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Chemiereport_2016-3

51 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.3 LIFE SCIENCES Bilder:iStockphoto.com/frentusha,Chemiereport wissenschaftlicher Theorie und züchterischer Praxis ein reger Austausch stattfand – und zwar in beide Richtungen, wie meh- rere Vortragende zu Recht betonten. Ein wichtiger Strang der biologischen Entwicklung verläuft von hier aus weiter zur Vereinigung der Vererbungslehre mit der Zellbiologie, um zunächst die Chromosomentheorie der Ver- erbung und in weiterer Folge die molekulare Genetik hervorzu- bringen, die in den Lebenswissenschaften zur bestimmenden Disziplin geworden ist. Bis heute sind die molekularen Mecha- nismen der Meiose (jenes zellbiologischen Prozesses, der die haploiden Keimzellen hervorbringt und somit die physiologische Grundlage der Mendelschen Regeln darstellt) Gegenstand von Forschungsarbeiten. Man hat aber auch zahlreiche Abweichun- gen von den Mechanismen gefunden, die Vererbung nach den Mendelschen Regeln ermöglichen (die sogenannte „Nicht-Men- delsche Genetik) – epigenetische Phänomene wie Paramutati- onen, wie sie Ortrun Mittelsten Scheid im Rahmen der Tagung beschrieb, sind nur ein Beispiel dafür. Von der Pflanzenzüchtung zur Gentherapie Doch nicht nur die Grundlagenwissenschaft erblühte auf der Basis der erstmaligen wissenschaftlichen Fassung von Verer- bungsgesetzen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert setzte ein Entwicklungsschub in der Pflanzenzüchtung ein, die nun auf wissenschaftliche Grundlagen aufbauen konnte, wie Wolfgang Friedt, Professor Emeritus für Pflanzenzüchtung an der Uni- versität Gießen, in einem ausführlichen Beitrag darlegte. Nach dem gezielten Anwenden der Mendelschen Regeln im Rahmen der Hybridzüchtung, der Linienselektion und der Kombinations- züchtung zur Zusammenführung verschiedener Zielmerkmale lernten die Pflanzenzüchter, auch das zunehmende molekular- genetische Detailwissen nutzbar zu machen: zunächst mit der Mutationszüchtung, ab den 1970er-Jahren durch Präzisionszüch- tung auf der Grundlage von Kenntnissen der in den Kulturpflan- zen vorhandenen genetischen Ressourcen. Heute erleben wir mit der Benützung von Genome-Editing-Methoden die jüngste Welle neuer Ansätze (siehe auch nebenstehenden Kasten). Dass man damit auch im tierischen Organismus vielverspre- chende Ergebnisse erzielen kann, berichtete im Rahmen des Symposiums Eckhard Wolf, Professor für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie an der Universität München. So ist es kürz- lich gelungen, mithilfe von CRISPR/Cas 9 ein Schweinemodell der Duchenne-Muskeldystrophie zu erstellen und eine Gentherapie (die selbst wieder CRISPR/Cas 9 benutzte) an diesem zu testen. Gregor Mendels Hybridisierungsexperimente waren die ersten Schritte auf dem Weg zum gezielten, maßvollen Eingriff in die gene- tischen Ressourcen von Pflanzen und Tieren. Doch daraus in der Züchtung von Pflanzen und Tieren Nutzen zu ziehen, wurde um die Jahrtausendwende zum gesellschaftlich stark umstrittenen Thema. Gerade der Einsatz gentechnischer Methoden in der Pflanzen- züchtung wurde in Europa durch eine ins Irrationale abgeglittene Debatte so gut wie verunmöglicht. Methoden des Genome Editing (wie die besonders erfolgreiche CRISPR/Cas 9-Methode) könnten nun die Karten wieder neu mischen. Denn bei dieser Vorgehens- weise werden in vorher ausgewählten Genen DNA-Brüche erzeugt, wie sie auch natürlich vorkommen. Zelleigene Reparaturmechanis- men fügen die DNA-Enden wieder zusammen, das Ergebnis ist von einer natürlichen Mutation nicht zu unterscheiden, wie Eva Stöger vom Department für Angewandte Genetik der BOKU im Rahmen des Symposiums darlegte. Die regulatorische Situation ist vorerst unklar, im Jänner hat sich eine hochrangige Forschergruppe im Fachmagazin „Nature Genetics“ dafür ausgesprochen, die Ergeb- nisse des Genome Editing wie konventionell gezüchtete Pflanzen zu behandeln. Ebenso ist die Nutzung genetischer Methoden in der Züchtung von Nutztieren vielfachen Einschränkungen ausgesetzt. So wäre es etwa mithilfe von Methoden des Genome Editing möglich, erwünschte Eigenschaften (wie die Hornlosigkeit von Rindern) gezielt zu erzeugen. Dazu ist es aber notwendig, Tiere zu klonen – eine stark umstrittene Technologie. Zuletzt hatte sich das EU-Par- lament für ein Verbot des Klonens von Nutztieren ausgesprochen. Eckhard Wolf (Uni München) plädierte im Rahmen des Symposiums dagegen für ein Offenhalten von Optionen und die Einführung einer Entscheidung im jeweiligen Fall. Angst vor Mendel? Genetik als gesellschaftliches Minenfeld Symposium zur Ehren Gregor Mendels: V.l.n.r.: ÖAW-Präsident Anton Zeilinger, Gottfried Brem (Vetmed), Marianne Popp (Uni Wien), Josef Schmidt (Gregor-Mendel- Gesellschaft), Johann Marihart (Agrana), Josef Glößl (BOKU)

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