Archive - 2023

March 13th

FWF benennt erste Exzellenzcluster

Von der Mikrobiomforschung über die Quantenphysik und die Materialentwicklung für die Energiewende bis zur Aufarbeitung des kulturellen Erbes antiker eurasischer Reiche und zur Wissenschaftstheorie spannt sich der Bogen der geförderten Projekte. 

 

Mit insgesamt rund 80,7 Millionen Euro unterstützt der Forschungsförderungsfonds (FWF) bis 2028 die ersten fünf „Exzellenzcluster“ im Rahmen des Programms „Excellent Austria“. Das berichteten FWF-Geschäftsführer Christof Gattringer und Wissenschaftsminister Martin Polaschek am 13. März bei einer Pressekonferenz in Wien. Gattringer zufolge handelt es sich um ein neues Förderformat, mit dem der FWF in eine „neue Größenordnung“ vorstößt. An den Clustern beteiligt sind jeweils mehrere Forschungseinrichtungen. Nach fünf Jahren erfolgt eine Evaluierung der Cluster. Nach den bisherigen Erfahrungen seiner Institution mit mehrstufigen Förderungen gab es laut Gattringer bisher kaum jemals Probleme mit deren Verlängerung: „Aber natürlich muss die Performance stimmen.“ Angesichts der hohen Inflation werde sich der FWF bemühen, den Betrag für die Jahre nach 2028 angemessen aufzustocken, versicherte Gattringer. Ihm zufolge waren sämtliche Einreichungen von hoher Qualität. Der internationalen Jury um Stephen Curry vom Imperial College London sei die Entscheidung nicht leicht gefallen.

 

Rund 21 Millionen Euro gehen an den Cluster „Microbiomes Drive Planetary Health“, den Michael Wagner, der Forschungsdirektor der Universität Wien, leitet. Beteiligt ist unter anderem das Zentrum für molekulare Medizin (CEMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter Andreas Bergthaler, das einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Sequenzierungsarbeiten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bekannt wurde. Ferner arbeitet Angela Sessitsch vom Austrian Institute of Technology (AIT) an dem Cluster mit. Laut Wagner geht es darum, „gemeinsame Grundprinzipien von Umweltminkrobiomen und menschlichen Mikrobiomen herauszufinden“. Das soll ermöglichen, die „rote“ und die „grüne“ Mikrobiomfoschung und damit letztlich „Medizin mit Umweltforschung“ zu verknüpfen. Wagner räumte auf Anfrage des Chemiereports ein, dass der Ausdruck „planetarische Gesundheit“ dazu verleiten könnte, an umstrittene Ansätze wie die „Gaia-Hypothese“ des 2022 im Alter von 103 Jahren verstorbenen britischen Ökologen James Lovelock zu denken. Lovelock zufolge kann die gesamte Erde als zusammenhängender Organismus betrachtet werden. Ausdruck dessen war unter anderem sein 2006 erschienenes Buch „Gaias Rache – Warum die Erde sich wehrt“, in dem er den Klimawandel thematisierte. Wagner zufolge hat die Arbeit des Clusters mit dergleichen Ansichten aber nichts zu tun. Vielmehr gehe es um Komplexitätsforschung. Die Gesundheit der Menschen hänge nicht zuletzt vom Funktionieren einer Vielzahl mikrobieller Systeme ab. Umso wichtiger sei es, die diesbezüglichen Funktionsweisen und Zusammehänge zu kennen, um erforderlichenfalls gezielt eingreifen zu können. 

 

Mit weitere 21 Millionen Euro fördert der FWF den Cluster „Quantum Sciences Austria“ unter Gregor Weihs von der Universität Innsbruck. Dieser Cluster befasst sich mit der Weiterentwicklung des Verständnisses physikalischer Grundgrößen wie Raum, Zeit und Schwerkraft. Praktische Auswirkungen könnten diese Arbeiten unter anderem für die Entwicklung von Technologien „nach dem Quantencomputer“ haben. 

 

Nanokatalysatoren für die Energiewende 

 

Etwa 20,6 Millionen Euro fließen dem Cluster „Materials for Energy Conversion and Storage“ zu. Dieser steht unter der Leitung von Günther Rupprechter von der Technischen Universität Wien. Nicht zuletzt behandelt er Nanomaterialien zur Umsetzung von Technologien wie Power-to-Gas (P-t-G) und Power-to-Liquids (P-t-L). Gemeint ist damit Folgendes: Wasser wird mit Ökostrom in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Der Wasserstoff kann entweder in reiner Form oder nach Reaktion mit CO2 als künstliches Methan langfristig gespeichert werden. Ferner ist es möglich, daraus synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) zu erzeugen. Dafür sollen im Rahmen des Clusters Nanokatalysatoren entwickelt werden. Rupprechter betonte, die Energiewende sei „nur zu schaffen, wenn die besten Köpfe in der Materialforschung gemeinsam innovative Wege entwickeln, damit erneuerbare Energien klimaneutral gespeichert werden können“. Genau das solle der Cluster ermöglichen. 

 

Rund 9,2 Millionen Euro erhält der Cluster „Eurasian Transformations“, dessen Leitung Claudia Rapp von der ÖAW obliegt. Rapp verwies auf die These des britischen Ethnologen und Anthropologen Sir John Rankine („Jack“) Goody vom „Eurasischen Wunder“. Diese bezieht sich auf den Aufstieg und den Verfall einer Vielzahl von (Groß-)Reichen im Zusammenhang mit ökonomischen sowie ökologischen Entwicklungen, die bis heute nachwirken. Laut einer Kurzbeschreibung des Clusters harrt „das kulturelle Erbe dieser Großregion vielfach noch der Aufarbeitung und Analyse“. Das könnte unter anderem auch für das Verständnis aktueller Konflikte wie des Kriegs in der und um die Ukraine von Bedeutung sein. 

 

Die verbleibenden 8,9 Millionen dienen dazu, im Rahmen des Clusters „Knowledge in Crisis“ Mittel und Wege zu finden, um der zunehmenden Wissenschaftsskepsis entgegenzuwirken. Geleitet wird der Cluster von Tim Crane, dem Forschungschef des Central European University (CEU), die nach massiver Kritik des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban nach Wien übersiedelte. 

 

Zweite Säule 

 

Gattringer zufolge ist geplant, mit den Clustern „langfristige Strukturen“ für hochwertige Forschung in den jeweiligen Themengebieten zu etablieren. Außerdem arbeiten er und sein Team bereits an der Umsetzung der zweiten Säule von Excellence Austria, dem Programm „Emerging Fields“. Eingereicht wurden 45 Projekte. Über die Vergabe der Mittel von maximal sechs Millionen Euro pro Vorhaben wird im März 2024 entschieden. 

 

March 6th

SAICM: Noch viel zu tun

Das Vorbereitungstreffen für die Fünfte Internationalen Konferenz über Chemikalienmanagement (ICCM 5) Ende September in Bonn wurde unterbrochen, um offene Fragen zu klären. Nach wie vor geht es um die Verbindlichkeit des künftigen globalen Chemikalienmanagementsystems und um die Finanzierung.

 

Die Zukunft des internationalen Chemikalienmanagementsystems SAICM (Strategic Approach to International Chemicals Management) bleibt weiterhin ungewiss. Nach vierzehntägigen intensiven Verhandlungen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi wurde das Vorbereitungstreffen (IP4) für die Fünfte Internationalen Konferenz über Chemikalienmanagement (ICCM 5) am 3. März unterbrochen. Die ICCM 5 findet vom 25. bis einschließlich 29. September in Bonn statt. Zwei Tage vorher kommen die Delegierten zum IP4 nochmals zusammen, mit dem Ziel, die in Nairobi offen gebliebenen Fragen zu klären. In der Zwischenzeit sollen regionale sowie stakeholder-spezifischen Treffen stattfinden. Zwar liegt der Entwurf eines Abschlussdokuments (Consulidated Document) vor, doch ist dieser mit Formulierungen in Klammern übersät, berichteten Beobachter.

 

Verbindlichkeit und Finanzierung 

 

Strittig ist nach wie vor nicht zuletzt, ob SAICM respektive der Nachfolgemechanismus ein freiwilliges Instrument sein soll. In diesem Falle wäre es nicht möglich, in seinem Rahmen völkerrechtlich verbindliche Ziele für den sicheren Umgang mit Chemikalien insbesondere in den Ländern der Dritten Welt zu formulieren. Und speziell afrikanische Delegierte zum IP4 beklagten, während die Verhandlungen liefen, kämen Menschen auf dem „Schwarzen Kontinent“ sowie in Nairobi selbst ums Leben, weil es solche Ziele nicht gebe, von deren wirksamer Implementierung ganz zu schweigen. Andere Delegierte verwiesen darauf, dass beispielsweise die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) ebenfalls nicht rechtsverbindlich sind, sehr wohl aber positive Auswirkungen zeitigen: Es gibt Programme samt entsprechender Finanzierung und zumindest weitgehend funktionierendem Berichtswesen hinsichtlich der Fortschritte auf dem Weg zu den SGDs.

Stichwort Finanzierung: Auch diesbezüglich gingen die Auffassungen in Nairobi auseinander. Während manche der Verhandler auf die Probleme verwiesen, für ein freiwilliges Instrument Mittel zu akquirieren, betonten andere, entscheidend sei nicht die rechtliche Form des künftigen SAICM, sondern der politische Wille, es umzusetzen.

 

Knappe Zeit 

 

Unumstritten ist: Die Zeit, um aus dem Consolidated Document einen beschlussreifen Text zu erarbeiten, ist knapp. Auf der ICCM5 Bonn selbst besteht praktisch kein Spielraum mehr für Verhandlungen. Die Konferenz ist für fünf Tage anberaumt. Zwei davon dienen dem „High Level Segment“, bei dem eine Erklärung nach Art der „Dubai Declaration“ von 2006 verabschiedet werden soll. Mit ihr war SAICM vor fast 20 Jahren ins Leben gerufen worden. Ein bis zwei weitere Tage dienen Formalia, wie der Verabschiedung von Resolutionen zur Benennung des Nachfolgeinstruments von SAICM sowie der Ausgabe der „Marschbefehle“ zur Ausarbeitung von Programmen zur Umsetzung des Instruments. Das renommierte „Earth Negotiations Bulletin“, das die Konferenz begleitete, resümierte, die Aufgabe sei keineswegs einfach. Aber sie sei lösbar. Es gehe nicht um Perfektionismus, sondern darum, das Machbare zu tun und Lösungen für den sicheren Umgang mit gefährlichen Chemikalien zu finden: „Das war die Vision des ‚SAICM Dream‘. Das ist die Verantwortung, die die Teilnehmer an der ICCM5 in Bonn tragen.“

March 1st

Energiepolitik braucht Realismus

Wie die Chemiebranche die Energiekrise bisher bewältigte und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert ist, war Gegenstand eines Expertengesprächs auf Einladung des Fachverbandes der Chemischen Industrie.

 

„Energizing Chemistry - Transformation trifft Krise“ war der Titel eines Expertengesprächs auf Einladung des Fachverbandes der Chemischen Industrie (FCIO) am 28. Februar in Wien. FCIO-Obmann Hubert Culik konstatierte, die Energiekrise sei nur eine von mehreren Krisen, die die Branche zurzeit treffe. Im vergangenen Jahr sei der Gaspreis auf das Zehnfache des vor der Krise üblichen Niveaus gestiegen. Infolge des milden Winterwetters erwiesen sich Befürchtungen hinsichtlich einer Gasmangellage und damit eventuell verbundenen Unterbrechungen der Stromversorgung erfreulicherweise als unbegründet: „Wir haben Glück gehabt.“ Allerdings benötige die energieintensive Chemieindustrie Erdgas nicht nur als Energieträger, sondern auch als Rohstoff zur Herstellung einer breiten Palette an wichtigen Produkten, von Arzneimitteln über Kunstdünger bis zu Dämmstoffen sowie Materialien für Windräder und Solaranlagen. „Etwa 96 Prozent aller in der EU hergestellten Produkte kommen aus der Chemie. Ohne sie geht nichts, auch nicht der Kampf gegen die Klimakrise“, betonte Culik.

 

Deshalb gelte es, die von der Branche benötigte Energie zu erschwinglichen Preisen bereitzustellen. Der Energiekostenzuschuss der Bundesregierung in seiner bisherigen Form war laut Culik „schwer nutzbar und brachte keine Erleichterungen“. Außerdem handle es sich um eine kurzfristige Maßnahme. Die Energiekrise dauere aber längere Zeit an. Die Forderung an die Branche, ihren Energiebedarf zu senken, klinge wohl logisch. Doch die gleichzeitig geäußerte Forderung, den CO2-Ausstoß zu verringern, führe zu verstärkter Elektrifizierung und damit zu höherem Strombedarf. „Wir als Chemiebranche bräuchten 60 Wasserkraftwerke in der Größe des Kraftwerks Freudenau oder eine Photovoltaikanlage von der Fläche Wiens, um mit Ökostrom klimaneutral zu werden“, erläuterte Culik. Das könne sich nicht ausgehen.

 

Culik ergänzte, er sei seit Langem in der Chemieindustrie tätig: „Aber eine solche Transformation wie derzeit hat es noch nie gegeben.“ Der Politik riet Culik zu „mehr Realismus. Es ist unsinnig, die konventionelle Technik abzubauen, bevor die grüne Technologie ausgebaut ist. Wenn wir so vorgehen, wandert die Industrie ab. Dem Klima ist damit aber nicht geholfen, weil in anderen Weltgegenden mehr CO2 emittiert wird“. Es bestehe das Risiko „einer Deindustrialisierung und damit der Gefährung unseres Wohlstands“. Dem gelte es mit pragmatischer statt „ideologiegetriebener“ Politik gegenzusteuern.

 

Düngerindustrie braucht erschwingliche Energie

 

Der massive Anstieg der Gaspreise erfolgte nicht erst mit dem Krieg in der Ukraine, betonte Andreas Steinbüchler, der Geschäftsführer der Borealis L.A.T., die für das Dünger- und Stickstoffgeschäft des Chemiekonzerns zuständig ist. Zurzeit liegt der Gaspreis in Europa laut Steinbüchler bei etwa 50 Euro pro Megawattstunde (MWh), in den USA sind es umgerechnet 10 bis 12 Euro, ebenso wie in Afrika. Das Problem seines Unternehmens: „Rund 90 Prozent unserer variablen Kosten werden über Gas definiert.“ Und das schlage sich verständlicherweise in den Preisen der Produkte nieder: Dünger aus Russland sei um etwa ein Fünftel des Preises in Westeuropa erzeugten Düngers zu haben. Die Folge: „Die Einfuhren russischen Düngers sind im Vergleich zu den Vorkriegsmengen um rund 40 Prozent gestiegen.“ Deckte Österreich seinen Bedarf 2021 zu rund 25 Prozent mittels Importen, waren es 2022 etwa 40 Prozent. Für heuer ist laut Steinbüchler mit rund 43 Prozent zu rechnen. Die (west-)europäische Düngerindustrie sei aufgrund der hohen Gaspreise international nicht konkurrenzfähig.

 

Bleibe diese Situation über mehrere Jahre unverändert, müssten Erzeugungskapazitäten stillgelegt werden. Die Borealis L.A.T. selbst habe ihre Produktion am Standort Linz, einem der modernsten und effizientesten in Europa, um rund 50 Prozent verringert. Und dass der deutsche Chemiegigant BASF vergangene Woche ankündigte, seine Ammoniakerzeugung am Stammsitz Ludwigshafen zu schließen, ist laut Steinbüchler „das erste Signal, es wird kritisch“. Die Industrie brauche erschwingliche Energie und ausreichende Infrastrukturen, um diese verfügbar zu machen. Doch die europäische Politik habe es bis dato nicht geschafft, entsprechende Maßnahmen zu setzen, kritisierte Steinbüchler. Offenbar würden energiepolitische Überlegungen von der Sorge um die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung überlagert. Deshalb bestehe keine Bereitschaft, die Importe billigen russischen Düngers einzuschränken.

 

Fehlender politischer Wille

 

Gottfried Rosenauer, seines Zeichens „Director Site Services“ des Faserkonzerns Lenzing, konstatierte, die Erdgaspreise seien seit 2021 förmlich „explodiert“: „Und es ist keine Lösung, dass wir verflüssigtes Erdgas (LNG) aus den USA importieren und das als Allheilmittel sehen.“ Abgesehen von seinen wirtschaftlichen Vorteilen belaste Pipelinegas aus Russland die Umwelt erheblich weniger als LNG. In die Bredouille gekommen sei Europa aber vor allem aus einem Grund: „Wir haben versäumt, unsere eigenen Gasvorkommen zu explorieren sowie zu erschließen. Dazu fehlt einfach der politische Wille.“ Kritik übte Rosenauer auch am Merit-Order-Prinzip zur Preisbildung im Großhandel mit Strom. Grob gesprochen, besagt dieses: Der Preis eines Produkts wird durch die Kosten des teuersten zur Bedarfsdeckung nötigen Produkts der betreffenden Art bestimmt. Das aber sei angesichts des hohen Anteils der Wasserkraft an der Stromerzeugung in Österreich nicht recht nachvollziehbar: „Die Donau ist ja nicht teurer geworden.“

 

Am Standort Lenzing selbst konnte die Lenzing AG die Energiekrise „recht gut bewältigen“, berichtete Rosenauer. Es bestünden Möglichkeiten zur energetischen Nutzung von Biomasseabfällen und Ablauge aus der holzbasierten Zellstofferzeugung. Ferner könnten auch Rinde und Sägespäne verfeuert werden. Überdies habe die Lenzing gemeinsam mit dem Stromkonzern Verbund schon vor der Energiekrise eine große Photovoltaikanlage auf ihrer aufgelassenen Aschendeponie installiert. Die Genehmigung dafür zu erhalten, sei allerdings ein wahrer „Spießrutenlauf“ gewesen, der rund zwei Jahre gedauert habe. Geplant ist laut Rosenauer, in der Fabrik Heiligenkreuz im Südburgenland eine weitere Photovoltaikanlage zu errichten, um auch dort den Eigenanteil an der Stromproduktion zu erhöhen. Klar ist Rosenauer zufolge aber: „Die berühmten ‚low hanging fruits‘ im Energiebereich gibt es bei uns nicht mehr. Die Früchte, die wir noch ‚ernten‘ können, hängen zwei Kilometer hoch.“

 

Photovoltaik: nicht in Kärnten

 

René Haberl, der Vorstand der auf Chemie und Metallurgie spezialisierten Treibacher Industrie AG, erläuterte, sein Unternehmen benötige jährlich rund 85 Gigawattstunden (GWh) Strom und 150 GWh Erdgas für Hochtemperaturprozesse wie das Rösten, Kalzinieren und Schmelzen. Bei einem Jahresumsatz von etwa 670 Millionen Euro seien die Energiekosten 2022 um rund 30 Millionen Euro gestiegen. Der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten der Treibacher habe sich um rund drei Prozentpunkte auf zehn Prozent erhöht. In Reaktion darauf habe das Unternehmen unter anderem Zweistoffbrenner installiert, um neben Erdgas auch Schweröl verwenden zu können. Überdies werde anders als in der Vergangenheit auch die Abwärme der Produktionsanlagen genutzt: „Damit sparen wir uns immerhin rund 2 GWh Erdgas pro Jahr.“ Freilich sei das nicht die Welt, aber nennenswerte Kostensenkungen bringe es allemal. Dringend notwendig seien geeignete Rahmenbedingungen, um energiewirtschaftliche Vorhaben umsetzen zu können. Und dazu gehörten keineswegs zuletzt zügige Genehmigungsverfahren, Technologieförderung sowie Bürokratieabbau, aber auch Maßnahmen, um Risikokapital leichter verfügbar zu machen. Und auch sein Unternehmen habe seine Erfahrungen mit der Realisierung von Photovoltaikanlagen gemacht, ergänzte Haberl. In Kärnten sei diese trotz aller Anstrengungen und trotz allen guten Willens seitens der Industrie kaum möglich.

 

Viel zu tun

 

Einen generellen Überblick über die energiepolitische und energiewirtschaftliche Lage bot der ehemalige Generaldirektor des Verbunds, Wolfgang Anzengruber, der Bundespräsident Alexander van der Bellen in Fragen der Energieversorgung berät. Anzengruber betonte, die Herausforderung bestehe weniger darin, „dass uns der russische Präsident Wladimir Putin nervt“. Vielmehr gehe es um Folgendes: Im Klimaabkommen von Paris vom Dezember 2015 habe sich die internationale Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts auf „deutlich weniger“ („well below“) 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Gelingt das nicht, drohen massive ökonomische sowie politische Verwerfungen, vom deutlichen Sinken des Wohlstandniveaus in den Industrienationen bis zu Migrationsbewegungen ungeahnten Ausmaßes in der Dritten Welt: „Südostasien könnte teilweise unter Wasser stehen.“ Und klar ist laut Anzengruber: „Wir brauchen keine neuen klima- und energiepolitischen Ziele. Die Ziele sind seit Paris klar. Außerdem gibt es die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Development Goals (SDGs).“ Statt dessen gehe es ums Umsetzen.

 

Und da habe nicht zuletzt Österreich einiges zu tun. So solle etwa der Strombedarf ab 2030 bilanziell aussschließlich mit erneuerbaren Energien gedeckt werden: „Um da hin zu kommen, haben wir nur mehr knapp sieben Jahre Zeit.“ Im Gassektor decke Österreich rund 63 Prozent seines Bedarfs mit Importen aus Russland. Diese mit Einfuhren aus anderen Regionen zu ersetzen, „wird ein gehöriges Stück Arbeit“. Ferner plane die Bundesregierung bekanntlich, Österreich bis 2040 „klimaneutral“ zu machen. Bis dato werde jedoch nur das hierzulande emittierte CO2 betrachtet, das sich auf etwa zehn Tonnen pro Kopf und Jahr belaufe. Realistisch betrachtet, sei aber das „konsumierte“ CO2 in den Blick zu nehmen. Das indessen bedeute, Österreich auch jene Emissionen zuzurechnen, die bei der Erzeugung der alljährlich importierten Waren entstehen. So gesehen, liege Österreich bei etwa 30 Tonnen an CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr. Und diese auf Netto-Null zu bringen, werde alles andere als einfach.

 

Ziele erreichbar

 

Erreichbar sind die Ziele aber, betonte Anzengruber. Notwendig sei freilich eine Reihe von Rahmenbedingungen. Diese umfassen nicht zuletzt Kennzahlen für Nachhaltigkeit, um einschlägige Maßnahmen bewerten und ihre Wirksamkeit überwachen zu können. Wichtig sei aber auch, die fragmentierten Wertschöpfungsketten zu schließen: „Es kann nicht sein, dass sich ein Schiff im Suezkanal querstellt und dann die halbe Weltwirtschaft steht.“ Ferner müsse die Devise lauten: „So viel Regulierung wie nötig, so viel Markt wie möglich.“ Staatliche Eingriffe und planwirtschaftliche Überlegungen dürften keinesfalls überhand nehmen. Gefragt sei weiters internationale Kooperation: „Autarkiephantasien sind nicht sinnvoll.“ In technischer Hinsicht sei Österreich gut beraten, auf die CO2-Abscheidung aus Kraftwerks- und Industrieabgasen (Carbon Capture) nicht zu verzichten. Darüber hinaus gelte es, die Jugend für die Umgestaltung des Energiesystems zu gewinnen und eine „Plattform der Willigen“ zu bilden. Europa sei es gelungen, mit Herausforderungen wie dem „sauren Regen“ fertigzuwerden. Auch die Klimakrise lasse sich meistern: „Wir haben in Europa Technologien, gescheite Leute und viel Erfahrung.“ Es gebe keinen Grund, die Probleme nicht endlich anzugehen, resümierte Anzengruber.

 

 

February 27th

Montavit wird vorerst weitergeführt

Das Insolvenzgericht Innsbruck billigte die einstweilige Fortführung des angeschlagenen Tiroler Pharmaunternehmens in Eigenverwaltung, berichten Kreditorenverbände. Allerdings gilt der Einstieg eines Investors als unvermeidbar.

 

 

Das angeschlagene Tiroler Pharmaunternehmen Montavit kann vorausichtlich bis zur Tagsatzung hinsichtlich des Sanierungsvorschlags am 24. April weitergeführt werden. Das berichtete der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) nach der Gläubigerversammlung am 27. Februar vor dem Insolvenzgericht Innsbruck. Er berief sich auf die Ausführungen des Sanierungsverwalters Stephan Kasseroler. Laut dem KSV 1970 hatte sich dieser bei dem Termin zuversichtlich gezeigt und mitgeteilt, die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung laufe „problemlos“. Auch lägen die „notwendigen betrieblichen Kennzahlen zur Steuerung des Unternehmens“ vor. Allerdings ist dem KSV1870 zufolge die Finanzierung der Sanierungsplanquote von 30 Prozent, zahlbar in zwei Jahren, „nur bei einem Einstieg eines Investors gesichert“.

 

Der Regionalleiter West des KSV1870, Klaus Schaller, konstatierte, die Montavit habe in den vergangenen drei Jahren „hoch negativ“ bilanziert. Selbst wenn das Unternehmen rasch operative Restrukturierungen vornehme, sei es „.nicht realistisch, dass eine Sanierung aus dem laufenden Betrieb finanziert werden kann. Ich erwarte, dass die Schuldnerin den Austausch mit den Investoren intensivieren und gleichzeitig das Gespräch mit den finanzierenden Banken suchen wird. Bei den Verhandlungen mit den Kreditinstituten wird es insbesondere darum gehen, inwieweit diese - mit ihren unbesicherten Forderungen - auf eine Quote aus dem Sanierungsplan bestehen oder allenfalls hier eine Stundung gewähren“.

 

Schließung „wenig attraktiv“

 

Schaller zufolge wäre die Schließung der Montavit samt anschließender Verwertung ihres Betriebsvermögens „für die Gläubiger wenig attraktiv“. Seine Argumentation: „Bei einem derartigen Szenario würde auf der einen Seite der Stand der am Verfahren beteiligten Verbindlichkeiten stark ansteigen. Dies deshalb, da sämtliche Beendigungsansprüche von nahezu 200 Dienstnehmern sofort zu berücksichtigen wären. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass im Rahmen der Einzelverwertung aller vorhandenen Vermögensteile enorme Abschläge beim Verkaufspreis hinzunehmen wären.“ Schaller ergänzte, laut den Ausführungen Kasserolers bei der Gläubigerversammtlich seien „mehrere Investoren“ interessiert, bei der Montavit einzusteigen. Definitive Zusagen gebe es allerdings noch nicht.

 

Ähnlich äußerte sich der Alpenländische Kreditorenverband (AKV). „Die Unternehmensfortführung verläuft bisher sehr gut. Das Gericht hat die Fortführung des Unternehmens beschlossen und die Eigenverwaltung bei der Schuldnerin belassen“, verlautete er in einer Aussendung. Dem AKV zufolge ist die Montavit bei mehreren Banken mit insgesamt rund 35 Millionen Euro verschuldet, insbesondere bei der Tiroler Sparkasse, der Salzburger Sparkasse sowie der Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV). Dazu kommen weitere etwa 6 Millionen Euro an Schulden bei Lieferanten. Die Eigentümerfamilien wollen dem AKV zufolge eine Fortführungskaution von 100.000 Euro erlegen, um so ihr „Commitment“ zum Weiterbestand des Unternehmens zu unterstreichen.

 

 

 

February 24th

BASF macht 627 Millionen Euro Verlust

Aus dem 72,7-Prozent-Anteil am Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea ergab sich ein Beteiligungsverlust von rund 4,9 Milliarden Euro. Jetzt wird gespart: Die Kosten „außerhalb der Produktion“ sollen um 500 Millionen Euro pro Jahr sinken. Bis Ende 2024 müssen 2.600 Beschäftigte gehen.
    

Einen Jahresverlust von rund 627 Millionen Euro meldet der deutsche Chemiegigant BASF für das Geschäftsjahr 2022. Geschuldet ist das „Loch“ in der Bilanz nicht zuletzt der Beteiligung von 72,7 Prozent an dem Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea, der seinerseits 2022 Wertberichtigungen von rund 6,3 Milliarden Euro für seine Aktivitäten in Russland vornehmen musste. Dies betraf die dortige Produktion ebenso wie die vollständige Abschreibung der Beteiligung an der Nord Stream AG, die die mittlerweile teilweise zerstörten Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 betrieb. Damit ergab sich für die BASF ein Beteiligungsverlust von rund 4,9 Milliarden Euro, nachdem sie 2021 noch einen Beteiligungsgewinn von 207 Millionen Euro verbuchen konnte. Angesichts dessen wird eisern gespart. Bis Ende 2024 sollen die jährlichen Kosten des Konzerns „außerhalb der Produktion“ um 500 Millionen Euro sinken. Netto baut die BASF rund 2.600 Jobs ab. Zum „Cost-Cutting“ gehört laut Mitteilung der BASF „die konsequente Bündelung von Dienstleistungen in Hubs, die Vereinfachung von Strukturen in der Leitung von Unternehmensbereichen, der bedarfsgerechte Zuschnitt von Business Services sowie die Effizienzsteigerung von F&E-Aktivitäten“. 

 

Betroffen von den Maßnahmen ist nicht zuletzt der Hauptstandort Ludwigshafen. Dort müssen bis Ende 2026 rund 700 Personen gehen. Die Caprolactamanlage, eine der beiden Ammoniakanlagen samt der damit verbundenen Düngererzeugung, die TDI-Anlage sowie die Anlagen für die Vorprodukte DNT und TDA werden zugesperrt. Das betrifft auch die Anlagen zur Produktion von Cyclohexanol, Cyclohexanon und Schwersoda. Ferner reduziert die BASF ihre Produktionskapazitäten für Adipinsäure. Damit will die BASF ihre Fixkosten in Ludwigshafen um mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr kappen. Vorstandschef Martin Brudermüller konstatierte, das Konzernmanagement sei „sehr zuversichtlich, dass wir für die meisten der in der Produktion betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Betrieben Beschäftigung anbieten können. Wir haben höchstes Interesse, ihre breite Erfahrung für das Unternehmen zu erhalten, ganz besonders angesichts offener Stellen und der steigenden Zahl von Pensionierungen“.
 

Durchwachsenes Geschäft 
 

Auch ohne das Desaster um die Wintershall Dea war das Geschäft der BASF 2022 eher durchwachsen gelaufen. Zwar erhöhte sich ihr Umsatz um rund 11,1 Prozent auf 87,3 Milliarden Euro. Geschuldet war das aber vor allem dem Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise, den der Konzern seinen Kunden weiterverrechnen konnte. Die Absatzmengen gingen dem gegenüber „deutlich“ zurück, vor allem in den Geschäftsbereichen Surface Technologies und Chemicals. Das Ergebnis der Betriebstätigkeit vor Sondereinflüssen sank um 11,5 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro. Bedingt war das durch die schlechtere Geschäftsentwicklung in den Bereichen Chemicals und Materials. Sie verzeichneten laut BASF „niedrigere Margen und Mengen sowie höhere Fixkosten“.

 

Wie Brudermüller ausführte, ist nicht mit einer Erholung der gesamtwirtschaftlichen Lage zu rechnen. Daher werde die BASF-Gruppe heuer voraussichtlich rund 84 bis 87 Milliarden Euro Umsatz erzielen, was bestenfalls einer Stagnation gleichkäme. Ferner dürfte das EBIT vor Sondereinflüssen auf 4,8 Milliarden Euro bis 5,4 Milliarden Euro sinken, also um etwa 22 bis 30 Prozent. 

 

Politik gefordert 

 

Im Vorwort zum BASF-Jahresbericht resümierte Brudermüller, auch 2023 werde „große Herausforderungen mit sich bringen. Die hohen Unsicherheiten werden fortbestehen. Es wird keinen Schub mehr aus den Nachholeffekten aus der Corona-Pandemie geben wie zu Beginn des Jahres 2022“. Doch der Konzern sei „ vorbereitet auf das, was vor uns liegt“, und habe „frühzeitig wichtige Weichen gestellt“. Gefordert sei nun die Politik: „Nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine hat deutlich gemacht, dass viele dringend nötige Modernisierungsanstrengungen in Deutschland und Europa zu lange hinausgezögert wurden – von der Digitalisierung über den schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien bis hin zu den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass Genehmigungsprozesse eine Dekade dauern oder Projekte zerredet werden. Vor allem in Deutschland stehen wir weiterhin zu sehr auf der Bremse. Dabei ist jetzt Vollgas gefragt.“

February 20th

„Erneuerbare-Gase-Gesetz“: Positive Reaktionen

Der seit langem erwartete Entwurf wird weitgehend wohlwollend zur Kenntnis genommen. Verbesserungsbedarf in einigen wesentlichen Punkten sieht die Gaswirtschaft. 


Weitgehend positiv fallen die ersten Reaktionen zum Entwurf des „Erneuerbare-Gase-Gesetzes“ (EGG) aus. Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler sowie Landwirtschaftsminister Norbert Totschnit hatten den Entwurf bekanntlich Mitte Feber zur Begutachtung ausgesandt. Stellungnahmen sind bis Ablauf des 29. März möglich. Laut dem Ministerratsvortrag soll das EGG „sicherstellen, dass 2030 mindestens 7,5 Terawattstunden (TWh) grünes Gas zum Einsatz kommen. Eine jährliche Quote für Versorger wird dabei die notwendige Investitionssicherheit für österreichische Unternehmen gewährleisten“. Diese Quote beträgt im kommenden Jahr 0,7 Prozent der an Endverbraucher abgegebenen Menge und steigt bis 2030 auf 7,7 Prozent an. Nachzuweisen haben die Versorger die Erfüllung ihrer jeweiligen Quoten dem Entwurf zufolge „mittels Herkunftsnachweisen mit Grüngassiegel oder Grünzertifikaten mit Grüngassiegel“ gemäß dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Die Austrian Gas Clearing and Settlement AG (AGCS) hat in ihrer Eigenschaft als Bilanzgruppenkoordinator der Regulierungsbehörde E-Control „bis zum letzten Tag im Februar jeden Jahres die von Versorgern an Endverbraucher in Österreich im Vorjahr verkauften Gasmengen und die auf deren Basis zu berechnende und von den Versorgern zu erreichende Grün-Gas-Quote zu melden. Die Versorger haben dem Bilanzgruppenkoordinator alle Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Richtigkeit der Angaben überprüfen zu können“. Verfehlt ein Versorger seine Quote, hat er eine Ausgleichszahlung zu leisten. Sie beläuft sich bis einschließlich 2026 auf 18 Cent je zu wenig eingespeister Kilowattstunde (kWh), danach auf 20 Cent. Gewessler und Totschnig können im Einvernehmen per Verordnung höhere Ausgleichszahlungen festlegen. 

 


Weiters sieht der Entwurf des EGG vor, bis 2040 eine jährliche Grüngaseinspeisung von mindestens 15 TWh zu erreichen. Zu diesem Zweck haben die Klima- und Energieministerin sowie der Landwirtschaftsminister Quoten in angemessener Höhe zu verordnen. Die Kosten für die Endkunden von den Haushalten bis zur Industrie beziffern die beiden Ministerien, abhängig von den Großhandelspreisen für Erdgas, mit 90 bis 266 Millionen Euro für den Zeitraum 2024 bis 2030. 

 

„Misthaufen statt Bohrtürme“ 

 

In einer Aussendung stellten das Klima- und Energieministerium (BMK) sowie das Landwirtschaftsministerium (BML) fest, das sogenannte „grüne“ Gas könne „das aus Ländern wie Russland importiert werden muss, ersetzen. Es eignet sich deshalb für den Einsatz in Bereichen, in denen Gas nicht durch bessere Alternativen ersetzt werden kann. Dazu gehören etwa Hochtemperaturanwendungen in der Industrie. So leistet Biogas einen wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit unseres Energiesystems“. Indirekt wiederholt die Regierung damit ihre bekannte Position: Der Einsatz der „grünen“ Gase, also Biogas und Biomethan, zu Heizzwecken, ist nicht vorgesehen. Ergänzend hieß es in der Aussendung, Biogas werde „in entsprechenden Anlagen aus Holzresten, landwirtschaftlichen Abfällen oder auch Biomüll durch einen chemischen Prozess erzeugt. Dabei wird über den gesamten Prozess gleich viel klimaschädliches CO2 gebunden, wie bei der Verbrennung erzeugt wird. Biogas verursacht also keine zusätzlichen klimaschädlichen Emissionen“. Die These der CO2-Neutralität gilt allerdings seit längerem als umstritten, nicht zuletzt auf der Ebene der Europäischen Union. 


Dessen ungeachtet konstatierte Gewessler, die Bundesregierung wolle auch heuer daran arbeiten, „die Energieunabhängigkeit zu stärken und die Energiewende zu. Indem wir die heimische Biogasproduktion bis 2030 auf 7,5 TWh ausbauen, leisten wir dazu einen wichtigen Beitrag. Denn mehr Biogas aus Österreich bedeutet weniger Erdgas aus Russland“. Das EGG mache „die Misthaufen in Österreich zu Kraftwerken.Wir können aus Holzresten, aus landwirtschaftlichen Abfällen oder aus dem Biomüll grünes Gas produzieren und damit unsere Industrie versorgen“.


Totschnig ergänzte, mit dem Gesetz zünde Österreich „den Turbo für Biogas aus Österreich und sichern unsere Energieversorgung weiter ab. Biogas ist ein Schlüsselfaktor für die Energiewende. Es schafft weniger Abhängigkeit von fossilen Importen, mehr Klimaschutz sowie Wertschöpfung für unsere Regionen. Angesichts der geopolitischen Lage gilt es mehr denn je das verfügbare Potenzial auf unseren Bauernhöfen weiter auszubauen. Mit dem Erneuerbaren-Gase-Gesetz setzen wir auf den Misthaufen, statt auf den Bohrturm und schaffen die Basis, um Holzreste, Gülle und andere biogene Reststoffe künftig energetisch besser zu nutzen“. 

 

„Regierung meint es ernst“ 
    

Erfreut zeigte sich der Kompost- und Biogasverband. Ihm zufolge soll mit dem Entwurf „endlich der von der Branche lange ersehnte und notwendige Rechtsrahmen zur Produktion und Einspeisung von Grüngas vorgegeben werden. Durch die geplante Quotenregelung und dem im Entwurf festgelegten Hochlauf der Grüngasproduktion entsteht auch die nötige Planungssicherheit für die Produzenten. Die Erneuerbare-Gase-Branche steht bereit, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten und eine wesentliche Rolle bei der Transformation des Energiesystems im Gasbereich einzunehmen“. Allerdings räumte der Verband ein, dass die derzeitige Produktion von Biogas eher bescheiden ausfällt: Gerade einmal 15 Anlagen im gesamten Bundesgebiet speisen den Stoff, aus dem Gewesslers Unabhängigkeitsträume sind, in die öffentlichen Gasnetze ein. 


Den Branchenverband ficht das indessen nicht an. Ihm zufolge sollte „die Umstellung bestehender Biogasanlagen auf die Gasnetzeinspeisung der nächste Schritt sein und sicherstellen, dass die Quotenverpflichtung von Beginn an erzielbar ist. In weiterer Folge sollen auch Anlagen aus fester Biomasse Biomethan und Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff dazu kommen und erneuerbare Gase in Österreich erzeugen“. Verbandsobmann Norbert Hummel verwies auf die Ankündigung der Regierung bei ihrer Klausur in Mauerbach zu Jahresbeginn, das EGG ehestmöglich auf den Tisch zu legen: „Dass das Gesetz nun, innerhalb kurzer Zeit nach der Regierungsklausur im Jänner, in Begutachtung geht, zeigt, dass die Regierung es ernst meint. Jetzt gilt es, dieses Tempo beizubehalten und das Gesetz rasch zur Beschlussfassung im Parlament zu bringen. Dann kann der Markthochlauf endlich beginnen.“


Ähnlich äußerte sich die Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), Martina Prechtl-Grundnig. Ihr zufolge sind „grüne“ respektive „erneuerbare“ Gase „ein gewichtiger Faktor für Österreichs Energiewende und die Energiesicherheit hierzulande. Sie können die Abhängigkeit Österreichs von fossilen Gasimporten massiv reduzieren“. Prechtl-Grundnig ergänzte, allein Biomethan könne mittelfristig bis zu 20 Prozent des österreichischen Jahreabedarfs an Erdgas decken. Daher „müssen wir alles daransetzen, die heimischen Potenziale an erneuerbarer Energie, und damit auch an erneuerbaren Gasen, zu realisieren“. Und dafür seien selbstverständlich entsprechende Rahmenbedingungen notwendig. 

 

Quotenmodell „schade“ 

 

Stichwort Rahmenbedingungen: Diese urgierte auch Peter Weinelt, der Obmann des Fachverbands Gas Wärme (FGW). Und er ließ Kritik an dem Entwurf anklingen. Es sei „schade, dass die Regierung beim Heben der Grün-Gas-Potentiale auf ein Quotenmodell mit einer Lieferantenverpflichtung setzt, anstatt auf ein kostengünstigeres Marktprämienmodell, wie es auch beim Ausbau von Ökostrom angewendet wird“. Jedenfalls müsse die Regierung den EGG-Entwurf in einigen wesentlichen Punkten noch nachbessern. Die Ausgleichszahlung von 20 Cent/kWh sei „überhöht“ und „nicht sachgerecht“. Ferner plädierte Weinelt im Namen des FGW „dafür, sich bei der Zielsetzung an das Regierungsprogramm zu halten und spätestens ab 2030 Grüne Gase aus dem In- und Ausland für die Quotenerfüllung zuzulassen. Nur so ist sicherzustellen, dass die heimische Industrie und unsere Haushalte mit leistbarem klimaneutralem Gas versorgt werden können“. Zu guter Letzt verlangte der FGW-Obmann, „die im Erdgasabgabengesetz vorgesehene Befreiung für Biogas von der Erdgasabgabe und der CO2-Steuer“ endlich umzusetzen. Grundsätzlich sieht die Gasbranche den EGG-Entwurf aber positiv, stellte Weinelt klar: „Als FGW begrüßen wir den Vorstoß der Politik, den im Regierungsprogramm angekündigten Ausbau von grünem Gas voranzutreiben.“

 


Auch die Industriellenvereinigung (IV) begrüßte den Entwurf. „Nun ist es aber wesentlich, dass Verfügbarkeit und Leistbarkeit von grünen Gasen langfristig gewährleistet werden“, betonte Generalsekretär Christoph Neumayer. 

 

February 9th

Bayer: Anderson folgt Baumann

Ein US-amerikanischer Chemieingenieur übernimmt per 1. Juni den Vorstandsvorsitz des deutschen Pharma- und Argochemiekonzerns. 

 

Der US-Amerikaner Bill Anderson wird mit 1. Juni Vorstandschef des deutschen Pharma- und Argochemiekonzerns Bayer. Per 1. April tritt er in den Vorstand ein. Sein Vorgänger Werner Baumann geht im Alter von 60 Jahren in Pension. Er hatte 35 Jahre bei Bayer gearbeitet, davon sieben Jahre als Vorstandschef. Umstritten war Baumann in den vergangenen Jahren wegen der Übernahme des US-amerikanischen Agrobusiness-Konzerns Monsanto, des Herstellers  des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. In den USA sind tausende Gerichtsverfahren wegen angeblicher Schädigungen durch das Präparat anhängig. Ihr Ausgang ist ungewiss. Die Bereinigung der Misere hatte Baumann mehrfach vergeblich versucht. Immerhin streute ihm Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann zum Abschied Rosen: „Im Namen des gesamten Aufsichtsrats möchte ich Werner Baumann herzlich danken. Bayer ist heute ein führendes Life-Science-Unternehmen mit herausragenden Innovationsfähigkeiten in den Bereichen Gesundheit und Ernährung. Das Unternehmen ist in hochattraktiven Wachstumsmärkten sehr gut positioniert. Und die jüngst erfolgreiche operative Performance ist ein klarer Beleg, dass Bayer auf einem extrem starken Fundament steht. Wir wünschen Werner Baumann für die Zukunft alles erdenklich Gute.“

25 Jahre Erfahrung 


Baumanns Nachfolger Anderson ist Chemieingenieur mit 25 Jahren Berufserfahrung. Seine Ausbildung absolvierte er unter anderem am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Zuletzt leitete er das Pharmageschäft des Schweizer Roche-Konzerns und baute dieses um – erfolgreich, wie seine neuen Arbeitgeber bei Bayer betonten. Zuvor hatte Anderson die Geschäfte des US-amerikanischen Biotech-Unternehmens Genentech geführt. Im Verlauf seiner Karriere war er unter anderem beim Biotechunternehmen Biogen sowie bei der Technologie- und Elektronikfirma Raychem tätig. In Europa arbeitete er in Belgien, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz.

 

Bayer-Aufsichtsratschef Winkeljohann bezeichnete ihn als „idealen Kandidaten, um Bayer zusammen mit dem Team in ein neues, erfolgreiches Kapitel zu führen – in einer Zeit, in der wir bemerkenswerte Innovationszyklen in der Biologie, Chemie und künstlichen Intelligenz sehen“. Anderson verfüge über eine „hervorragende Erfolgsbilanz bei der Entwicklung starker Produkt-Pipelines und ist sehr erfahren darin, bahnbrechende biotechnologische Innovationen zur Marktreife zu bringen“. Ferner habe er „außergewöhnliche Führungsqualitäten. Er schafft eine Kultur, die Innovationen fördert, Produktivität und Performance steigert und in der sich Mitarbeiter weiterentwickeln können“. Nun solle er „sein ganzes Potenzial entfalten und nachhaltigen Wert für unsere Aktionäre, Landwirte, Patienten, Verbraucher, Beschäftigte und alle Stakeholder des Unternehmens schaffen“.

February 6th

Montavit beantragt Sanierungsverfahren

Laut dem KSV1870 Tirol wird eine Entschuldung binnen 90 Tagen nach Antragstellung angestrebt. Herausforderungen bestanden bereits seit Jahren, nicht zuletzt wegen COVID-19 und des Krieges in der Ukraine. 

 

Die Tiroler Montavit beantragt beim Landesgericht Innsbruck die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung. Das berichtete der Kreditschutzverband 1870 Tirol (KSV1870 Tirol). Ihm zufolge ist dies „für das wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen bei Einbindung der Gläubiger eine Möglichkeit, binnen eines Zeitraums von 90 Tagen eine Entschuldung zu erreichen“. Nach Angaben des KSV bietet die Montavit ihren Gläubigern eine Quote von 30 Prozent, zahlbar in den nächsten zwei Jahren. Dem Verband zufolge hatte die Montavit zuletzt 2019 „ein leicht positives Ergebnis erzielt. Die beiden Folgejahre weisen bereits deutliche Jahresfehlbeträge aus. Die Jahresabschlüsse zeigen eine Reduktion der Betriebsleistung, wobei sich die Kosten nicht in entsprechendem Maß vermindert haben. Im Rahmen einer Ursachenanalyse wird man sich die Kosten-Erlös-Struktur im Unternehmen detailliert ansehen müssen“.

 

Die Passiva des Unternehmens schätzt der KSV1870 Tirol auf mehr als 45 Millionen Euro. Davon sei „ein wesentlicher Teil pfandrechtlich besichert“. Rund 20 Millionen Euro dürften indessen nicht besichert sein. Sie betreffen „beträchtliche Lieferantenforderungen“ sowie die Löhne und Gehälter der etwa 180 Beschäftigten für Jänner 2023. „Inwieweit Forderungen der Dienstnehmer aus Beendigungsansprüchen letztlich schlagend werden, wird sich zeigen. Diese Zahlen konnten vom KSV1870 bisher nicht verifiziert werden“, hieß es in einer Aussendung. Laut dem KSV könnte die angestrebte Weiterführung des Unternehmens möglich sein, wenn die „die kurzfristige Schaffung einer ausreichenden Liquiditätsreserve, welche nur von dritter Seite kommen kann“ gelingt. Dies wäre die Voraussetzung, um „ein Sanierungskonzept zum Erhalt des Standortes in Absam umzusetzen“. KSV1870-Tirol-Geschäftsführer Klaus Schaller konstatierte, bei den bereits laufenden Gesprächen mit dem Ziel, zusätzliches Kapital ins Unternehmen zu bringen, es gehe darum, „dass es zu einem Erhalt der betrieblichen Struktur in Absam kommt. Eine Schließung des Betriebes mit anschließender Zerschlagung des Unternehmens und einem Abverkauf der Vermögensteile zu Liquidationswerten stellt in der Regel ein wenig attraktives Szenario für die Gläubiger dar. Eine gelungene Sanierung des Unternehmens hätte auch zur Folge, dass zumindest eine ansprechende Anzahl der vorhandenen Dienstnehmer weiterbeschäftigt werden könnte“. Die Geschäftsführung der Montavit sei hinsichtlich der „Fortführung des Betriebes ohne weitere Nachteile für die Gläubiger optimistisch“. 

 

Schwieriges Marktumfeld 

Bezüglich der Ursachen der Insolvenz erläuterte Schaller, das Marktumfeld für die Montavit sei „in letzter Zeit schwierig“ gewesen: „Aufgrund der staatlichen Corona-Maßnahmen war auch die Zahl von Erkältungs- und leichten Infektionskrankheiten stark rückläufig. Folglich war die Nachfrage an Produkten der Gläubigerin gesunken. Vom Unternehmen neu angeschaffte Maschinen bereiteten ebenfalls Probleme und so waren die Produktionsabläufe am Standort in Absam über einen längeren Zeitraum nachhaltig gestört.“ 


 
Dass die Lage für die Montavit zuletzt nicht einfach war, hatte Geschäftsführerin Katherina Schmidt bereits Ende Oktober vergangenen Jahres eingeräumt. Bei einem Pressegespräch des Pharmaindustrieverbands Pharmig konstatierte sie, zurzeit jage „eine Herausforderung die nächste“. Unter anderem hätten sich die Strompreise seit Beginn des Kriegs in der Ukraine vervierfacht und die Transportkosten verdoppelt. Ferner seien die Kosten für Verpackungsmaterial um 20 bis 30 Prozent gestiegen. Unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen sei es unmöglich, höhere Produktionskosten weiterzugeben. Wie die gesamte Pharmabranche forderte Schmidt daher eine  Inflationsabgeltung bei den Arzneimittelpreisen sowie die Überführung des Generika-Preisbands in Dauerrecht. „Wir wollen nichts geschenkt haben, sondern nur gut wirtschaften können“, verlautete Schmidt damals. 

 

February 3rd

Endress+Hauser blickt auf sieben bewegte Jahrzehnte zurück

Am 1. Fabruar 1953 gründeten Georg H. Endress und Ludwig Hauser das nach den beiden Familiennamen benannte Unternehmen. Aus bescheidenen Anfängen hat sich Endress+Hauser in den vergangenen 70 Jahren zu einem weltweit führenden Anbieter von Prozessmesstechnik und Automatisierung entwickelt.

Es ist ein ungleiches Gespann, das 1953 zusammenfindet, um ein Unternehmen zu gründen: Auf der einen Seite der Schweizer Ingenieur Georg H. Endress, gerade 29, auf der andern der Deutsche Ludwig Hauser, 58 Jahre alt, Leiter einer Genossenschaftsbank. Doch die beiden ergänzen sich bestens. Der Weitblick und der Vorwärtsdrang des einen sind für den Erfolg so wichtig wie die Umsicht und die Erfahrung des andern.

Am 1. Februar nimmt die L. Hauser KG ihre Tätigkeit auf; Firmensitz ist Hausers Wohnung im badischen Lörrach. Das Grundkapital des jungen Unternehmens beträgt gerade einmal 2.000 D-Mark. Namensgeberin ist Hausers Ehefrau Luise. Der Handelsregistereintrag weist sie als Gesellschafterin aus. Die junge Firma vertreibt neuartige elektronische Füllstandmessgeräte und stößt damit in eine Marktlücke vor. Bald schon beginnt Endress, eigene Instrumente zu entwickeln. 1955 lässt er beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum sein erstes Patent registrieren. Produziert wird in angemieteten Räumen. Die Mitarbeiter arbeiten über mehrere Gebäude verteilt – sie sprechen liebevoll-spöttisch von den „Vereinigten Hüttenwerken“.

Zug um Zug neue Märkte erschlossen

Ab 1957 firmiert das Unternehmen als Endress+Hauser. Die Geschäfte entwickeln sich prächtig. Das Unternehmen besetzt immer neue Nischen. Weitere Messverfahren kommen dazu – Georg H. Endress spricht vom „Teigausrollverfahren“. Nach ähnlichem Muster dehnt sich das Vertriebsnetz aus. 1960 wird in den Niederlanden die erste Auslandsgesellschaft gegründet; weitere Sales Center folgen im Jahrestakt.

Firmenzukäufe und Neugründungen erweitern das Angebot. Messwertregistrierung, Flüssigkeitsanalyse und Durchflussmessung kommen als neue Arbeitsgebiete hinzu, später folgen Druck und Temperatur: Endress+Hauser wird zum Komplettanbieter für die verfahrenstechnischen Industrien. Zu diesem Zeitpunkt ist die Ära Hauser bereits Vergangenheit. Seit 1975 ist die Familie Endress alleinige Gesellschafterin.

Globale Strukturen, universelle Kultur

Klaus Endress übernimmt 1995 die Führung der Firmengruppe von seinem Vater. Er weitet das Geschäft in den folgenden Jahren über die eigentliche Prozessmesstechnik auf Dienstleistungen und Automatisierungslösungen aus. Und er stellt sich den Herausforderungen einer globalisierten Welt. Nach dem Vertrieb wird auch die Fertigung weltumspannend; moderne IT sorgt für Vernetzung.

Über 19 Jahre hinweg prägt Klaus Endress das Unternehmen und die Firmenkultur. Loyalität und Verantwortung versteht er als zentrale Werte im Miteinander von Kunden, Mitarbeitenden und Gesellschaftern. Nicht zuletzt liegt ihm die Zukunft des Familienunternehmens am Herzen. Er treibt die Arbeit an einer Familiencharta voran. Darin hält die Gesellschafterfamilie fest: Endress+Hauser soll ein erfolgreiches Unternehmen im Familienbesitz bleiben. Mit dem Tod von Georg H. Endress 2008 wird dieser Satz zum Vermächtnis.

2014 übernimmt Matthias Altendorf als CEO. Er gehört nicht zur Familie, aber arbeitet schon über 25 Jahre im Unternehmen. Laboranalyse-Spezialist Analytik Jena ist zu diesem Zeitpunkt bereits Teil der Firmengruppe. Weitere Zukäufe stärken die Prozessanalyse und die Messung von Qualitätsparametern. Daneben treibt Matthias Altendorf das Thema Digitalisierung voran: in den Produkten, in der Interaktion mit Kunden und in den Geschäftsprozessen.

In der Coronavirus-Pandemie bewährt sich der hohe Grad an Digitalisierung. Endress+Hauser kann Kunden auch aus der Ferne unterstützen und bewältigt die Krise gut. Doch die Herausforderungen reißen nicht ab. Der russische Angriff auf die Ukraine hat harte Sanktionen zur Folge – Endress+Hauser muss die Arbeit in Russland einstellen. Zudem trübt der Konflikt die wirtschaftlichen Aussichten ein.

Mit Zuversicht ins Jubiläumsjahr

Dennoch geht Endress+Hauser zuversichtlich ins Jubiläumsjahr. Die Firmengruppe unterstützt Kunden bei Zukunftsaufgaben wie der Digitalisierung und der Dekarbonisierung. Endress+Hauser trägt zu Versorgung, Ernährung und Gesundheit der Menschen bei. Das Unternehmen steht auf gesunden Füßen; der globale Fußabdruck sorgt für Stabilität. Und die Gesellschafterfamilie hat alles geregelt, um die Verantwortung gut in die dritte Generation zu übergeben.

January 31st

Cefic begrüßt „Transition Pathway for the Chemical Industry“

Das Dokument, das den Weg der Branche zu den Zielen des „European Green Deal“ umreißt, wurde unter deren Einbindung erarbeitet und stößt auf weitgehende Zustimmung. Die Herausforderungen sind dennoch nicht zu unterschätzen. 


Der europäische Chemieindustrieverband Cefic (Conseil Européen des Fédérations de l’Industrie Chimique) begrüßt den „Transition Pathway for the Chemical Industry“, den die EU-Kommission vor wenigen Tagen präsentierte. Das 75 Seiten umfassende Dokument umreißt anhand von etwa 200 Maßnahmen den Weg zu einer stärker an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ausgerichteten, klimaverträglicheren Chemiebranche, die den Zielen des „European Green Deal“ entspricht. Erarbeitet wurde es von Fachleuten der Kommission in Zusammenarbeit mit dem Cefic und dessen Mitgliedern. Der Präsident des Verbands und BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller sprach von einem „wichtigen Meilenstein“. Ihm zufolge „arbeitet die Chemieindustrie bereits an ihrer Transformation. Wir brauchen aber Klarheit, Perspektiven und Vorgaben, wie wir zu den Zielen gelangen. Der Transition Pathway bietet uns mehr solche Klarheit, was das Wie und das Wann betrifft“. 
 

Vier Dimensionen


Dem Cefic zufolge hat die „Transition“ vier Dimensionen.

  • „Going climate neutral“ bedeutet, die Chemieindustrie möchte bis 2050 CO2-neutral werden. Bereits in den vergangenen 30 Jahren habe sie ihre Emissionen um mehr als 60 Prozent verringert. Für eine vollständige „Klimaneutralität“ benötige sie jedoch große Mengen an erschwinglichem Ökostrom sowie die notwendige Infrastruktur zur Versorgung mit „grüner“ Energie, auch über die Elektrizität hinaus.
  • „Going digital“ umfasst die Nutzung von Technologien wie Big Data, Künstlicher Intelligenz und Blockchain. Derartiges werde bereits genutzt, betont das Cefic. Allerdings bleibe noch viel zu tun, von der Entwicklung gemeinsamer Standards für die Datennutzung bis zur Ausbildung der derzeitigen und künftigen Beschäftigten.
  • Mit „Transition to safe and sustainable chemicals“ ist das Bestreben gemeint, die gesellschaftliche Forderung nach einem Ende der Nutzung gefährlicher Chemikalien zu erfüllen. Laut dem Cefic ist es dazu notwendig, Forschung und Innovation massiv voranzutreiben. Der Verband warnt vor dem Problem, dass der Markt neue Produkte eventuell nicht akzeptiert. Außerdem fordert er Unterstützungen für Klein- und Mittelbetriebe, die oft keine Möglichkeit zu einschlägiger Entwicklungstätigkeit haben.
  • „Going circular“ schließlich beschreibt den Komplex der Kreislaufwirtschaft und des Recyclings, aber auch die Notwendigkeit, CO2 und CO sowie Biomasse-Abfälle als Grundlage einer fortgeschrittenen „biobasierten“ Chemie zu nutzen. 
     

Eine zentrale Rolle bei der Transition spielt laut dem Cefic die Regulierung. „Verbesserte Konsistenz und Vorhersehbarkeit des Rechtsrahmens werden entscheidend sein, um Investitionen in Europa abzusichern und anzuziehen“, stellt der Verband fest. 
 

„Beispiellose“ Herausforderungen


Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) verlautete, die Branche stehe „vor der größten Transformation in ihrer Geschichte: sie muss klimaneutral, zirkulär und digital werden und gleichzeitig auf sichere und nachhaltige Chemikalien umsteigen. Gleichzeitig muss sie international wettbewerbsfähig bleiben, damit sie weiterhin wichtige EU-Wertschöpfungsketten, einschließlich sauberer Technologien, beliefern und somit einen wichtigen Beitrag zum Green Deal leisten kann. Die Herausforderungen, die damit einhergehen, sind beispiellos und erfordern Investitionen in Milliardenhöhe“.

 

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