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Chemiereport_2016-3

72 AustrianLifeScienceschemiereport.at 2016.3 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG IN KOOPERATION MIT SCIENCEBLOG.AT Bilder:Scienceblog.at,Wikimedia.org/PublicDomain I m Lauf der biologischen Evolution hat die Komplexität der Organismen stark zugenommen. Bereits in den 1970er-Jahren wurde die Theorie aufge- stellt, dass dieser Prozess nicht graduell, sondern nur in großen Sprüngen verläuft. Derartige Evolutionssprünge werden als „große Übergänge“ („major transitions“) bezeichnet und fallen auch mit der Entste- hung neuer hierarchischer Organisations- ebenen zusammen. In ihrem viel beachteten Buch „The Major Transitions in Evolution“ (1995) haben John Maynard Smith und Eörs Szathmáry große Übergänge erstmals zusammenfassend behandelt und mögli- che auslösende Mechanismen diskutiert. Die nach ihrer Meinung wichtigsten Über- gänge erfolgten dabei von sich replizie- renden, unabhängigen RNA-Molekülen zu strukturierten Chromosomen, von der RNA in ihrer Funktion als Gen und als Enzym zu DNA und Proteinen, von Pro- karyoten zu Eukaryoten, von asexuellen Klonen zu sexuell sich vermehrenden Populationen, von einzelligen eukaryoti- schen Organismen zu Vielzellern mit dif- ferenzierten Zellen, von solitär lebenden Individuen zu Tierkolonien mit Rangord- nungssystemen und schließlich von den sozialen Gruppen der Primaten zu den menschlichen Gesellschaften. Auch wenn in diese Übergänge sehr unterschiedliche molekulare, metaboli- sche und organisatorische Veränderun- gen involviert sind, ist ihnen doch ein Prinzip gemeinsam: Vor dem Übergang haben sich die einzelnen Individuen voneinander unabhängig repliziert und entwickelt; in Populationen haben sie entsprechend dem Darwinschen Selek- tionsmechanismus miteinander konkur- riert. Nach dem Übergang liegt eine neue Einheit vor, in der die vormaligen Kon- kurrenten integriert und zur Kooperation gezwungen sind. Sie haben ihre Unabhän- gigkeit verloren – auch wenn der Grad der Individualität, den sie beibehalten konn- ten, sehr unterschiedlich sein kann. Der natürliche Selektionsvorgang wird durch verschiedene Mechanismen unterdrückt, der einfachste davon ist die katalysierte Reproduktion. Auf molekularer Ebene kommen Ver- änderungen unter anderem durch soge- nannte Punktmutationen zustande: In einer Nukleinsäure hat dies den Austausch einer Base zur Folge, in einem Protein den Austausch einer Aminosäure. Eine derar- tige Modifikation kann eine sehr starke oder auch nur eine minimale Änderung der molekularen Funktionen zur Folge haben, jedenfalls aber nicht zu einem Kon- tinuum an Eigenschaften führen. Die wirk- lich großen Übergänge entsprechen riesi- gen Schritten – sie lassen sich nicht bloß durch eine einzelne Mutation erklären. Wie entstehen neue Technologien? Brian Arthur, Physiker, Techniker und einer der Pioniere der Komplexitäts- Es erscheint unmöglich, dass der Übergang von der Pferdekutsche zur Eisenbahn in einer Zeit des Mangels passiert wäre. Große Übergänge in der Evolution von Organismen und Technologien Innovation braucht Ressourcen Die Entwicklung neuer Technologien verläuft wie die biologische Evolution in großen Sprüngen. Mangel ist dabei stets nur Antriebskraft für Optimierungen. Für echte Innovation und große Übergänge bedarf es reichlicher Ressourcen. Von Peter Schuster Der Autor Peter Schuster ist emeritierter Professor für Theoretische Chemie an der Universität Wien und ehemaliger Präsident der Öster- reichischen Akademie der Wissenschaf- ten. Der Autor feierte vor kurzem seinen 75. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich!

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