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Chemiereport_2016-3

30 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.3 MÄRKTE & MANAGEMENT Bild:Chemiereport Abfallkaiser Haushalt Die Kunden, und somit die Privat- haushalte, sind es auch, die zahlenmäßig den Schwarzen Peter in Sachen Abfall- menge haben: In Summe werfen sie pro Jahr 366.700 Tonnen Lebensmittel in den Abfall, davon landen 276.000 Tonnen in der Restmüll-, der Rest in der Biotonne. Das sind immerhin rund 40 Prozent der gesamten Lebensmittel-Abfallmenge. „Davon wären rund 206.000 Tonnen ver- meidbar“, sagt Pladerer. Doch damit nicht genug: Zu all dem kommen noch jene Mengen, die Herr und Frau Österrei- cher im Kanal entsorgen, an Tiere verfüt- tern oder kompostieren. „Wie viel das ist, wissen wir nicht“, sagt Pladerer. Die Gründe, warum häufig nicht nur Verdorbenes, sondern noch genießbare originalverpackte Lebensmittel nicht im Magen, sondern im Abfall landen, sind vielfältig. Wir lassen uns verführen, wir greifen voreilig zu Großpackungen, wohl wissend, dass wir sie nicht auf- brauchen, oder wir prüfen zu selten den Vorratsschrank. Auch das sehr umstrit- tene Thema des Mindesthaltbarkeitsda- tums spielt dabei eine große Rolle. „Da gibt es oft Unsicherheiten“, sagt Gernot Zweytick, Studiengangsleiter Lebensmit- teltechnologie und Ressourcenmanage- ment an der FH Wieselburg. Mindest- haltbarkeitsdatum, Ablaufdatum und Verbrauchsdatum werden oft durchei- nandergebracht. „Das Mindesthaltbar- keitsdatum ist nur ein Qualitätskrite- rium“, betont Zweytick. Es garantiert, dass das Produkt bei richtiger Lagerung bis zu diesem Termin seine spezifischen Eigenschaften wie Geruch, Geschmack und Konsistenz behält. Was gut aussieht, gut riecht und schmeckt, kann auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums gegessen werden. Aktionen boomen Aber warum werden Lebensmittel heutzutage so leicht weggeworfen? Weil sie zu wenig kosten? Der Preiskampf im Lebensmittelhandel ist enorm, Aktio- nen stehen an der Tagesordnung. Knapp ein Viertel der Frischeprodukte wurde im Vorjahr nach Angaben der RollAMA der Agrarmarkt Austria gekauft, wenn es entsprechende Aktionen im Lebensmit- telhandel gab. Besonders hoch war der Aktionsanteil mit 35 Prozent bei Fleisch. Gleichzeitig sind jedoch immer mehr Kon- sumenten bereit, für biologische und regi- onale Produkte mehr Geld auszugeben. So gab zuletzt ein durchschnittlicher Haus- halt für Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft 120 Euro pro Jahr aus. Und dennoch – trotz auch generell stei- gender Kosten für Lebensmittel wird für diese vergleichsweise wenig ausgegeben. Der letzten Konsumerhebung der Statistik Austria zufolge wandte ein durchschnittli- cher Haushalt 12,1 Prozent seines Budgets für Lebensmittel auf, 12,8 Prozent waren es für Freizeit und Kultur. Der Löwenan- teil entfiel mit 23,8 Prozent auf Wohnen und Energie sowie mit 15 Prozent auf den Verkehr. Sinnlose Ressourcenvergeudung Doch das Problem liegt ganz wo- anders, nämlich bei der Wertschätzung. Oder sollte man nicht eher sagen „Gering- schätzung“? Denn wer Lebensmittel weg- wirft, schätzt sie nicht. Und nicht nur das, er vergeudet sinnlos wertvolle Ressour- cen wie Wasser, Energie und Boden und nicht zuletzt die Arbeit, die zur Erzeu- gung, Verarbeitung und zum Transport aufgewendet wurde. So werden zum Bei- spiel rund 5.000 Liter Wasser benötigt, um ein Kilogramm Käse herzustellen. 85 Prozent davon sind für das Wachstum der Futtermittel und als Trinkwasser für die Kuh nötig. Warum ist das so? Ist es das Unwissen darüber, wie Lebensmittel produziert werden? „Das ist tatsächlich zu einem Teil verloren gegangen“, sagt Pladerer. Schon im Kindergarten sollte daher seiner Ansicht nach damit begonnen werden, den Erwachsenen von morgen das nötige Wissen über und Gefühl für Lebensmittel und deren Wert zu vermitteln. „Bildung ist das Um und Auf“, ist der Experte über- zeugt. Schaden kann das sicher nicht. Statt Lebensmittelabfälle zu verwerten, sollte man sie nämlich erst gar nicht entstehen lassen. Denn sonst werden wir das EU-Ziel – die Halbierung der Lebensmittelab- fälle bis 2030 – nicht erreichen. Und auch nicht das österreichische: die Menge der Lebensmittel im Abfall bis 2018 um min- destens 20 Prozent zu reduzieren. Hunderttausende Tonnen Lebensmittel werden pro Jahr sinnlos vergeudet. Selbst wenn sie in Biogasanlagen oder als Tierfut- ter enden, gibt es nichts zu beschönigen: Es handelt sich um eine unglaubliche Res- sourcenverschwendung – egal, von wel- cher Seite man es betrachtet, sei es von der ökonomischen, ökologischen, ethischen oder moralischen. Lebensmittel sollten zu nichts anderem als zu ihrem ureigensten Zweck dienen – als Mittel zum Leben. Oder anders gesagt: Statt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie Lebensmittel nicht als Müll, sondern „sinnvoll“ entsorgt werden können, sollten wir alle daran arbeiten, Brot, Fleisch, Milch, Obst, Gemüse usw. wertzuschätzen und zu respektieren. Indem es jeder von uns tut, tun es auch Landwirtschaft, Lebens- mittelindustrie, Handel, Gastronomie. Mit Bedacht produziert, verarbeitet, gehandelt und konsumiert, werden mit Sicherheit die Abfallberge deutlich schrumpfen. Der verantwortungsvolle Umgang mit Lebensmitteln könnte in weiterer Folge aber noch in einem ganz anderen Bereich positive Auswirkungen zeigen – in der Gesundheit. Diabetes, Übergewicht, Fettlei- bigkeit und Bluthochdruck sind nur einige der Zivilisationskrankheiten, bei denen auch falsche Ernährung eine wesentliche Rolle spielt. Setzt man sich mit dem auseinander, was man isst und trinkt, wird das in vielen Fällen zu einem Umdenken in den Ernäh- rungsgewohnheiten führen. Und somit zu mehr Gesundheit, was wiederum nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Volks- wirtschaft hilft. Denn: Es geht uns alle an! Kommentar: Es geht uns alle an! 366.700 280.000 110.000 Haushalte Außer-Haus-Verpflegung Handel (ohne Großhandel) Quelle:Lagebericht Lebensmittelverschwendung2016 Lebensmittelabfälle in Österreich in Tonnen Nummer eins in schlechtem Sinn: Die Haushalte sind die größten Lebensmittelverschwender.

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