zitierten „Energiewende“ zu unterschätzen. Um diese zu bewerkstelligen, müsse Europa pro Jahr etwa 100 Milliarden Euro investieren. Dabei gelte es, gut zu überlegen, wo und in welche Technologien investiert werden solle. Die OMV etwa finanziert gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium sowie weiteren Partnern derzeit ein Projekt an der britischen Universität Cambridge. Dieses dient dazu, mittels künstlicher Photosynthese Wasserstoff zu erzeugen, also einen Energieträger, der vergleichsweise leicht speicher- sowie transportierbar ist, erläuterte Projektleiter Erwin Reisner: „Letzten Endes wollen wir einen CO2-Kreislauf schaffen.“ An Herausforderungen sei dabei kein Mangel, und rasche Durchbrüche solle sich niemand erwarten. Doch die bisherigen Resultate sind laut Reisner vielversprechend.