Archive - Jul 2017

July 14th

Triclosan: BASF Grenzach unterliegt ECHA

Eine Tochter des deutschen Chemiekonzerns BASF muss der Chemikalienagentur die verlangten Informationen über Persistenz, Bioakkumulation und Toxizität des Kosmetika-Konservierungsstoffs liefern.

 

Verloren hat die BASF Grenzach, eine Tochter des BASF-Konzerns, einen Rechtsstreit um eine Entscheidung der europäischen Chemikalienagentur ECHA. Dabei ging es um das Bakterizid Triclosan, das die BASF Grenzach als Konservierungsstoff für Kosmetika einsetzt. Am 19. September 2014 verpflichtete die ECHA das Unternehmen, ihr Informationen hinsichtlich der Persistenz, der Bioakkumulation und der Toxizität von Triclosan zu übermitteln. Um diese liefern zu können, musste die BASF Grenzach drei einschlägige Studien durchführen. Eine davon bezog sich auf den Endabbau der Substanz im Oberflächenwasser sowie im Meerwasser. Bei den beiden anderen handelte es sich um Tierversuche, um die Entwicklungs- und Reproduktionsneurotoxizität von Triclosan bei Ratten sowie die Auswirkungen des Stoffes auf die sexuelle Entwicklung von Fischen festzustellen. Einen Einspruch gegen diese Entscheidung verwarf die Widerspruchskammer der ECHA am 19. Dezember vergangenen Jahres. Gleichzeitig verlängerte sie die Frist zur Vorlage der Informationen bis zum 26. Dezember 2018.

 

Dagegen klagte die BASF Grenzach beim Europäischen Gericht. Überdies stellte sie einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Sie behauptete, die Tierversuche nicht durchführen zu können. Andernfalls verstoße sie gegen die Kosmetikverordnung, die Tierversuche mit Kosmetika bzw. deren Inhaltsstoffen verbiete. Damit drohten ihr - möglicherweise auch strafrechtliche - Konsequenzen. Ferner laufe sie Gefahr, den gesamten Markt für Triclosan zu verlieren, weil die Kunden infolge der ECHA-Entscheidung eventuell auf andere Bakterizide umsteigen würden.

 

Mit Entscheidung vom 14. Juli wies das Gericht diese Argumente und damit auch die Begehren zurück. Wenn die ECHA die BASF Grenzach zu Tierversuchen verpflichtet habe, könne das Unternehmen nicht für deren Durchführung bestraft werden. Und was den Verlust des Triclosanmarktes betreffe, handle es sich um einen finanziellen Schaden. Doch dieser sei „nicht als irreparabel anzusehen, da in der Regel ein Ersatz in Geld den Geschädigten wieder in die Lage versetzen kann, in der er sich zuvor befand“. Außerdem habe die BASF Grenzach keine Angaben zur Bedeutung des Triclosanmarktes für sie und ihren Mutterkonzern gemacht.

 

Von BASF liegt bis dato keine Stellungnahme vor.

Mikroplastik: Warnung vor unsauberen Studien

Bernhard Lendl, Professor für Analytische Chemie an der TU Wien, warnt vor der Verfälschung von Studien zur Kunstfaser-Belastung von Meeresproben durch Einträge aus dem Labor.

In den vergangenen Jahren sind immer wieder Studien bekannt geworden, die behaupteten, ein großer Teil des in den Ozeanen zu findenden „Mikroplastiks“ bestehe aus Kunstfasern (etwa aus Viskose oder Polyester). Auch in großer Tiefe sollen derartige Partikel nachgewiesen worden sein. „Wenn man in Wasserproben nach Kunststoffen sucht, dann besteht immer die Gefahr, dass die nachgewiesenen Substanzen gar nicht aus der Probe selbst stammen, sondern aus der Laborumgebung“, wird Lendl in einer Aussendung der TU Wien zitiert. In vielen Forschungsgruppen hat man dies insofern berücksichtigt, als Kleidung aus Kunstfasermaterial aus den Labors verbannt wurde.

Lendl und sein Team konnten nun aber zeigen, dass auch Cellulosefasern, die z.B. von Labormänteln aus Baumwolle stammen können, bei den bisher angewandten Methoden nicht von Kunstfasern unterschieden werden können. Die Analytiker bedienen sich beim Nachweis derartiger Materialien zumeist der Infrarot-Spektroskopie. Mit dieser könne jedoch nur dann zwischen  Kunstfasern und natürlichem Material unterschieden werden, wenn die richtige Methode gewählt wird und die Messparameter sorgfältig gesetzt werden, wie Lendl betont: „Unseren Ergebnissen nach dürfte es sich bei den angeblich in großer Meerestiefe gefundenen Kunstfasern einfach um einen Messfehler handeln.“

Lendl will das Problem der Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffe nicht verharmlosen, mahnt aber eine sorgfältige Vorgehensweise ein: „Wenn es darum geht, Mikroplastik-Spuren nachzuweisen, muss man die passenden wissenschaftlichen Methoden wählen. Alles andere ist unseriös und hilft weder dem Ozean noch der Wissenschaft.“

 

 

July 13th

Neuer Country-Manager bei Novartis

Der Niederländer Ard van der Meij übernimmt als neuer „Country President“ die Geschäftsführung der Novartis Austria GmbH.

Van der Meij bleibt darüber hinaus Vorstandsvorsitzender der Sandoz GmbH in Kundl und wird weiterhin von Tirol aus tätig sein. Der studierte Pharmazeut, der seit 22 Jahren für die Novartis-Gruppe arbeitet, repräsentiert in dieser Funktion die Novartis-Gesellschaften Novartis Pharma GmbH, Sandoz GmbH und Alcon Ophthalmika GmbH und leitet das Country Executive Committee. Er löst damit George Zarkalis ab, der in der Konzernzentrale in Basel die Position „Global Head Sales & Key Account Management Execution“ übernimmt.

Novartis beschäftigt in Österreich rund 5.000 Mitarbeiter und produziert Produkte, die in mehr als 100 Länder geliefert werden. Laut einer Studie des Ökonomen Gottfried Haber von der Donau-Universität Krems ist das Unternehmen mit einer Inlands-Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für 0,41 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts verantwortlich.

July 6th

Lanxess fasst Additiv-Linien zusammen

Der deutsche Chemiekonzern Lanxess hat sein Produktlinien an Kautschuk- und Kunststoff-Additiven sowie an Additiven für die Farbenindustrie in der Business Unit „Rhein Chemie“ zusammengefasst, die den Namen einer Traditionsmarke im Kautschukgeschäft trägt.

Verantwortet wird der Geschäftsbereich, in dem nun Wirkstoffpräparate, Spezialchemikalien und Prozesshilfsmitteln für die Kautschuk-, Kunststoff- und Farbenindustrie gebündelt sind, von Philipp Junge, der die ähnliche Ausrichtung der verschiedenen, teilweise kleinvolumigen Linien betont. In der Business Unit arbeiten zurzeit rund 1.000 Mitarbeiter, die mit mehr als 2.000 Produkten mehr als 3.000 Kunden in 120 Ländern bedienen. Gemeinsam mit dem Geschäftsbereich „Additives“, der aus dem Schmierstoff- und Flammschutzadditiv-Portfolio des im April übernommenen US-Herstellers Chemtura  gebildet wurde, gehört die Rhein Chemie in der Organisationsstruktur von Lanxess zum Segment „Specialty Additives“.

 

 

 

VCI begrüßt JEFTA

 

Der Fachverband der deutschen Chemieindustrie hält das geplante Freihandelsabkommen mit Japan für positiv. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

 

Positiv bewertet der deutsche Verband der Chemischen Industrie (VCI) die politische Grundsatzeinigung bezüglich des geplanten Freihandelsankommens zwischen der EU und Japan (JEFTA). Laut Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann exportierte die deutsche Chemieindustrie 2016 Chemikalien und Pharmazeutika im Wert von 4,3 Milliarden Euro nach Japan. Dem standen Importe von rund 2,8 Milliarden gegenüber. Tillmann zufolge ist Japan der „viertgrößte Chemieproduzent der Welt. Die Beziehungen mit Japan zeigen, welche Bedeutung Freihandel für die exportintensive deutsche Chemieindustrie hat.“

 

Überschätzt werden sollte diese Bedeutung allerdings wohl auch wieder nicht: Laut der VCI-Broschüre „Chemiewirtschaft in Zahlen 2016“ machten die Exporte der deutschen Chemie- und Pharmabranche nach Japan 2015 gerade einmal 2,3 Prozent ihrer gesamten Ausfuhren aus. Der weit größte Handelspartner waren die EU-Mitgliedsstaaten mit einem Gesamtanteil von 56,1 Prozent. Ähnlich war die Lage bei den Importen: Auf Japan entfielen 2015 rund 2,1 Prozent der Gesamteinfuhren, auf die EU dagegen 61,1 Prozent. In der Sache geht es bei den Bestimmungen von JEFTA im Bereich der Chemieindustrie unter anderem um Pflanzenschutzmittel. Die EU-Kommission versichert, es würden „keine Sicherheitsstandards gesenkt und die Partner werden dadurch in keiner Weise verpflichtet, ihre inländische Politik zu Fragen wie dem Einsatz von Hormonen oder gentechnisch veränderten Organismen zu ändern“.

 

Unter Dach und Fach ist das Abkommen indessen noch keineswegs. Erst Ende des Jahres soll der entgültige Entwurf vorliegen, meldete die EU-Kommission. Anschließend ist JEFTA rechtlich zu prüfen, in sämtliche Amtssprachen der EU zu übersetzen und in der Folge den Mitgliedsstaaten sowie dem Europäischen Parlament zur Genehmigung zu übermitteln. Die Kommission strebt das Inkrafttreten des Abkommens für Anfang 2019 an.

 

Allerdings fehlt es nicht an kritischen Stimmen. Die handelspolitische Sprecherin der SPÖ im Europäischen Parlament, Karoline Graswander-Hainz, verlautete, „Sonderrechte für Investoren und private Schiedsgerichte sind für uns inakzeptabel“. Ferner müssten „das Vorsorgeprinzip und die Daseinsvorsorge gewahrt bleiben. Außerdem müssen wir das Nachhaltigkeitskapitel, das die Standards im Arbeits-, Umwelt-und Konsumentenrecht regelt, mit einem Sanktionsmechanismus ausstatten, damit es durchsetzbar wird“.

 

 

 

July 5th

Pharmaindustrie veröffentlicht „geldwerte Leistungen“

Mit 90 Millionen Euro lagen die Gesamtzuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte und Gesundheitseinrichtungen für Kooperationen unterschiedlicher Art 2016 auf dem Niveau von 2015.

 

Rund 90 Millionen Euro bezahlten die Mitglieder des Pharmaindustrieverbands Pharmig 2016 im Rahmen unterschiedlicher Kooperationen an Ärzte und Gesundheitseinrichtungen. Das berichteten Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber und der 1. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, Herwig Lindner, bei einer Pressekonferenz in Wien. Laut Huber entfielen etwa 33,8 Millionen Euro oder 38 Prozent des Gesamtbetrags an sogenannten „geldwerten Leistungen“ auf Veranstaltungen, also auf Teilnahmegebühren und Reisekosten im Zusammenhang mit wissenschaftlicher Fortbildung sowie auf die Unterstützung von Kongressen. Weitere 33,7 Millionen Euro (ebenfalls 38 Prozent) gaben die Pharmaunternehmen für Forschung und Entwicklung aus, insbesondere für klinische Studien. Dass sich die Zuwendungen der Pharmabranche dafür 2015 auf rund 54 Millionen Euro belaufen hatten, erklärte Huber mit nicht regelmäßig erfolgenden Meilensteinzahlungen bei den Studien. Dienst- und Beratungsleistungen wie das Halten von Vorträgen sowie die Mitarbeit in wissenschaftlichen Beiräten schlugen mit 14,7 Millionen Euro oder 16 Prozent der Gesamtsumme zu Buche. Rund 7,7 Millionen Euro (acht Prozent) schließlich wandte die Pharmaindustrie für Spenden und Förderungen an Krankenhäuser sowie Patientenorganisationen auf.

 

Huber erläuterte, der Gesamtbetrag liege auf dem Niveau von 2015. Die Offenlegungsrate, also der Anteil der namentlich Erwähnten, habe sich bei den Personen nicht erhöht und belaufe sich nach wie vor auf rund 20 Prozent. Bei den Einrichtungen sei dagegen ein Anstieg der Rate von 56,7 auf 62,4 Prozent zu verzeichnen gewesen. Huber zufolge funktioniert die freiwillige Offenlegung zufriedenstellend. Gesetzliche Regelungen seien nicht notwendig: „Wenn man etwas freiwillig tut, hat das einen höheren Stellenwert, weil man sich ja dazu bekennt. Gesetzliche Vorgaben werden dagegen manchmal eher widerwillig erfüllt.“ Er rief zu einer „positiven Berichterstattung“ auf, da kritische Meldungen eher abschreckend wirkten. Und die Pharmaindustrie, die Ärzte sowie die Gesundheitseinrichtungen müssten nun einmal zusammenarbeiten, um im Interesse der Patienten neue Arzneien zu entwickeln.

 

Lindner bestätigte dies und ergänzte, die Ärzteschaft und die Pharmaindustrie „haben nichts zu verbergen. Das ist alles legal und hat mit Korruption nichts zu tun“. Laut internen Vorgaben der Ärztekammer müsse jeder Zuwendung durch die Pharmaindustrie eine Leistung gegenüberstehen: „Das ist kein geschenktes Geld.“ Allerdings hätten manche Ärzte, die beim letzten Mal der Veröffentlichung ihres Namens zustimmten, dies heuer verweigert, weil es zu „unerwünschten Nebenwirkungen“ gekommen sei. Zwei steirischen Ärzten etwa habe die Personalabteilung ihres Krankenhauses mit dienstrechtlichen Konsequenzen gedroht, weil sie ihre Tätigkeiten für die Pharmaindustrie nicht als Nebenbeschäftigung gemeldet hatten. Auf die Frage des Chemiereports, ob sich dergleichen nicht mit einer klaren gesetzlichen Regelung vermeiden lasse, sagte Lindner: „Das glaube ich nicht. Ich bin ein Freund der Motivation, nicht ein Freund eines Gesetzes.“

 

Die Offenlegungen der geldwerten Leistungen der Pharmaunternehmen sind über www.transparenz-schafft-vertrauen.at zugänglich.

 

 

July 4th

„Gentherapie-Center kommt nach Orth“

Simone Oremovic, Vorstandsmitglied des britisch-amerikanischen Pharmakonzerns Shire in Österreich, über die Perspektiven der hiesigen Standorte und das kommende Gespräch mit Niederösterreichs Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav

 

Hinsichtlich der in Orth entfallenden Arbeitsplätze werden unterschiedliche Zahlen kolportiert. Um wie viele Arbeitsplätze geht es nun wirklich?

Wir haben 650 Positionen beim AMS Niederösterreich eingemeldet, um uns einen Puffer zu lassen für das normale Tagesgeschäft. Wenn eine Meldung an das AMS ergeht, fällt ja jede Position unter den AMS-Schutz, auch wenn das ein ganz normaler Abgang ist. Und als großes Unternehmen mit 4.000 Beschäftigten haben wir natürlich solche Fälle. Daher wurden in den einzelnen gemeldeten Kategorien sicherheitshalber jeweils etwa zehn Prozent draufgeschlagen. Jetzt in der Sekunde betroffen sind in Orth 500 Positionen.

 

In den Sozialplan werden Personen im Alter über 50 Jahren einbezogen. Wie viele der vom Stellenabbau betroffenen Personen sind über 50 Jahre alt?

Das können wir derzeit noch nicht sagen.Wir haben jetzt die Positionen evaluiert. Mit den Personen, die auf diesen Positionen sitzen, arbeiten wir nun sehr intensiv, weil wir ja andere offene Stellen im Unternehmen haben. Das heißt, vermutlich verlieren viel weniger als 500 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Wir werden den einzelnen Leuten sagen: Dein derzeitiger Arbeitsplatz fällt weg. Aber wir haben drei andere Positionen zu besetzen. Schau einmal, ist das für Dich spannend? Für manche trifft das zu, andere nehmen vielleicht lieber den Sozialplan. Festzuhalten ist: Als wir den Standort Krems geschlossen haben, ist es gelungen, fast die Hälfte der dort Tätigen auf anderen Positionen in Wien unterzubringen.

 

Wann werden Sie definitiv wissen, wie viele Personen gehen müssen und wer?

Etwa zwei Monate sind ein realistischer Zeitrahmen.Wir machen uns keinen besonderen Druck. Manche Positionen stehen erst in zwölf Monaten zur Disposition. Andere dagegen werden recht rasch wegfallen, weil eine Produktion einfach aufhört und wir die Kapazität nicht mehr brauchen. Bestimmte Stellen werden in die Zentrale nach Amerika verlagert. In diesen Fällen ist zu evaluieren, wie die Übergabepläne aussehen und wie lange wir die Leute noch brauchen. Das alles erfordert Diskussion mit den Mitarbeitern und ist dementsprechend komplex. Aber es war uns wichtig, dass jeder Mitarbeiter weiß, wie der Standort in zwölf Monaten ausschaut.

 

Wie geht es mit dem Standort Orth weiter?

Wir bekommen das Center of Excellence für die gesamte Gentherapie nach Orth. Das betrifft die Forschung und die Prozessentwicklung für sämtliche Gentherapien, an denen Shire arbeitet. In dieses Zukunftsfeld investiert Shire auch sehr stark. Nach derzeitigem Stand bleiben in Orth rund 300 Beschäftigte erhalten. Sie werden sich um das ganze Thema Gentherapie kümmern und in der Forschung auch um die Hämatologie, in der wir 30 Jahre Know-how haben.

 

Wo befindet sich das Center of Excellence für die Gentherapie derzeit?

Derzeit hat Shire noch keines. Der Bereich ist aufgeteilt auf verschiedene Standorte und wird nun in Orth zusammengezogen. Shire etabliert in allen Bereichen solche Centers of Excellence. Einige wandern leider nach Amerika. Das Center of Excellence für die Abfüllung (Fill-Finish) dagegen kommt nach Wien.

 

Wie viel wird in das Gentherapie-Center in Orth investiert?

Das steht noch nicht fest. Wir bauen das Zentrum in Orth jetzt einmal auf, überlegen uns, wie es strukturell aussehen wird, welche Schwerpunkte wir setzen wollen, wie es mit den Zeitleisten und mit dem Budget aussieht.

 

Sie sagten im „Trend“: „Es sollen neue Plasmamedikamente nach Österreich kommen, die früher extern gefertigt wurden.“ Um welche Medikamente geht es? Wie viel wird investiert?

Auch das kann ich leider noch nicht sagen. Wichtig ist: Es gibt ein klares Bekenntnis. Shire hat in der Vergangenheit viel extern durch Contract Manufacturer produzieren lassen. Nun kommt diese Produktion wieder in unser internes Netzwerk. Das ist eine schöne Anerkennung unserer Leistungen und unseres Know-hows. Hier rückt Shire von seiner ursprünglichen Strategie ab und sagt: Wir haben den Vorteil einer internen Produktion erkannt. Und auch Österreich wird eine Produktionsstätte bekommen.

 

Sie sagten im „Trend“, die Shire-Zentrale habe den Standort Österreich evaluiert „und festgestellt, dass Österreich im Standortvergleich mit Boston schlechter abschneidet. Es fehlt ein passender Campus, es gibt zu wenige Kooperationsmöglichkeiten und die Anbindung an die universitäre Forschung ist im Vergleich zu den USA zu dünn.“ Hat sich das die Zentrale denn nicht überlegt, bevor Shire in Österreich einstieg? Dass beispielsweise das MIT nicht in Österreich liegt, ist ja keine besonders überraschende Erkenntnis.

Natürlich nicht. Aber man kann eine Übernahme nicht platzen lassen, nur, weil einem ein einzelner Standort nicht so gut gefällt. Shire hat Baxalta gekauft. Und wenn man ein Unternehmen kauft, ist es oft so, dass 80 Prozent passen und die restlichen 20 Prozent eben restrukturiert werden müssen. Shire hat fast ein Jahr lang jeden einzelnen Standort untersucht, auch bei jedem einzelnen Standort verstanden, was die Vor- und Nachteile sind. Daraus entstand eine Netzwerk-Studie. Innerhalb dieser Studie haben sich eben einige Standorte in Österreich ergeben, wie jener für die Gentechnik und das Fill-Finish-Center in Wien. Andere Teile dagegen fallen weg. Und es ist nicht sehr erstaunlich, dass gerade diese wegfallen. Man kann niemandem einen Vorwurf machen, dass das MIT nun einmal nicht in Österreich ist.

 

Seitens niederösterreichischer Politiker und Arbeitnehmervertreter wurde unterstellt, bei dem Stellenabbau gehe es lediglich um Steuervermeidung. Die wirtschaftliche Entwicklung sei ausgezeichnet. In der „Presse“ verlautete, Ihrem Unternehmen zufolge sei dieser Vorwurf „aus dem Kontext gerissen“. Lässt sich das so interpretieren: Die Steuervermeidung ist nicht der einzige Grund, aber es ist sehr wohl ein Grund?

Nein, dieser Umkehrschluss stimmt nicht. Shire hat sein Hauptquartier in Irland. Dort wurde schon vor der Baxalta-Übernahme ein großes neues Werk gebaut. Den funkelnagelneuen Standort will man jetzt natürlich nutzen. Im Zuge dessen gehen Teile unserer Qualitätsabteilungen dorthin. Ob ursprünglich hinter dem Bau dieses Werks Steuerüberlegungen standen, kann ich nicht sagen. Das tut jetzt auch nichts zur Sache.

 

Die niederösterreichische Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav kündigte an, das Gespräch mit Shire zu suchen. Werden Gespräche mit dem Land Niederösterreich stattfinden?

Ja. An dem Tag, an dem wir die Umstrukturierungen ankündigten, versuchten wir um 8 Uhr früh, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Frau Landesrätin Bohuslav zu erreichen, hatten aber leider keinen Erfolg. Im Lauf des Tages sprachen wir jedoch mit beiden Damen. Mit Frau Landesrätin Bohuslav ist für den 6. Juli ein Folgegespräch vereinbart. Wir sind in regem Kontakt. Die Kooperation war auch immer sehr sehr gut. Das Land Niederösterreich hat alles richtig gemacht. Orth ist ein toller Standort mit ausgezeichneten Mitarbeitern. Niemandem ist ein Vorwurf zu machen. Aber wenn zwei Unternehmen zusammengehen und es doppelte Kapazitäten gibt, kommt es nun einmal leider zu Umstrukturierungen.

 

Frau Landesrätin Bohuslav bot die „Vernetzung zu bestehenden Forschungseinrichtungen“ an. Ist dies für Shire ein Thema?

Darüber sprechen wir am 6. Juli. Nicht zuletzt geht es darum, wo man die Mitarbeiter, die wir abbauen, unterbringen kann. Wir sind auch mit Boehringer-Ingelheim im Gespräch, die in Wien ja ausbauen und Mitarbeiter brauchen. Und wir haben Topleute mit teils jahrzehntelanger Erfahrung. Ich bin sicher, dass wir für viele davon einen guten Arbeitsplatz finden.

 

Die Vorgangsweise von Shire im Zusammenhang mit dem Stellenabbau hat teils erheblichen Unmut ausgelöst und das Image Ihres Unternehmens zumindest nicht verbessert. Landesrätin Bohuslav etwa nannte die Ankündigung einen „Schlag ins Gesicht“ und kritisierte, die Landespolitik sei von der Maßnahme nicht vorab informiert worden. Wäre das nicht vermeidbar gewesen?

Ich bin wegen des Arbeitsplatzabbaus wochenlang wachgelegen. Es ist nicht lustig, sich vor die Mitarbeiter hinstellen und ihnen so etwas sagen zu müssen. Nur: Ich habe keinen einzigen Menschen gefunden, der mir sagen hätte können, wie man das besser macht. Meine oberste Prämisse ist: Die Mitarbeiter erfahren es zuerst. Da fährt die Eisenbahn drüber. Und in der Sekunde, in der wir die Entscheidung getroffen haben, haben wir sie kommuniziert. Ich wüsste wirklich nicht, was transparenter sein könnte, als den Leuten zwölf Monate im Voraus zu sagen, was Sache ist.

 

Eine allgemeinere Frage zum Wirtschaftsstandort Österreich: Die Sozialpartner haben sich auf den Mindestlohn verständigt, aber nicht auf die Arbeitszeitflexibilisierung. Wie beurteilen Sie das?

Das ist natürlich schade und eine verpasste Chance. Der Mindestlohn ist sicher zu begrüßen, wenngleich wir mit unserem Kollektivvertrag längst auf bzw. über diesem Niveau sind und das unsere Belegschaft daher nicht wirklich betrifft. Man muss darauf schauen, dass alle Menschen in Österreich ein gewisses Lebensniveau haben. Das hilft dem Land ganz sicher. Ich glaube auch nicht, dass man diese Themen als Tauschgeschäft sehen sollte, nach dem Motto: Ich gebe Euch den Mindestlohn, wenn Ihr mir die Arbeitszeitflexibilisierung gebt. Dieses Feilschen und Abtauschen ist nicht meins. Aber die Arbeitszeitflexibilisierung muss kommen. Wir brauchen sie als Standort wie einen Bissen Brot.

 

July 3rd

Lackindustrie: Erfolg trotz schwieriger Bedingungen

Die österreichische Lackindustrie erreichte 2016 erstmals das Vorkrisenniveau von 2008, muss sich aber mit teuren Rohstoffen und wuchernder Regulierung herumschlagen.

 

Rein rechnerisch sieht die Bilanz der österreichischen Lackindustrie für 2016 nicht schlecht aus: Der Umsatz stieg um 3,1 Prozent auf rund 430 Millionen Euro an, die Produktionsmenge konnte um 5,5 Prozent auf 161.000 Tonnen gesteigert werden. Das bedeutet aber auch, dass man erst jetzt wieder jenes Absatzniveau erreicht hat, auf dem man bereits 2008 war, bevor Finanz- und Konjunkturkrise zu einem deutlichen Einbruch der Ergebnisse geführt hatten. Die stark Export-orientierte Branche ist zudem von zahlreichen Unsicherheiten durch die internationale Politik (etwa in den potenziellen Wachstumsmärkten Russland und Türkei) oder die Dynamik in der Automobilindustrie betroffen.

Sorge bereitete den Vertretern der Berufsgruppe Lack im Fachverband der chemischen Industrie, die zu ihrer jährlichen Pressekonferenz baten, auch die Rohstoffsituation. Preissteigerungen auf dem Chemikalien-Markt könnten nicht an die Kunden weitergegeben werden, zu dem komme es zu Verknappungen bei einzelnen Lösungsmitteln und Plattformchemikalien, die für die Herstellung von Harzen von Bedeutung sind. Vor kurzem wurde für das wichtige Weißpigment Titandioxid vom Ausschuss für Risikobeurteilung der europäischen Chemikalienbehörde ECHA  eine Einstufung als krebserregende Kategorie 2 („kann vermutlich bei Inhalation Krebs erzeugen“) vorgeschlagen, was die Lackindustrie für sachlich unbegründet hält. Die Substanz darf zwar weiterhin in Lackprodukten zum Einsatz kommen, diese müssen aber entsprechend gekennzeichnet werden. Kritisiert wird, dass damit auf eine Gefahr hingewiesen wird, die beim Einsatz von Lacken gar nicht besteht: Die Einstufung stütze sich auf Versuche an Ratten, die hohen Konzentrationen von Titandioxid-Stäuben ausgesetzt waren. Zu einer staubförmigen Exposition komme es beim Einsatz des Pigments in flüssigen Beschichtungsmitteln aber gar nicht.

 

Harmonisiertes Umweltzeichen gefordert

Zudem wiederholten Berufsgruppen-Obmann Hubert Culik und seine Stellvertreter die Forderung nach einem einheitlichen Umweltzeichen mit einfachem Zertifizierungs-Procedere. Auf europäischer Ebene sind die Industrievertreter an der Entwicklung harmonisierter Nachhaltigkeitsparameter beteiligt. Klaus Schaubmayer, Geschäftsführer der Berufsgruppe Lack forderte vom österreichischen Umweltministerium, diese zu übernehmen und einen unbürokratischen Zugang zu einem vereinheitlichen Umweltzeichen zu ermöglichen.

 

 

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