Archive - Aug 11, 2015

Wirtschaftspolitik: „Österreich hat ein bewährtes Forschungsfördersystem“

Chemiereport:  Seit mittlerweile rund anderthalb Jahren besteht das BMWFW in seiner derzeitigen Form mit den Zuständigkeiten für Wirtschaft und Wissenschaft. Hat sich dies aus Ihrer Sicht bewährt?

Losch: Ja, in der neuen Ressortstruktur kann das vorhandene Potenzial entlang des gesamten Innovationszyklus gut zur Entfaltung gebracht werden – von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis zur Marktanwendung. Ein konkretes Beispiel ist das Programm „Wissenstransferzentren und IPR-Verwertung“, mit dem wir die Verwertung von Forschungsergebnissen an Universitäten verbessern.
 
Chemiereport:  Was werden im kommenden Jahr die wichtigsten Schwerpunkte des BMWFW hinsichtlich Wissenschaft und Forschung sein?
Losch: Die Schwerpunkte werden weiterhin vor allem in der Zusammenarbeit Wissenschaft – Wirtschaft und dem verbesserten Transfer von Wissen in Produkte liegen. Beispiele dafür sind unsere Christian-Doppler-Labors, von denen bis heute mehr als 150 CD-Labors seitens des Wirtschaftsministeriums unterstützt wurden, das COMET-Programm, die Wissenstransferzentren und ganz aktuell die Förderung von Inkubatoren und Akzeleratoren über das neue Pilotprogramm „Jump-Start“. Darüber hinaus fördern wir die Umstellung auf Industrie 4.0 mit Maßnahmen in Höhe von 30 Millionen Euro.
 
Chemiereport:  Sie nehmen am 2. September beim Europäischen Forum Alpbach an einer Podiumsdiskussion zum Thema Investitionslücke in Europa – wie Wachstum stärken?“ teil. Was sind Ihre Vorschläge?
Losch: Das wirtschaftliche Umfeld ist in Europa nach wie vor von geopolitischen Unsicherheiten und geringem Wachstum geprägt, weshalb auch die Investitionen der Unternehmen schwächeln. Es braucht also einerseits vertrauensbildende und andererseits stimulierende Maßnahmen. Zentrales Element auf europäischer Ebene ist hier der Investitionsplan für Europa, den auch Österreich unterstützt. National erwarten wir uns unter anderem vom Alternativfinanzierungsgesetz verbesserte Möglichkeiten zur Finanzierung von Unternehmen durch Crowdfunding. Über die Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) bieten wir zudem Garantien und besonders zinsgünstige ERP-Kredite an, um die Finanzierung zu unterstützen.
 
Chemiereport: Es gibt Kritik an der unübersichtlichen Förderlandschaft. Was sind die wichtigsten Verbesserungsmöglichkeiten?
Losch: Österreich hat ein sehr ausdifferenziertes Forschungsfördersystem, das sich bewährt hat und auch bei internationalen Unternehmen, die sich bei uns ansiedeln, als attraktiver Standortfaktor gilt. Auf Bundesebene haben wir mit der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und der aws zwei Agenturen, die den Hauptteil der FTI-bezogenen Förderungen abdecken und den Unternehmen und anderen Forschungsinstitutionen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. FFG und aws werden außerdem ihre Zusammenarbeit in nächster Zeit noch deutlich vertiefen, mit dem Ziel die Kunden beider Häuser administrativ zu entlasten, etwa durch abgestimmte Einreichunterlagen.
 
Chemiereport: Wird die FFG das hohe Niveau an Unterstützungsleistungen für die innovative österreichische Wirtschaft weiterhin halten können?
Losch: Die FFG hat im Vorjahr 460 Millionen Euro an Förderungen ausbezahlt, das waren fünf Prozent mehr als im Jahr davor. Darüber hinaus hat die Bundesregierung auf Initiative des Wirtschaftsministeriums die Forschungsprämie im Zuge der Steuerreform von zehn auf zwölf Prozent erhöht. Das setzt neue Anreize und macht Österreich als Standort für die F&E-Abteilungen internationaler Unternehmen noch attraktiver.
 
Chemiereport: Im Rahmen der FTI-Strategie hat sich Österreich das Ziel gesetzt, bis 2020 eine F&E-Quote von 3,76 Prozent des BIP zu erreichen. Nach neuesten Berechnungen wird die Quote heuer bei 3,01 Prozent liegen. Welche Maßnahmen wird das BMWFW zur Zielerreichung setzen?
Losch: Klar ist, dass dieses Ziel der FTI-Strategie großer Anstrengungen bedarf, es geht aber in die richtige Richtung: Heuer steigen die Forschungsausgaben auf ein Rekordniveau von über zehn Milliarden Euro. Mit drei Prozent hat Österreich die viertbeste Forschungsquote in der Europäischen Union. Aktuell wurden im Zusammenhang mit der eben beschlossenen Steuerreform wichtige Impulse im Bereich F&E gesetzt, zum Beispiel die Erhöhung der Forschungsprämie oder die Forcierung von Alternativfinanzierung über Crowdfunding.
 
Chemiereport: Österreich gibt zwar immer mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus, fällt aber im EU-Innovationsvergleich zurück (2009 Platz 6, heuer Platz 11). Wie ist dies zu erklären? Was ist zu tun, um gegenzusteuern?
Losch: Der Vergleich von Platzierungen ist gerade beim Innovation Union Scoreboard mit Vorsicht zu genießen, weil es fast jährlich Änderungen in den Berechnungsmethoden und Kriterien gibt. Österreich ist auch in der absoluten Gesamtperformance nicht schlechter geworden, Faktum ist aber, dass andere Länder ihre Bemühungen noch stärker forciert haben. Zusätzlich zur ausreichenden Dotierung von Forschung und Entwicklung treiben wir daher die Umsetzung der FTI-Strategie mit dem Forschungsaktionsplan weiter voran. Hier wurden in sechs Aktionslinien 50 Maßnahmen erarbeitet, die wir systematisch abarbeiten. Auch die Leitbetriebe-Standortstrategie enthält wichtige strukturelle Maßnahmenvorschläge, von denen viele bereits umgesetzt und eingeleitet wurden.